Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung eines Flugzeugführers. Tarifänderung. Rückwirkung. Vergütungsstufenaufstieg. Gleichbehandlung
Orientierungssatz
1. Der Anspruch eines Cockpitmitarbeiters nach jeweils einem Beschäftigungsjahr auf einen Steigerungsbetrag nach Teil 1 § 3 Abs. (3) VTV Nr. 8 setzt gem. Teil 1 § 5 VTV Nr. 8 über den Eintritt der Anspruchsvoraussetzungen deren Fortbestehen bis zum 15. des laufenden Monats voraus. Eine bis zu diesem Zeitpunkt vereinbarte Tarifänderung, nach der der Anspruch auf den Steigerungsbetrag für den laufenden Monat entfällt, greift daher nicht in einen endgültig entstandenen Anspruch ein, beinhaltet also keine echte Rückwirkung.
2. Die Absenkung des für die Höhe der Steigerungsbeträge von Cockpitmitarbeitern maßgeblichen Tabelleneckwerts durch den am 7. Februar 2003 abgeschlossenen ÄndTV Nr. 1 beinhaltet für eine mit der Vergütung für Februar 2003 nach dem früheren Tabelleneckwert neu zu gewährende, durch die Tarifänderung gekürzte oder entfallende Stufensteigerung eine unechte Rückwirkung.
3. Diese nur eine geringfügige Verringerung der Vergütung von Cockpitmitarbeitern beinhaltende Tarifänderung ist wirksam. Sie rechtfertigt sich aus dem Regelungsinteresse der Tarifvertragsparteien, einen bei der Anwendung des VTV Nr. 8 zu Tage getretenen Systemfehler, der zu ungewollten Vergütungsdifferenzen innerhalb derselben Gruppe von Cockpitmitarbeitern führte, zu beseitigen.
4. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet sowohl die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage als auch die sachfremde Differenzierung zwischen Arbeitnehmern einer bestimmten Ordnung. Er greift jedoch nur ein bei einem gestaltenden Verhalten des Arbeitgebers, hingegen nicht beim bloßen – auch vermeintlichen – Normenvollzug.
Normenkette
TVG § 1; BGB § 242
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 15. Dezember 2005 – 10 Sa 651/04 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Höhe der den Klägern zustehenden tariflichen Vergütung.
Die Kläger stehen seit dem 23. Oktober 1995 als Flugzeugführer in den Diensten des beklagten Luftfahrtunternehmens, der Deutschen Lufthansa Aktiengesellschaft (DLH). Sie üben ab der zweiten Monatshälfte des Januar 1996 die Tätigkeit eines I. Offiziers aus. Ihre Arbeitsverhältnisse richten sich jeweils nach einem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 25. September 1995. In Ziff. 2 dieser Arbeitsverträge ist bestimmt, dass sich “die gegenseitigen Rechte und Pflichten” ua. aus den Tarifverträgen “Lufthansa in ihrer jeweils geltenden Fassung” ergeben.
Seit dem 1. Februar 2001 war die Vergütung des Cockpitpersonals in dem von der Vereinigung Cockpit mit der Beklagten am 8. Juni 2001 abgeschlossenen Vergütungstarifvertrag Nr. 8 (im Folgenden VTV Nr. 8) geregelt. Nach Teil 1 § 3 Abs. (3) VTV Nr. 8 belief sich der sog. Steigerungsbetrag der Stufensteigerung nach jeweils einem Beschäftigungsjahr bei dem I. Offizier einschließlich Senior First Officer, dessen Grundvergütung in der ersten Stufe 7.900,00 DM betrug, bei einer Grundvergütung “unterhalb von DM 11.290,--” auf 565,00 DM (große Stufensteigerung), bei einer “Grundvergütung von DM 11.290,-- oder mehr” auf 226,00 DM (kleine Stufensteigerung). Nach dieser Tarifsystematik wird mit der sechsten großen Stufensteigerung der Schwellenwert (“Tabelleneckwert”) erreicht, so dass danach kleine Stufensteigerungen bis zu einem Höchstbetrag folgten. Für die Umrechnung der Vergütungssätze des VTV Nr. 7 in diejenigen des VTV Nr. 8, in dem die Umbasierung von 13 auf 12 Monatsgehälter und eine zweiprozentige Tabellenerhöhung vereinbart sind, wurde der exemplarisch auf mehrere Stellen hinter dem Komma ermittelte Steigerungsprozentsatz auf zwei Stellen hinter dem Komma gerundet (“kaufmännische Rundung”). In denjenigen Fällen, in denen eine Abrundung vorgenommen wurde, lag das Gehalt des Flugzeugführers nach der sechsten großen Stufensteigerung minimal (“wenige Pfennige”) unterhalb des – bei Tarifänderungen in der Folgezeit entsprechend angepassten und in Euro umgerechneten – Tabelleneckwerts von ursprünglich 11.290,00 DM, so dass dieser Flugzeugführer Anspruch auf eine siebente große Stufensteigerung hatte. Der Tabelleneckwert lag im Januar 2003, in dessen zweiter Hälfte die Kläger wiederum ein Beschäftigungsjahr in der Vergütungsgruppe der I. Offiziere vollendeten, geringfügig über ihrer Vergütung.
Am 7. Februar 2003 schlossen die Tarifvertragsparteien den Änderungstarifvertrag Nr. 1 zum VTV Nr. 8 (ÄndTV Nr. 1) ab, der den ursprünglichen Schwellenwert ab 1. Februar 2001 auf 11.288,22 DM absenkte. Dieser Tabelleneckwert lag knapp unter der Monatsvergütung der Kläger. Ebenfalls am 7. Februar 2003 schlossen die Tarifvertragsparteien den Änderungstarifvertrag Nr. 2 zum VTV Nr. 8 (ÄndTV Nr. 2), der die Korrektur nach dem ursprünglich vereinbarten Tabelleneckwert bereits erfolgter siebenter Stufensteigerungen regelt. Dieser sieht vor, danach folgende Steigerungen abgesenkt vorzunehmen, wobei sich der Absenkungsbetrag nach dem überschießenden Betrag in Höhe der auf der Grundlage des neuen Schwellenwerts zu Unrecht erfolgten Stufensteigerung bestimmt. Auch für den ÄndTV Nr. 2 bestimmten sie dessen Inkrafttreten zum 1. Februar 2001.
Zum Februar 2003 erhöhte die Beklagte die Monatsvergütung der Kläger um den kleinen Steigerungsbetrag. Flugzeugführer, die zusammen mit den Klägern den die Eingruppierung in die Beschäftigungsgruppe der I. Offiziere begründenden Lehrgang besucht, aber bereits im Dezember 1995 oder in der ersten Hälfte des Monats Januar 1996 zum I. Offizier ernannt worden sind, erhielten zu den für sie maßgebenden Steigerungszeitpunkten im Dezember 2002 bzw. Januar 2003 die große Stufensteigerung.
Soweit für die Revision noch von Interesse machen die Kläger mit ihrer Klage die Differenz zwischen der seit Februar 2003 bis Januar 2005 gezahlten Grundvergütung und der um eine große Stufensteigerung erhöhten Grundvergütung geltend. Dabei bringen sie für den Zeitraum bis einschließlich September 2004 die Differenz zwischen der großen und der kleinen Stufensteigerung in Ansatz. Für die Monate Oktober 2004 bis Januar 2005 begehren sie den Unterschiedsbetrag zwischen ihrer Grundvergütung und der Grundvergütung der ihrer Auffassung nach vergleichbaren Flugzeugführer.
Die Kläger haben die Auffassung vertreten, diese Beträge stünden ihnen nach der tariflichen Regelung zu. Die Herabsetzung des Tabelleneckwerts durch den ÄndTV Nr. 1 beinhalte eine unzulässige Rückwirkung. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Änderungstarifvertrags sei der Anspruch auf ein um die große Stufensteigerung erhöhtes Gehalt bereits entstanden gewesen. Die Voraussetzungen, unter denen ein rückwirkender tarifvertraglicher Eingriff in entstandene Ansprüche ausnahmsweise zulässig sei, seien vorliegend nicht erfüllt. Die eingeklagten Ansprüche seien auch aus dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung gerechtfertigt. Vergleichbare Flugzeugführer, deren Stufensteigerung im Dezember 2002 oder Januar 2003 angestanden habe, hätten noch die große Stufensteigerung erhalten. Überdies habe die Beklagte die Abschmelzungsregelung des ÄndTV Nr. 2 missachtet. Sie habe der Vergleichsgruppe der I. Offiziere, die auf der Grundlage der ursprünglichen Regelung des VTV Nr. 8 bis Januar 2003 den höheren Steigerungsbetrag erhalten hätten, die folgende Stufensteigerung zunächst ungekürzt gewährt und bis September 2004 fortgezahlt. Insoweit von der Beklagten erhobene Rückforderungen seien unberechtigt.
Die Kläger haben mit ihren im Berufungsrechtszug geänderten Klagen beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie jeweils
1. 4.375,40 Euro (20 × 218,77 Euro) brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus dem Nettobetrag von jeweils 218,77 Euro seit dem 28. Februar 2003, dem 28. März 2003, dem 28. April 2003, dem 28. Mai 2003, dem 28. Juni 2003, dem 28. Juli 2003, dem 28. August 2003, dem 28. September 2003, dem 28. Oktober 2003, dem 28. November 2003, dem 28. Dezember 2003, dem 28. Januar 2004, dem 28. Februar 2004, dem 28. März 2004, dem 28. April 2004, dem 28. Mai 2004, dem 28. Juni 2004, dem 28. Juli 2004, dem 28. August 2004 sowie dem 28. September 2004 zu zahlen,
2. 291,68 Euro (4 × 72,92 Euro) brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus dem Nettobetrag von jeweils 72,92 Euro seit dem 28. Oktober 2004, dem 28. November 2004, dem 28. Dezember 2004 sowie dem 28. Januar 2005 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der ÄndTV Nr. 1 habe nur die ursprünglich vereinbarte Tarifsystematik herstellen sollen. Aus den ursprünglich in § 3 Abs. (3) VTV Nr. 8 angegebenen Werten folge, dass die Tarifvertragsparteien nur sechs große Stufensteigerungen hätten vorsehen wollen. Zwar hätten tatsächlich einige I. Offiziere auch nach dem siebenten Beschäftigungsjahr die große Stufensteigerung erhalten. Dies beruhe darauf, dass die ihnen nach dem vorhergehenden Vergütungstarifvertrag zustehenden Vergütungen mit einem gerundeten Prozentwert umgerechnet worden seien. Dies habe bei einigen I. Offizieren zu einer nach der Tarifeinigung nicht beabsichtigten geringfügigen Unterschreitung des Tabelleneckwerts geführt. Um die Vergütungssystematik herzustellen und die unterschiedlich erfolgten Steigerungen zu korrigieren, hätten die Tarifvertragsparteien die ÄndTV Nr. 1 und 2 abgeschlossen. Gegenüber den Mitarbeitern, die danach vor Abschluss des ÄndTV Nr. 1 zu Unrecht eine große Stufensteigerung erhalten hätten, habe sie entsprechend der Regelung des ÄndTV Nr. 2 die folgenden Steigerungen abgesenkt vorgenommen. Überschießend gezahlte Beträge habe sie zurückgefordert.
Das Arbeitsgericht hat die vormals in eigenständigen Verfahren geführten Klagen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat nach Verbindung der Sachen die Berufungen der Kläger zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihre Klagebegehren aus dem Berufungsrechtszug weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen im Ergebnis mit Recht zurückgewiesen.
I. Den Klägern stehen die mit der Klage verfolgten Ansprüche weder tariflich noch kraft des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes zu.
1. Die Kläger haben keinen tariflichen Anspruch auf die geforderten Vergütungsdifferenzen für die Zeit von Februar 2003 bis Januar 2005 in der zwischen den Parteien unstreitigen Höhe von jeweils 4.667,08 Euro. Der ÄndTV Nr. 1 greift nicht rückwirkend in entstandene Ansprüche der Kläger ein.
a) Auf die Arbeitsverhältnisse der Kläger finden kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der VTV Nr. 8 sowie die dazu abgeschlossenen ÄndTV Nr. 1 und 2 Anwendung.
b) Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass die Kläger nach dem ÄndTV Nr. 1 keinen Anspruch auf die mit der Klage geforderten Vergütungsdifferenzen haben. Die große Stufensteigerung steht den Klägern, die alle übrigen Anspruchsvoraussetzungen gem. Teil 1 § 3 Abs. (3) VTV Nr. 8 erfüllen, deshalb nicht zu, weil ihre Vergütung im Januar 2003 den Tabelleneckwert, bis zu dem große Stufensteigerungen erfolgen, nach Maßgabe des ÄndTV Nr. 1 überstieg. Die Kläger machen diesbezüglich allein geltend, der ÄndTV Nr. 1 sei – ebenso wie der ÄndTV Nr. 2 – unwirksam. Dies ist nicht der Fall.
aa) Die Kläger vertreten die Auffassung, die ÄndTV Nr. 1 und 2 enthielten einen Eingriff in abgeschlossene und abgewickelte Sachverhalte, so dass eine echte Rückwirkung vorliege. Eine Fallgestaltung, für die eine Ausnahme vom Grundsatz der Unzulässigkeit einer echten Rückwirkung anerkannt sei, liege nicht vor. Daher sei die Tarifänderung unwirksam. Die Unwirksamkeit erstrecke sich auf die gesamte Regelung, weil diese nicht sinnvoll teilbar sei.
bb) Diese Auffassung ist nicht zutreffend. Trotz der rückwirkenden Inkraftsetzung des ÄndTV Nr. 1 entfaltet die dort vereinbarte Herabsetzung des Tabelleneckwerts für den betroffenen Personenkreis keine echte Rückwirkung. Vielmehr ist lediglich ein Teil des Vergütungsanspruchs der Kläger für Februar 2003 von einer unechten Rückwirkung betroffen. Insoweit überwiegt das Regelungsinteresse der Tarifvertragsparteien an der Tarifänderung das Vertrauen der Kläger in den Fortbestand der Regelung.
(1) Im Verhältnis von zwei zeitlich aufeinander folgenden Normen desselben Normgebers gilt, soweit dies beabsichtigt ist, das Ablösungsprinzip. Die Tarifvertragsparteien können danach grundsätzlich jederzeit einen von ihnen früher selbst vereinbarten Tarifvertrag abändern, einschränken oder aufheben (Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 4 Rn. 261; Jacobs/Krause/Oetker Tarifvertragsrecht § 7 Rn. 194). Die spätere Regelung löst die frühere ab (sog. Zeitkollisionsregel – vgl. Senat 23. November 1994 – 4 AZR 879/93 – BAGE 78, 309, 315; BAG 22. Oktober 2003 – 10 AZR 152/03 – BAGE 108, 176, 182). Eine Ablösung können die Tarifvertragsparteien auch ausdrücklich normieren. Eine solche ausdrücklich normierte Ablösung der Regelung des für die Höhe der Jahressteigerung maßgebenden Tabelleneckwerts in Teil 1 § 3 Abs. (3) VTV Nr. 8 sieht der ÄndTV Nr. 1 vor.
(2) Der ÄndTV Nr. 2 ist nicht deshalb unwirksam, weil die Tarifvertragsparteien sein Inkrafttreten rückwirkend zum 1. Februar 2001 vereinbart haben.
(a) Aus dem Ablösungsprinzip, nach dem die jüngere Tarifregelung der älteren vorgeht, ergibt sich, dass eine Tarifnorm stets unter dem Vorbehalt steht, durch eine nachfolgende tarifliche Regelung verschlechtert oder ganz gestrichen zu werden. Soweit Änderungen der Tarifnorm Sachverhalte berühren, die in der Vergangenheit liegen, haben die Tarifvertragsparteien allerdings die Grenzen für eine Rückwirkung einzuhalten, die auch vom Gesetzgeber zu beachten sind. Die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien zur rückwirkenden Änderung tarifvertraglicher Regelungen ist durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes der Normunterworfenen begrenzt (Senat 11. Oktober 2006 – 4 AZR 486/05 – NZA 2007, 634 und – 4 AZR 522/05 – AiB 2007, 418; 17. Mai 2000 – 4 AZR 216/99 – BAGE 94, 349, 357; 23. November 1994 – 4 AZR 879/93 – BAGE 78, 309, 328 f.; BAG 22. Oktober 2003 – 10 AZR 152/03 – BAGE 108, 176, 182; 18. September 1997 – 2 AZR 614/96 – RzK I 3e Nr. 67). Die den Tarifvertragsparteien in Art. 9 Abs. 3 GG eingeräumte Normsetzungsbefugnis umfasst die rückwirkende Inkraftsetzung von verschlechternden Bedingungen nur insoweit, als sie nicht den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes verletzen, wie ihn das Bundesverfassungsgericht für die Rückwirkung von Gesetzen aus Art. 20 GG ableitet (Senat 5. Juli 2006 – 4 AZR 381/05 – AP TVG § 1 Nr. 38 = EzA TVG § 1 Rückwirkung Nr. 8). Dabei ist das Vertrauen in den Bestand des tariflichen Anspruchs unabhängig davon schutzwürdig, ob der Tarifvertrag für das Arbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit gilt oder ob dessen Anwendung vertraglich vereinbart ist (Senat 11. Oktober 2006 – 4 AZR 486/05 – aaO und – 4 AZR 522/05 – aaO).
(b) Die Grundsätze zur Zulässigkeit rückwirkender Normänderungen unterscheiden zwischen echter und unechter Rückwirkung (Senat 23. Februar 2005 – 4 AZR 172/04 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 33 = EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 12). Eine echte Rückwirkung oder Rückbewirkung von Rechtsfolgen liegt vor, wenn eine Rechtsnorm nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (BVerfG 13. Mai 1986 – 1 BvR 99, 461/85 – BVerfGE 72, 175, 196 mwN; 31. Mai 1960 – 2 BvL 4/59 – BVerfGE 11, 139, 145 f.). Eine Rückwirkung in Form der unechten Rückwirkung ist gegeben, wenn der Normsetzer an Rechtssetzungen und Lebenssachverhalte anknüpft, die in der Vergangenheit begründet wurden, auf Dauer angelegt waren und noch nicht abgeschlossen sind (BVerfG 30. September 1987 – 2 BvR 933/82 – BVerfGE 76, 256, 346). Eingriffe durch Neuregelungen sind hier nur zulässig, wenn entweder die bisherige Regelung bei objektiver Betrachtung nicht geeignet war, ein Vertrauen der Betroffenen in ihren Fortbestand zu begründen, oder die für die Änderung sprechenden Gründe bei Abwägung dem Vertrauensschutz vorgehen (BAG 14. Oktober 2003 – 9 AZR 678/02 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 31; 22. Februar 2000 – 3 AZR 39/99 – AP BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 13 = EzA BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 3).
(aa) Dem ÄndTV Nr. 1 kommt keine echte Rückwirkung zu. Er greift nicht in bei Abschluss des Tarifvertrags bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände ein oder bewirkt Rechtsfolgen für einen vor dem Abschlussdatum liegenden Zeitraum. Vielmehr folgt aus den Tarifänderungen vom 7. Februar 2003, dass der herabgesetzte Tabelleneckwert trotz des vereinbarten rückwirkenden Inkrafttretens der ÄndTV Nr. 1 und 2 erstmalig für mit der Vergütung für Februar 2003 wirksam werdende Stufensteigerungen Anwendung finden soll. Auch in die Vergütung für Februar 2003 greift die am 7. jenes Monats vereinbarte Tarifänderung nicht mit echter Rückwirkung ein. Denn nach der tariflichen Regelung zum “Zeitpunkt von Vergütungsänderungen” in Teil 1 § 5 VTV Nr. 8 fällt die Änderung des Schwellenwerts am 7. Februar 2003 auf einen Zeitpunkt, als für die Kläger noch kein Anspruch auf den höheren Steigerungsbetrag entstanden war.
Entgegen der Auffassung der Revision folgt nicht bereits aus Art. 2 ÄndTV Nr. 1, dass eine echte Rückwirkung vorliegt. Dort haben die Tarifvertragsparteien zwar den 1. Februar 2001 als Tag des Inkrafttretens der Tarifeinigung bestimmt, also einen rund zwei Jahre vor dem Tarifvertragsabschluss liegenden Zeitpunkt. Zwar kann regelmäßig aus einer Rückdatierung des Inkrafttretens auf den Willen einer Rückbewirkung von Rechtsfolgen geschlossen werden, bezeichnet doch das Inkrafttreten den Zeitpunkt, ab dem die Norm Wirkung entfalten soll (Maurer Kontinuitätsgewähr und Vertrauensschutz in: HStR III 3. Aufl. § 79 Rn. 20). Die Regel kennt aber Ausnahmen. Trotz Inkraftsetzung von Tarifregeln zu einem Zeitpunkt, der vor dem Abschluss des Tarifvertrags liegt, kann eine Rückwirkung fehlen (Houben NZA 2007, 130). Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die in dem ÄndTV Nr. 1 bestimmte Rückwirkung haben die Tarifvertragsparteien durch den am selben Tag geschlossenen ÄndTV Nr. 2 zurückgenommen, nach welchem von den Tarifvertragsparteien nicht gewollte Leistungen durch abgesenkte Stufensteigerungen in der Zukunft abgeschmolzen werden. Der Sache nach ist die rückwirkende Absenkung des Tabelleneckwerts für die Stufensteigerungen zum 1. Februar 2001 lediglich deshalb erfolgt, um einen Ausgangswert für dessen Weiterentwicklung in der Folgezeit auf Grund von Tarifsteigerungen und der Euroeinführung festzulegen. Im Ergebnis hat der ÄndTV Nr. 1 für keinen Zeitraum zwischen rückbezogener Inkraftsetzung zum 1. Februar 2001 und seinem Abschluss am 7. Februar 2003 eine echte Rückwirkung für Vergütungsansprüche.
Wie der Senat in der ähnlich gelagerten Sache – 4 AZR 573/06 – in derselben Sitzung entschieden hat, entfaltet der ÄndTV Nr. 1 keine Rückwirkung für Mitarbeiter, die bis zum 15. Januar 2003 ein Beschäftigungsjahr als I. Offiziere vollendet haben. Diese hatten spätestens ab Januar 2003 erstmals einen weiteren Steigerungsbetrag zu erhalten. Wenn für sie dabei Ansprüche auf der Grundlage des ursprünglichen Tabelleneckwerts entstanden sind, die ihnen nach dem abgesenkten Tabelleneckwert nicht zustehen, greift die Übergangsregelung des ÄndTV Nr. 2 ein. Diese sieht vor, dass in den genannten Fällen die zukünftig erfolgenden Steigerungen der Grundvergütung um den überschießenden Betrag der erfolgten Steigerung abzusenken sind. Bei bereits erfolgter Steigerung um den höheren Stufenbetrag soll also die Grundvergütung des Cockpitmitarbeiters unverändert bleiben, auch wenn er den höheren Steigerungsbetrag nach dem geänderten Tabelleneckwert nicht mehr beanspruchen konnte. Erst mit den bei Vollendung weiterer Beschäftigungsjahre anstehenden Stufensteigerungen ist eine Rückführung auf das nach dem abgesenkten Tabelleneckwert zustehende Niveau der Grundvergütung beabsichtigt. Rechtswirkungen entfaltet die Tarifeinigung somit für diesen Personenkreis erstmalig im Zeitpunkt der nächsten anstehenden Stufensteigerung. Dies ist aber ein Zeitpunkt, der vom Abschluss der Änderungstarifverträge aus betrachtet in der Zukunft liegt.
Auch gegenüber Mitarbeitern, die wie die Kläger im Februar 2003 zur Stufensteigerung anstanden, führt die Absenkung des Tabelleneckwerts durch den ÄndTV Nr. 1 nicht zu einer echten Rückwirkung. Für die Frage, ob ein Tarifvertrag rückwirkend und abändernd in einen tariflichen Anspruch eingreift, ist auf den Zeitpunkt der Anspruchsentstehung abzustellen (Senat 11. Oktober 2006 – 4 AZR 486/05 – NZA 2007, 634 und – 4 AZR 522/05 – AiB 2007, 418; BAG 22. Oktober 2003 – 10 AZR 152/03 – BAGE 108, 176, 183). Eine echte Rückwirkung liegt daher nur dann vor, wenn im Zeitpunkt der einen tariflichen Anspruch betreffenden Tarifänderung alle Tatbestandsvoraussetzungen für dessen endgültige Entstehung erfüllt waren. Danach liegt eine echte Rückwirkung des Eingriffs in die Vergütungsansprüche der Kläger ab Februar 2003 nicht vor. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts waren nämlich die Klageansprüche nicht mit der Vollendung des weiteren Beschäftigungsjahres in der zweiten Januarhälfte 2003 entstanden. Aus dem Wortlaut des Teils 1 § 3 Abs. (3) Satz 2 VTV Nr. 8, nach welchem “die Grundvergütung bei Vollendung von jeweils einem Beschäftigungsjahr” zu erhöhen ist, kann nicht auf eine Entstehung eines eigenständigen Anspruchs auf den Steigerungsbetrag im Zeitpunkt der Vollendung des Beschäftigungsjahres geschlossen werden. Die tarifliche Regelung sieht keinen selbständigen, von der Monatsvergütung unabhängigen Anspruch auf Zahlung der Steigerungsbeträge vor. Diese sind vielmehr Bestandteil der Grundvergütung und entstehen erst mit den Entgeltansprüchen für den jeweiligen Monat. Die Entstehung des Anspruchs auf eine Stufensteigerung ist in Teil 1 § 5 VTV Nr. 8 geregelt. Diese Vorschrift enthält entgegen der Auffassung des Landesarbeitgerichts keine bloße Fälligkeitsregel, sondern bestimmt einen Zeitraum, während dessen die Voraussetzungen für den Steigerungsbetrag vorgelegen haben müssen, damit ein entsprechender Vergütungsanspruch entstanden sein kann. Danach war bei Abschluss des ÄndTV Nr. 1 zugunsten der Kläger auch ein anteiliger Anspruch auf den höheren Steigerungsbetrag für die bereits verstrichenen Tage des Monats Februar 2003 noch nicht entstanden. Zwar standen den Klägern zu diesem Zeitpunkt bereits anteilige Ansprüche auf die Februarvergütung zu. Diese Ansprüche umfassten aber noch nicht anteilige Forderungen auf den Betrag der großen Stufensteigerung. Dies folgt aus der Regelung in Teil 1 § 5 Satz 2 VTV Nr. 8. Diese Bestimmung lautet:
“§ 5 Zeitpunkt von Vergütungsänderungen
Erfüllen Mitarbeiter die Voraussetzungen für Umgruppierung, Steigerungsbeträge oder Gewährung von Zulagen zwischen dem 1. und 15. eines Monats, erhalten sie die neue Vergütung rückwirkend ab dem 1. dieses Monats; sind die Voraussetzungen nach dem 15. eines Monats erfüllt, erhalten sie die neue Vergütung ab dem 1. des nachfolgenden Monats. Bei Fortfall der Voraussetzungen ist sinngemäß zu verfahren. Fällt der Termin einer Umgruppierung mit dem eines Steigerungsbetrages zusammen, wird zuerst der Steigerungsbetrag berücksichtigt und dann die Umgruppierung vorgenommen.”
Danach ist die für die Entstehung des Anspruchs auf Steigerungsbeträge maßgebende Regelung sinngemäß auf den Fortfall von Voraussetzungen anzuwenden. Teil 1 § 5 Satz 1 VTV Nr. 8 sieht vor, dass der Eintritt der Voraussetzungen bis zum 15. eines Monats sich auf die Vergütung für den laufenden Monat auswirkt, ihr späterer Eintritt hingegen erst im Folgemonat. Die sinngemäße Anwendung dieser Regelung auf den Fortfall von Voraussetzungen nach Teil 1 § 5 Satz 2 VTV Nr. 8 bedeutet, dass bei Fortfall in der ersten Monatshälfte der Anspruch für den laufenden Monat entfällt, ein späterer Fortfall sich erst im Folgemonat auswirken soll. Aus beiden Sätzen zusammen folgt deshalb, dass der Anspruch auf den Steigerungsbetrag erst entstanden ist, wenn die Voraussetzungen hierfür über den 15. des laufenden Monats hinaus fortbestehen. Vorher besteht daher zugunsten des Cockpitmitarbeiters nur eine verfallbare Anwartschaft auf die Vergütungserhöhung.
Damit ist vorliegend ein tariflicher Anspruch zu beurteilen, dessen Voraussetzungen über einen längeren Zeitraum erfüllt sein müssen. Hinsichtlich solcher Ansprüche gilt, dass eine Modifizierung oder Aufhebung während dieses Zeitraums keine echte Rückwirkung bedeutet. Es fehlt an dem hierfür erforderlichen abgeschlossenen Tatbestand (Houben NZA 2007, 130, 131). So hat der Senat auch entschieden, dass die Beseitigung eines Bewährungsaufstiegs in eine höhere Vergütungsgruppe während des Zeitraums seiner Erfüllung durch den Arbeitnehmer Verfassungsgrundsätze nicht verletzt (14. Juni 1995 – 4 AZR 225/94 – AP TVG § 1 Rückwirkung Nr. 13).
Vorliegend bedeutet dies, dass bei Abschluss des ÄndTV Nr. 1 der Anspruch der Kläger auf einen Steigerungsbetrag nach Teil 1 § 3 Abs. (3) Satz 2 VTV Nr. 8 auch für die ersten Februartage noch nicht endgültig entstanden war. Dies wäre erst der Fall gewesen, wenn bis zum 15. Februar 2003 die Voraussetzungen einschließlich der Unterschreitung des Tabelleneckwerts erfüllt gewesen wären. Da aber infolge seiner Absenkung am 7. Februar 2003 die Vergütung der Kläger seit diesem Tag über dem Tabelleneckwert lag, unterhalb dessen die Beklagte den höheren Steigerungsbetrag schuldete, konnten die Ansprüche auf die Stufensteigerung nicht entstehen. Eine echte Rückwirkung liegt damit nicht vor. Es kann deshalb dahinstehen, ob den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Rechtfertigung einer solchen Rückwirkung zu folgen sein würde.
(bb) Die Herabsetzung des Tabelleneckwerts durch den ÄndTV Nr. 1 enthält nach alledem bezüglich der Ansprüche der Kläger für Februar 2003 auf den durch eine große Stufensteigerung bedingten Vergütungsmehrbetrag eine unechte Rückwirkung. Der Tarifvertragsabschluss am 7. Februar 2003 fällt in den für die Entstehung des Vergütungsanspruchs für Februar 2003 nach Teil 1 § 5 Satz 1 und 2 VTV Nr. 8 maßgeblichen Zeitraum. Die Herabsetzung des Schwellenwerts wirkte auf das insoweit entstehende Recht der Kläger ein und entwertete deren Rechtsposition, indem sie dessen endgültige Entstehung hinderte.
Diese rückwirkende Tarifänderung ist zulässig. Das Regelungsinteresse der Tarifvertragsparteien überwiegt deutlich das Vertrauen der Kläger in den Fortbestand der ursprünglich vereinbarten Regelung. Gründe für eine besondere Schutzwürdigkeit des Vertrauens der Kläger sind nicht ersichtlich. Der streitige Steigerungsbetrag ist nur ein verhältnismäßig geringer Bestandteil ihrer Vergütung. Vertrauensschutz auslösende Vermögensdispositionen gerade bezüglich dieses geringen Vergütungsteils sind nicht ersichtlich und generell wenig wahrscheinlich. Wenn die Kläger ihr Vertrauen insbesondere auf die Vollendung des Beschäftigungsjahres im Januar 2003 und damit auf einen Umstand vor Abschluss des ÄndTV Nr. 1 stützen, verkennen sie die tarifliche Regelung des Teils 1 § 5 VTV Nr. 8, die – wie dargelegt – auf das Fortbestehen aller Voraussetzungen und damit auch der Unterschreitung des Tabelleneckwerts bis zum 15. Februar 2003 abstellt. Ein hinreichendes Regelungsinteresse der Tarifvertragsparteien ergibt sich demgegenüber bereits aus den bei der Tarifanwendung zu Tage getretenen Unterschieden in den tariflichen Vergütungsansprüchen von Cockpitmitarbeitern mit gleicher Qualifikation und ähnlichem beruflichen Werdegang. Diese Unterschiede beruhen auf den in den Überleitungsregeln zum VTV Nr. 8 (dort Protokollnotiz III zu I. bis III.) zur Überführung der Altbeschäftigten angegebenen Prozentwerten, um die deren Vergütung in verschiedenen Rechenschritten zu erhöhen war. Die Tarifvertragsparteien haben insoweit eine Überführung der nach dem Vergütungstarifvertrag Nr. 7 für das Cockpitpersonal vom 31. März 2000 (VTV Nr. 7) bestehenden Vergütungsstufen für I. Offiziere genau auf die sich aus der Regelung in Teil 1 § 3 Abs. (3) VTV Nr. 8 ergebenden Beträge beabsichtigt. Da sie aber die dazu erforderlichen, auf mehrere Stellen hinter dem Komma lautenden Werte auf zwei Stellen nach dem Komma gerundet in den Tarifvertrag aufgenommen haben, ist es zu kleinen Über- bzw. Unterschreitungen der neuen Stufenwerte gekommen. Die Korrektur dieser unbeabsichtigten Ungleichbehandlung rechtfertigt den Eingriff in den als Teil des Vergütungsanspruchs für Februar 2003 entstehenden Anspruch auf den höheren Steigerungsbetrag. Daraus folgt zugleich die Wirksamkeit der Tarifänderung für die Folgezeit.
2. Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf die geforderten Vergütungsdifferenzen aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht unter Hinweis auf die Übergangsregelung aus dem ÄndTV Nr. 2 entschieden hat.
a) Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet sowohl die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage als auch die sachfremde Differenzierung zwischen Arbeitnehmern einer bestimmten Ordnung. Sachfremd ist eine Differenzierung, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt, wenn die Regelung also für eine am Gleichheitsgedanken orientierte Betrachtungsweise als willkürlich anzusehen ist. Im Bereich der Vergütung gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz zwar nur eingeschränkt, weil der Grundsatz der Vertragsfreiheit Vorrang hat. Anders ist dies hingegen, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip auf Grund einer abstrakten Regelung gewährt. Von einer solchen Regelung darf er lediglich aus sachlichen Gründen Arbeitnehmer ausnehmen. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz greift jedoch nur ein bei einem gestaltenden Verhalten des Arbeitgebers, hingegen nicht beim bloßen – auch vermeintlichen – Normenvollzug (Senat 6. Juli 2005 – 4 AZR 27/04 – BAGE 115, 185, 190 mwN).
b) Danach besteht aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz kein Anspruch auf die eingeklagten Beträge.
aa) Die Beklagte musste die Kläger nicht mit den bei ihr beschäftigten I. Offizieren gleichbehandeln, die seit Dezember 2002 oder Januar 2003 den höheren Steigerungsbetrag erhalten haben. Die Zahlung des höheren Steigerungsbetrags seit Februar 2003 und diejenige der im Folgejahr abgeschmolzenen Steigerung an diesen Personenkreis beruhte auf dem ÄndTV Nr. 2. Mit dieser Zahlung vollzog die Beklagte somit eine Tarifnorm.
bb) Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz rechtfertigt die Klageforderungen auch nicht teilweise in Höhe der erfolgten tarifüberschreitenden Überzahlung vergleichbarer I. Offiziere.
(1) Die Beklagte räumt ein, I. Offizieren, die bis Januar 2003 auf der Grundlage der ursprünglich im VTV Nr. 8 festgesetzten Werte den höheren Steigerungsbetrag erhalten haben, entgegen den Abschmelzungsregeln aus dem ÄndTV Nr. 2 die folgende kleine Stufensteigerung zunächst unvermindert gewährt und bis September 2004 gezahlt zu haben. Sie macht aber geltend, sie habe die in Überschreitung der Abschmelzungsregeln überzahlten Beträge von den betroffenen I. Offizieren zurückgefordert. Die Kläger zweifeln zwar – zu Unrecht, vgl. Senat in der bereits erwähnten Entscheidung in der Sache – 4 AZR 573/06 – die Berechtigung solcher Rückforderungen an. Die Tatsache der Rückforderung bestreiten sie hingegen nicht.
(2) Damit fehlt es an der Behauptung eines gestaltenden Verhaltens der Beklagten. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz greift aber nur ein bei einem gestaltenden Verhalten des Arbeitgebers, nicht jedoch beim bloßen – auch vermeintlichen – Normenvollzug. Anders verhält es sich, wenn der Arbeitgeber nach Kenntnis von seinem Irrtum die bis dahin ohne Rechtsgrund erbrachten Leistungen weitergewährt und rechtlich mögliche Rückforderungsansprüche nicht geltend macht. Ab diesem Zeitpunkt erbringt er bewusst zusätzliche freiwillige Leistungen. Dabei muss er die vergleichbaren Arbeitnehmer gleichbehandeln. Stellt er hingegen die rechtsgrundlosen Zahlungen alsbald nach Kenntniserlangung von seinem Irrtum ein und ergreift alle rechtlich möglichen Maßnahmen zur nachträglichen Korrektur seines Irrtums, ist für die Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes kein Raum (BAG 26. November 1998 – 6 AZR 335/97 – BAGE 90, 219, 228; vgl. 26. April 2005 – 1 AZR 76/04 – BAGE 114, 286, 294). Da die Kläger die Rückforderung der Überzahlung durch die Beklagte einräumen, fehlt es vorliegend an einer tatsächlichen Grundlage für die Begründung von Gleichbehandlungspflichten durch bewusst zusätzliche und freiwillige Leistungen.
II. Die Kläger haben nach §§ 97, 100 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
Unterschriften
Bepler, Creutzfeldt, Bott, Jürgens, Rupprecht
Fundstellen
NZA 2007, 1127 |
AP, 0 |
EzA |
NJOZ 2007, 4847 |