Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialplan im Konkurs
Leitsatz (redaktionell)
1. Arbeitgeber und Betriebsrat können Mitglied einer Einigungsstelle sein, die einen Sozialplan aufzustellen hat.
2. Wird im Konkurs des Arbeitgebers aus Anlaß einer Betriebsstillegung ein Sozialplan aufgestellt, brauchen Vertreter der Gläubiger nicht zu Mitgliedern der Einigungsstelle bestellt zu werden.
3a. Ist der Arbeitgeber eine Kommanditgesellschaft (KG), ist die Forderung eines Arbeitnehmers aus dem Sozialplan eine Verbindlichkeit der Gesellschaft. Für die Verbindlichkeit haftet der persönlich haftende Gesellschafter (§ 161 Abs 1 HGB) persönlich (§ 161 Abs 2 HGB in Verbindung mit § 128 Satz 1 HGB). Das gilt auch im Konkurs der Gesellschaft.
b. Der in Anspruch genommene Gesellschafter kann nicht geltend machen, er hafte nur nach Abschluß des Konkursverfahrens und nur in Höhe der dem Gemeinschuldner ausgehändigten Restmasse.
Normenkette
KO §§ 6, 14, 108; HGB § 161; KVfSPlG §§ 4, 6, 2, 1; BetrVG § 111; KO § 61 Abs. 1, § 59 Abs. 1; HGB § 128 Abs. 1; KVfSPlG § 3 S. 1; KO § 60 Abs. 1 Nr. 1; BetrVG § 76 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 4, § 112 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 12.06.1984; Aktenzeichen 7 Sa 39/84) |
ArbG Iserlohn (Entscheidung vom 12.12.1983; Aktenzeichen 1 Ca 751/83) |
Tatbestand
Der Kläger macht gegen den Beklagten, den persönlich haftenden Gesellschafter einer in Konkurs gefallenen Kommanditgesellschaft, eine Forderung aus einem Sozialplan geltend, den die Einigungsstelle aus Anlaß einer vom Konkursverwalter vorgenommenen Betriebsschließung aufgestellt hat.
Der Kläger war seit dem 18. Juli 1949 bei der Metallwarenfabrik Vol KG in I beschäftigt. Zuletzt war er Leiter des Hilfsstofflagers. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund betriebsbedingter Kündigung am 30. Oktober 1983.
Der Beklagte ist seit 1965 persönlich haftender Gesellschafter dieser Kommanditgesellschaft. Über das Vermögen dieser Gesellschaft wurde am 9. November 1982 das Konkursverfahren eröffnet. Zum Konkursverwalter wurde der Wirtschaftsingenieur Michael D bestellt (3 N 86/82 AG Iserlohn). Der Konkursverwalter beschloß, den Betrieb der Kommanditgesellschaft stillzulegen. Da Konkursverwalter und Betriebsrat sich nicht auf einen Sozialplan einigen konnten, wurde eine Einigungsstelle gebildet. Diese bestand aus dem Vorsitzenden, dem Konkursverwalter und einem vom Betriebsrat benannten Mitglied. Im Protokoll der Einigungsstelle ist vermerkt, daß der Konkursverwalter "gleichzeitig als Vertreter der Gläubigerinteressen" auftrete. Am 7. Januar 1983 wurde einstimmig ein Sozialplan beschlossen. Danach sollten 600.000,-- DM aus der "frei verfügbaren Konkursmasse" bereitgestellt werden. Für den Kläger ergab sich eine Sozialplanforderung in Höhe von 11.999,25 DM. Hierauf hat der Konkursverwalter noch nichts gezahlt. Das Konkursverfahren ist noch nicht beendet.
Nach Abschluß des Sozialplans hat der Kläger den Beklagten am 21. Februar 1983 aufgefordert, die Sozialplanforderung zu erfüllen. Der Beklagte teilte dem Kläger daraufhin am 1. März 1983 mit, er erkenne grundsätzlich den Sozialplan an, verfüge aber nicht über entsprechende Mittel.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte müsse als persönlich haftender Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Kommanditgesellschaft einstehen. Er hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn
11.999,25 DM zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, der Sozialplan vom 7. Januar 1983 sei unwirksam. Der Spruch der Einigungsstelle über die Aufstellung des Sozialplans sei ohne Beteiligung der Konkursgläubiger zustande gekommen. Als persönlich haftender Gesellschafter hafte er allenfalls nachrangig nach Beendigung des Konkursverfahrens. Der Konkursverwalter bzw. die Einigungsstelle könnten die persönlich haftenden Gesellschafter nicht verpflichten. Durch die Handlung des Konkursverwalters sei eine Masseschuld begründet worden, so daß die Inanspruchnahme des persönlich haftenden Gesellschafters während des Konkurses ausgeschlossen sei. Mit seinem Schreiben vom 1. März 1983 habe er zwar dem Sozialplan zugestimmt. Darin liege jedoch kein Schuldanerkenntnis.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist nicht begründet. Der Sozialplan vom 7. Januar 1983 ist wirksam zustande gekommen. Für die Forderung des Klägers aus diesem Sozialplan muß der Beklagte als persönlich haftender Gesellschafter der Kommanditgesellschaft nach § 161 Abs. 2, § 128 Satz 1 HGB persönlich einstehen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht angenommen, daß der von der Einigungsstelle beschlossene Sozialplan rechtswirksam zustande gekommen ist.
1. Die Einigungsstelle war ordnungsgemäß zusammengesetzt.
Der Beklagte macht geltend, der Konkursverwalter hätte "aus institutionellen Gründen" nicht als Beisitzer mitwirken dürfen. Der Arbeitgeber (Konkursverwalter) könne nicht Mitglied der Einigungsstelle sein.
Der Auffassung des Beklagten kann nicht gefolgt werden. Arbeitgeber (Konkursverwalter) und Betriebsrat können sich selbst zum Mitglied der Einigungsstelle bestellen. Das Gesetz verbietet die Mitwirkung nicht. Der Zweck der Einigungsstelle steht ebenfalls nicht entgegen. Er spricht mehr für als gegen eine Beteiligung der streitenden Parteien. In der Einigungsstelle sollen Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat beigelegt werden. Sie wird nur zu diesem Zweck gebildet (§ 76 Abs. 1 Satz 1, § 112 Abs. 2 Satz 2 BetrVG). Soweit ihr Spruch die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt, nimmt sie Aufgaben wahr, die eigentlich den Betriebspartnern gemeinsam obliegen, die diese aber mangels Einigung nicht lösen können. Ein Ausschluß von Arbeitgeber und Betriebsrat von der Einigungsstelle würde die erwünschte Einigung erschweren, nicht erleichtern. Auf die Sachkunde von Arbeitgeber und Betriebsrat kann die Einigungsstelle nicht verzichten. Sie soll sich nach dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung auch bei der Beschlußfassung selbst auswirken und nicht nur in Form einer Anhörung der Beteiligten vermittelt werden. Die Beteiligung von Arbeitgeber und Betriebsrat in der Einigungsstelle wird deshalb allgemein und mit Recht als zulässig angesehen (Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 76 Rz 37, mit weiteren Nachweisen; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl., § 76 Rz 7). Das heißt nicht, der Arbeitgeber und Betriebsrat müßten selbst in der Einigungsstelle vertreten sein. Ihre Mitgliedschaft ist andererseits aber nicht ausgeschlossen.
2. Wird ein Sozialplan im Konkurs des Arbeitgebers aufgestellt, brauchen Vertreter der Gläubiger nicht zu Mitgliedern der Einigungsstelle bestellt werden.
Zwar war der Konkursverwalter nach der Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Dezember 1978 im Interesse der Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze verpflichtet, für die Einigungsstelle auch Konkursgläubiger oder deren Vertreter zu benennen. Ein Beschluß der Einigungsstelle, der ohne Beteiligung von Konkursgläubigern zustande gekommen war, sollte nach dieser Auffassung auf einem Rechtsfehler beruhen, der auch nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG in jedem Verfahren zu beachten war (vgl. BAG 31, 176, 191 = AP Nr. 6 zu § 112 BetrVG 1972, Teil II B 6 d).
Inzwischen hat sich die Rechtslage jedoch durch das Inkrafttreten des Gesetzes über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren vom 20. Februar 1985 (BGBl. I S. 369 - SozplKonkG -) geändert. Dieses Gesetz begründet für Ansprüche aus Sozialplänen, die während des Konkursverfahrens aufgestellt werden, ein Vorrecht (§ 4 Satz 1 SozplKonkG). Es begrenzt aber in mehrfacher Hinsicht die Entstehung (§ 2 des Gesetzes) und Durchsetzung (§ 4 Satz 2 des Gesetzes) dieser Ansprüche. Nach § 2 SozplKonkG kann für den Sozialplan höchstens ein Gesamtbetrag bis zu zweieinhalb Monatsverdiensten der von einer Entlassung betroffenen Arbeitnehmer vorgesehen werden. Nach § 4 Satz 2 SozplKonkG darf für die Berichtigung der Sozialplanforderungen nicht mehr als ein Drittel der für die Verteilung an die Konkursgläubiger zur Verfügung stehenden Konkursmasse verwendet werden. Durch diese gesetzliche Regelung ist gewährleistet, daß die Interessen der übrigen Konkursgläubiger gegenüber den Sozialplangläubigern ausreichend gewahrt werden.
Das gilt auch für die Übergangsregelung nach § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 SozplKonkG. Der konkursrechtliche Rang einer Forderung aus einem Sozialplan, der - wie im vorliegenden Fall - vor Inkrafttreten des Gesetzes aufgestellt wurde, richtet sich nach § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 dieses Gesetzes. Für Forderungen aus diesen (Alt-) Sozialplänen kann der Arbeitnehmer (Gläubiger) grundsätzlich das Vorrecht nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO beanspruchen. Doch tritt ein Rangstellensplitting ein, wenn die Summe aller Forderungen aus diesem Sozialplan größer ist als der Gesamtbetrag von zweieinhalb Monatsverdiensten aller von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmer. In diesem Fall wird die Forderung des Arbeitnehmers teils nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO, teils nach § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO berichtigt (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 2 SozplKonkG und Urteil des Senats vom 9. Juli 1985 - 1 AZR 419/83 -, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Diese eingehenden gesetzlichen Regelungen zum Schutz der übrigen Konkursgläubiger lassen ihre Mitwirkung in der Einigungsstelle nicht mehr zwingend notwendig erscheinen. Es kann daher bei der Regelung des § 76 Abs. 2 BetrVG verbleiben, wonach jede Seite ihre Beisitzer bestellt, ohne an Besetzungsvorschriften gebunden zu sein (vgl. Fitting/Auffarth/Kaiser, Betriebsänderung, Sozialplan und Konkurs, § 1 SozplKonkG Rz 10).
3. Aus den zuletzt genannten Gründen ist auch der Einwand des Beklagten unbegründet, der Sozialplan wäre anders ausgefallen, wenn die Einigungsstelle von einer anderen Rangstelle der Sozialplanforderungen als dem seinerzeit angenommenen Vorrecht vor § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO ausgegangen wäre. § 6 Abs. 2 SozplKonkG soll etwaigen Änderungen der Geschäftsgrundlage Rechnung tragen. Sprüche einer Einigungsstelle bleiben mit den in dieser Bestimmung angeordneten Beschränkungen wirksam (vgl. BAG Beschluß vom 23. April 1985 - 1 ABR 3/81 -, zu B II 4 der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen; Beschluß vom 14. Mai 1985 - 1 ABR 52/81 -, zu B II 4 b der Gründe, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
II. Die Verpflichtung aus dem Sozialplan ist, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, eine Gesellschaftsschuld. Der Komplementär einer Kommanditgesellschaft hat dieselbe Stellung wie der Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft (§ 161 HGB). Er haftet daher für Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern persönlich (§ 128 Satz 1 HGB).
Mit der Revision hat der Beklagte geltend gemacht, für Masseschulden, die der Konkursverwalter begründet habe, hafte der Gemeinschuldner erst ab Beendigung des Konkurses und nur mit dem ausgeantworteten Masserest. Damit sei auch die Haftung des persönlich haftenden Gesellschafters der Kommanditgesellschaft eingeschränkt. Ein nach der Konkurseröffnung vom Konkursverwalter oder der Einigungsstelle aufgestellter Sozialplan nähere sich in seiner Auswirkung den Masseschulden an. Deshalb sei eine entsprechende Anwendung der Regeln, die von der Rechtsprechung für Masseschulden entwickelt worden sind, geboten.
Dieser Einwand des Beklagten ist nicht begründet.
1. Ansprüche aus Sozialplänen, die nach Konkurseröffnung aufgestellt werden, sind Konkursforderungen und keine Masseforderungen. Das folgt aus §§ 1 und 4 Satz 1 SozplKonkG. Nach § 1 dieses Gesetzes gelten für die Behandlung eines Sozialplans im Konkursverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers die besonderen Vorschriften dieses Gesetzes. Nach § 4 Satz 1 des Gesetzes werden Forderungen aus einem Sozialplan, der nach Eröffnung des Konkursverfahrens aufgestellt wurde, mit dem Rang des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO berichtigt. Die Arbeitnehmer als Gläubiger dieser Forderungen sind daher Konkursgläubiger; sie sind nicht Inhaber von Masseforderungen (vgl. Urteil des Senats vom 3. Dezember 1985 - 1 AZR 545/84 -, zur Veröffentlichung vorgesehen; Fitting/Auffarth/Kaiser, Betriebsänderung, Sozialplan und Konkurs, § 4 SozplKonkG Rz 2).
Auch der Anspruch des Klägers aus dem Sozialplan vom 7. Januar 1983 ist eine Konkursforderung. Das folgt aus § 6 Abs. 1 in Verb. mit § 6 Abs. 2 Satz 1 und § 4 Satz 1 SozplKonkG. Nach § 6 Abs. 1 des Gesetzes sind die §§ 2 bis 5 vorbehaltlich der besonderen Regelungen in § 6 Abs. 2 bis 5 SozplKonkG anwendbar, wenn das Konkursverfahren beim Inkrafttreten des Gesetzes anhängig war. Das war hier der Fall. Das Konkursverfahren wurde vor dem 28. Februar 1985, dem Zeitpunkt, zu dem das Gesetz in Kraft getreten ist, anhängig.
Schon vor Inkrafttreten des SozplKonkG waren Forderungen aus Sozialplänen, die nach Konkurseröffnung aufgestellt worden waren, Konkursforderungen (Urteil des Senats vom 30. April 1984, BAG 45, 357, 366 = AP Nr. 23 zu § 112 BetrVG 1972). Insoweit hat sich die Rechtslage durch das Inkrafttreten des SozplKonkG nicht geändert. Diese konkursrechtliche Einordnung geht zurück auf den Beschluß des Großen Senats vom 13. Dezember 1978 (BAG 31, 176 = AP Nr. 6 zu § 112 BetrVG 1972). An dieser konkursrechtlichen Einordnung wollte der Gesetzgeber nichts ändern. Konkursrechtlich sollten die Forderungen weiter als Konkursforderungen behandelt werden. Im Gesetzgebungsverfahren ging es deshalb nur noch um die Frage, ob und welches Vorrecht diesen Forderungen im Konkurs des Arbeitgebers eingeräumt werden sollte (zu Entstehungsgeschichte und Ziel des Gesetzes vgl. Fitting/Auffarth/Kaiser, Betriebsänderung, Sozialplan und Konkurs, § 1 SozplKonkG Rz 1).
2. Die gesetzliche Regelung, wonach Ansprüche aus Sozialplänen im Konkurs des Arbeitgebers Konkursforderungen sind, gilt nicht nur für den Konkurs des Arbeitgebers. Diese gesetzliche Wertung gilt einheitlich für die ganze Rechtsordnung. Sie betrifft auch das Verhältnis von Konkursgläubigern zu Dritten, die - wie hier der persönlich haftende Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft - für Konkursforderungen haften. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der Gesetzgeber ausdrücklich eine unterschiedliche rechtliche Behandlung im Konkurs des Arbeitgebers einerseits und in den rechtlichen Beziehungen zu Dritten andererseits angeordnet hätte. Das ist nicht der Fall. Es ist daher folgerichtig, wenn der persönlich haftende Gesellschafter einer in Konkurs geratenen Kommanditgesellschaft für Konkursforderungen der Gesellschaft persönlich haftet.
Zwar kann der Kläger als Konkursgläubiger seine Forderung gegen die Kommanditgesellschaft als Gemeinschuldnerin nicht durchsetzen (§ 14 KO). Er ist als Gesellschaftsgläubiger aber nicht gehindert, gegen die Gesellschafter vorzugehen, die persönlich und unbeschränkt haften, und zwar wegen des vollen Betrags seiner Forderungen (vgl. Jaeger/Weber, KO, 8. Aufl., § 212 Rz 1; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 10. Aufl., § 212 Rz 1, mit weiteren Nachweisen).
Für eine solche unbeschränkte persönliche Haftung spricht der Zweck des § 128 Satz 1 HGB. Nach dieser Bestimmung haften die Gesellschafter für die Verbindlichkeit der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Das gilt entsprechend für die persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft (§ 161 Abs. 2 HGB). Zahlungsunfähigkeit und Konkurs der Gesellschaft sind die Fälle, in denen die persönliche Haftung der Gesellschafter ihre praktische Bedeutung gewinnt (vgl. BGHZ 48, 203, 205). Das gilt auch für Ansprüche aus Sozialplänen. Dem Gläubiger einer offenen Handelsgesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft haftet außerhalb des Konkurses nicht nur das Gesellschaftsvermögen, sondern auch jeder persönlich haftende Gesellschafter unmittelbar. Diese Haftung ist eine primäre Einstandspflicht des einzelnen Gesellschafters, die auf gleicher Stufe steht mit der Verbindlichkeit der Gesellschaft. Wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Konkurses seines Arbeitgebers Lohnforderungen gegenüber der Gesellschaft und gleichzeitig oder auch allein gegen den persönlich haftenden Gesellschafter verfolgen kann, läßt sich nicht begründen, warum im Konkursfall die Haftungsverhältnisse anders geregelt sein sollten. Gerade im Konkursfall besteht ein Bedürfnis, den Gesellschafter in Anspruch zu nehmen, dessen persönliche Haftung gleichwertig neben der Haftung des Gesellschaftsvermögens steht (vgl. BAG Urteil vom 26. August 1981, BAG 36, 356, 360 = AP Nr. 12 zu § 59 KO, zu II 2 b der Gründe; vgl. auch BGH Urteil vom 27. April 1981 - II ZR 177/80 - ZIP 1981, 861, 862).
3. Eine entsprechende Anwendung der Regeln, die die Literatur unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Haftung des Gemeinschuldners bei der Begründung von Masseschulden entwickelt hat, muß entgegen der Ansicht des Beklagten ausscheiden. Nach Auffassung der konkursrechtlichen Literatur können die Gläubiger von Masseforderungen weder den Gemeinschuldner noch den persönlich haftenden Gesellschafter eines Gemeinschuldners während des Konkurses in Anspruch nehmen. Diese besondere Behandlung der Masseforderungen wird wie folgt begründet: Der Konkursverwalter habe nur eine auf die Konkursmasse beschränkte Handlungsbefugnis; er könne den Gemeinschuldner nicht über den Massebestand hinaus verpflichten. Werde die Forderung erst während des Konkurses vom Verwalter zu Lasten der Masse begründet, könne der Gemeinschuldner nur nach Beendigung des Konkursverfahrens mit der ihm ausgeantworteten Masse (Restmasse) für diese Forderungen einstehen (vgl. Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl., § 6 Rz 89; Böhle-Stamschräder/Kilger, KO, 14. Aufl., § 57 Anm. 2; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 10. Aufl., § 57 Rz 11 b).
Der Senat kann offenlassen, ob dieser, die Ergebnisse der Rechtsprechung verallgemeinernden Auffassung der Literatur zu folgen wäre. Die von der Literatur mitgeteilten Entscheidungen des Oberlandesgerichts Hamburg vom 16. Mai 1912 (OLG Rspr. 25, 336) und des Bundesgerichtshofs (NJW 1955, 339 und WM 1964, 1125) betreffen nur Fälle, in denen es um Forderungen des Verwalters auf Verwaltervergütung oder um Forderungen auf Auslagenersatz eines nach Besatzungsrecht bestellten Treuhänders ging. Ob diese Fallgestaltungen verallgemeinerungsfähig sind, kann offenbleiben. Jedenfalls für Ansprüche aus Sozialplänen kann keine Haftungsbeschränkung eintreten. Der Gesetzgeber will Ansprüche aus Sozialplänen gleichbehandelt wissen, unabhängig davon, ob die Sozialpläne während des Konkursverfahrens oder in einem Zeitraum von drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens aufgestellt wurden (§§ 2 und 3 SozplKonkG). Das ist sachlich berechtigt. Alle Betriebsänderungen im Sinne von § 111 BetrVG lösen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus. Dabei kommt es nicht darauf an, ob über das Vermögen des Arbeitgebers der Konkurs eröffnet wurde. § 1 SozplKonkG stellt klar, daß das Betriebsverfassungsgesetz im Konkurs des Unternehmers uneingeschränkt gilt (vgl. Fitting/Auffarth/Kaiser, Betriebsänderung, Sozialplan und Konkurs, § 1 SozplKonkG Rz 7, mit weiteren Nachweisen). Nach der Konkurseröffnung (§ 108 KO) rückt der Konkursverwalter in den gesamten Pflichtenkreis des Arbeitgebers ein (§ 6 KO). Mit der Aufstellung eines Sozialplans erfüllt daher der Konkursverwalter die Pflichten, die der Arbeitgeber im Fall der Betriebsstillegung auch zu erfüllen hätte. Es werden keine zusätzlichen Forderungen zu Lasten des Arbeitgebers und der für ihn haftenden persönlichen Gesellschafter begründet. Das SozplKonkG erzwingt damit eine materielle Betrachtung. Es behandelt Ansprüche aus Sozialplänen wie Ansprüche aus einem zur Zeit der Konkurseröffnung bestehenden Arbeitsverhältnis. Die formelle Betrachtung, bei der nur auf den Zeitpunkt der Entstehung - Aufstellung des Sozialplans vor oder nach Konkurseröffnung - abgestellt wird, ist nach dieser gesetzlichen Regelung nicht möglich.
Es kommt hinzu, daß die Gläubiger von Ansprüchen aus Sozialplänen jedenfalls in den Fällen, in denen der Sozialplan nach Konkurseröffnung aufgestellt wurde, mit der Einstufung ihrer Forderungen als Konkursforderungen - und nicht als Masseforderungen - Nachteile hinnehmen müssen. Sie können ihre Ansprüche gegen den Arbeitgeber (Gemeinschuldner) nicht verfolgen. Sie müssen Einschränkungen bei der Entstehung (§ 2 SozplKonkG) und bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche (§ 4 Satz 2 SozplKonkG) hinnehmen. Nichts spricht dafür, daß sie weitere Nachteile in haftungsrechtlicher Hinsicht hinnehmen müßten, die mit ihrer Stellung als Konkursgläubiger nicht vereinbar wären. Wären die Gläubiger von Abfindungsansprüchen aus Sozialplänen, die nach Konkurseröffnung aufgestellt wurden, tatsächlich Massegläubiger, müßte geprüft werden, ob sich diese rechtliche Einordnung auch auf die Haftung des persönlich haftenden Gesellschafters einer im Konkurs befindlichen Kommanditgesellschaft auswirkt, ob dieser also nur beschränkt mit der ausgeantworteten Masse haftet. Die Gläubiger dieser Forderungen wären in einem solchen Fall jedoch weitgehend gesichert. Masseschulden im Sinne von § 59 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KO müssen vor allen anderen Forderungen befriedigt werden (§ 60 Abs. 1 Nr. 1 KO). Die Haftung eines Dritten wird daher in diesen Fällen kaum praktisch werden. Anders ist es, wenn diese Gläubiger Konkursgläubiger sind.
Danach muß es bei der vom Gesetzgeber angeordneten persönlichen Haftung des Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Kommanditgesellschaft nach § 128 Satz 1 HGB verbleiben. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage des Gläubigers daher zu Recht stattgegeben.
Dr. Kissel Dr. Heither Matthes
Schneider Dr. Münzer
Fundstellen
BAGE 52, 24-33 (LT1-3) |
BAGE, 24 |
BB 1987, 1739 |
BB 1987, 1739-1741 (LT1-3) |
DB 1986, 2027-2029 (LT1-3) |
NJW 1987, 92 |
NJW 1987, 92-94 (LT1-3) |
ARST 1987, 71-73 (LT1-3) |
NZA 1986, 800-803 (LT1-3) |
ZIP 1986, 1202 |
ZIP 1986, 1202-1205 (LT1-3) |
AP § 128 HGB (LT1-3), Nr 8 |
AR-Blattei, ES 630 Nr 33 (LT1-3) |
AR-Blattei, Einigungsstelle Entsch 33 (LT1-3) |
EzA § 112 BetrVG 1972, Nr 39 (LT1-3) |
JuS 1987, 415-417 (LT1-3) |
MDR 1986, 1052-1053 (LT1-3) |