Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristetes Arbeitsverhältnis nach dem HRG; Höchstbefristungsgrenze; Vertragsverlängerung nach einer Unterbrechungszeit wegen Mutterschutz und Erziehungsurlaub
Leitsatz (amtlich)
1. Das Vorliegen des Unterbrechungstatbestandes des § 57 c Abs. 6 Nr. 3 HRG wegen der Gewährung von Erziehungsurlaub setzte voraus, daß während des Erziehungsurlaubs keine Beschäftigung erfolgt ist.
2. Der Unterbrechungstatbestand des § 57 c Abs. 6 Nr. 1 HRG wegen einer Verkürzung der Arbeitszeit für die Wahrnehmung familiärer Betreuungsaufgaben gilt nicht für diejenigen Zeitverträge nach dem HRG, die vor dem 22. Dezember 1990 vereinbart worden sind.
Normenkette
HRG § 57b Abs. 2 Nr. 3, § 57c Abs. 2, 6 Nrn. 1, 3, § 57f S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 24. September 1997 – 18 Sa 51/97 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.
Die Klägerin war seit dem 1. Januar 1989 an der F als wissenschaftliche Mitarbeiterin befristet beschäftigt. Nach der vertraglichen Vereinbarung vom 5. Januar 1989 war die Befristung für die Zeit vom 1. Januar 1989 bis zum 31. Dezember 1993 auf § 57 b Abs. 2 Nr. 3 HRG gestützt.
Die Klägerin befand sich in der Zeit vom 9. Juli bis zum 11. Oktober 1989 in Mutterschutz und wurde nicht beschäftigt. Aufgrund von Änderungsverträgen war sie in dem sich anschließenden Erziehungsurlaub in der Zeit vom 12. Oktober 1989 bis zum 14. Juli 1991 mit 18 Wochenarbeitsstunden tätig und seit dem 15. Juli 1991 wieder in Vollzeit beschäftigt. In der Zeit vom 16. Mai bis zum 19. August 1992 arbeitete die Klägerin aufgrund gesetzlicher Mutterschutzfristen nicht. Während des darauf folgenden Erziehungsurlaubs übte sie aufgrund eines Änderungsvertrags in der Zeit vom 1. Januar 1993 bis zum 31. Dezember 1993 eine Teilzeitarbeit in Höhe von 19 Wochenarbeitsstunden aus.
Nachdem die Klägerin eine Verlängerung ihres Arbeitsverhältnisses um die Zeiten ihres Mutterschutzes und des Erziehungsurlaubs beantragt hatte, teilte die Beklagte mit, daß die Zeiten der Mutterschutzfrist und der vollständigen Beurlaubung nach dem BErzGG nach § 57 c Abs. 6 Nr. 3 HRG nicht auf die Dauer des befristeten Arbeitsvertrags angerechnet würden. Die Zeiten der Teilzeitbeschäftigung während des Erziehungsurlaubs könnten nach § 57 c Abs. 6 Nr. 1 HRG nur bis zu einer Höchstdauer von zwei Jahren nicht angerechnet werden. Daraufhin vereinbarten die Parteien am 4. November 1993 die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum 21. Oktober 1996.
Die Klägerin hat die Befristung ihres Arbeitsvertrags wegen Überschreitens der zulässigen Höchstbefristungsdauer für unwirksam gehalten. Sie hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin bei der Beklagten über den 21. Oktober hinaus zu den bisherigen Bedingungen fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, die Zeiten der zulässigen Teilzeitbeschäftigung der Klägerin während des Erziehungsurlaubs seien bis zu einem Zeitraum von zwei Jahren auf die Befristungsdauer des Vertrags vom 5. Januar 1989 nicht anzurechnen gewesen. Im übrigen sei durch die Zusatzvereinbarung vom 4. November 1993 eine wirksame Befristung bis zum 21. Oktober 1996 vereinbart worden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß die Befristung des Arbeitsvertrags vom 5. Januar 1989 aufgrund der Vertragsverlängerung vom 4. November 1993 die fünfjährige Höchstbefristungsgrenze des § 57 c Abs. 2 HRG überschreitet und demnach unwirksam ist.
1. Nach § 57 c Abs. 2 Satz 1 HRG kann ein befristeter Arbeitsvertrag, der auf den Sachgründen des § 57 b Abs. 2 Nr. 1 – 4 HRG beruht, nur bis zu einer Dauer von fünf Jahren abgeschlossen werden. Diesen Zeitraum haben die Parteien mit der Vereinbarung eines nach § 57 b Abs. 2 Nr. 3 HRG für die Zeit vom 1. Januar 1989 bis zum 31. Dezember 1993 befristeten Arbeitsvertrags ausgeschöpft.
2. Auf die fünfjährige Laufzeit des Vertrags vom 5. Januar 1989 waren auf Antrag der Klägerin nicht anzurechnen diejenigen Zeiten, in denen sie aufgrund eines Beschäftigungsverbots nach dem MuSchG und einer Beurlaubung nach dem BErzGG tatsächlich nicht beschäftigt worden war. Das folgt aus § 57 c Abs. 6 Nr. 3 HRG. Nach dieser Vorschrift hat die Klägerin einen Anspruch auf eine befristete Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses, weil sie während dieser Unterbrechungszeiträume als wissenschaftliche Mitarbeiterin nicht gearbeitet hat. Dazu kann sie von der Beklagten den Abschluß eines weiteren Zeitvertrags verlangen, dessen Dauer dem zulässigen Unterbrechungszeitraum entspricht. Die Beklagte ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 57 c Abs. 6 Nr. 3 HRG zu einem entsprechendem Vertragsschluß verpflichtet (vgl. BAG Urteil vom 24. April 1996 – 7 AZR 428/95 – BAGE 83, 52 = AP Nr. 10 zu § 57 b HRG zu der gleichlautenden Vorschrift des § 1 Abs. 6 ÄArbVrtG). Dieser Vertrag dient nach dem Gesetzeszweck dazu, den wissenschaftlichen Mitarbeiter von dem Verlust von Beschäftigungsansprüchen in einem ohnehin zeitlich begrenzten Arbeitsverhältnis zu bewahren und ihm die Möglichkeit zu geben, den Beschäftigungszeitraum für die nach § 57 b Abs. 2 Nr. 1 – 4 HRG vorgegebenen Verwendungen vollständig zu nutzen. Ein solcher Vertrag, dessen Dauer mit einem zulässigen Unterbrechungszeitraum deckungsgleich ist, hat auf die Berechnung der Höchstbefristungsgrenze keinen Einfluß (ErfK/Müller-Glöge § 57 c HRG Rn 27).
3. Die Beklagte war weder nach § 57 c Abs. 6 Nr. 3 HRG in der bis zum 20. August 1998 geltenden Fassung noch nach § 57 c Abs. 6 Nr. 1 HRG verpflichtet, das Arbeitsverhältnis auch für die Dauer derjenigen Zeiten fortzusetzen, in denen die Klägerin während ihrer Erziehungsurlaube als wissenschaftliche Mitarbeiterin eine zulässige Teilzeitbeschäftigung ausgeübt hat. In dem die Beklagte das Vertragsverhältnis der Parteien um zumindest zwei weitere Jahre fortgesetzt hat, übersteigt die Gesamtlaufzeit der auf § 57 b Abs. 2 Nr. 3 HRG gestützten Verträge vom 5. November 1989 und vom 4. November 1993 die Höchstgrenze des § 57 c Abs. 2 HRG.
a) Die Klägerin hat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts in der Zeit vom 12. Oktober 1989 bis zum 14. Juli 1991 und in der Zeit vom 1. Januar 1993 bis zum 31. Dezember 1993 als wissenschaftliche Mitarbeiterin während ihres Erziehungsurlaubs eine Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 18 bzw. 19 Wochenstunden ausgeübt. Das schließt eine Nichtanrechnung dieser Zeiten auf die Dauer des nach § 57 b Abs. 2 Nr. 3 HRG befristeten Arbeitsvertrags vom 5. Januar 1989 aus. Das folgt aus dem Wortlaut der Vorschrift und der Gesetzessystematik.
aa) Der Nichtanrechnungstatbestand des § 57 c Abs. 6 Nr. 3 HRG in der Fassung des Art. 1 des Gesetzes über befristete Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem Personal an Hochschulen und Forschungseinrichtungen vom 14. Juni 1985 (HFVG BGBl. I, 1065) setzte nach seinem Wortlaut voraus, daß während einer Beurlaubung nach dem BErzGG keine Beschäftigung erfolgt. Danach schließt jede Teilzeitbeschäftigung, auch soweit sie nach § 15 Abs. 4 BErzGG während des Erziehungsurlaubs zulässig ist, die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nach Maßgabe des § 57 c Abs. 6 Nr. 3 a.F. HRG aus.
bb) Dieses Auslegungsergebnis wird auch von der Gesetzessystematik bestätigt. Mit Art. 1 HFVG hat der Gesetzgeber ein geschlossenes Regelungssystem für die Befristung von Arbeitsverträgen mit wissenschaftlichen Mitarbeitern an Universitäten in das HRG eingefügt. Dazu normiert § 57 b Abs. 2 Nr. 1 – 5 HRG eigenständige Sachgründe für eine Befristung und überläßt die Befristungsdauer nach § 57 c Abs. 1 HRG der vertraglichen Vereinbarung, für die § 57 c Abs. 2 HRG eine zeitliche Höchstgrenze von fünf Jahren bestimmt. Im Anschluß daran regelt § 57 c Abs. 6 HRG die Voraussetzungen, unter denen die Dauer des Arbeitsverhältnisses mit Einwilligung des wissenschaftlichen Mitarbeiters verlängert werden kann. Diese Verlängerung erfaßte nach der ursprünglichen Fassung des § 57 c Abs. 6 Nr. 1 – 4 HRG durch Art. 1 des HFVG nur diejenigen Zeiten einer Beurlaubung oder Freistellung, die mit einem vollständigen Verlust von Beschäftigungsansprüchen während der Dauer des Unterbrechungstatbestandes verbunden waren. Diese Systematik ist erst durch eine Erweiterung der Nichtanrechnungstatbestände wegen der Wahrnehmung familiärer Betreuungsaufgaben, Aufgaben der Frauenförderung sowie der Personal- und Schwerbehindertenvertretung um bestimmte Zeiten der Arbeitszeitreduzierung durch Art. 1 des Gesetzes über die Verlängerung von befristeten Dienst- und Arbeitsverhältnissen mit wissenschaftlichem Personal sowie mit Ärztinnen und Ärzten in der Weiterbildung vom 15. Dezember 1990 (BGBl. I, 2806) geändert worden, ohne daß der Gesetzgeber die Vorschrift des § 57 c Abs. 6 Nr. 3 HRG um Zeiten einer zulässigen Teilzeitarbeit ergänzt hätte. Erst mit der Neuregelung der § 57 c Abs. 6 Nr. 3 HRG durch das Vierte Änderungsgesetz zum HRG vom 20. August 1998 (BGBl. I, 2190) ist dieser Nichtanrechnungstatbestand auch um Zeiten erweitert worden, in denen während eines Erziehungsurlaubs eine zulässige Teilzeitbeschäftigung erfolgt. Diese vom Gesetzgeber vorgenommene „Klarstellung”, (BT-Drucks. 13/8796, S. 29) bezieht sich demnach auf die zwischenzeitlich vorgenommene Erweiterung der Nichtanrechnungstatbestände des § 57 c Abs. 6 HRG um Zeiten der Arbeitszeitermäßigungen, nicht jedoch darauf, daß auch nach früherem Recht auf Antrag eine Nichtanrechnung um Zeiten einer erziehungsgeldunschädlichen Teilzeitbeschäftigung hätte erfolgen müssen.
b) Die Beklagte war zu einer Nichtanrechnung dieser Zeiten auch nach § 57 c Abs. 6 Nr. 1 HRG nicht verpflichtet, weil diese Vorschrift, soweit sie einen Unterbrechungszeitraum wegen der darin geregelten Arbeitszeitermäßigung in Folge der Wahrnehmung familiärer Betreuungsaufgaben regelt, auf das vorliegende Vertragsverhältnis keine Anwendung findet. Das folgt aus § 57 f Satz 2 HRG. Danach findet der um diese Arbeitszeitermäßigung ergänzte Nichtanrechnungstatbestand des § 57 c Abs. 6 Nr. 1 HRG Anwendung auf Verträge, die erst ab dem 22. Dezember 1990 vereinbart worden sind. Die Vorschrift gilt nicht für die bereits zuvor abgeschlossenen Verträge, die der Gesetzgeber ausdrücklich ausgenommen haben wollte (vgl. BT-Drucks. 11/8304, S. 7, 8). Da die Parteien ihr nach dem HRG befristetes Vertragsverhältnis bereits am 5. Januar 1989 begründet hatten, kommt für dieses Vertragsverhältnis der Nichtanrechnungstatbestand einer Arbeitszeitreduzierung im Sinne des § 57 c Abs. 6 Nr. 1 HRG nicht in Betracht. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß die Parteien über die Herabsetzung der Arbeitszeit und die Beschäftigung der Klägerin während des Erziehungsurlaubs zuletzt am 4. August 1992 eine vertragliche Vereinbarung geschlossen haben. Dabei hat es sich nicht um den Neuabschluß eines Arbeitsvertrags, sondern um die Ergänzung eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses mit lediglich vorübergehend geänderten Arbeitsbedingungen gehandelt.
4. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann die Befristung der Zusatzvereinbarung vom 4. November 1993 auch nicht auf einen Sachgrund außerhalb des HRG gestützt werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten beruht diese Befristung nicht auf einem Wunsch der Klägerin. Zwar kann nach der Senatsrechtsprechung der Wunsch eines Arbeitnehmers auf eine vorübergehende Beschäftigung eine Befristung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigen, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses objektive Anhaltspunkte vorliegen, die auf ein Interesse des Arbeitnehmers an einer lediglich befristeten Beschäftigung schließen lassen (BAG Urteil vom 6. November 1996 – 7 AZR 909/95 – AP Nr. 188 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag). Die Klägerin hat zwar eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses mit Blick auf konkrete Nichtanrechnungstatbestände im Sinne des § 57 c Abs. 6 HRG verlangt. Daraus folgt jedoch nicht, daß ihr Vertragswille ausschließlich auf eine weitere Befristung gerichtet war. Ungeachtet dessen spricht auch die vertragliche Vereinbarung dafür, daß die Befristungsvereinbarung auf § 57 b Abs. 2 Nr. 3 HRG i.V.m. § 57 c Abs. 6 HRG gestützt werden sollte. Denn die Zusatzvereinbarung regelt nicht nur, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, daß die Bedingungen des Vertrags vom 5. Januar 1989 fortgelten sollten. Darüber hinaus weist die Zusatzvereinbarung auch ausdrücklich auf die Höchstfrist des § 57 c Abs. 2 HRG hin, die für Zeitverträge außerhalb des HRG bedeutungslos ist.
5. Überschreitet die Befristungsdauer die Höchstgrenze des § 57 c Abs. 2 HRG, hat das die Unwirksamkeit der Befristung zufolge. Auf die Gründe, die zu einem Verstoß gegen das gesetzliche Höchstbefristungsverbot geführt haben, kommt es demnach nicht an.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dörner, Schmidt, Bepler, Schiele, Seiler
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 03.03.1999 durch Siegel, Amtsinspektorin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436092 |
BB 1999, 1506 |
NVwZ-RR 1999, 664 |
NZA 1999, 1049 |
AP, 0 |
WissR 1999, 380 |