Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtanrechenbarkeit von Promotionsverträgen auf die 5-jährige Höchstbefristungsdauer nach § 57 c Abs. 2 HRG
Leitsatz (amtlich)
1. Zeitverträge nach § 57 b Abs. 2 Nr. 1 HRG, die Gelegenheit zur Vorbereitung einer Promotion geben, sind von der Anrechnung auf die 5-jährige Höchstbefristungsdauer gem. § 57 c Abs. 2 HRG nicht schon dann ausgenommen, wenn die nachfolgenden Zeitverträge nach § 57 b Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 4 HRG nicht unmittelbar zeitlich anschließen.
2. Die Nichtanrechnung der Promotionsverträge kommt nach § 57 c Abs. 3 HRG in der bis zum 24. August 1998 geltenden Fassung nur in Betracht, wenn der Arbeitsvertrag dem wissenschaftlichen Mitarbeiter die Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Promotion als Teil seiner Dienstaufgaben einräumte(Bestätigung der Senatsrechtsprechung Urteil vom 15. Januar 1997 – 7 AZR 158/96 – AP HRG § 57 b Nr. 14 = EzA BGB § 620 Hochschulen Nr. 12).
Normenkette
HRG § 57b Abs. 2 Nr. 1, § 57c Abs. 2, 3 in der bis zum 24. August 1998 geltenden Fassung
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 25. Februar 1999 – 12 Sa 1233/98 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses infolge einer Befristung.
Der Kläger war vom 1. Oktober 1986 bis zum 31. Dezember 1991 aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverhältnisse an der Gesamthochschule Kassel (GHK) als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Anglistik/Romanistik tätig. Im ersten Zeitvertrag hatten die Parteien ua. vereinbart, daß das Arbeitsverhältnis für Aufgaben iSd. § 57 b Abs. 2 Nr. 1 HRG iVm. § 45 HUG bestimmt sei und das Erbringen der Dienstleistung zugleich der wissenschaftlichen Qualifizierung des Angestellten in Theorie und Praxis diene und Gelegenheit zur Promotion gegeben werde(§ 57 c Abs. 3 HRG). In dem sich anschließenden Arbeitsvertrag vom 28. Juni 1989 für die Zeit vom 1. Oktober 1989 bis zum 30. September 1991 heißt es, daß im Rahmen des Verlängerungsvertrags Gelegenheit zur Fortführung der Arbeit an einer Dissertation gegeben werde. Aufgrund eines Auslandsaufenthalts des Klägers zu Weiterbildungszwecken verlängerten die Parteien ihr Arbeitsverhältnis für die Dauer des Unterbrechungszeitraums nach § 57 c Abs. 6 HRG bis zum 31. Dezember 1991.
Der Kläger schloß seine Promotion im November 1992 ab. Nach einer Lehrtätigkeit außerhalb der GHK und vorübergehender Arbeitslosigkeit vereinbarten die Parteien am 6. Januar 1993 ein weiteres befristetes Arbeitsverhältnis als wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Zeit vom 7. Januar 1993 bis zum 6. Januar 1996 nach § 57 b Abs. 2 Nr. 1 HRG zur Durchführung einer Habilitation. Dieser Vertrag wurde am 6. Dezember 1995 für die Zeit bis zum 6. Januar 1998 unter Hinweis auf § 57 b Abs. 2 Nr. 1 HRG verlängert.
Mit seiner am 27. Januar 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Befristung seines letzten Arbeitsverhältnisses gewandt. Er hat gemeint, die Befristung sei wegen Überschreitens der Höchstbefristungsgrenze des § 57 c Abs. 2 Satz 2 HRG unwirksam. Die Zeiten seiner Promotionsverträge seien bei der Berechnung der 5-Jahres-Frist zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen für deren Nichtanrechnung nach § 57 c Abs. 3 HRG lägen nicht vor. Ein Anspruch auf Durchführung eines Promotionsverfahrens habe nach der vertraglichen Vereinbarung nicht bestanden.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers mit dem beklagten Land über den 6. Januar 1998 hinaus unbefristet fortbesteht;
für den Fall der Stattgabe des Antrages zu 1),
- das beklagte Land zu verurteilen, den Kläger ab Verkündung des Urteils zu unveränderten Arbeitsbedingungen als wissenschaftlichen Mitarbeiter am Fachbereich Anglistik/Romanistik der Gesamthochschule Kassel – Universität – weiterzubeschäftigen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Eine vertraglicher Anspruch auf Durchführung eines Promotionsvorhabens folge aus den schriftlich getroffenen Nebenabreden und der tatsächlichen Vertragsdurchführung. Die Promotionsverträge seien schon deswegen nicht anzurechnen, weil sie den Verträgen nach § 57 b Abs. 2 Nr. 1 HRG nicht unmittelbar zeitlich vorangegangen seien.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des beklagten Landes hat das Landesarbeitsgericht die arbeitsgerichtliche Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Das beklagte Land beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat aufgrund einer wirksamen Befristung im Arbeitsvertrag vom 6. Dezember 1995 mit Ablauf des 6. Januar 1998 geendet.
I. Die Klage ist zulässig. Wie der Vertreter des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt hat, handelt es sich im Streitfall entgegen dem auf eine allgemeine Feststellungsklage hinweisenden Antrag ausschließlich um eine Klage nach § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG.
II. Die Befristung zum 6. Januar 1998 im Vertrag vom 6. Dezember 1995 ist wirksam.
1. Die Befristung des der Befristungskontrolle unterliegenden letzten Arbeitsverhältnisses der Parteien war sachlich gerechtfertigt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat dafür ein Sachgrund nach § 57 b Abs. 2 Nr. 1 HRG wegen der Durchführung eines Habilitationsverfahrens vorgelegen.
2. Das beklagte Land hat beim Abschluß des letzten Zeitvertrags auch die Höchstbefristungsgrenze des § 57 c Abs. 2 HRG beachtet. Die Voraussetzungen, nach denen Promotionsverträge gem. § 57 c Abs. 3 HRG auf die 5-Jahresfrist des § 57 c Abs. 2 HRG nicht angerechnet werden, liegen vor. Das hat das Landesarbeitsgericht lediglich im Ergebnis zutreffend erkannt.
Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die den Zeitraum vom Oktober 1986 bis einschließlich Dezember 1991 umfassenden Promotionsverträge des Klägers seien auf die 5-jährige Höchstbefristungsgrenze nicht anzurechnen, weil sie den nach § 57 b Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 4 HRG befristeten Verträgen nicht unmittelbar vorangegangen seien und es daher an einem engen sachlichen Zusammenhang der Vertragszeiträume fehle. Diese Annahme hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Sie findet im Gesetz keine Stütze.
a) Nach § 57 c Abs. 2 Satz 2 HRG dürfen mehrere befristete Arbeitsverträge nach § 57 b Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 4 HRG bei derselben Hochschule die 5-jährige Höchstgrenze des § 57 c Abs. 2 Satz 1 insgesamt nicht überschreiten. Ausnahmen davon regelt § 57 c Abs. 3 HRG, hier in der bis zum 24. August 1998 geltenden Fassung. Danach sind auf diese Höchstgrenze befristete Arbeitsverträge nach § 57 b Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 4 HRG, soweit sie Gelegenheit zur Vorbereitung einer Promotion geben, nicht anzurechnen. Schon der Wortlaut der Vorschrift läßt nicht erkennen, daß eine zeitliche Unterbrechung zwischen zwei oder mehreren Verträgen oder Vertragszeiträumen anrechnungshindernd sein soll. Die Anrechnungsvorschriften des § 57 c Abs. 2 und Abs. 3 HRG stellen nicht auf die zeitliche Lage der Vertragszeiten zueinander, sondern allein darauf ab, ob der wissenschaftliche Mitarbeiter aufgrund von Zeitverträgen nach dem HRG an derselben Hochschule tätig gewesen war.
b) Das Auslegungsergebnis des Landesarbeitsgericht widerspricht auch dem Zweck der Höchstbefristungsregelung. Die Höchstbefristungsgrenze des § 57 c Abs. 2 Satz 2 HRG soll den wissenschaftlichen Mitarbeiter vor einer sachlich unvertretbaren Ausdehnung befristeter Beschäftigungen nach § 57 b Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 4 HRG schützen(BAG 13. April 1994 – 7 AZR 551/93 – AP HRG § 57 c Nr. 1 = EzA BGB § 620 Nr. 125) und seine Chancen für eine spätere hochschulexterne Beschäftigung wahren(BT-Drucks. 10/2283 S 11; Buchner, RdA 1985, 258, 273). Zugleich soll der Hochschule ein 5-Jahreszeitraum zur Verfügung stehen, innerhalb dessen sie Fähigkeit des wissenschaftlichen Mitarbeiters für qualifizierte wissenschaftlichen Arbeiten und seine Eignung für das Aufrücken in hochschulspezifische Qualifikationsstellen zu beurteilen hat. Deshalb läßt § 57 c Abs. 3 HRG im Interesse der Nachwuchsförderung im Wissenschaftsbereich eine Ausnahme von der Höchstbefristungsgrenze zu, wenn ein wissenschaftlicher Mitarbeiter während des Arbeitsverhältnisses wegen der Arbeiten an seiner Promotion für anspruchsvolle wissenschaftliche Arbeiten nur in begrenztem Umfang zur Verfügung steht(BAG 20. November 1995 – 7 AZR 184/95 – AP HRG § 57 c Nr. 3). Diesem Anliegen wird auch dann noch Rechnung getragen, wenn zwischen den Promotionsverträgen und den nach § 57 b Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 4 HRG befristeten Verträgen eine längere zeitliche Unterbrechung liegt.
c) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts gebieten es auch die Vorschriften des § 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 BeschFG nicht, bei der Berechnung der Höchstbefristungsgrenze des § 57 c Abs. 2 HRG Promotionsverträge bereits dann außer Acht zu lassen, wenn es aufgrund eines längeren zeitlichen Abstands zu den nachfolgenden Zeitverträgen nach § 57 b Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 4 HRG an einem engen sachlichen Zusammenhang fehlt. Das Landesarbeitsgericht übersieht, daß der Vorschrift des § 1 Satz 1 Satz 2 und Satz 3 BeschFG 1985 ein anderer Regelungszusammenhang und eine vom HRG abweichende Schutzkonzeption zugunsten des befristet eingestellten Arbeitnehmers zugrundeliegt. § 1 Abs. 1 BeschFG gestattete in der bis zum 30. September 1996 geltenden Fassung eine Befristung ohne das Vorliegen eines Sachgrundes nur bei Neueinstellungen. Daran anknüpfend sollten § 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 BeschFG verhindern, daß durch ein Dazwischenschalten eines Unterbrechungszeitraums formal eine Neueinstellung im Sinne des § 1 Abs. 1 BeschFG herbeigeführt und damit die gesetzliche Höchstbefristungsgrenze von 18 Monaten umgangen werden konnte. Das steht einer Übertragbarkeit dieses Rechtsgedankens auf die spezialgesetzlichen Befristungsregelungen des HRG entgegen, die für eine wirksame Befristungsabrede das Vorliegen eines in diesem Gesetz geregelten Sachgrunds verlangen und eine Umgehung der Höchstbefristungsdauer durch eine gesonderte Regelung anrechnungsfähiger Vertragslaufzeiten verhindern.
3. Das Landesarbeitsgericht hat zwar nicht geprüft, ob dem Kläger in der Zeit vom Oktober 1986 bis Dezember 1991 Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Promotion gegeben war. Dennoch mußte der Rechtsstreit nicht zurückverwiesen werden. Vielmehr konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden(§ 565 Abs. 3 ZPO). Die Voraussetzungen, nach denen § 57c Abs. 3 HRG die Nichtanrechnung von Promotionsverträgen gestattet, liegen nämlich vor.
a) Nach der Senatsrechtsprechung zu § 57 c Abs. 3 HRG in der bis zum 24. August 1996 geltenden Fassung sind Promotionsverträge von der Berechnung der 5-Jahres-Frist ausgenommen, die dem wissenschaftlichen Mitarbeiter einen vertraglich durchsetzbaren Anspruch auf die Durchführung seiner Promotion als Teil seiner Dienstaufgabe zugestehen. Dieser Anspruch kann auch aus der vertraglichen Durchführung folgen(BAG 20. November 1995 und 15. Januar 1997 – 7 AZR 184/95 – und – 7 AZR 158/96 – AP HRG § 57 c Nr. 3 und AP HRG § 57 b Nr. 14 = EzA BGB § 620 Hochschulen Nr. 12).
b) Die Parteien haben in den Arbeitsverträgen für die Zeit vom 1. Oktober 1986 bis zum 31. Dezember 1991 eine Gelegenheit zur Promotion vertraglich vereinbart. Das folgt aus den schriftlichen Abreden in diesen Verträgen. Der arbeitsvertragliche Hinweis auf § 45 HUG steht dem nicht entgegen. Nach § 45 Abs. 1 Satz 2 HUG idF des Gesetzes vom 6. Dezember 1974(GVBl. 1974, 603) soll wissenschaftlichen Mitarbeitern im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten Gelegenheit zur selbstbestimmter Forschung, insbesondere zur Arbeit an einer Dissertation gegeben werden. Davon unberührt bleibt nach § 45 Abs. 1 Satz 3 HUG ihre Verpflichtung zur vollen, vertraglich oder in anderer Weise festgelegten Dienstleistung. Damit überläßt § 45 Abs. 1 Satz 3 HUG die Bestimmung des Umfangs der vom wissenschaftlichen Mitarbeiter zu erbringenden Dienstleistung ebenso wie § 57 c Abs. 3 HRG der vertraglichen Vereinbarung oder einer sonstigen verbindlichen Festlegung.
c) Dem Vorbringen des beklagten Landes, wonach ein vertraglicher Anspruch auf Durchführung der Promotion als Bestandteil der Dienstaufgabe auch aus der tatsächlichen Durchführung des Vertragsverhältnisses folge, ist der Kläger trotz eines Hinweises des Senats in der mündlichen Verhandlung nicht entgegengetreten. Nach dem vom beklagten Land vorgelegten Bewerbungsschreiben des Klägers vom 23. Dezember 1992 hat der Kläger seine Dissertation während seiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter zwischen 1986 und 1991 verfaßt. Er war nach seinen Angaben nur „darüber hinaus” mit organisatorischen und administrativen Tätigkeiten befaßt gewesen. Aus dem Antrag des Klägers vom 23. Mai 1989 auf Verlängerung seines ersten Promotionsvertrags geht weiter hervor, daß er für seine Dissertation ausführliche bibliographische Recherchen durchgeführt hatte und in einer Frist von weiteren zwei Jahren seine Promotionsvorhaben zum Abschluß bringen wollte. Konkrete Hinweise darauf, daß der Kläger nach der tatsächlichen Durchführung seiner Promotionsverträge berechtigt war, an seiner Dissertation als Teil seiner Dienstaufgabe zu arbeiten, folgen auch aus dem Gutachten des Prof. Dr. S. zur Verlängerung des ersten Promotionsvertrags. Danach hat der Kläger die vorlesungsfreie Zeit für intensive Recherchen an auswärtigen Bibliotheken zu seinem Promotionsvorhaben genutzt.
Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Fehlen konkreter vertraglicher Bestimmungen zum Umfang seiner dienstlichen Entlastung zugunsten seines Promotionsvorhabens nicht zwingend die Anrechenbarkeit dieser Zeiten zur Folge. Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger nur außerhalb bzw. in geringem Umfang während seiner Arbeitszeit oder erst nach Ablauf der Promotionsverträge an seiner Dissertation arbeiten konnte, sind seinem Vorbringen nicht zu entnehmen.
Unterschriften
Dörner, Schmidt, Linsenmaier, Schiele, Seiler
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 05.04.2000 durch Schiege, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 537471 |
FA 2000, 296 |
NZA 2001, 390 |
ZTR 2000, 569 |
AP, 0 |
PersR 2001, 1 |
RiA 2001, 55 |
WissR 2000, 358 |