Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung der Krankenbezüge bei Provisionsvertreter
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein angestellter Handelsvertreter (§ 65 HGB), dessen Vergütung sich aus einem monatlichen Grundgehalt und Provisionen zusammensetzt, kann im Krankheitsfalle (§ 63 Abs 1 HGB) nicht nur die Fortzahlung des Grundgehalts bis zur Dauer von sechs Wochen verlangen, ihm steht auch die Zahlung der Provisionen zu, die er in dieser Zeit ohne krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung wahrscheinlich verdient hätte.
2. Das gilt auch dann, wenn der zur Provision führende Geschäftsabschluß einer längeren Zeit der Bearbeitung bedarf. Bei solcher Sachlage kann es für die Schätzung des Provisionsausfalls nach § 287 Abs 2 ZPO geboten sein, einen längeren Referenzzeitraum zugrundezulegen.
Normenkette
HGB § 63; BGB § 616; ZPO §§ 256, 287; GewO § 133c; LFZG § 2 Abs. 2, 1
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 02.05.1983; Aktenzeichen 11 Sa 1146/82) |
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 01.07.1982; Aktenzeichen 5 Ca 616/81) |
Tatbestand
Die Parteien streiten im vorliegenden Verfahren darüber, wie die Krankenbezüge des Klägers zu berechnen sind.
Die Beklagte vertreibt EDV-Systeme. Der Kläger ist bei ihr seit dem 1. April 1974 als Vertriebsrepräsentant beschäftigt. Er erhält als Vergütung ein monatliches Festgehalt (Fixum) von 4.800,-- DM brutto sowie Provisionen ("Beteiligungen"; ermittelt in Prozentsätzen nach dem Auftragswert) und außerdem Prämien als Sondervergütungen zu den jeweils ermittelten Provisionen. Bis zum 30. September 1981 richteten sich die Provisionen und Prämien nach einem von der Beklagten aufgestellten Beteiligungsplan, zuletzt in der Fassung vom 1. April 1979 (Bl. 68 bis 116 d. A.). Danach entstanden die Provisionsansprüche mit Abschluß der näher aufgeführten Geschäfte; sie wurden zeitlich gestaffelt fällig. Bei bestimmten Abschlüssen wurde eine zusätzliche "Betreuungsbeteiligung" gewährt. Prämien waren für sieben unterschiedliche Fallgruppen von Abschlüssen vorgesehen (Bl. 96, 98, 99 d. A.): 1. Gewinnung neuer Systemkunden (die anfallenden Beteiligungen wurden mit bestimmten Faktoren multipliziert), 2. Großabschlüsse über mehrere Systeme (es galten bestimmte Faktoren, gestaffelt nach dem Auftragswert), 3. Revenue-Forcierung (Zusatzprämie für Abschlüsse vor dem 31. März des Geschäftsjahres), 4. Lizenzierte Softwareprodukte (betragsmäßig bestimmte Prämien für Abschlüsse über bestimmte Produkte), 5. Vorzeitige Quotenerfüllung (100 % Erfüllung zum 30. September = 8.000,-- DM; 100 % Erfüllung zum 31. Dezember = 4.000,-- DM), 6. Quotenübererfüllung (die den jeweiligen Quotenübererfüllungen entsprechenden Beteiligungen wurden mit bestimmten Faktoren multipliziert: ab 110 % = Faktor 1,1; ab 130 % = Faktor 1,3; ab 150 % = Faktor 1,5), 7. Verkaufswettbewerbe (a: Prämiengutschrift für den ersten Systemabschluß bei Unternehmen aus einer bestimmten "Top-Liste"; b: Prämien für den Quartalssieger).
Seit dem 1. Oktober 1981 gilt für die Berechnung der variablen Bezüge des Klägers - aufgrund des Spruchs einer Einigungsstelle vom 10. Juni 1981 - ein neuer "Provisionsplan" (Bl. 49 bis 57 R d. A.). Danach stehen den Verkaufsrepräsentanten weiterhin Abschlußprovisionen sowie in bestimmten Fällen Kundenbetreuungsprovisionen zu. Der nunmehr gültige "Prämienplan" (Bl. 58 R bis 60 R d. A.) weist wiederum eine in drei Stufen (ab 110 %, ab 130 % und ab 150 %) gegliederte "Quotenübererfüllungsprämie", eine "Vorzeitige Quotenerfüllungsprämie" und weitere Prämien aus. Den Prämien ist nunmehr gemeinsam, daß sie in Festbeträgen zugestanden werden.
Der Kläger war im Jahre 1979 an 23 Arbeitstagen und im Jahre 1982 an neun Arbeitstagen arbeitsunfähig krank. Die Beklagte legte bei der Berechnung seiner Krankenbezüge und seines Urlaubsentgelts der Jahre 1979 bis 1982 nur das Fixum zugrunde, jedoch nicht die Provisionen und Prämien. Diese beliefen sich 1979 auf 121.987,-- DM, 1980 auf 120.784,-- DM, 1981 auf 116.191,-- DM und 1982 auf 188.301,-- DM. Die monatlich ausgezahlten Beträge schwankten stark; sie bewegten sich zwischen 300,-- DM im September 1980 und 64.509,-- DM im Februar 1979.
Der Kläger macht geltend, für die Berechnung der Krankenbezüge und des Urlaubsentgelts müßten auch die in den letzten drei abgerechneten Kalendermonaten vor Beginn einer Arbeitsunfähigkeit oder vor Antritt eines Urlaubs gezahlten Provisionen und Prämien berücksichtigt werden. Er hat die Bezüge der jeweils vorangegangenen drei Kalendermonate durch die Zahl der hierin angefallenen Arbeitstage geteilt und den sich daraus ergebenden Betrag mit der Zahl der in die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bzw. des Urlaubs fallenden Arbeitstage vervielfacht. Für 1979 und 1980 hat er mit seiner im Dezember 1981 erhobenen Klage zunächst 48.125,-- DM brutto an Urlaubsentgelt und Krankenbezügen beansprucht. In der Berufungsinstanz hat er die Zahlungsklage auf zusätzliches Urlaubsentgelt für 1981 und 1982 sowie zusätzliche Krankenvergütung für 1982 mit weiteren 67.311,-- DM brutto erweitert. Neben der Zahlung dieser Beträge begehrt der Kläger zudem die Feststellung, daß die Beklagte dem Grunde nach verpflichtet sei, die Provisionen und Prämien in die Berechnung von Krankenvergütung und Urlaubsentgelt einzubeziehen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 48.125,-- DM
und weitere 67.311,-- DM brutto, jeweils nebst
4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit, zu zahlen,
2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet
sei, die Provisionen und Prämien der letzten
13 Wochen vor Urlaubsbeginn bzw. krankheits-
bedingter Arbeitsunfähigkeit in die Bemessungs-
grundlage für das Urlaubsentgelt bzw. die Ver-
gütung im Krankheitsfalle einzubeziehen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, sie schulde bei Krankheit und Urlaub nur die Weiterzahlung des vereinbarten Fixums. Die Einbeziehung der Provisionen und Prämien könne der Kläger nicht verlangen. Er habe pro Jahr nur etwa zehn Kunden zu betreuen und tätige nur zwei bis drei größere Abschlüsse, bei denen zwischen der ersten Kontaktaufnahme mit dem Kunden bis zur Unterzeichnung des Vertrages Zeitspannen von mehr als sechs Monaten, in Ausnahmefällen sogar von mehr als einem Jahr lägen. Aus diesen zwei bis drei größeren Abschlüssen setze sich der weitaus größte Teil seines jährlichen Provisionseinkommens zusammen.
Bei diesen wenigen Abschlüssen entgingen dem Kläger durch kurzfristige Arbeitsverhinderung keine provisionspflichtigen Geschäfte, zumal bei Abwesenheit für Vertretung gesorgt oder aber bei der Terminierung auf die Verhinderung Rücksicht genommen werde. Etwaige Verzögerungen hinsichtlich der Abschlüsse seien in ihren finanziellen Auswirkungen so gering, daß sie vernachlässigt werden könnten. So habe der Kläger keine infolge Arbeitsunfähigkeit ausgefallenen Abschlüsse aufzuzeigen vermocht.
Die Prämien könnten in die Bemessungsgrundlage der Krankenbezüge schon deshalb nicht aufgenommen werden, weil für ihr Entstehen allein die Erfüllung einer vorgegebenen Quote zu einem bestimmten Zeitpunkt entscheidend sei. Dabei sollten sie die gesamte Jahresleistung ungeachtet der Zahl der Arbeitstage vergüten. Zumindest müsse aber wegen der starken Schwankungen der in den einzelnen Monaten fällig werdenden Provisionen und Prämien auf einen längeren Referenzzeitraum, etwa den eines Jahres, zurückgegriffen werden.
Das Arbeitsgericht hat dem Zahlungsbegehren des Klägers entsprochen, die Feststellungsklage dagegen als unzulässig angesehen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung beider Parteien unter Berücksichtigung der Klageerweiterung dem Zahlungsbegehren insgesamt und auch dem Feststellungsbegehren stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiter. Im vorliegenden Revisionsverfahren ist wegen der Zuständigkeit des erkennenden Senats nur über die Krankenbezüge des Klägers zu entscheiden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Eine endgültige Entscheidung ist jedoch nur über das Feststellungsverlangen des Klägers möglich: Die Feststellungsklage ist unzulässig (II). Hinsichtlich der Höhe der dem Kläger zustehenden Krankenbezüge - nur um diese Ansprüche geht es im vorliegenden Revisionsverfahren - kann eine abschließende Beurteilung dagegen noch nicht getroffen werden. Insoweit muß die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden (I).
I. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß Anspruchsgrundlage für das Verlangen des Klägers auf Zahlung von Krankenbezügen § 63 Abs. 1 Satz 1 HGB ist. Nach dieser Bestimmung behält der kaufmännische Angestellte seinen Anspruch auf Gehalt, wenn er durch unverschuldetes Unglück an der Leistung der Dienste verhindert wird, jedoch nicht über die Dauer von sechs Wochen hinaus. Als Unglück im Sinne des § 63 HGB kommt vor allem eine Krankheit des Angestellten in Betracht (statt vieler BAG 11, 12 = AP Nr. 22 zu § 63 HGB, zu III 1 der Gründe; Kaiser/Dunkl, Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle, 2. Aufl., II Rz 44, 46).
1. Das Landesarbeitsgericht hat weiter richtig erkannt, daß Provisionen Gehalt im Sinne von § 63 Abs. 1 Satz 1 HGB sind.
a) Das Gesetz regelt nicht näher, was zum Gehalt im Sinne der genannten Vorschrift gehört. Entsprechendes gilt für die Begriffe "Vergütung" in § 616 Abs. 2 Satz 1 BGB und "vertragsgemäße Leistungen" in § 133 c Satz 1 GewO. Doch ist in allen diesen Fällen davon auszugehen, daß der Angestellte diejenige Vergütung erhalten soll, die er verdient hätte, wenn er nicht an der Leistung der Dienste verhindert gewesen wäre; er soll nicht besser, aber auch nicht schlechter gestellt werden, als wenn er in dieser Zeit gearbeitet hätte (st. Rspr. des BAG, vgl. Urteil vom 12. Oktober 1956 - 1 AZR 464/54 - AP Nr. 4 zu § 63 HGB; ferner Schmatz/-Fischwasser, Vergütung der Arbeitnehmer bei Krankheit und Mutterschaft, 6. Aufl., L. 402; Kaiser/Dunkl, aaO, I § 1, Rz 87; Feichtinger, AR-Blattei, Krankheit III, Lohn- und Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfalle, E II 1). Nach diesem Grundgedanken, den der Gesetzgeber auch in § 2 Abs. 1 und Abs. 2 LohnFG für das Recht der Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle ausdrücklich niedergelegt hat ("Lohnausfallprinzip") gehören alle fortlaufend gewährten Leistungen, die der Arbeitgeber als Vergütung für die zugesagten Dienste versprochen hat, zum fortzuzahlenden Gehalt. Ausgenommen sind Leistungen, mit denen Aufwendungen ersetzt werden sollen, die lediglich dem gesunden Arbeitnehmer im Falle seiner Arbeitsleistung entstehen (vgl. Senatsurteil vom 4. Oktober 1978 - 5 AZR 886/77 - AP Nr. 11 zu § 611 BGB Anwesenheitsprämie, zu 3 a der Gründe m.w.N.; ferner BAG 43, 6, 12 = AP Nr. 9 zu § 11 MuSchG 1968, zu II der Gründe; vgl. ferner die gesetzliche Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 2 LohnFG). Nicht zum fortzuzahlenden Gehalt im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 1 HGB zählen aber auch Leistungen des Arbeitgebers, die nicht auf die im Entgeltfortzahlungszeitraum entfallenden Dienste des Angestellten bezogen sind; bei ihnen ist die Arbeitsunfähigkeit nicht die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung und des Arbeitsentgelts (vgl. BAG 39, 67, 69 = AP Nr. 12 zu § 611 BGB Anwesenheitsprämie, zu II 1 der Gründe; ferner Senatsurteil vom 22. August 1984 - 5 AZR 539/81 - zu I 1 und 2 a der Gründe m.w. N., zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt; Jahresprämie für Lizenzfußballspieler).
b) Gemessen an diesen Voraussetzungen gehören die Provisionen zu der dem Kläger im Krankheitsfalle fortzuzahlenden Vergütung. Das ist für die Empfänger von Umsatzprovisionen im Grundsatz auch allgemein anerkannt (vgl. BAG Urteil vom 30. Juni 1960 - 5 AZR 48/59 - AP Nr. 13 zu § 63 HGB, zu 1 a der Gründe; BAG 22, 45, 50 = AP Nr. 27 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG, zu 4 der Gründe, jeweils m.w.N.; ferner BAG Urteil vom 11. Januar 1978 - 5 AZR 829/76 - AP Nr. 7 zu § 2 LohnFG, zu II 1 der Gründe; BAG 43, 6, 12 = AP Nr. 9 zu § 11 MuSchG 1968, zu II der Gründe; Kaiser/-Dunkl, aaO, I § 2 Rz 12; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 5. Aufl., § 98 V 1, S. 594; einschränkend dagegen Lieb, DB 1976, 2207). Umsatzprovisionen werden für die getätigten Abschlüsse gewährt und stellen in gleicher Weise Arbeitsentgelt für geleistete Dienste dar wie das neben ihnen gezahlte Fixum. Entscheidend ist, daß ein gesunder Angestellter sie erarbeiten kann, der kranke Angestellte dagegen nicht.
c) Die Besonderheiten des Streitfalles geben keinen Anlaß, von dieser Betrachtungsweise abzuweichen. Der Einwand der Revision, zwischen der wegen Arbeitsunfähigkeit ausgefallenen Arbeitszeit des Klägers und einem möglichen Verdienstausfall fehle es an der Ursächlichkeit, greift nicht durch. Diese Verteidigung der Beklagten stützt sich darauf, daß der Kläger nur wenige große Abschlüsse im Jahr tätige und diese von den jeweils nur kurzfristigen krankheitsbedingten Arbeitsverhinderungen nicht berührt würden. Diese Überlegung will den Anspruch auf Einbeziehung der Provisionen in die Berechnung der Krankenvergütung allein deswegen verneinen, weil nicht festgestellt werden könne, daß dem Kläger ohne die krankheitsbedingte Verhinderung an den Krankheitstagen einzelne Abschlüsse gelungen wären. Allerdings dürfte ein solcher Nachweis in der Regel nicht möglich sein. Im Streitfall besteht keine Relation zwischen aufgewendeter Arbeitszeit und Arbeitserfolg in der Weise, daß jeweils einem gewissen Umfang an aufgewandter Arbeitszeit (etwa einzelnen Arbeitstagen) auch eine bestimmte Anzahl von Abschlüssen zuzuordnen ist. Das gilt nicht nur dann, wenn der Kläger entsprechend seiner Behauptung durchschnittlich etwa 70 Abschlüsse pro Jahr erreicht, sondern erst recht dann, wenn sich seine Provisionseinkünfte im wesentlichen auf zwei bis drei größere Abschlüsse beschränken. Diese Umstände können jedoch nicht dazu führen, daß der durch die jeweilige Arbeitsunfähigkeit bedingte Arbeitsausfall bei der Berechnung der Gehaltsfortzahlung unberücksichtigt bleiben müßte.
Bei der Prüfung, ob der Arbeitsausfall auch zu einem Verdienstausfall geführt hat, darf man nicht darauf abstellen, ob gerade an dem betreffenden Ausfalltag eine Provision verdient worden wäre. Der Vertreter muß - auf die Länge gesehen - für jeden Abschluß eine bestimmte Zeit aufwenden. Er muß viele Kunden aufsuchen, bei denen er keinen oder noch keinen Abschluß erreicht. Hinzu treten zeitaufwendige Vorarbeiten, im Streitfalle gerade dann, wenn man mit dem Vortrag der Beklagten davon ausgeht, daß der Kläger Abschlüsse in der Regel erst nach sechs- bis zwölfmonatiger Betreuung der einzelnen Kunden - zumindest beim Verkauf größerer Systeme - erzielen kann. Setzt ein Abschluß einen derartigen zeitlichen Aufwand voraus, muß der durch krankheitsbedingte Fehltage verursachte Arbeitsausfall zu einer Kürzung der Umsatzprovision führen. Das räumt selbst die Beklagte ein, wenn sie auch nur in einer längeren Abwesenheitszeit eine Ursache für Provisionsausfall anerkennen will. Auf die Länge der Abwesenheit kommt es jedoch grundsätzlich nicht an. Dem Lohnausfallprinzip wird vielmehr nur eine Betrachtung gerecht, die darauf abstellt, was der Vertreter nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit an Abschlüssen erreicht hätte, wenn keine krankheitsbedingten Ausfalltage eingetreten wären und er daher an diesen Tagen hätte arbeiten können. Die gleichen Überlegungen hat das Bundesarbeitsgericht wiederholt zur Berechnung der Feiertagsvergütung angestellt, für die ebenfalls das Lohnausfallprinzip gilt (BAG 22, 45, 50 = AP Nr. 27 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG, zu 4 der Gründe; BAG 23, 248, 253 = AP Nr. 9 zu § 1 FeiertagslohnzahlungG Berlin, zu I 2 b der Gründe).
Entscheidend ist in derartigen Fällen dies: Schwankende Bezüge müssen, sofern die Schwankungen nicht mit täglicher und betragsmäßiger Regelmäßigkeit auftreten, durch Schätzung entsprechend § 287 Abs. 2 ZPO ermittelt werden, und zwar in der Weise, daß man von einem Durchschnittsverdienst eines bestimmten Bezugszeitraums ausgeht, der so zu wählen ist, daß ein sachgerechtes Ergebnis erzielt werden kann (vgl. die bereits erwähnte Entscheidung BAG 23, 248, 254 = AP Nr. 9 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG Berlin, zu I 2 c der Gründe; BAG Urteil vom 29. September 1971 - 3 AZR 164/71 - AP Nr. 28 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG, zu I 4 der Gründe, jeweils m.w.N.). Bei Abschlüssen, die in der Regel nur alle Wochen oder Monate zustande kommen, ist ein sachgerechtes Ergebnis allein bei Zugrundelegung eines längerfristigen Referenzzeitraums zu gewinnen (s. zu 3.).
2. Über die Höhe der dem Kläger für die einzelnen Krankheitstage zustehenden Krankenbezüge kann mangels ausreichender Tatsachenfeststellung noch nicht abschließend entschieden werden. In den vom Kläger vorgelegten Aufstellungen sind Provisionen und Prämien stets zusammengerechnet aufgeführt. Das wäre nur dann unschädlich, wenn die Prämien in gleicher Weise wie die Provisionen bei der Berechnung der Krankenbezüge zu berücksichtigen wären. Soweit das angefochtene Urteil davon ausgegangen ist, kann ihm jedoch nicht gefolgt werden. Nicht alle Prämien sind Bestandteile des fortzuzahlenden Gehalts gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 HGB.
a) Allerdings stellen die Prämien Vergütung für geleistete Dienste und damit Arbeitsentgelt dar. Daraus folgt aber nicht, daß sie in jedem Falle zum fortzuzahlenden Gehalt gehören. Das trifft vielmehr nur für die Prämien zu, mit denen bestimmte provisionspflichtige Abschlüsse nochmals zusätzlich vergütet werden, wie bei der Gewinnung neuer Systemkunden, bei Großabschlüssen über mehrere Systeme, bei lizenzierten Softwareprodukten und bei Verkaufswettbewerben für den ersten Systemabschluß bei Unternehmen der "Top-Liste". In diesen Fällen bedeutet die Prämie eine die normale Provision ergänzende Sondervergütung, also in Wirklichkeit eine erhöhte oder Zusatzprovision.
Nicht in die Krankenbezüge einzurechnen sind dagegen die Prämien, die in keinem Bezug zu den Krankheitszeiten stehen. Dazu gehören die Fallgruppen "Vorzeitige Quotenerfüllung" (einschließlich "Revenue- Forcierung") und "Quotenübererfüllung" sowohl in ihrer näheren Ausgestaltung durch den bis zum Jahre 1981 geltenden Beteiligungsplan als auch durch den später in Kraft getretenen Prämienplan. Hierbei handelt es sich um Leistungen, die unabhängig von der auf einen bestimmten Zeitabschnitt bezogenen und bei Arbeitsunfähigkeit ausfallenden Arbeitsleistung gewährt werden (vgl. dazu die Jahresleistung des Lizenzfußballers: BAG Urteil vom 22. August 1984 - 5 AZR 539/81 -, zu I 1 und 2 der Gründe). Sie werden nicht für eine laufende Arbeitsleistung gezahlt, sondern dafür, daß das für eine bestimmte Zeitspanne bzw. für das ganze Geschäftsjahr vorgegebene "Soll" vorzeitig erfüllt bzw. überschritten wird. Wann der Kläger beispielsweise die Übererfüllung von 110 % erreicht, ist ohne Bedeutung. So kann er trotz einer Arbeitsunfähigkeit die erforderlichen Abschlüsse zur Erreichung der Quote noch im weiteren Verlauf des Geschäftsjahres tätigen. Umgekehrt hat eine Arbeitsunfähigkeit am Ende des Geschäftsjahres, wenn etwa der Übererfüllungsgrad von 150 % bereits erreicht worden ist, keinen nachteiligen Einfluß auf die betreffende Prämie: sie in den Krankenbezügen zu berücksichtigen, würde bedeuten, sie dem Kläger zweimal zuzubilligen. Das wäre nicht rechtens.
b) Eine ganz andere Frage ist, welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben, daß den Angestellten wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten eine Kürzung seines sich aus den Prämien zusammensetzenden Einkommens treffen kann. Soweit die dem Angestellten zuzubilligenden hypothetischen Abschlüsse in die Ermittlung der vorzeitigen Quotenerfüllung bzw. Quotenübererfüllung nicht einbezogen werden, könnte hierin eine objektive Umgehung der Schutzbestimmung des § 63 Abs. 1 Satz 1 HGB liegen, so daß die für Anwesenheitsprämien geltenden Überlegungen (vgl. BAG 39, 67, 69, 70 = AP Nr. 12 zu § 611 BGB Anwesenheitsprämie, zu II 2 der Gründe) auch für die vorliegende Prämienausgestaltung gelten könnten. Diese Frage ist indessen nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, so daß sie keiner weiteren Vertiefung bedarf.
3. Bei der erneuten Verhandlung wird das Landesarbeitsgericht außer der getrennten Beurteilung von Provisionen und Prämien weiter folgendes beachten müssen:
a) Zur Feststellung der Höhe des Verdienstausfalls dürfen als Bezugszeitraum nicht, wie in dem angefochtenen Urteil geschehen, die letzten drei abgerechneten Kalendermonate vor Eintritt der jeweiligen Arbeitsunfähigkeit zugrunde gelegt werden. Die Festlegung eines Referenzzeitraumes muß "unter Würdigung aller Umstände" geschehen (§ 287 ZPO). Die Revision rügt zu Recht, daß das Landesarbeitsgericht diese Vorschrift bei seinen bisherigen Überlegungen nicht hinreichend beachtet habe.
b) Als Grundlage für die Ermittlung des krankheitsbedingten Entgeltausfalls des Klägers ist die auf eine dreimonatige Referenzperiode abgestellte Durchschnittsberechnung nicht geeignet. Da die monatlichen Provisionseinkünfte des Klägers starke Schwankungen aufweisen (die Extremfälle liegen zwischen 300,-- DM und 64.509,- DM), ist es zur Vermeidung grober Unbilligkeiten erforderlich, auf einen größeren Berechnungsabschnitt zurückzugreifen, der alle Schwankungsursachen nach Möglichkeit umfaßt und ausgleicht. Hierfür erscheint auch im Streitfall die Zeitspanne von 12 Monaten als geeignet. Denn normalerweise vermag der Zeitraum eines Jahres der besonderen Eigenart eines Arbeitsverhältnisses gerecht zu werden und unbillige Zufallsergebnisse auszuschließen (vgl. BAG Urteil vom 5. November 1964 - 2 AZR 494/63 - AP Nr. 21 zu § 2 ArbKrankhG, Bl. 2 R, 3; das zur Veröffentlichung bestimmte Senatsurteil vom 7. November 1984 - 5 AZR 378/82 -, zu II 1 der Gründe).
II. Nicht zu folgen ist dem Landesarbeitsgericht, soweit es die Feststellung getroffen hat, die Beklagte sei verpflichtet, die in den letzten drei abgerechneten Monaten vor Beginn einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Klägers fällig gewordenen Provisionen und Prämien in die Bemessungsgrundlage für die Vergütung im Krankheitsfalle einzubeziehen. Unabhängig von der Frage der sachlichen Richtigkeit dieses Ausspruchs ist das Feststellungsbegehren bereits als unzulässig zu bewerten.
Für eine Zwischenfeststellungsklage ist Voraussetzung, daß die begehrte Feststellung ein "Rechtsverhältnis" zum Gegenstand hat, von dem die Entscheidung des Rechtsstreits - hier dem Zahlungsverlangen - ganz oder zum Teil abhängig ist. Der Zweck der Zwischenfeststellungsklage liegt in der Ausdehnung der Rechtskraftwirkung auf den Grund der Hauptklage, auf das sie präjudizierende Rechtsverhältnis und die tragenden Entscheidungsgründe (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 43. Aufl., § 256 Anm. 7; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 13. Aufl., § 99 III 1 - jeweils mit weiteren Nachweisen).
Dabei kann streitiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 ZPO, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend gesehen hat, etwa eine Forderungsrecht sein, das selbst aus einem umfassenderen Rechtsverhältnis erwächst. So kann für den Fall einer Leistungsklage auf Zahlung des Gehalts nach einer bestimmten Tarifgruppe für einen begrenzten Zeitabschnitt daneben eine Zwischenfeststellungsklage auf Feststellung des Gehaltsanspruchs nach dieser Vergütungsgruppe erhoben werden (vgl. BAG 18, 29, 36 f. = AP Nr. 11 zu § 565 ZPO, Bl. 3). Ein derartiges Teilrechtsverhältnis innerhalb des übergreifenden Rechtsverhältnisses der arbeitsvertraglichen Beziehungen der Parteien will der Kläger vorliegend aber gar nicht festgestellt wissen. Voraussetzung hierfür wäre, daß aus der streitigen Frage weitere Ansprüche erwachsen könnten als diejenigen, die mit der Hauptklage geltend gemacht werden. Dem Kläger geht es aber nur um die Feststellung, wie mögliche Ansprüche auf Krankenvergütung dem Umfange nach zu berechnen sind. Diese Feststellung könnte nur der Klärung einer einzelnen Vorfrage eines Rechtsverhältnisses dienen, was bei der Zwischenfeststellungsklage ebenso unzulässig ist wie bei der allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO (vgl. statt vieler BGHZ 22, 44, 47, 48; BAG 18, 256, 272 = AP Nr. 3 zu § 13 AZO). Zwar hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinen vom Landesarbeitsgericht angezogenen Urteilen vom 18. November 1968 - 3 AZR 255/67 - (AP Nr. 134 zu § 242 BGB Ruhegehalt) und vom 1. Juni 1970 - 3 AZR 166/69 - (AP Nr. 143 aaO) auch auf einzelne Elemente eines Rechtsverhältnisses bezogene Feststellungsklagen als zulässig erachtet. Jene Streitigkeiten aus Ruhestandsverhältnissen können aber mit dem vorliegenden Fall nicht verglichen werden. Dort wurde über die verlangte Entscheidung der Rechtsstreit im Ganzen beendet, so daß vorrangig prozeßwirtschaftliche Erwägungen dafür maßgeblich waren, die Feststellungsklage als zulässig zu behandeln. Im Streitfall ist die Lage jedoch anders. Welche Art und welche Anzahl von Abschlüssen künftig vorliegen werden, ist ungewiß. Allein danach kann sich aber die jeweilige Dauer des Bezugszeitraumes der Krankenbezüge im Rahmen der nach § 287 Abs. 2 ZPO vorzunehmenden Schätzung bestimmen. Das vom Kläger verfolgte Feststellungsbegehren ist daher auch nicht prozeßwirtschaftlich. Es erweist sich schon deswegen als unzulässig, ohne daß es noch auf weitere Fragen ankäme.
Dr. Thomas Dr. Gehring Schneider
Schleinkofer Ehrenamtlicher Richter
Dr. Frey ist infolge
Urlaubs abwesend und
an der Unterschrift ver-
hindert.
Dr. Thomas
Fundstellen
Haufe-Index 440172 |
DB 1985, 2695-2696 (LT1-2) |
NJW 1986, 2906 |
AuB 1986, 329-330 (T) |
ARST 1986, 86-87 (LT1-2) |
BlStSozArbR 1985, 340-341 (T) |
NZA 1986, 290-292 (LT1-2) |
AP § 63 HGB (LT1-2), Nr 39 |
EzA § 63 HGB, Nr 37 (LT1-2) |
VersR 1986, 75-76 (LT1-2) |