Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung eines Schreibens als Kündigung
Orientierungssatz
Zur Frage, ob eine Äußerung überhaupt als Willenserklärung, im vorliegenden Fall als erneute Kündigung, gemeint war.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 620
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 11.09.1985; Aktenzeichen 2 Sa 35/85) |
ArbG Reutlingen (Entscheidung vom 01.03.1985; Aktenzeichen 2 Ca 304/84) |
Tatbestand
Der Kläger war bei der Beklagten, die ständig mehr als fünf Arbeitnehmer ohne Auszubildende beschäftigt, seit dem 1. Oktober 1983 als kaufmännischer Angestellter gegen eine monatliche Vergütung von zuletzt 8.600,-- DM brutto tätig. In dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 21. Juli 1983 war u. a. vereinbart, daß er als Leiter der neu zu gründenden Immobilienabteilung angestellt werden und für die Kündigung die gesetzlichen Vorschriften gelten sollten.
Am 1. August 1984 kündigte der Geschäftsführer der Beklagten das Arbeitsverhältnis mündlich zum 30. September 1984. Mit eingeschrieben versandtem Brief vom 2. August 1984 teilte er dem Kläger folgendes mit:
"Unter Darlegung der Gründe habe ich Ihnen am
1. August 1984 gekündigt. Sie waren nicht
bereit, das Kündigungsschreiben in Empfang
zu nehmen. Wir wiederholen die mündlich aus-
gesprochene Kündigung hiermit schriftlich.
Antragsgemäß wird Ihnen Urlaub in der Zeit
vom 6. bis 31. August 1984 gewährt. Nach Ihrem
Urlaub werden Sie bis zum Ablauf des Arbeits-
verhältnisses (30.9.1984) freigestellt."
Mit der am 6. August 1984 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am folgenden Tag zugestellten Klage hat der Kläger durch seine Prozeßbevollmächtigten Klage auf Feststellung erhoben, daß das Arbeitsverhältnis nicht durch die am 1. August 1984 mündlich erklärte Kündigung zum 30. September 1984 beendet ist, sondern fortbesteht.
Der Kläger hat in der Klagebegründung vom 3. August 1984 vorgetragen, am 1. August 1984 habe ihm der Geschäftsführer der Beklagten die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 1984 bei gleichzeitiger Freistellung ab 1. September 1984 erklärt. Es habe bei diesem Gespräch auch eine schriftlich vorformulierte Kündigung übergeben werden sollen. Er habe sich jedoch geweigert, die Kündigung durch Unterschrift zu bestätigen. Deshalb sei das Kündigungsschreiben nicht ausgehändigt worden. Da nicht ersichtlich sei, auf welche angeblichen Gründe sich die Kündigung stütze, bestreite er zunächst vorsorglich das Vorliegen von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Kündigungsgründen.
Mit Schriftsatz ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 31. August 1984 hat die Beklagte vorgetragen, dem Kläger sei am 1. August 1984 durch ihren Geschäftsführer mündlich unter ausführlicher Darlegung der Gründe gekündigt worden. Ihm sei auch eine schriftliche Kündigung mit der Bitte übergeben worden, diese durch Unterschrift zu quittieren. Dies habe der Kläger mit dem Hinweis verweigert, so könne man ihm nicht kündigen. Die Frist zum Ende September sei ihm zu kurz. Aus diesem Verhalten könne man schließen, daß er die Kündigung vom Grundsatz her akzeptiert und ausschließlich eine längere Kündigungsfrist gewollt habe. Am 3. August 1984 sei ihm vorsorglich noch einmal die schriftliche Kündigung durch Einschreiben und mit normaler Post zugeleitet worden, von der eine Fotokopie als Anlage beigefügt werde. Die Kündigung sei betriebsbedingt, weil die Abteilung, für die der Kläger vorgesehen gewesen sei, bisher noch nicht von ihm eingerichtet worden sei und wegen der geänderten Marktlage auch nicht mehr eingerichtet werde.
Der Kläger hat im Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten vom 20. September 1984 erwidert, er habe sich anläßlich der ihm mündlich mitgeteilten Kündigung am 1. August 1984 gegen die Kündigung insgesamt und nicht nur gegen die Dauer der Frist gewandt und es insbesondere abgelehnt, die von der Beklagten vorformulierte Eigenkündigung durch seine Unterschrift zu bestätigen. Die schriftliche Kündigung vom 2. August 1984 habe er am 3. August 1984 erhalten. Er wende sich auch gegen diese Kündigung. Der Kläger hat im übrigen das Vorbringen der Beklagten zum Kündigungsgrund bestritten und hierzu nähere Ausführungen gemacht.
Durch Beschluß vom 9. November 1984 hat das Arbeitsgericht der Beklagten unter Fristsetzung aufgegeben, die Kündigung abschließend und unter Beweisantritt zu begründen und Termin zur Verhandlung vor der Kammer auf den 1. März 1985 anberaumt. Die in der Folgezeit eingereichten Schriftsätze der Prozeßbevollmächtigten der Parteien befassen sich ausschließlich mit den Kündigungsgründen und dem nach Meinung der Beklagten vom Kläger erklärten Einverständnis mit der Kündigung.
Im Kammertermin vom 1. März 1985 hat der Kläger beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis
weder durch die am 1. August 1984 münd-
lich erklärte Kündigung der Beklagten
noch durch die schriftliche Kündigung
vom 2. August 1984 zum 30. September 1984
beendet worden ist, sondern fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat ausgeführt, der Kläger habe sein zunächst nur gegen die am 1. August 1984 mündlich erklärte Kündigung gerichtetes Feststellungsbegehren erst im Kammertermin vom 1. März 1985 klarstellend auch auf die am 2. August 1984 schriftlich erklärte Kündigung der Beklagten ausgedehnt. Bei diesen Schreiben handele es sich jedoch nicht um eine erneute oder vorsorglich ausgesprochene Kündigung, sondern, wie sich aus seinem Wortlaut ergebe, lediglich um eine zu Beweiszwecken deshalb "wiederholte" Kündigung, weil der Kläger sich am Vortag geweigert habe, das Kündigungsschreiben in Empfang zu nehmen. Mit der Kündigung vom 1. August 1984 habe sich der Kläger nicht einverstanden erklärt. Gründe zu ihrer sozialen Rechtfertigung habe die Beklagte nicht substantiiert dargetan.
In der Berufungsinstanz hat die Beklagte vorgetragen, der Kläger habe erst auf Hinweis des Gerichts in der Kammerverhandlung vom 1. März 1985 den Klageantrag auch auf die Kündigung vom 2. August 1984 erstreckt. Insoweit sei die Klage jedoch verspätet, weil diese schriftliche Kündigung eine eigenständige Kündigung darstelle. Da der Kläger den Empfang des Kündigungsschreibens am 1. August 1984 verweigert habe, habe ihm an diesem Tag auch noch keine wirksame Kündigung zugehen können. Diese Erklärung sei ihm dann mit dem Schreiben vom 2. August 1984 zugegangen. Deshalb sei darin die eigentliche Kündigung zu sehen.
Der Kläger hat erwidert, er habe am 1. August 1984 nicht die Entgegennahme des Kündigungsschreibens verweigert, sondern sei lediglich nicht bereit gewesen, darauf die Annahme der Kündigung schriftlich zu bestätigen. Dies habe aber nicht den Zugang der mündlich erklärten Kündigung gehindert. Dieser Ansicht sei auch die Beklagte damals gewesen, da sie im Schreiben vom 2. August 1984 auf die tags zuvor mündlich erklärte inhaltsgleiche Kündigung Bezug genommen und sie lediglich zu Beweiszwecken "hiermit schriftlich" wiederholt habe. Nur vorsorglich habe er seinen Feststellungsantrag auch auf das Kündigungsschreiben vom 2. August 1984 erstreckt.
Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen.
Mit der Revision verfolgt der Kläger das Ziel, das Urteil des Arbeitsgerichts wiederherzustellen. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte habe in dem Schreiben vom 2. August 1984 eine neue, eigenständige Kündigung ausgesprochen, gegen die der Kläger nicht wirksam, jedenfalls aber nicht innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG Kündigungsschutzklage erhoben habe. Die Kündigung gelte deshalb gemäß § 7 KSchG als rechtswirksam, da andere Unwirksamkeitsgründe als die Sozialwidrigkeit nicht vorlägen. Für die gegen die mündliche Kündigung vom 1. August 1984 rechtzeitig erhobene Kündigungsschutzklage bestehe danach kein Rechtsschutzinteresse mehr. Diese Ansicht hat es im wesentlichen wie folgt begründet:
1. Das Schreiben der Beklagten vom 2. August 1984 enthalte eine weitere, zusätzlich ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 1984. Dies ergebe eine am Wortlaut des Schreibens und den Begleitumständen ausgerichtete Auslegung. Das Schreiben stelle die Äußerung des Willens der Beklagten dar, durch diese Erklärung das Arbeitsverhältnis für die Zukunft aufzulösen, wie aus dem Text, der Unterzeichnung des Originals durch den Geschäftsführer sowie dem Umstand folge, daß der Brief eingeschrieben versandt worden sei. Für die Übermittlung einer Erklärung, die einen Rechtsfolgewillen nicht enthalte, sei die ihren Zugang nachweisende Form des Einschreibens nicht erforderlich gewesen. Der Wille der Beklagten, das Arbeitsverhältnis durch die in dem Schreiben vom 2. August 1984 enthaltene Erklärung zu beenden, sei schon der Verwendung des Wortes "wiederholen" zu entnehmen. Er ergebe sich aber auch aus dem von ihr für die Wiederholung der mündlich ausgesprochenen Kündigung angeführten Grunde. Wie ihrem Vortrag in der Berufungsbegründung zu entnehmen sei, habe sie, wenn auch zu Unrecht, angenommen, ihre mündlich erklärte Kündigung sei wegen der Weigerung des Klägers, das Kündigungsschreiben in Empfang zu nehmen, unwirksam. Deshalb habe sie zum damaligen Zeitpunkt den Ausspruch einer weiteren, die Schriftform wahrende Kündigung für erforderlich halten müssen. Das Gericht könne deshalb nicht davon ausgehen, sie habe lediglich ihre mündliche Kündigung vom 1. August 1984 bestätigen wollen. Dies sei auch für den Kläger erkennbar gewesen.
2. Der Kläger hätte die Kündigung vom 2. August 1984 somit innerhalb der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG ebenfalls mit der Kündigungsschutzklage angreifen müssen. Dies sei nicht geschehen. Die eingereichte Klage habe sich zunächst nur gegen die mündliche Kündigung vom 1. August 1984 gerichtet. Mit dem Schriftsatz vom 20. September 1984, in dem der Kläger sich erstmals gegen die schriftliche Kündigung gewandt habe, sei die Klage nicht wirksam erweitert worden, weil dieser Schriftsatz keinen bestimmten Klageantrag enthalte und der Beklagten nicht zugestellt worden sei. Außerdem sei schon bei Eingang dieses Schriftsatzes die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG längst abgelaufen gewesen.
II. Dieser Würdigung kann nicht gefolgt werden. Das Schreiben der Beklagten vom 2. August 1984 enthält keine erneute Kündigungserklärung. Die Beklagte hat am 1. August 1984 eine auf einem einheitlichen Willensentschluß beruhende Kündigung mündlich und schriftlich erklären und durch das Schreiben vom 2. August 1984 lediglich die am Vortag gescheiterte Übergabe der (unselbständigen) schriftlichen Erklärung nachholen wollen.
1. Bei dem Schreiben der Beklagten vom 2. August 1984 handelt es sich um eine nicht-typische Erklärung, deren Auslegung durch den Tatsachenrichter in der Revisionsinstanz nur eingeschränkt nachgeprüft werden kann. Das Revisionsgericht kann lediglich nachprüfen, ob der Tatsachenrichter gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen, alle wesentlichen Umstände, die für die Auslegung der Erklärung von Bedeutung sein können, berücksichtigt und damit die gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) richtig angewandt hat (vgl. BAG Urteil vom 27. Juni 1963 - 5 AZR 383/62 - AP Nr. 5 zu § 276 BGB Verschulden bei Vertragsabschluß). Dies gilt auch für die Frage, ob eine Äußerung überhaupt als Willenserklärung, im vorliegenden Fall als erneute Kündigung, gemeint war (vgl. BAG Urteil vom 2. März 1973 - 3 AZR 325/72 - = AP Nr. 36 zu § 133 BGB; für die Auslegung einer Erklärung als erneute Kündigung: Senatsurteil vom 13. November 1958, BAG 7, 36, 48 = AP Nr. 17 zu § 3 KSchG, zu IV 1 der Gründe).
Auch nach diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die Auslegung des Schreibens vom 2. August 1983 durch das Berufungsgericht der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
2. Nicht zu beanstanden ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, die Formulierung, eine Erklärung zu wiederholen bedeute nach dem Wortsinn, sie noch einmal auszusprechen (vgl. dazu Senatsurteil vom 13. November 1958, aaO).
3. Unrichtig ist dagegen die Überlegung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe zum damaligen Zeitpunkt den Ausspruch einer w e i t e r e n, die Schriftform wahrenden Kündigung für e r f o r d e r l i c h halten m ü s s e n.
Die Beklagte hat am 1. August 1984 eine mündliche Kündigung erklärt. Ihrem Schreiben vom 2. August 1984 wie auch ihrem Prozeßvortrag ist zu entnehmen, daß sie nicht nur eine schriftliche Kündigung aussprechen wollte, sondern jedenfalls auch eine mündliche Kündigung erklärt hat. Diese Kündigung war objektiv wirksam. Nach dem Arbeitsvertrag sollten für die Kündigung die gesetzlichen Vorschriften gelten, die keine Schriftform vorsehen. Wie der insoweit übereinstimmende Parteivortrag ergibt, hatte die Beklagte gleichwohl ein Kündigungsschreiben verfaßt, das dem Kläger übergeben werden sollte. Streitig ist lediglich, ob dem Kläger, wie er behauptet, zusätzlich noch eine schriftliche Annahme der Kündigung im Sinne eines Einverständnisses angesonnen worden ist.
Auch wenn die Sachdarstellung der Beklagten zutrifft, war die von ihrem Geschäftsführer mündlich erklärte Kündigung wirksam. Das Gesetz enthält zwar in § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB nur eine Regelung über den Zugang empfangsbedürftiger Willenserklärungen gegenüber Abwesenden. Für das Wirksamwerden von Erklärungen unter Anwesenden ist nach dem Grundgedanken dieser Vorschrift folgendermaßen zu unterscheiden: Eine mündlich dem Empfänger gegenüber abgegebene Willenserklärung wird grundsätzlich zu dem Zeitpunkt wirksam, zu dem er sie gehört und verstanden hat (BAG Urteil vom 27. August 1982, BAG 40, 95, 99 = AP Nr. 25 zu § 102 BetrVG 1972, zu I 2 b bb der Gründe). Eine verkörperte Erklärung wird wirksam, wenn sie durch Übergabe in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt ist (Senatsurteil vom 9. August 1984 - 2 AZR 400/83 - AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu III 1 c der Gründe). Selbst wenn die Beklagte, ohne hierzu vertraglich verpflichtet gewesen zu sein, auch beabsichtigt haben sollte, die Kündigung schriftlich zu erklären, so hätte die Übersendung des ursprünglichen Kündigungsschreibens durch die Post ausgereicht, das Wirksamwerden dieser verkörperten Erklärung sicherzustellen. Es war somit, entgegen der Annahme des Berufungsgerichts, auch vom Standpunkt der Beklagten aus betrachtet, nicht e r f o r d e r l i c h, z u r W a h r u n g d e r S c h r i f t f o r m eine e r n e u t e (schriftliche) Kündigung zu erklären. Vielmehr genügte es, das ursprüngliche Kündigungsschreiben, dessen Annahme der Kläger verweigert hatte, ihm nunmehr durch die Post zugehen zu lassen.
4. Das Berufungsgericht hat weiterhin für die Beurteilung des Schreibens vom 2. August 1984 wesentliche Begleitumstände außer Acht gelassen, indem es nur auf die von der Beklagten im Berufungsverfahren erläuterten Vorstellungen abgestellt hat, ohne ihr ursprüngliches Verhalten im Prozeß zu würdigen.
a) Für die Auslegung einer empfangsbedürftigen Erklärung sind alle Begleitumstände zu würdigen, die für die Frage, welcher Wille der Beteiligte bei seiner Erklärung gehabt hat, von Bedeutung sind und dem Erklärungsempfänger bekannt waren (BAG Urteil vom 2. März 1973, aaO).
Ein solcher, für die Auslegung des Schreibens der Beklagten vom 2. August 1984 wesentlicher Umstand ist zunächst darin zu sehen, daß sie selbst jedenfalls in der ersten Instanz nicht vorgetragen hat, sie habe schon am 1. August 1984 zwei in ihrem Bestand voneinander unabhängige Kündigungen erklären wollen. Das Wirksamwerden des schriftlich Erklärten scheiterte an diesem Tag an dem Verhalten des Klägers. Wenn die Beklagte dann am folgenden Tag unter Bezugnahme auf die mündliche Kündigung erklärte, die Kündigung hiermit schriftlich zu wiederholen, so spricht dies dafür, daß damit lediglich die am Vortag gescheiterte Übergabe des Kündigungsschreibens nachgeholt, nicht aber nunmehr eine erneute, von der mündlich erklärten, in ihrem rechtlichen Bestand unabhängige Kündigung ausgesprochen werden sollte.
Die Einlassung der Beklagten auf die formell zunächst gegen die mündliche Kündigung gerichtete Klage in erster Instanz bestätigt diese Deutung. Die Beklagte hatte bereits mit der Klageantwort das Schreiben vom 2. August 1984 in den Prozeß eingeführt, und der Kläger hatte im Schriftsatz vom 20. September 1984 erklärt, er wende sich auch gegen diese Kündigung. Gleichwohl hat die Beklagte sich während des gesamten Verfahrens erster Instanz nicht darauf berufen, sie habe eine erneute Kündigung erklärt und deshalb sei die Klage bereits aus formellen Gründen abzuweisen. Sie hat vielmehr, ohne zwischen mehreren Kündigungen zu differenzieren, ausschließlich "die Kündigung" mit materiell- rechtlichen Gründen (grundsätzliches Einverständnis mit der Kündigung, dringende betriebliche Erfordernisse) gerechtfertigt. Entgegen ihrer in der Revisionsbeantwortung vertretenen Ansicht hat sie in ihren erstinstanzlichen Schriftsätzen auch nicht andeutungsweise zu erkennen gegeben, daß ihr gesamter Sachvortrag, der ausschließlich die bezeichneten materiell-rechtlichen Gesichtspunkte zum Gegenstand hatte, nur vorsorglich in den Prozeß eingeführt und in erster Linie die Versäumung der Klagefrist geltend gemacht werde sollte. Die Beklagte hat in der Klageerwiderung vielmehr vorgetragen, dem Kläger sei vorsorglich noch einmal "die schriftliche Kündigung" durch Einschreiben und mit der normalen Post "zugeleitet" worden.
Diese Umstände sprechen eindeutig dafür, daß die Beklagte, wie ursprünglich am 1. August 1984 beabsichtigt, eine einheitliche Kündigung aussprechen und mit dem Schreiben vom 2. August 1984 lediglich die wegen des Verhaltens des Klägers gescheiterte (unselbständige) schriftliche Erklärung nachholen wollte.
b) Wie bereits der Erste Senat in dem Urteil vom 17. April 1970 (- 1 AZR 302/69 - AP Nr. 32 zu § 133 BGB) ausgesprochen hat, kann auch die spätere Reaktion einer Partei auf eine von ihr abgegebene Willenserklärung für deren Auslegung von Bedeutung sein. In dem dortigen Fall ging es um die Auslegung eines in einem Vergleich enthaltenen Generalverzichts. Der Senat hat ausgeführt, zum Auslegungsstoff könne auch die Frage gehören, wie sich die Prozeßparteien gegenüber nach dem Vergleichsabschluß geltend gemachten weiteren Ansprüchen verhalten (dort: Zeugniserteilung und Entfernung von Vorgängen aus der Personalakte nach vergleichsweiser Erledigung des Kündigungsschutzprozesses). Der Senat erachtete für bedeutsam, daß der Arbeitgeber sich trotz des Generalverzichts auf jene danach vom Arbeitnehmer geltend gemachten Ansprüche in der Sache eingelassen und den Arbeitnehmer nicht auf den Vergleich verwiesen hatte. Dieses Verhalten des Arbeitgebers konnte darauf hindeuten, daß auch nach seiner Ansicht der Generalverzicht diese Ansprüche nicht erfassen sollte. Im vorliegenden Fall durfte das Berufungsgericht somit nicht ausschließlich auf die von der Beklagten nach Kenntnisnahme von den Gründen des arbeitsgerichtlichen Urteils erstmals in der Berufungsbegründung gegebene nachträgliche Deutung ihres Schreibens vom 2. August 1984 und den hierfür vorgebrachten Grund abstellen, sie habe die Kündigung vom Vortag wegen fehlenden Zugangs an den Kläger für unwirksam gehalten.
5. Die vorstehend dargelegten Umstände führen zu dem Ergebnis, daß die Beklagte mit dem Schreiben vom 2. August 1984 nicht erneut gekündigt, sondern lediglich die am 1. August 1984 gescheiterte schriftliche Erklärung der mündlich ausgesprochenen, als einheitlich gewollten Kündigung nachgeholt hat. Dem Senat ist insoweit eine abschließende Entscheidung möglich. Das Revisionsgericht kann auch die Auslegung einer nicht-typischen Willenserklärung selbst vornehmen, wenn ihm der Auslegungsstoff geschlossen vorliegt und keine andere Beurteilung gestattet (vgl. BAG Urteil vom 19. Januar 1956 - 2 AZR 80/54 - AP Nr. 1 zu § 620 BGB Kündigungserklärung; BAG 10, 122, 127 = AP Nr. 1 zu § 164 HGB, zu I 2 der Gründe). Im vorliegenden Fall stehen der Inhalt des Schreibens vom 2. August 1984 sowie das für seine Auslegung wesentliche Verhalten der Beklagten am 1. August 1984 und im Verfahren erster Instanz fest. Es ist auch nicht ersichtlich, daß die Parteien hierzu zusätzliche Tatsachen vorbringen könnten.
III. Hat die Beklagte nur eine, am 1. August 1984 mündlich und am folgenden Tag schriftlich verlautbarte Kündigung ausgesprochen, so hat der Kläger ihre Sozialwidrigkeit mit der am 6. August 1984 bei Gericht eingegangenen Klage rechtzeitig innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG geltend gemacht. Das Berufungsgericht muß nunmehr prüfen, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist, sowie gegebenenfalls dem Einwand der Beklagten nachgehen, der Kläger habe auf den allgemeinen Kündigungsschutz verzichtet und lediglich die Kündigungsfrist beanstandet. Dies macht die Zurückverweisung des Rechts streits erforderlich (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Hillebrecht Triebfürst Ascheid
Mayr Wisskirchen
Fundstellen