Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulage für die Reinigung und Wartung von Düsentriebwerken
Orientierungssatz
Streit über die Zahlung einer Zulage nach §§ 2 und 3 des Tarifvertrages über Lohnzuschläge gemäß § 29 MTB II für die Arbeiter des Bundes vom 09.05.1969 bzw nach Anlage 2 des Sonderkataloges für den Bereich des Bundesministers der Verteidigung (BMVg) Nr 25b.
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 16. Februar 1999 - 3 Sa 7/97e - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Revision hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung eines Lohnzuschlages.
Der Kläger ist seit vielen Jahren bei der Beklagten als Flugzeugmechaniker beschäftigt und auf dem Flugplatz E. des Marinefliegergeschwaders II eingesetzt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien richtet sich nach dem MTB II (inzwischen MTArb). Im November 1972 wurde der Kläger in die Lohngruppe I/1, die nunmehr der Lohngruppe 8 Fallgr. 1 SV 2a entspricht, eingereiht. Seit dem 1. Oktober 1990 ist er im Wege des Zeitaufstieges in die Lohngruppe 8 a des allgemeinen Teils eingereiht. In die Lohngruppe 8 SV 2a sind gereiht "Arbeiter der Lohngruppe 4 Fallgr. 1 oder 2 des allgemeinen Teils, die besonders schwierige Instandsetzungen oder Spezialarbeiten an hoch empfindlichen und komplizierten Waffen oder Geräten oder Schiffsantriebsanlagen selbständig durchführen."
Inzwischen ist der Kläger in die Lohngruppe 9 Stufe 8 eingereiht.
Aufgabe des Klägers ist die Wartung von Düsentriebwerken. Diese werden in den Werkshallen in speziellen Wartungsbrücken gereinigt oder zerlegt. Die Triebwerke dürfen nicht gedreht werden, weshalb sich der Kläger unter oder über das Triebwerk begeben muß. Es handelt sich um Arbeiten in unbequemer Körperlage, besonders schmutzige Arbeiten und um den Umgang mit krebserregenden Gefahrenstoffen, derentwegen auch besondere Schutzvorkehrungen zu treffen sind. In den letzten 30 Jahren vor 1995 wurden im Arbeitsbereich des Klägers für die Arbeiten an ausgebauten Flugzeugtriebwerken Lohnzuschläge gem. Nr. 25 des Sonderkatalogs (SK) für den Bereich des Bundesministers der Verteidigung gezahlt. Am 24. Mai 1995 erging eine Anweisung der Truppenverwaltung, daß Zulagen nicht mehr nach Nr. 25 SK zu zahlen seien. Arbeiten in unbequemer Körperhaltung seien nach Nr. 85 SK zu vergüten. Die Standortverwaltungen wurden entsprechend mit Schreiben vom 17. Juli 1995 unterrichtet.
Mit Schreiben vom 19. Juli 1995 forderte der Kläger einen Zuschlag nach Nr. 25 SK für Juni 1995 in Höhe von 25,99 DM für 23 Stunden a 1,13 DM. Nachdem die Beklagte den Anspruch abgelehnt hatte, erhob der Kläger am 22. April 1996 die vorliegende Klage, die der Beklagten am 8. Mai 1996 zugestellt worden ist.
Der Kläger vertritt die Ansicht, die Beklagte schulde den Zuschlag, da es sich bei Düsentriebwerken um Motoren im Sinne der Nr. 25 SK handele, an denen er besonders schmutzige Reinigungs- oder Zerlegearbeiten in unbequemer Körperlage ausführe.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zur verurteilen, an ihn 25,99 DM Lohnzuschläge nebst 4 % Verzugszinsen seit dem 8. Mai 1996 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie vertritt die Auffassung, da Tätigkeiten an Düsentriebwerken in speziellen Nummern des Sonderkataloges aufgeführt seien, sei Nr. 25 SK nicht einschlägig.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter, während die Beklagte Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf den geltend gemachten Zuschlag.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung durch weitgehende Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts im wesentlichen wie folgt begründet: Die Auslegung des Sonderkataloges ergebe, daß nach dem Willen der Tarifvertragsparteien Düsentriebwerke nicht unter den Oberbegriff "Motor" im Tarifsinne einzuordnen seien. Dies zeige ein Vergleich mit den Nr. 59, 81 bis 83 und 85 SK. Danach sollten die Tätigkeiten an Düsentriebwerken in besonderen Fällen zuschlagspflichtig seien, außerdem in Nr. 85 bestimmte Tätigkeiten an Flugzeugen. Ein Rückgriff auf die Nr. 25 SK scheide aus, weil es sich nicht um eine allgemeine Auffangnorm handele. Es seien hier vielmehr Verrichtungen enthalten, die eine Verbindung zum Wasser aufwiesen; hierzu gehörten Flugzeuge nicht. Lediglich in den Ziffern 1 bis 24 seien Reinigungsarbeiten besonders erwähnt, während Ziffer 25 auch andere Arbeiten an den dort aufgeführten Objekten enthalte. Auch in Nr. 85 SK seien Arbeiten an oder in Flugzeugen in unbequemer Körperlage erfaßt. Damit seien auch Reinigungsarbeiten dort geregelt.
II. Der Senat folgt dem Landesarbeitsgericht im Ergebnis.
1. Gem. § 22 MTB II werden Lohnzuschläge nach Maßgabe des § 29 Abs. 1 MTB II besonders vereinbart. Lohnzuschläge sind nicht an die Person des Arbeiters gebunden, sondern werden wegen der äußeren Umstände bei der Arbeitsleistung gezahlt. Dazu gehören Zeitzuschläge sowie Schmutz-, Gefahren- und Erschwerniszuschläge. Lohnzuschläge nach § 29 MTB II werden nur gewährt, wenn dies tarifvertraglich vereinbart oder im Einvernehmen mit der vertragschließenden Gewerkschaft durch Verwaltungsanordnung allgemein oder für den Einzelfall bestimmt ist.
Der Tarifvertrag über Lohnzuschläge gem. § 29 MTB II für Arbeiter des Bundes (LohnzuschlagsTV) vom 9. Mai 1969 lautet auszugsweise:
"§ 2
Zuschlagsberechtigende Arbeiten sind die im Allgemeinen Katalog (Anlage 1) und in den Sonderkatalogen (Anlagen 2 - 5) aufgeführten Arbeiten.
§ 3
(1) Auf die Arbeitsstunde bezogene Zuschläge sind, soweit die Zuschläge nicht nach § 4 pauschaliert werden, wie folgt zu berechnen: ...
(2) Werden durch eine Arbeit die Voraussetzungen mehrerer Nummern erfüllt, so wird vorbehaltlich der Regelungen in Abs. 3 bis 5 nur der höchste Zuschlag gezahlt.
(3) Zuschläge aus mit Hinweiszeichen * gekennzeichneten Nummern werden neben dem Zuschlag aus einer nicht mit Hinweiszeichen * gekennzeichneten Nummer des Allgemeinen Katalogs oder neben dem Zuschlag aus einer mit Hinweiszeichen ** gekennzeichneten Nummer der Sonderkataloge gezahlt. Die mit Hinweiszeichen * gekennzeichneten Nummern werden auch nebeneinander gezahlt, soweit nicht in der Protokollnotiz zu Nummern 87 und 88 des Allgemeinen Katalogs etwas anderes bestimmt ist. Insgesamt dürfen jedoch nicht mehr als zwei Zuschläge gezahlt werden.
(4) Werden durch eine Arbeit sowohl die Voraussetzungen der mit Hinweiszeichen * gekennzeichneten Nr. 47 des Allgemeinen Katalogs als auch die der Nr. 1 - 34 oder 108 des Allgemeinen Katalogs oder der mit Hinweiszeichen ** gekennzeichneten Nrn. 3, 5 und 8 des Sonderkatalogs BMVg erfüllt, findet Absatz 2 Anwendung.
..."
Die Anl. 2 zum Tarifvertrag vom 9. Mai 1969 (TV Lohnzuschläge) lautet auszugsweise: "Sonderkatalog für den Bereich des Bundesministers der Verteidigung (BMVg)
25 Arbeiten unter Brücken, an Motoren,
Maschinen oder Aggregaten (auch in
Kraftwerken), Stahldalben, Schleusentoren
(mit Antrieb), oder an vergleichbaren
Stahlkonstruktionen, in Schwimmkästen, an
oder in Schiffen oder schwimmenden Geräten:
besonders schmutzige Reinigungs- oder 0,83
Zerlegungsarbeiten
in unbequemer Körperlage 1,13
in unbequemer Körperlage bei besonderer 1,36
Verschmutzung
Protokollnotiz:
Der Zuschlag wird auch für Reinigungs- oder
Instandsetzungsarbeiten an Amphibienfahrzeugen
insoweit gewährt, als Verunreinigungen oder
Schäden beseitigt werden, die während des Fahrens
im Wasser aufgetreten sind.
...
58 Abschmieren oder Ölwechseln an Maschinen, 0,83
Aggregaten oder Motoren bei
außergewöhnlicher Verschmutzung
a) b) c)
für Kolbenmotore einschließlich 0,83
Betanken
für Düsentriebwerke einschließlich 1,13
Betanken
...
81 Prüf- oder Kontrollarbeiten in Prüfständen
mit Geräuschsdämpfung
für Kolbenmotore von Luftfahrzeugen bei 0,83
laufendem Motor
für Düsentriebwerke von Luftfahrzeugen 1,13
bei laufendem Triebwerk
Protokollnotiz:
Die Geräuschdämpfung muß den mit Prüf- oder
Kontrollarbeiten in Prüfständen
beschäftigten Arbeitern unmittelbar
zustatten kommen.
82 Prüf- oder Kontrollarbeiten in Prüfständen
ohne Geräuschdämpfung
für Kolbenmotore, von Luftfahrzeugen bei 1,36
laufendem Motor
für Düsentriebwerke von Luftfahrzeugen 2,48
bei laufendem Triebwerk
83 Prüf- oder Kontrollarbeiten
an Luftfahrzeugen mit Kolbenmotoren bei 1,36
laufendem Motor
an Luftfahrzeugen mit Düsentriebwerk bei 2,48
laufendem Triebwerk
84 Reifenmontage an Kraftfahrzeugen oder 0,54
Flugzeugen mit einer Mindestreifengröße von
10 x 20 Zoll
Protokollnotiz:
Als Kraftfahrzeuge gelten auch
Amphibienfahrzeuge
85*rbeiten an oder in Kraftfahrzeugen oder
Flugzeugen, z.B. Instandsetzung, Ausbau oder
Einbau von Achsen, Federn, Tanks, Aggregaten
in unbequemer Körperlage
..."
a) b) a) b) a) b) a) b)
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf den im Sinne des § 3 Abs. 2 TVLohnzuschläge höheren Zuschlag der Nr. 25 b SK, den er allein geltend macht, da er keine Arbeiten an Motoren, Maschinen oder Aggregaten in unbequemer Körperlage im Sinne dieser Vorschrift vorgenommen hat. Die Auslegung des Tarifvertrages ergibt, daß in Nr. 25 SK nicht die vom Kläger ausgeführten Arbeiten an Düsentriebwerken erfaßt sind.
a) Bei der Auslegung von Tarifbegriffen sind die für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln zu beachten. Dabei ist zunächst vom Wortlaut auszugehen. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Über den reinen Tarifwortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Hierzu ist auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen. Bleiben sodann noch Zweifel, kann zur Ermittlung des wirklichen Willens der Tarifvertragsparteien auch auf weitere Kriterien, wie die Tarifgeschichte, die praktische Tarifübung und die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages zurückgegriffen werden, ohne daß die Gerichte an eine bestimmte Reihenfolge gebunden wären (BAG 12. November 1997 - 10 AZR 206/97 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Deutsche Bahn Nr. 1).
b) Vom Wortlaut her fallen auch Düsentriebwerke unter die Begriffe "Motoren, Maschinen oder Aggregate" im Sinne der Nr. 25 SK. Es handelt sich hierbei ebenfalls um Antriebsaggregate. Auch Triebwerke sind Maschinen, die eine Energie in mechanische Bewegungsenergie (mechanische Antriebskraft) umwandeln (Meyers Enzyklopädisches Lexikon Stand 1973 Stichwort "Antrieb"). Aus dem tariflichen Zusammenhang folgt jedoch, daß sich der Begriff der Motoren, Maschinen oder Aggregate in Nr. 25 SK nur auf solche bezieht, die im Zusammenhang mit Vorrichtungen an und im Wasser stehen.
c) Zwar scheitert der Anspruch des Klägers nicht daran, daß Arbeiten an Flugzeugen oder ihren Motoren ausschließlich in Nr. 85 SK erfaßt würden. In dem Katalog sind Erschwernisse bezogen auf die verschiedensten Kriterien wie Arten und besondere Bedingungen der Arbeit, Umstände der Arbeitsleistung, besondere Belastungen usw. aufgeführt. Hierbei sind Überschneidungen möglich, die durch die Kollisionsnormen des § 3 Lohnzuschlags TV erfaßt werden. Auch zwingen die Regelungen der Nr. 81 - 83 SK nicht zu dem Schluß, daß Arbeiten an Düsentriebwerken dort ausschließlich geregelt wären. Hierin werden Prüf- und Kontrollarbeiten bei Luftfahrzeugen bei laufendem Motor als zuschlagspflichtig bewertet, und zwar wegen der unterschiedlichen Geräuschentwicklung bei Düsentriebwerken anders als bei Kolbenmotoren. In Nr. 85 SK werden allgemein Arbeiten an Kraftfahrzeugen oder Flugzeugen in unbequemer Körperlage erwähnt. Die Begriffe "Düsentriebwerk" oder "Kolbenmotor" tauchen hier überhaupt nicht auf. Nur wenn dies der Fall wäre, könnte auf eine spezielle Regelung geschlossen werden.
d) Die Tätigkeit des Reinigens und Zerlegens von ausgebauten Düsentriebwerken ist jedoch nicht nach Nr. 25 SK zuschlagspflichtig. Nr. 25 SK ist nicht als Auffangnorm für alle Arten von Arbeiten an jeglichen Motoren, Maschinen oder Aggregaten anzusehen, gleichgültig wo, sie sich befinden, wenn nur die unter a) bis c) genannten Erschwernisse zutreffen. Dagegen spricht schon die Stellung der Norm. Zwar fehlen klar gliedernde Überschriften oder Abschnitte, erkennbar jedoch sind in den Nr. 1 - 23 Reinigungsarbeiten unter verschiedensten Bedingungen geregelt, während die Nr. 24 - 37 sämtlich Zuschläge für Arbeiten im Zusammenhang mit Wasser behandeln. Dieses Erfordernis wird auch aus dem Wortlaut der Regelung deutlich. Diese knüpft mit den Begriffen "Stahldalben", "Schleusentoren", "Schwimmkästen", "Schiffe" und "schwimmende Geräte" nur an technische Einrichtungen an, die einen unmittelbaren Bezug zum Wasser aufweisen. Dies ergibt sich auch aus der Protokollnotiz, wonach der Zuschlag für Reinigungs- oder Instandsetzungsarbeiten an Amphibienfahrzeugen insoweit gewährt wird, als Verunreinigungen und Schäden beseitigt werden, die während des Fahrens im Wasser aufgetreten sind. Diese Interpretation des Umfangs der Zuschlagsregelung wird ferner dadurch bestätigt, daß die Tarifvertragsparteien durch den Klammerzusatz (auch in Kraftwerken) deutlich gemacht haben, daß nicht alle denkbaren Arbeiten an Motoren, Maschinen oder Aggregaten erfaßt werden sollen. In diesem Falle wäre der Klammerzusatz überflüssig. Eine sachgerechte Bedeutung gewinnt er jedoch dann, wenn Arbeiten an derartigen technischen Einrichtungen in (Wasser-)Kraftwerken mit einbezogen werden sollen, denen ein unmittelbarer Bezug zum Wasser fehlt.
3. Der Umstand, daß die Beklagte über viele Jahre hinweg den Zuschlag nach Nr. 25 SK für die vom Kläger verrichteten Arbeiten gezahlt hat, begründet den Anspruch ebenfalls nicht. Die Beklagte wollte erkennbar keine übertarifliche Leistung gewähren, sondern befand sich im Irrtum über die richtige Tarifauslegung. Ein Anspruch aus einer betrieblichen Übung konnte daraus nicht erwachsen.
III. Der Kläger hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 ZPO).
Dr. Freitag
Marquardt
zugleich für den wegen Urlaubs an der Unterschrift verhinderten Prof. Dr. Jobs
Hromadka
Großmann
Fundstellen
Haufe-Index 610760 |
ZTR 2001, 30 |