Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung wegen Auflösung eines Kulturorchesters. Personalratsbeteiligung
Leitsatz (redaktionell)
Parallele zu 2 AZR 813/95
Normenkette
KSchG § 1; PersVG LSA § 61 ff., § 98 Abs. 6
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 20. Oktober 1995 – 6 Sa 1197/94 – aufgehoben.
2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stendal vom 7. September 1994 – 5 Ca 56/94 – wird zurückgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer von der beklagten Stadt ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung der Klägerin.
Die am 12. August 1960 geborene Klägerin, die einem Kind gegenüber unterhaltspflichtig ist, ist seit dem 1. August 1990 bei der beklagten Stadt bzw. deren Rechtsvorgängerin als Orchestermusikerin am Theater … (im folgenden TdA) mit einem monatlichen Bruttoverdienst von zuletzt 3.549,73 DM beschäftigt.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft einzelarbeitsvertraglicher Vereinbarung der Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) vom 1. Juli 1971 in der jeweils geltenden Fassung Anwendung.
Bei der beklagten Stadt gibt es zwei Personalräte, einen Personalrat der Stadtverwaltung und einen Personalrat am TdA. Einen Gesamtpersonalrat gibt es nicht.
Der Intendant des TdA ist nach seinem Dienstvertrag zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern berechtigt. Die inhaltliche Ausgestaltung und Festlegung der Spielpläne liegt im Verantwortungsbereich des Intendanten. Der Haushalt des TdA stellt einen Unterabschnitt im Gesamthaushalt der Stadt dar. Der Intendant ist aufgrund einer Dienstanweisung der beklagten Stadt vom 15. Juni 1993 zur Ausübung der dem Dienststellenleiter obliegenden Aufgaben und Angelegenheiten nach dem PersVG LSA befugt.
Am TdA waren Anfang 1993 über 220 Personen beschäftigt. Es handelte sich um die Hauptbereiche „Schauspiel”, „Musiktheater”, „Tanztheater” und das aus über 50 Mitgliedern bestehende Orchester, d.h. das Theater wurde bis zum Ende der Spielzeit 1993/1994 (31. Juli 1994) als sogenanntes Drei-Sparten-Theater mit Orchester geführt, wobei das Orchester die Musik-, Tanz- und Schauspielaufführungen begleitete.
Am 10. Mai 1993 faßte die Stadtverordnetenversammlung in öffentlicher Sitzung folgenden Beschluß:
„Das Theater … wird auf 100 Stellen ab der Spielzeit 1994/95 reduziert. Hierzu werden die Sparten Musik- und Tanztheater geschlossen. Die Stellenkürzungen sind, soweit ein Abbau auf 100 Stellen nicht allein durch Einsparungen im künstlerischen Bereich realisiert werden kann, auch in den übrigen Abteilungen durchzuführen. Das Theater … wird ab der Spielzeit 1994/95 als einspartiges Schauspieltheater betrieben.”
Bei dieser Beschlußfassung hielten sich die drei Stadtverordneten L., Qu. und K., die zugleich Beschäftigte des TdA sind, im Zuschauerbereich des Ratssaales auf, wirkten dabei aber weder beratend noch entscheidend mit.
In einer gemeinsamen Beratung am 13. Mai 1993 zwischen der Intendanz und dem Personalrat des TdA wurde das Ende der Spielzeit 1993/94 einvernehmlich auf den 31. Juli 1994 festgesetzt. Dabei informierte die Theaterführung die Personalratsmitglieder über den Verkleinerungsbeschluß der Stadtverordnetenversammlung und erörterte zugleich die soziale Tragweite der damit verbundenen auszusprechenden Kündigungen. Einwände brachte der Theaterpersonalrat innerhalb von zehn Arbeitstagen nicht vor.
Über die beabsichtigte ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin zum 31. Juli 1994 auf der Grundlage des Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung vom 10. Mai 1993 wurde der Personalrat mit Anhörungsschreiben vom 30. November 1993 informiert. Mit Schreiben vom 16. Dezember 1993, der beklagten Stadt zugegangen am 17. Dezember 1993, widersprach der Theaterpersonalrat der geplanten Kündigung der Klägerin.
Daraufhin rief die beklagte Stadt mit Schreiben vom 30. Dezember 1993, gerichtet an den damaligen Direktor des Arbeitsgerichts S. als Vorsitzenden, die Einigungsstelle wegen der von ihr begehrten Zustimmung seitens des Personalrats zu den beabsichtigten Kündigungen an. Am 19. Januar 1994 beschloß die Einigungsstelle, daß dem Personalrat empfohlen wird, sämtlichen geplanten Kündigungen von Orchestermitgliedern zuzustimmen. Der Beschluß der Einigungsstelle ist lediglich vom Vorsitzenden unterschrieben. Der Personalrat blieb bei seinem Widerspruch.
Am 28. Januar 1994 rief die beklagte Stadt das Verwaltungsgericht Magdeburg an und beantragte unter anderem festzustellen, daß ihr nach Abschluß des Einigungsstellenverfahrens die Letztentscheidungskompetenz zustehe. Das VG Magdeburg – Fachkammer für Landespersonalvertretungsrecht – hat mit Beschluß vom 15. April 1994 – PL 1/94 – wie folgt erkannt:
Es wird festgestellt, daß der Dienststellenleitung der Antragsstellerin in den Fällen des § 98 Abs. 6 PersVG-LSA nach Abschluß des Verfahrens vor der Einigungsstelle eine Letztentscheidungskompetenz zusteht.
In den Gründen hat das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf den Beschluß der Einigungsstelle vom 19. Januar 1994 ausgeführt: „Der Feststellungsantrag ist begründet, weil sich – jedenfalls in den Fällen des § 98 Abs. 6 PersVG-LSA und nicht nur in diesen, wie es die §§ 62 Abs. 7 und 69 PersVG-LSA zeigen – das Zustimmungserfordernis auf das ordnungsgemäß durchlaufene Verfahren vor der Einigungsstelle reduziert. Nach ordnungsgemäß durchlaufenem Verfahren vor der Einigungsstelle hat die Dienststellenleitung, jedenfalls in den vorgenannten Fällen, eine Letztentscheidungskompetenz. So auch hier, zumal nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht worden ist, daß das Verfahren vor der Einigungsstelle rechtsfehlerhaft gewesen sei.”
An dem Verwaltungsstreitverfahren war neben der Beklagten nur der Personalrat des TdA beteiligt. Der Beschluß des Verwaltungsgerichts wurde durch übereinstimmenden Rechtsmittelverzicht rechtskräftig.
Ebenfalls mit Schreiben vom 28. Januar 1994, zugegangen am 30. Januar 1994, kündigte die beklagte Stadt das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 31. Juli 1994 – hilfsweise außerordentlich – wegen des Wegfalls sämtlicher Stellen im Bereich des Orchesters ab der Spielzeit 1994/95.
Mit ihrer am 4. Februar 1994 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen diese Kündigung gewandt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Der Beschluß der Stadtverordnetenversammlung vom 10. Mai 1993 sei wegen der Anwesenheit der drei am TdA beschäftigten Stadtverordneten und mangels vorheriger Beteiligung der Personalvertretung unwirksam und rechtfertige zudem für sich genommen nicht die streitige Kündigung. Es fehle seitens der Beklagten an einer ausreichenden Darlegung, inwiefern gerade für sie, die Klägerin, der Beschäftigungsbedarf entfallen sei. Auch sei eine Sozialauswahl unter Einbeziehung verbleibender Schauspielmusiker und der Beschäftigten der Musikschule unterblieben.
Die Klägerin hat ferner gerügt, es fehle hinsichtlich der Kündigung an einer ordnungsgemäßen Beteiligung der Personalvertretung. Der Personalrat des TdA sei nicht zuständig gewesen, weil dieses keine eigenständige Dienststelle sei; es hätte deshalb der Personalrat der Stadtverwaltung beteiligt werden müssen. Falls doch der Personalrat des TdA zuständig gewesen sei, sei sein Widerspruch beachtlich. Unwirksam sei aber das Einigungsstellenverfahren. Das betreffe sowohl die Art und Weise der Bestellung als auch die der Anrufung der Einigungsstelle. Zudem habe die nicht von allen Mitgliedern unterschriebene und fälschlicherweise an den Personalrat gerichtete Empfehlung der Einigungsstelle das Mitbestimmungsverfahren nicht beendet.
Die Klägerin hat nach Rücknahme eines Weiterbeschäftigungsantrags zuletzt beantragt
festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten im Schreiben vom 28. Januar 1994 nicht aufgelöst ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, daß der ordnungsgemäß zustande gekommene Verkleinerungsbeschluß der Stadtverordnetenversammlung eine unternehmerische Entscheidung in Form einer Teilbetriebsstillegung sei, die nicht der gerichtlichen Nachprüfung unterliege. Der Beschluß umfasse mit der Streichung aller Stellen im künstlerischen Bereich des Musiktheaters auch das Orchester, so daß demzufolge der Arbeitsplatz der Klägerin ebenfalls weggefallen sei. Das Orchester sei ein in sich geschlossener Klangkörper, eine Übernahme von Orchestermusikern in das einspartige Schauspieltheater sei nicht möglich.
Der Beteiligung des Personalrats im Vorfeld des Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung habe es nicht bedurft, im übrigen könne sich auf einen diesbezüglichen Fehler allenfalls die Personalvertretung, nicht aber die Klägerin berufen.
Hinsichtlich der Kündigung sei eine Beteiligung des Personalrats entbehrlich gewesen, weil der TVK die Auflösung eines Orchesters abschließend regele. Die gleichwohl durchgeführte Personalratsbeteiligung genüge allen gesetzlichen Anforderungen. Da das TdA eine eigenständige Dienststelle bilde, sei der zuständige Personalrat beteiligt worden. Seine Zustimmung gelte als erteilt, weil er zum einen nach der Unterrichtung am 13. Mai 1993 nicht fristgerecht Einwände erhoben habe, und weil zum anderen der Widerspruch vom 16. Dezember 1993 nicht ausreichend begründet worden sei. Der Beschluß der Einigungsstelle habe als bloße Empfehlung nicht der Unterschrift der übrigen Einigungsstellenmitglieder bedurft, dem Bürgermeister habe auf diese Empfehlung hin die Letztentscheidungskompetenz zugestanden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Urteils (§ 564 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückweisung der Berufung (§§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO, 1 KSchG, 61 ff., 98 Abs. 6 PersVG LSA).
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung sei mangels ordnungsgemäßer Personalratsbeteiligung unwirksam. Eine solche Beteiligung sei nicht gemäß § 61 Abs. 2 PersVG LSA entbehrlich gewesen, weil der TVK für Orchesterauflösungen nur generelle Regelungen beinhalte, nicht aber eine abschließende Regelung der einzelnen Kündigungen. Die Zustimmungsverweigerung des Personalrats im Schreiben vom 16. Dezember 1993 sei ausreichend begründet und auch ansonsten wirksam gewesen, so daß das Einigungsstellenverfahren habe durchgeführt werden müssen. Dieses sei aber nicht zum Abschluß gebracht worden, weil der Beschluß vom 19. Januar 1994 entgegen § 64 Abs. 2 PersVG LSA nicht von allen Mitgliedern der Einigungsstelle unterschrieben worden sei.
II. Dem folgt der Senat im Ergebnis nicht. Der zuständige Personalrat wurde vor Ausspruch der streitigen Kündigung ordnungsgemäß beteiligt, der Beklagten stand nach Abschluß des Einigungsstellenverfahrens die Letztentscheidung zu und die Kündigung ist sozial gerechtfertigt.
1. Es kann dahinstehen, ob der Senat bereits nach dem Beschluß des VG Magdeburg vom 15. April 1994 – PL 1/94 – davon auszugehen hat, daß der streitigen Kündigung auch schon im Vorfeld des Einigungsstellenverfahrens eine ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats gemäß §§ 61 Abs. 1 bis 3, 67 Abs. 1 Nr. 8 PersVG LSA zugrunde gelegen hat. Die Beteiligung des Personalrats nach den genannten Vorschriften ist nämlich rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Wäre allerdings die Wahl eines gesonderten Personalrats für das TdA – wie offenbar die Klägerin meint – wegen Verkennung des Dienststellenbegriffs nichtig, so wäre eine Personalratsbeteiligung wohl schon deshalb entbehrlich gewesen, weil dann auch die Wahl des Personalrats der Stadtverwaltung auf einer solchen Verkennung des Dienststellenbegriffs (Nichteinbeziehung des TdA) beruhen würde und ebenfalls nichtig wäre. Im übrigen würde der Personalrat der Stadtverwaltung die Orchestermusiker nicht repräsentieren, weil sie von ihm nicht mitgewählt wurden; ihm dürfte für eine Beteiligung an den Kündigungen der Orchestermusiker die demokratische Legitimation fehlen (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 1996 – 2 AZR 438/95 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Entgegen der Ansicht der Klägerin und zu ihren Gunsten ist aber davon auszugehen, daß die Wahl des Personalrats des TdA, wäre sie unter Verkennung des Dienststellenbegriffs des § 6 PersVG LSA erfolgt, nicht nichtig, sondern lediglich anfechtbar wäre, denn die Frage, ob das TdA eine eigene Dienststelle darstellt, ist nicht einfach und nur unter Berücksichtigung einer Vielzahl tatsächlicher und rechtlicher Gesichtspunkte zu beantworten (vgl. auch zur Betriebsratswahl unter Verkennung des Betriebsbegriffs Senatsurteil vom 9. Mai 1996 – 2 AZR 438/95 – unter B I 1 der Gründe, m.w.N.). Die der Intendanz eingeräumten Befugnisse sprechen vorliegend für die organisatorische Selbständigkeit des TdA im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 PersVG LSA. Eine Verkennung des Dienststellenbegriffs liegt jedenfalls nicht ohne weiteres auf der Hand. Eine Wahlanfechtung ist nicht erfolgt.
b) Entgegen der Ansicht der Revision regeln §§ 41 f., 51, 57 a TVK die streitige Kündigung nicht abschließend, so daß gemäß § 61 Abs. 2 Satz 2 PersVG LSA das Mitbestimmungsrecht des Personalrats ausgeschlossen wäre. Die genannten Tarifnormen begründen, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, keinen Kündigungsautomatismus für den Fall der Auflösung eines Orchesters. Die Tarifvertragsparteien können keine „absoluten Kündigungsgründe” schaffen und haben dies im TVK auch nicht getan. Vielmehr ist auch bei der Auflösung eines Orchesters schon nach dem das gesamte Kündigungsrecht beherrschenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stets zu prüfen, ob nicht die Weiterbeschäftigung der Orchestermusiker auf einem anderen Arbeitsplatz – sei es auch nur nach einer zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahme unter geänderten Arbeitsbedingungen – möglich ist (vgl. z.B. Senatsurteil vom 22. Mai 1986 – 2 AZR 612/85 – AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Konzern; KR-Etzel, 4. Aufl., § 1 KSchG Rz 226, 230 ff., 510, m.w.N.). Vorliegend hatten die Tarifvertragsparteien dem Arbeitgeber eine entsprechende Prüfungspflicht sogar für den Zeitraum nach Ausspruch einer zunächst unvermeidbar erscheinenden Kündigung auferlegt (§ 51 Abs. 1 i.d.F. des § 57 a TVK). Die Ansicht der Revision, die Tarifnormen ließen keinen Spielraum für eine Mitbestimmung des Personalrats im Einzelfall, wird somit vom Tarifvertrag selbst widerlegt.
c) Das Landesarbeitsgericht ist ferner zutreffend davon ausgegangen, daß der Personalrat mit dem Schreiben vom 16. Dezember 1993 in rechtlich beachtlicher Weise seine Zustimmung zu der beabsichtigten Kündigung verweigert hat (§ 61 Abs. 3 Satz 6 PersVG LSA), so daß gemäß §§ 62 Abs. 4, 63, 64, 98 Abs. 6 PersVG LSA das Einigungsstellenverfahren durchzuführen war. Das PersVG LSA enthält keine inhaltlichen Vorgaben für die Begründung der Zustimmungsverweigerung. Wenn der Personalrat unter anderem darauf hinweist, es sei zu prüfen, ob der betroffene Kollege nicht als Schauspielmusiker weiterzubeschäftigen sei, so liegt diese Begründung nicht außerhalb des Mitbestimmungstatbestandes des § 67 Abs. 1 Nr. 8 PersVG LSA. Sie erfüllt damit die Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung an Zustimmungsverweigerungen in Mitbestimmungsangelegenheiten stellt, für die keine ausdrücklichen Verweigerungsgründe festgelegt sind (vgl. z.B. BVerwG Beschluß vom 4. Juni 1993 – 6 P 31.91 – AP Nr. 2 zu § 79 LPVG Berlin, m.w.N.; Lorenzen/Schmitt/Etzel/Gerhold/Albers/Schlatmann, BPersVG, Stand Oktober 1994, § 69 Rz 22 b, m.w.N.). Eine Schlüssigkeitsprüfung findet insoweit nicht statt (BVerwG, a.a.O.; Lorenzen/Schmitt/Etzel/Gerhold/Albers/Schlatmann, a.a.O., Rz 22 ff., m.w.N.).
2. Was das Einigungsstellenverfahren selbst angeht, so steht zwar die Ansicht des Landesarbeitsgerichts, mangels Unterzeichnung des Einigungsstellenbeschlusses durch die Beisitzer (§ 64 Abs. 2 Satz 5 PersVG LSA) sei das Verfahren nicht mit einem rechtswirksamen Beschluß zum Abschluß gebracht worden, im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschlüsse vom 10. März 1987 – 6 P 17.85 – BVerwGE 77, 91 und vom 20. Dezember 1988 – 6 P 34.85 – ZBR 1989, 150). Die Unwirksamkeit der streitigen Kündigung läßt sich hieraus aber nicht herleiten.
a) Gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 PersVG LSA muß der Beschluß der Einigungsstelle innerhalb von vier Wochen nach Bestellung des Vorsitzenden ergehen. Diese Frist begann spätestens nach Zugang des Schreibens der Beklagten vom 30. Dezember 1993 am 31. Dezember 1993 und war deshalb bei Zugang der streitigen Kündigung abgelaufen. Nach Fristablauf ist eine wirksame Beschlußfassung der Einigungsstelle nicht mehr möglich (vgl. Reich, PersVG LSA, § 64 Rz 4 a.E.). Da der Arbeitgeber keine Möglichkeit hat, einen rechtzeitigen Beschluß der Einigungsstelle zu erzwingen, ist mit Fristablauf das Einigungsstellenverfahren abgeschlossen. Im Fall des § 98 Abs. 6 PersVG LSA tritt die Entscheidung der Einigungsstelle nicht an die Stelle der Entschließung der Personalvertretung und bindet die beteiligte Behörde nicht, vielmehr liegt die Letztentscheidung nach Abschluß des Einigungsstellenverfahrens bei der Dienststellenleitung bzw. der Gemeinde (vgl. Bieler/Plassmann/Quest, PersVG LSA, Stand April 1995, G § 98 Rz 34).
b) Diese Letztentscheidungskompetenz der Beklagten folgt im übrigen bereits aus dem genannten Beschluß des VG Magdeburg vom 15. April 1994. Danach hat das Verwaltungsgericht für die vom Beschluß der Einigungsstelle vom 19. Januar 1994 erfaßten Kündigungen der Orchestermusiker fallübergreifend und rechtskräftig eine solche Kompetenz der Beklagten festgestellt. Daran ist der Senat gebunden.
Wie das Bundesarbeitsgericht mehrfach entschieden hat, können rechtskräftige Beschlüsse im Beschlußverfahren über betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten für spätere Individualstreitigkeiten eine „präjudizielle Bindungswirkung” entfalten. Der einzelne Arbeitnehmer kann sich dann, auch wenn er an dem vorherigen Beschlußverfahren nicht beteiligt war, im nachfolgenden Individualprozeß nicht darauf berufen, die Entscheidung über die kollektiv-rechtliche Streitfrage, die als Vortrage auch im Individualprozeß zu beantworten ist, sei unrichtig entschieden (so BAGE 56, 304 = AP Nr. 15 zu § 113 BetrVG 1972 für die Entscheidung über Beteiligungsrechte des Betriebsrats gemäß §§ 111 f. BetrVG im Verhältnis zu Ansprüchen auf Nachteilsausgleich gemäß § 113 BetrVG; BAGE 68, 1 = AP Nr. 8 zu § 18 BetrVG 1972 für die Verneinung eines gemeinsamen Betriebes zweier Unternehmen gemäß § 18 Abs. 2 BetrVG im Verhältnis zu Ansprüchen aus § 113 BetrVG, die einen gemeinsamen Betrieb zur Voraussetzung gehabt hätten; BAGE 69, 367 = AP Nr. 1 zu § 84 ArbGG 1979 für Ansprüche aus einem Sozialplan, dessen streitige Reichweite bereits in einem Beschlußverfahren zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat geklärt worden war).
Auch wenn im Beschlußverfahren rechtskräftig festgestellt ist, daß eine personelle Maßnahme des Arbeitgebers nicht der Zustimmung des Betriebsrats bedarf, wirkt dies zugleich gegenüber dem von der Maßnahme betroffenen Arbeitnehmer (vgl. BAG Beschluß vom 21. September 1989 – 1 ABR 32/89 – AP Nr. 72 zu § 99 BetrVG 1972; Ascheid, Urteils- und Beschlußverfahren im Arbeitsrecht, Rz 1816; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 84 Rz 27; Hauck, ArbGG, § 84 Rz 8). Diese Rechtskrafterstreckung rechtfertigt sich daraus, daß der Betriebsrat in dem vorausgegangenen Beschlußverfahren die Interessen aller Arbeitnehmer des Betriebes zu vertreten hatte, also aus dem Gedanken der Repräsentation, wie er für den Bereich des Tarifrechts in § 9 TVG einen positiv-rechtlichen Ausdruck gefunden hat (vgl. Leipold, Anm. zu AP Nr. 15 zu § 113 BetrVG 1972; Dütz, Arbeitsgerichtliches Beschlußverfahren und Individualprozeß, Festschrift für Gnade, S. 487, 497 ff.; ähnlich Konzern, Die Präjudizialität rechtskräftiger arbeitsgerichtlicher Beschlüsse im nachfolgenden Individualprozeß, Festschrift für Zeuner, S. 401, 425 ff.; wohl auch Grunsky, EWiR 1988, 329 f.; ders. ArbGG, 7. Aufl., § 80 Rz 50 b; a.A. Zeiss, SAE 1988, 230, der allerdings die in BAGE 56, 304 vertretene Ansicht als praktikabel und vernünftig bezeichnet; ferner Jox, NZA 1990, 424 ff. und Prüfling, RdA 1991, 257, 263 f.).
Ebenso wie der einzelne Arbeitnehmer die Zustimmung des Betriebsrats zu einer personellen Maßnahme des Arbeitgebers oder die Freigabe der Entscheidung des Arbeitgebers durch das Verstreichenlassen der gesetzlichen Äußerungsfristen gemäß §§ 99 Abs. 3, 102 Abs. 2 BetrVG hinnehmen muß, weil er auf die Zustimmungsverweigerung oder überhaupt die Tätigkeit des Betriebsrats keinen materiell-rechtlichen Anspruch hat, muß er auch das rechtskräftige Ergebnis eines Beschlußverfahrens über das Bestehen oder Nichtbestehen des entsprechenden Beteiligungsrechts gegen sich gelten lassen (vgl. Dütz, a.a.O., S. 499; Fastrich, SAE 1992, 13, 18). Gerade weil materielle Ansprüche der einzelnen Arbeitnehmer hinsichtlich der Tätigkeit des Betriebsrats nicht bestehen, scheidet auch die von Prütting (a.a.O., S. 264) befürchtete Haftung des Betriebsrats für sein Verhalten im Prozeß aus; denkbar wäre insoweit allenfalls in Ausnahme fällen eine Sanktionierung gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG oder etwa eine Haftung handelnder Betriebsratsmitglieder aus § 826 BGB. Auch betrifft die Rechtskrafterstreckung nur das Bestehen und ggf. die Wahrung des betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechts des Betriebsrats, nicht dagegen die Zulässigkeit der personellen Maßnahme schlechthin. Soweit Prütting darauf hinweist, für den Fall von § 99 BetrVG sei allgemein anerkannt, daß keine Bindung in Betracht komme, ist dies also z.B. für arbeitsvertragliche Voraussetzungen der Maßnahme durchaus zutreffend. Der betroffene Arbeitnehmer kann sich im Individualverfahren nur nicht darauf berufen, die personelle Maßnahme sei mangels Zustimmung des Betriebsrats bzw. der arbeitsgerichtlichen Ersetzung unwirksam, wenn in einem vorhergehenden Beschlußverfahren das Zustimmungserfordernis rechtskräftig verneint wurde. Weil der Arbeitnehmer keinen materiell-rechtlichen Anspruch auf Zustimmungsverweigerung hat und das Beteiligungsrecht nicht dem Arbeitnehmer selbst, sondern ausschließlich dem Betriebsrat als Repräsentanten der Belegschaft eingeräumt ist, liegt in der fehlenden Beteiligung des Arbeitnehmers im Beschlußverfahren und der Rechtskrafterstreckung der dort ergangenen Entscheidung auch keine Verletzung des Art. 103 GG.
Für das Verhältnis verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen in personalvertretungsrechtlichen Angelegenheiten zu nachfolgenden Individualverfahren kann nichts anderes gelten. Die Abhängigkeit des Individualrechts von der kollektiv-rechtlichen Rechtslage weist gegenüber dem, was vorstehend zum Betriebsverfassungsrecht ausgeführt wurde, keine Besonderheiten auf, die eine abweichende Entscheidung rechtfertigen könnten. Der Senat hat deshalb von einem ordnungsgemäßen Abschluß des Einigungsstellenverfahrens und personalvertretungsrechtlich von der Letztentscheidungskompetenz der Beklagten auszugehen.
3. Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, die streitige Kündigung beruhe auf einer wirksamen unternehmerischen Entscheidung der Beklagten und sei nicht sozial ungerechtfertigt (§ 1 KSchG).
a) Mit Recht ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, daß der Beschluß der Stadtverordnetenversammlung vom 10. Mai 1993 die Auflösung des Orchesters mit umfaßte. Dies folgt aus der Festlegung, das TdA werde ab der Spielzeit 1994/95 als einspartiges Schauspieltheater betrieben. Zu einem derart eingeschränkten Theaterbetrieb gehört kein Orchester, weshalb dem Beschluß der Stadtverordnetenversammlung mit hinreichender Klarheit zu entnehmen ist, daß sie das Orchester stillschweigend zu den zu schließenden Sparten Musik- und Tanztheater gerechnet hat. Aus in einem Parallelverfahren vorgelegten Presseberichten läßt sich ebenfalls entnehmen, daß für alle Beteiligten klar war, zu beschließen bzw. beschlossen sei (auch) die Auflösung des Orchesters.
b) Beizupflichten ist ferner den Ausführungen des Arbeitsgerichts, die Beteiligung des Personalrats gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 2 PersVG-DDR hinsichtlich der geplanten Einschränkung des TdA sei mit der Information und Erörterung am 13. Mai 1993 ordnungsgemäß und zeitgerecht erfolgt. Im übrigen würden etwaige Fehler die Wirksamkeit der streitigen Kündigung unberührt lassen, und die Klägerin hat in der Berufungs- und Revisionsinstanz insoweit auch keine Rügen mehr erhoben.
c) Zutreffend ist ferner die Ansicht der Tatsachengerichte, die Anwesenheit der gemäß § 22 Abs. 7 KommVerf ausgeschlossenen Stadtverordneten L., Qu. und K. im Zuschauerraum habe die Wirksamkeit der Beschlußfassung nicht beeinträchtigt. Nach dem von der Klägerin selbst für maßgeblich erachteten Protokoll vom 10. Mai 1993 wirkten diese Abgeordneten weder beratend noch entscheidend mit. Rechtsfehler bei der Beschlußfassung der Stadtverordnetenversammlung sind insoweit nicht ersichtlich.
d) Schließlich ist das Arbeitsgericht auch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, der Beschluß der Stadtverordnetenversammlung vom 10. Mai 1993 sei eine vom Gericht grundsätzlich hinzunehmende, nur eingeschränkt überprüfbare Unternehmerentscheidung. Dies steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 25. April 1996 – 2 AZR 609/95 –, zur Veröffentlichung vorgesehen, zu II 2 a der Gründe). Mit der Teilstillegung des TdA bezweckte die Beklagte Kosteneinsparungen in nicht unerheblichem Umfang. Von daher ist die beschlossene Maßnahme weder willkürlich noch offenbar unvernünftig oder unsachlich.
e) Anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten hat die Klägerin ebensowenig ausreichend dargelegt wie Fehler bei der Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG. Die Beklagte hat solche Möglichkeiten der Weiterbeschäftigung und die Vergleichbarkeit weiterbeschäftigter Arbeitnehmer dezidiert bestritten. Demgegenüber hat es die Klägerin bei ihrem unsubstantiierten Vorbringen im Schriftsatz vom 29. September 1994 belassen, weshalb auch insoweit nicht festgestellt werden kann, daß die streitige Kündigung gemäß § 1 KSchG sozial ungerechtfertigt ist.
Unterschriften
Etzel, Richter am BAG Bitter hat Urlaub. Etzel, Fischermeier, Hayser, Bensinger
Fundstellen