Entscheidungsstichwort (Thema)
Überbrückungsbeihilfe
Normenkette
Tarifvertrag vom 31. August 1971 zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV SozSich) § 2 Ziff. 3; Tarifvertrag vom 16. Dezember 1966 für die Arbeitnehmer bei den belgischen und bei den US-Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (KSch TV) § 1 Ziff. 2 und 3
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. April 1997 – 7 Sa 692/96 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien Zahlung einer Überbrückungsbeihilfe.
Die am 16. Mai 1951 geborene Klägerin war seit dem 1. April 1979 bei den US-Stationierungsstreitkräften in P… als kaufmännische Angestellte (Einkäuferin) beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der Tarifvertrag vom 16. Dezember 1966 für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV AL II) Anwendung. Die Beklagte kündigte aus betrieblichen Gründen das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1994 und bot der Klägerin gleichzeitig an, das Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus zu ansonsten unveränderten Bedingungen am Beschäftigungsort M… fortzusetzen. Die Klägerin nahm das Änderungsangebot nicht an, auch nicht unter Vorbehalt. In einem darauf folgenden Kündigungsrechtsstreit schlössen die Parteien vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten zum 31. Dezember 1994 aufgelöst wurde.
Die Klägerin verlangte von der Beklagten außerdem, ihr ab dem 1. Januar 1995 Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag vom 31. August 1971 zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV SozSich) zu gewähren. Die Beklagte lehnte dies ab. In dem TV SozSich heißt es:
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Geltungsbereich
Dieser Tarifvertrag gilt für Arbeitnehmer, die am Tage ihrer Entlassung unter den Geltungsbereich der Tarifverträge vom 16. Dezember 1966 TV AL II und TV AL II (Frz) fallen und die Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 erfüllen.
Soweit der Tarifvertrag auf Vorschriften des TV AL II oder des KSch TV vom 16. Dezember 1966 Bezug nimmt, ist von der bei Abschluß dieses Vertrages geltenden Fassung auszugehen, und zwar auch für die Arbeitnehmer, deren Arbeitsbedingungen nach TV AL II (Frz) geregelt sind.
Protokollnotiz
Diejenigen Vorschriften des TV AL II und des KSch TV, auf die der Tarifvertrag Bezug nimmt, sind dem Vertrag in der bei seinem Inkrafttreten geltenden Fassung als Anlage beigefügt.
§ 2
Anspruchsvoraussetzungen
Anspruch auf Leistungen nach diesem Tarifvertrag haben Arbeitnehmer, die
1. wegen Personaleinschränkung
a) infolge einer Verringerung der Truppenstärke
b) infolge einer aus militärischen Gründen von der obersten Dienstbehörde angeordneten Auflösung von Dienststellen oder Einheiten oder deren Verlegung außerhalb des Einzugsbereichs des bisherigen ständigen Beschäftigungsortes
entlassen werden, wenn sie
2. im Zeitpunkt der Entlassung
a) seit mindestens einem Jahr vollbeschäftigt sind,
b) mindestens fünf Beschäftigungsjahre im Sinne des § 8 TV AL II oder des TV B II nachweisen können und das 40. Lebensjahr vollendet haben,
c) ihren ständigen Wohnsitz in den letzten fünf Jahren im Geltungsbereich des TV AL II oder des TV B II hatten,
d) die Voraussetzungen zum Bezug des Altersruhegeldes oder des vorgezogenen Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfüllen, und ihnen
3. keine anderweitige zumutbare Verwendung im Geltungsbereich des TV AL II angeboten worden ist. Als zumutbar gilt jede anderweitige Verwendung im Sinne des § 1 Ziffern 3 ff. des Kündigungsschutztarifvertrages für die Arbeitnehmer bei den amerikanischen und belgischen Stationierungsstreitkräften vom 16. Dezember 1966 und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Arbeitnehmer unter den Geltungsbereich des KSch TV fällt.
…
Anlage
zum Tarifvertrag vom 31. August 1971 zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräfen im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
…
II. KSch TV vom 16. Dezember 1966
§ 1
…
2. Als wichtige Gründe im Sinne dieser Bestimmung gelten insbesondere:
a) Alle Gründe, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen (§ 45 TV AL II),
b) Auflösung der Beschäftigungsdienststelle oder deren Verlegung außerhalb der Bundesrepublik Deutschland,
c) Fortfall des Aufgabenbereichs des Arbeitnehmers oder Verlegung dieses Aufgabenbereichs innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, sofern keine Möglichkeit besteht, den Arbeitnehmer in seinem Beruf oder in einem anderen Beruf, für den er geeignet ist, innerhalb des Einzugsbereichs seines Beschäftigungsortes unterzubringen, oder sofern dem Arbeitnehmer die Weiterbeschäftigung an einem neuen Ort angeboten und von diesem abgelehnt wird.
3. Die Verpflichtung der Stationierungskräfte in den Fällender Ziffer 2c erstreckt sich auf das Angebot vorhandener freier Stellen in der gleichen Lohngruppe/Gehaltsgruppe oder – falls solche nicht vorhanden sind – in einer niedrigeren Lohngruppe/Gehaltsgruppe unter den Bedingungen des § 52 TV AL II bzw. § 55 Ziffer 7 TV AL II.
…
Erläuterungen und Verfahrensrichtlinien zum TV Soziale Sicherung
2.3 Zu § 2 Ziffer 3
Für die Frage, ob dem Arbeitnehmer eine anderweitige zumutbare Verwendung angeboten worden ist, gelten ausschließlich § 2 Ziffer 3 TV i. V. mit § 1 Ziffern 3 ff KSch TV, wie er in der Anlage zum TV zitiert ist.
Danach gilt folgendes:
…
2.3.4 Eine zumutbare Verwendung liegt auch dann vor, wenn der Arbeitnehmer auf dem neuen Arbeitsplatz nur befristet weiterbeschäftigt werden kann. Wegen der Ansprüche nach Beendigung der befristeten Weiterbeschäftigung siehe Nr. 2.1.6.
2.3.5 Hat der Arbeitnehmer ein zumutbares Angebot für eine unbefristete Tätigkeit abgelehnt und kann er deshalb auf einem anderen Arbeitsplatz nur befristet weiterbeschäftigt werden, dann können Ansprüche aus dem Tarifvertrag nicht entstehen.
…”
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die ihr angebotene Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in M… sei ihr nicht zumutbar gewesen, da der vorgesehene Beschäftigungsort nicht innerhalb des in Anhang O zum TV AL II genannten Einzugsbereichs gelegen habe. Zudem habe die Möglichkeit bestanden, ihr eine Stelle innerhalb dieses Einzugsbereichs anzubieten, da auch dort mehrere Positionen frei gewesen seien.
Die Klägerin hat beantragt:
Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin rückwirkend ab dem 1. Januar 1995 Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag vom 31. August 1971 zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TaSS) zu gewähren.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, der Klägerin sei eine anderweitige zumutbare Verwendung im Geltungsbereich des TV AL II angeboten worden. Die Zumutbarkeit der Verwendung sei eindeutig tarifrechtlich geregelt. Auf den Einzugsbereich, wie er in Anhang O TV AL II beschrieben sei, komme es nicht an.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage als unbegründet abgewiesen.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe, da sie nicht die Anspruchsvoraussetzung nach § 2 Ziff. 3 TV SozSich erfüllt.
1. Nach § 2 TV SozSich haben Anspruch auf Leistungen nach diesem Tarifvertrag Arbeitnehmer, die wegen Personaleinschränkung infolge einer aus militärischen Gründen von der obersten Dienstbehörde angeordneten Auflösung von Dienststellen oder Einheiten oder deren Verlegung außerhalb des Einzugsbereichs des bisherigen ständigen Beschäftigungsortes entlassen werden (§ 2 Ziff. 1 Buchst. b), wenn sie im Zeitpunkt der Entlassung seit mindestens einem Jahr vollbeschäftigt sind (§ 2 Ziff. 2 Buchst. a), mindestens fünf Beschäftigungsjahre i. S. des § 8 TV AL II nachweisen können und das 40. Lebensjahr vollendet haben (§ 2 Ziff. 2 Buchst. b), ihren ständigen Wohnsitz in den letzten fünf Jahren im Geltungsbereich des TV AL II hatten (§ 2 Ziff. 2 Buchst. c) und die Voraussetzungen zum Bezug des Altersruhegelds oder des vorgezogenen Altersruhegelds aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfüllen (§ 2 Ziff. 2 Buchst. d). Vorgenannte Voraussetzungen liegen bei der Klägerin unstreitig vor.
2. Voraussetzung eines Anspruchs auf Leistungen nach dem TV SozSich ist aber weiter, daß dem Arbeitnehmer keine anderweitige zumutbare Verwendung im Geltungsbereich des TV AL II angeboten wurde (§ 2 Ziff. 3 Satz 1 TV SozSich). Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die Beschäftigungsdienststelle der Beklagten mit ihrem Angebot, die Klägerin in der gleichen Lohngruppe/Gehaltsgruppe in M… und damit im Geltungsbereich des TV AL II weiter zu beschäftigen, eine anderweitige zumutbare Verwendung i. S. der genannten Tarifbestimmung angeboten hat. Insoweit hat das Landesarbeitsgericht den Tarifvertrag richtig ausgelegt.
a) Nach dem eindeutigen Wortlaut von § 2 Ziff. 3 Satz 2 TV SozSich gilt als zumutbar jede anderweitige Verwendung i. S. von § 1 Ziffern 3 ff. des KSch TV. Nach § 1 Ziff. 3 KSch TV erstreckt sich die Verpflichtung der Stationierungsstreitkräfte auf das Angebot vorhandener freier Stellen in der gleichen Lohngruppe/Gehaltsgruppe in dem gesamten Geltungsbereich der TV AL II. Dieser Verpflichtung ist die Beklagte nachgekommen. Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, wird in § 2 Ziff. 3 TV SozSich nicht auf § 1 Ziff. 2 Buchst. c KSch TV und die dort geregelten Tatbestandsmerkmale der Eignung für die neue Tätigkeit und der Belegenheit des neuen Arbeitsplatzes im Einzugsbereich des Beschäftigungsorts Bezug genommen. Da in § 2 Ziff. 3 TV SozSich nur auf § 1 Ziff. 3 ff. und nicht auf Ziff. 2 des KSch TV verwiesen wird, muß die Klägerin als zumutbar auch eine anderweitige Verwendung außerhalb des Einzugsbereichs ihres Beschäftigungsorts bei den Stationierungsstreitkräften hinnehmen. Auf diesen insoweit eindeutigen und daher nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts maßgebenden Tarifwortlaut (vgl. BAG Urteil vom 20. März 1996 – 4 AZR 906/94 – AP Nr. 36 zu § 23 a BAT, zu 2.2.1 der Gründe; Senatsurteil vom 30. Januar 1997 – 6 AZR 784/95 – AP Nr. 22 zu § 4 TVG Rationalisierungsschutz, zu II 2 der Gründe) hat bereits der Vierte Senat im Urteil vom 29. Januar 1975 (– 4 AZR 167/74 – AP Nr. 1 zu § 42 TV AL II) hingewiesen.
b) Dieses Ergebnis wird auch durch die Protokollnotiz zu § 1 TV SozSich bestätigt. Nach ihr sind die Vorschriften des TV AL II und des KSch TV, auf die der TV SozSich Bezug nimmt, diesem in seiner bei seinem Inkrafttreten geltenden Fassung als Anlage beigefügt. Darin liegt eine statische Verweisung. Aus ihr ergibt sich, daß, entgegen der Revision, eine abschließende Regelung vorliegt, die es ausschließt, auf den Anhang O zum TV AL II abzustellen. Auf die dortige Regelung des Einzugsbereichs kommt es im Hinblick auf die abschließende Regelung in § 2 Ziff. 3 TV SozSich nicht an.
Daß die Tarifvertragsparteien von einem für den Arbeitnehmer weit gefaßten Zumutbarkeitsbegriff ausgegangen sind, ergibt sich außerdem aus den Erläuterungen und Verfahrensrichtlinien zum TV SozSich. Nach Ziff. 2.3.4 dieser Erläuterungen liegt eine zumutbare Verwendung auch dann vor, wenn der Arbeitnehmer auf dem neuen Arbeitsplatz nur befristet weiterbeschäftigt werden kann. Hat der Arbeitnehmer ein zumutbares Angebot für eine unbefristete Tätigkeit abgelehnt, und kann er deshalb auf einem anderen Arbeitsplatz nur befristet weiterbeschäftigt werden, dann können Ansprüche aus dem Tarifvertrag nicht entstehen (Ziff. 2.3.5 der Erläuterungen).
3. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auch darauf hingewiesen, daß unerheblich ist, ob der Klägerin eine Weiterbeschäftigung innerhalb des Einzugsbereichs ihrer Beschäftigungsdienststelle hätte angeboten werden können. Um die soziale Rechtfertigung der Kündigung geht es im vorliegenden Verfahren nicht, und für die Zumutbarkeit i. S. von § 2 Ziff. 3 TV SozSich kommt es darauf nicht an.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Gräfl, Brüse, Dr. Pühler
Fundstellen