Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifangleichung Ost – West, Verbandsaustritt
Leitsatz (amtlich)
Die Nachbindung (§ 3 Abs. 3 TVG) an eine Tarifregelung Ost, in der zwecks Stufenangleichung Ost-West auf eine Tarifregelung West Bezug genommen wird, endet, wenn der in Bezug genommene Tarifvertrag geändert wird.
Normenkette
TVG §§ 3, 3 Abs. 3, § 4 Abs. 5; ETV für die Brauereibetriebe Berlin-Ost und Land Brandenburg vom 14. November 1994 §§ 3-4; Entgeltarifvertrag für die in Berlin-West gelegenen Brauereien, Mälzereien und Bierniederlassungen vom 13. November 1996, vom 27. Oktober 1997, vom 27. November 1998 je §§ 2-3; Einheitlicher MTV für alle Brauereien, Mälzereien und Bierniederlassungen für das Gebiet der Länder Berlin und Brandenburg vom 14. Oktober 1994 § 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 10. Januar 2000 – 16 Sa 1752/99 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Höhe des tariflichen Lohnes für einen Zeitraum nach dem Austritt der Beklagten aus der tarifschließenden Tarifgemeinschaft.
Die Klägerin ist seit Mai 1981 bei der Beklagten, die im Ostteil Berlins eine Brauerei mit etwa 34 Beschäftigten betreibt, bzw. deren Rechtsvorgängerin, als „Mitarbeiterin Logistik” beschäftigt.
Die Klägerin gehört der Gewerkschaft Nahrung-Genuß-Gaststätten (NGG) an. Die Beklagte war seit 1990 Mitglied der Tarifgemeinschaft der Brauereien in Berlin und Brandenburg sowie des Brauereiverbandes Berlin/Brandenburg e.V., eines Interessenverbandes, der für seine Mitgliedsfirmen keine Tarifverträge im eigenen Namen abschließt. Zum 28. Februar 1997 trat die Beklagte aus der Tarifgemeinschaft aus, behielt aber ihre Mitgliedschaft im Brauereiverband.
Mit Wirkung vom 1. Januar 1994 haben die og. Tarifgemeinschaft und die NGG Landesbezirk Berlin/Brandenburg den „Einheitlichen Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer in Brauereien, Mälzereien und Bierniederlassungen in Berlin/Brandenburg” abgeschlossen. Außerdem galt ab dem 1. November 1994 der Entgelttarifvertrag vom 14. November 1994, abgeschlossen zwischen denselben Tarifvertragsparteien, dessen räumlicher Geltungsbereich mit „für das Gebiet Berlin-Ost und Land Brandenburg” bezeichnet ist (ETV-Ost 1994). In § 2 ETV-Ost 1994 sind für verschiedene „Bewertungsgruppen” Entgeltsätze festgesetzt. § 3 und § 4 lauten:
„§ 3
Festgelegte Änderungen
Die Entgeltsätze in § 2 steigen ab
- 1. November 1995 auf 94%
- 1. Juli 1996 auf 96%
- 1. November 1996 auf 100%
des dann jeweils geltenden Entgelts nach dem jeweiligen Entgelttarifvertrag zwischen dem Brauereiverband Berlin/Brandenburg e.V./Gewerkschaft Nahrung-Genuß-Gaststätten, Landesbezirk Berlin/Brandenburg, für den Bereich Berlin-West.
§ 4
Laufzeit
Dieser Entgelttarifvertrag tritt zum 1. November 1994 in Kraft und kann nicht vor dem 1. Mai 1997 gekündigt werden.
…”
In einer undatierten Protokollnotiz zum ETV-Ost 1994 heißt es:
„1. Abweichend zum oben genannten Tarifvertrag vereinbaren die Tarifvertragsparteien folgendes:
- Die in § 2 genannten Steigerungsstufen werden für die Berliner GmbH dahingehend verändert, daß die Anhebung auf 90% des jeweils geltenden Entgelts im Tarifgebiet Berlin-West statt zum 1. Juli 1995 zum 1. Oktober 1995 erfolgt. Die weiteren in § 5 genannten Erhöhungsstufen greifen in Abweichung von der dortigen Regelung unter Beibehaltung der genannten Prozentsätze erst zum 1. Februar 1996, 1. Oktober 1996 und 1. Mai 1997.
- …
2. Es besteht Einvernehmen, daß der oben genannte Entgelttarifvertrag für die betroffenen Mitgliedsbetriebe außer Kraft tritt, wenn ein neuer Entgelttarifvertrag abgeschlossen ist.”
In der Protokollnotiz vom 13. November 1996 zum ETV-Ost 1994 heißt es:
„Abweichend von § 4 Abs. 1 des oben genannten Entgelttarifvertrages wird vereinbart, daß eine Kündigung des oben genannten Entgelttarifvertrages frühestens zum 31.10.1997 möglich ist.”
Dieselben Tarifvertragsparteien haben den räumlich für Berlin-West geltenden Entgelttarifvertrag vom 13. November 1996, gültig ab 1. November 1996 (im folgenden ETV-West) abgeschlossen. Mit Wirkung vom 1. November 1997 erhöhten die Tarifvertragsparteien durch den Tarifvertrag vom 27. Oktober 1997 für den räumlichen Geltungsbereich Berlin-West die tariflichen Vergütungen auch für die Bewertungsgruppe VI (ETV-West 1997). Am 27. November 1998 schlossen die Tarifvertragsparteien für den räumlichen Geltungsbereich Berlin-West einen weiteren Tarifvertrag mit Wirkung ab 1. November 1998, durch den die Entgeltsätze für sämtliche Bewertungsgruppen um 100,00 DM brutto angehoben wurden (ETV-West 1998). Der ETV-Ost 1994 selbst wurde weder geändert noch gekündigt. Die Beklagte hat nach ihrem Verbandsaustritt weder die Tariflohnerhöhung ab 1. November 1997 noch die Tariflohnerhöhung mit Wirkung ab 1. November 1998 an die Klägerin weitergegeben. Vielmehr erhielt die Klägerin ab Mai 1997 unverändert Vergütung nach dem Stand des ETV-West 1996.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin, soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse, je 100,00 DM brutto aufgrund der Tariflohnerhöhung durch den ETV-West vom 27. November 1998 für die Monate Dezember 1998 bis April 1999, mithin 500,00 DM brutto. Sie ist der Meinung, der ungekündigte ETV-Ost gelte weiter, so daß gem. § 3 Abs. 3 TVG die Tarifgebundenheit bestehe, auch wenn die Beklagte mit Wirkung zum 28. Februar 1997 aus der Tarifgemeinschaft ausgetreten sei. Nach § 3 ETV-Ost 1994 sei die Beklagte verpflichtet, Entgelt nach dem jeweiligen ETV-West zu zahlen und somit auch die Entgeltsätze, die ab dem 1. November 1998 um jeweils 100,00 DM erhöht worden seien. Die Änderung der in Bezug genommenen Entgelttarifverträge für den Bereich Berlin-West stellte kein Ende des ETV-Ost 1994 iSd. § 3 Abs. 3 TVG dar. Die Tarifvertragsparteien hätten sich bewußt einer Blankettverweisung verbindlich unterworfen, so daß sie sich auch an den Folgen dieser Regelung festhalten lassen müßten.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 100,00 DM brutto nebst 4% Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Januar 1999 sowie weitere 400,00 DM brutto nebst 4% Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 10. Mai 1999 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Meinung, sie sei infolge ihres Austritts aus der Tarifgemeinschaft nicht mehr an die nach ihrem Austritt abgeschlossenen ETV-West gebunden. Mit dem Abschluß des ETV-West am 27. Oktober 1997 sei die verlängerte Tarifgebundenheit an den ETV-Ost 1994 entfallen. Die Rechtswirksamkeit des ETV-Ost 1994 sei wegen der in § 4 festgelegten Bindungsdauer zweifelhaft. Jedenfalls könne ein Stufentarifvertrag mit einer Blankettverweisung keine weitergehende Wirkung haben, als wenn die in Bezug genommene Regelung wortwörtlich in ihm aufgenommen worden wäre.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Berufung zugelassen. Das Landesarbeitsgericht hat das arbeitsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Der Klägerin steht die monatliche Entgelterhöhung in Höhe von je 100,00 DM brutto für die Monate Dezember 1998 bis April 1999 nicht zu. Die Beklagte ist zur Zahlung von Entgelterhöhungen nach dem ETV-West, die nach dem 31. Oktober 1997 (Außerkrafttreten des ETV-West vom 13. Januar 1996) wirksam geworden sind, nicht verpflichtet. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
1. Bis zum Austritt der Beklagten aus der Tarifgemeinschaft mit Wirkung zum 28. Februar 1997 galt zwischen den Parteien aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit der ETV-Ost 1994, § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG.
a) Der ETV-Ost 1994 ist als Stufentarifvertrag mit Blankettverweisung wirksam. Der ETV-Ost 1994 enthält eine Blankettverweisung auf die jeweiligen tariflichen Löhne im Geltungsbereich des ETV-West. Damit haben die Tarifvertragsparteien ihre Rechtsetzungsmacht nicht überschritten.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat den engen sachlichen Zusammenhang zwischen dem ETV-Ost 1994 und dem ETV-West zutreffend bejaht.
Das Bundesarbeitsgericht vertritt in ständiger Rechtsprechung (9. Juli 1980 – 4 AZR 564/78 – BAGE 34, 42; 10. November 1982 – 4 AZR 1203/79 – BAGE 40, 327) die Auffassung, daß die Rechtsetzungsbefugnis der Tarifvertragsparteien grundsätzlich auch das Recht umfaßt, auf jeweils geltende andere tarifliche Vorschriften zu verweisen, sofern deren Geltungsbereich mit dem Geltungsbereich der verweisenden Tarifnormen in einem engen sachlichen Zusammenhang steht. Dabei ist im Einzelfall maßgebend, ob die Regelung, auf die verwiesen wird, in erster Linie raumbezogen, betriebsbezogen, fachbezogen oder personenbezogen ist. Je nachdem, ob die Tarifnormen, auf die verwiesen wird, in erster Linie raumbezogen, betriebsbezogen, fachbezogen oder personenbezogen sind, muß hinsichtlich des maßgebenden Geltungsbereichs ein enger Sachzusammenhang mit dem entsprechenden Geltungsbereich der verweisenden Tarifnorm bestehen. Das Erfordernis des engen sachlichen Zusammenhangs des Geltungsbereichs der Tarifverträge dient dazu, daß auch bei der Delegation der Rechtsetzungsbefugnis auf andere Tarifvertragsparteien dem Postulat der Sachgerechtigkeit der tariflichen Regelungen im Sinne eines angemessenen Interessenausgleichs Rechnung getragen wird(BAG 10. November 1982 – 4 AZR 1203/79 – BAGE 40, 327, 336 f.; zuletzt 17. Mai 2000 – 4 AZR 363/99 – AP TVG § 3 Verbandsaustritt Nr. 8, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Daran hält der Senat nach erneuter Überprüfung fest.
bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Verweisung in § 3 ETV-Ost 1994 auf den jeweiligen ETV-West nicht zu beanstanden. Die Tarifverträge sind von denselben Tarifvertragsparteien abgeschlossen worden. Außerdem stimmen der fachliche und der persönliche Geltungsbereich der beiden Entgelttarife im wesentlichen überein. Darüber hinaus gelten beide Entgelttarifverträge zusammen räumlich im selben Bereich wie der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer/-innen in Brauereien, Mälzereien und Bierniederlassungen in Berlin/Brandenburg. Das Auseinanderfallen der zeitlichen Geltungsbereiche beider Entgelttarifverträge ist durch den Zweck der Stufenangleichung sachlich gerechtfertigt.
b) Der Wirksamkeit des Stufentarifvertrages steht nicht entgegen, daß in § 3 ETV-Ost 1994 auf den Entgelttarifvertrag „zwischen dem Brauereiverband Berlin/Brandenburg e.V./Gewerkschaft – Nahrung – Gaststätten, Landesbezirk Berlin/Brandenburg, für den Bereich Berlin-West” verwiesen ist, dieser Tarifvertrag aber von der Tarifgemeinschaft Brauereien und nicht vom Brauereiverband abgeschlossen worden ist. Es handelt sich dabei offensichtlich um ein Versehen. Der Brauereiverband Berlin/Brandenburg e.V. ist nicht tariffähig. Der Entgelttarifvertrag wie auch der Manteltarifvertrag sind von der Tarifgemeinschaft der Brauereien Berlin/Brandenburg abgeschlossen worden. Der Brauereiverband hat die Tarifgemeinschaft vertreten, wie sich sowohl aus dem Einheitlichen Manteltarifvertrag als auch aus dem Entgelttarifvertrag ergibt („in Vollmacht handelnd für”, „vertreten durch”). Zwischen dem Brauereiverband Berlin/Brandenburg e.V. und der NGG ist kein Tarifvertrag abgeschlossen worden.
c) Zwar ist in der undatierten Protokollnotiz zum Entgelttarifvertrag in der für die Beklagte geltenden Passage der in Bezug genommene § 5 nicht im ETV-Ost 1994 enthalten. Auch ist die Notiz nur mit „Protokollnotiz zum Entgelttarifvertrag” überschrieben und nicht wie die Protokollnotiz vom 13. November 1996 mit „Protokollnotiz zum Entgelttarifvertrag Berlin-Ost und Brandenburg”. Der Paragraph entspricht auch nicht dem vorher geltenden ETV-Ost (vom 12. November 1993). Aber auch insoweit ist von einem Schreibfehler und von einer Auslassung auszugehen. Die Tarifvertragsparteien wollten ersichtlich auf § 3 hinweisen. Es wurde nur die prozentuale Angleichung zeitlich weiter nach hinten geschoben. Die Klägerin erhielt dann 100 % des Westlohnes (Stand 1997).
d) Der Stufentarifvertrag verstößt nicht wegen der Bindungsdauer bis zum 1. Mai 1997 bzw. bis zum 31. Oktober 1997 (Protokollnotiz vom 13. November 1996) gegen Art. 9 Abs. 3 GG. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, daß die Tarifvertragsparteien den Kernbereich ihrer Normsetzungsbefugnis nicht aufgeben dürfen, etwa indem sie die Unkündbarkeit der Verweisungsnorm vereinbaren oder durch eine besonders lange Laufdauer oder Kündigungsfrist eine zeitlich lange Bindung eingehen(BAG 10. November 1982 – 4 AZR 1203/79 – BAGE 40, 327, 343; 17. Mai 2000 – 4 AZR 363/99 – aaO, zu I 2 b der Gründe). Diese der Tarifautonomie immanenten Grenzen sind hier nicht überschritten. Die Tarifvertragsparteien haben in § 4 ETV-Ost 1994 die erstmalige Kündigungsmöglichkeit zum 1. Mai 1997 vereinbart sowie in der Protokollnotiz vom 13. November 1996 abweichend von § 4 ETV-Ost 1994 die erstmalige Kündigungsmöglichkeit zum 31. Oktober 1997. Die Kündigung war somit zunächst nach zweieinhalb Jahren, sodann nach drei Jahren erstmals möglich. Eine Bindungsdauer von zweieinhalb oder von drei Jahren ist, vor allem gemessen am koalitionspolitischen Zweck der Vereinbarung, nämlich der stufenweisen Angleichung der Entgelte im Tarifgebiet Ost und im Tarifgebiet West unter dem Dach eines einheitlichen Manteltarifvertrages, nicht so lang, daß darin eine Aufgabe des Kernbereiches der Rechtsetzungsbefugnis zu sehen wäre (vgl. BAG 17. Mai 2000 – 4 AZR 363/99 – aaO; Hanau/Kania DB 1995, 1229, 1230; Buchner NZA 1993, 289, 292). Das gilt hier um so mehr, als der Einheitliche Manteltarifvertrag und die Entgelttarifverträge Ost und West von denselben Tarifvertragsparteien abgeschlossen wurden.
2. Auch nach dem Austritt der Beklagten aus der Tarifgemeinschaft blieb die Tarifgebundenheit der Beklagten nach § 3 Abs. 3 TVG bestehen. Die Tarifgebundenheit der Beklagten endete nicht mit deren Verbandsaustritt. Es trat die verlängerte Tarifgebundenheit (Nachbindung) des § 3 Abs. 3 TVG ein. Obwohl der ETV-Ost 1994 noch ungekündigt fortbesteht, endete diese verlängerte Tarifgebundenheit mit dem Ende des zum Zeitpunkt des Verbandsaustritt geltenden ETV-West. Das war mit der Tariflohnerhöhung zum 1. November 1997 auf Grund des ETV-West vom 27. Oktober 1997 der Fall.
a) Das Landesarbeitsgericht hat das Ende der verlängerten Tarifgebundenheit der Beklagten gem. § 3 Abs. 3 TVG damit begründet, daß ein Stufentarifvertrag mit einer Blankettverweisung keine weitergehende Wirkung entfalten könne, als wenn die in Bezug genommene Regelung wortwörtlich in ihm selbst aufgenommen worden wäre. Denn die Verweisung auf ein anderes Regelwerk diene im allgemeinen der Vereinfachung. Die Verweisung auf einen anderen (Gesetzes)text könne nicht weitergehen als der jeweilige Text selbst. Wäre der Text des ETV-West in den ETV-Ost 1994 sprachlich integriert worden, wäre es nicht zweifelhaft, daß der Verbandsaustritt einer Partei die rechtliche Bindung nur auf dem Stand aufrechterhielte, den das tarifliche Regelwerk beim Austritt gehabt habe. Werde jedoch der Tarifvertrag nachträglich geändert, wirke er nur noch mit seinem beim Austritt geltenden Inhalt nach, § 4 Abs. 5 TVG. Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision gehen ins Leere.
b) Die am 27. Oktober 1997 mit Wirkung zum 1. November 1997 und damit nach dem Austritt der Beklagten aus der Tarifgemeinschaft vereinbarte Änderung des ETV-West als Bezugstarifvertrag hat zur Beendigung der Tarifgebundenheit der Beklagten an den ETV-Ost 1994 geführt. Die Tarifgebundenheit an einen dynamischen Verweisungstarifvertrag endet gem. § 3 Abs. 3 TVG mit der Beendigung des Bezugstarifvertrages. Das hat der Senat mit Urteil vom 17. Mai 2000(– 4 AZR 363/99 – aaO, zu I 3 d der Gründe) entschieden. Daran hält der Senat fest und verweist auf diese Entscheidung.
c) Entgegen der Revision liegt darin keine einschränkende Anwendung des § 3 Abs. 3 TVG. Wenn die Normen des Bezugstarifvertrages als Inhalt des Verweisungstarifvertrages verstanden werden, macht es für die Änderung keinen Unterschied, ob sich diese im Bezugs- oder im Verweisungstarifvertrag befindet. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Verweisung auf ein anderes Regelwerk habe im allgemeinen nur den Grund der Vereinfachung, ist entgegen der Revision nicht zu beanstanden. Die Revision weist darauf hin, daß die tarifliche Angleichung zwischen dem Tarifgebiet Berlin Ost und Brandenburg mit dem Tarifgebiet Berlin-West im Entgeltbereich erreicht werden sollte. Dies ist stufenweise durch eine in die Zukunft reichende tarifliche Regelung bewirkt worden. Mit der Bezugnahme auf den von denselben Tarifvertragsparteien abgeschlossenen Entgelttarifvertrag wurde zweierlei erreicht. Zum einen mußten die Entgeltsätze für die verschiedenen Bewertungsgruppen nicht nochmals im ETV-Ost 1994 aufgeführt werden, was eine Vereinfachung darstellt. Zum anderen ließ sich die angestrebte stufenweise Anpassung nur dadurch sinnvoll verwirklichen, daß auch zukünftige Löhne von der stufengleichen Anpassung erfaßt werden. Durch die Bezugnahme auf den zwischen denselben Tarifvertragsparteien geschlossenen ETV-West erübrigte sich die ansonsten jeweils erforderliche Neuregelung für den ETV-Ost 1994. Dieser sollte, wie die erstmalige Kündigungsmöglichkeit zum 1. Mai 1997 bzw. 31. Oktober 1997 zeigt, erst nach Erreichung der Anpassung geändert werden können.
d) Aus der undatierten Protokollnotiz zum Entgelttarifvertrag, in der es heißt, daß Einvernehmen besteht, daß „der og. Entgelttarifvertrag für die betroffenen Mitgliedsbetriebe außer Kraft tritt, wenn ein neuer Entgelttarifvertrag abgeschlossen ist”, ergibt sich nichts anderes. Der Revision ist insoweit zuzustimmen, daß in diesem Zusammenhang mit „neuer Entgelttarifvertrag” nur ein solcher für den Bereich Berlin-Ost und Brandenburg gemeint sein kann. Andernfalls wäre die Regelung des § 3 ETV-Ost 1994 sinnlos. § 3 ETV-Ost 1994 verweist auf das jeweilige Entgelt nach dem jeweiligen Entgelttarifvertrag ETV-West. Sollte die Geltung des ETV-Ost 1994 mit Außerkrafttreten eines neuen ETV-West enden, könnte nicht auf denjeweils geltenden ETV-West verwiesen werden. Indessen ist daraus nicht zu schließen, daß die Nachbindung durch § 3 Abs. 3 TVG erst endet, wenn ein neuer Entgelttarifvertrag Ost abgeschlossen ist.
3. Auch kraft Nachwirkung hat die Klägerin keinen Anspruch auf höheren Lohn. Nach § 4 Abs. 5 TVG gelten die Rechtsnormen eines Tarifvertrages nach seinem Ablauf weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Die Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG schließt sich auch bei einem Verbandsaustritt dem Ende der verlängerten Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 3 TVG an(vgl. zuletzt Senat 17. Mai 2000 – 4 AZR 363/99 – aaO). Die Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG beschränkt sich darauf, bis zum Abschluß einer anderen Abmachung den materiell-rechtlichen Stand für das Arbeitsverhältnis beizubehalten, der beim Eintritt der Nachwirkung gegeben war. Die Nachwirkung hat nur zur Folge, daß die Tarifnormen in dem Zustand statisch weiterwirken, den sie zu Beginn der Nachwirkung hatten. An künftigen Änderungen der in Bezug genommenen tariflichen Regelung nehmen die nur noch nachwirkenden Tarifnormen nicht mehr teil. § 4 Abs. 5 TVG erlaubt zwar eine Änderung der bisherigen Tarifnormen auch durch einzelvertragliche Abreden, will aber bis zu einer solchen Änderung den bisherigen materiellen Inhalt der Arbeitsbedingungen, soweit sie tarifvertraglich gegolten haben, erhalten und damit dem tariflichen Ordnungsprinzip Rechnung tragen(st. Rspr., zuletzt BAG 17. Mai 2000 – 4 AZR 363/99 – aaO, zu I 4 b der Gründe). Demgemäß schuldete die Beklagte der Klägerin zuletzt 100% des Entgelts nach der Entgeltgruppe VI nach dem ETV-West vom 13. November 1996. In dieser Höhe hat die Klägerin ihre Vergütung erhalten.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Schliemann, Bott, Friedrich, Kiefer, Görgens
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 04.04.2001 durch Freitag, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BB 2001, 1690 |
DB 2001, 2053 |
FA 2001, 190 |
FA 2001, 348 |
NZA 2002, 104 |
SAE 2002, 73 |
ZTR 2001, 416 |
AP, 0 |
AuA 2001, 277 |
EzA |
LKV 2001, 264 |
NJ 2001, 667 |
AuS 2001, 58 |