Entscheidungsstichwort (Thema)
Energiebeihilfe statt Hausbrandkohle
Normenkette
BGB § 611; BetrVG §§ 77, 112 Abs. 1; TVG § 1 Tarifverträge Bergbau
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 28.09.1988; Aktenzeichen 6 (10) Sa 956/88) |
AG Oberhausen (Urteil vom 27.04.1988; Aktenzeichen 3 Ca 1945/87) |
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 28. September 1988 – 6 (10) Sa 956/88 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine Energiebeihilfe anstelle nicht mehr verwendbarer Hausbrandkohle zu gewähren.
Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der Concordia Bergbau AG. Diese betrieb eine Zeche des Steinkohlenbergbaus, die zum 31. März 1968 stillgelegt wurde. Die Concordia Bergbau AG schied zum 31. Dezember 1968 aus dem Unternehmensverband Ruhrbergbau aus und erwarb später als Verwaltungsgesellschaft (die jetzige Beklagte) eine Firmengruppe der Chemischen Industrie. Seit dem 1. April 1974 wendet die Beklagte die Tarifverträge der Chemischen Industrie an.
Der am 21. Juni 1924 geborene Kläger war bei der C. B. AG vom 10. Januar 1948 bis zum 24. April 1963 beschäftigt. Sein Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis beruhte nach seinem unbestrittenen Vortrag auf einem Unfall. Seither bezieht er eine Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit. Er ist seit dem 2. November 1955 Inhaber eines Bergmannsversorgungsscheines.
Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers fand zuletzt der Manteltarifvertrag für die Arbeiter des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus (MTV) in seiner ab 1. Januar 1963 gültigen Fassung (MTV 1963) Anwendung. Dieser Manteltarifvertrag bestimmt u.a. folgendes:
„II Hausbrandkohlen für nach dem 1. Mai 1953 ausgeschiedene Berginvaliden und deren Witwen
§ 92
(1) Hausbrandkohlen erhalten auf Antrag:
- Empfänger von Bergmannsrente, von Knappschaftsrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, von Knappschaftsruhegeld, Knappschaftssoldempfänger und Inhaber eines Bergmannsversorgungsscheins, die 25 oder mehr Jahre im deutschen Steinkohlenbergbau, davon zuletzt mindestens 5 Jahre bei Mitgliedern des Unternehmensverbandes Ruhrbergbau … beschäftigt waren,
deren Witwen
ohne Prüfung der Bedürftigkeit und ohne Vorliegen der in § 93 Buchst. c) genannten Voraussetzungen.
- Empfänger von Bergmannsrente, von Knappschaftsrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, von Knappschaftsruhegeld, Knappschaftssoldempfänger und Inhaber eines Bergmannsversorgungsscheins, die weniger als 25 Jahre, aber mindestens 20 Jahre im deutschen Steinkohlenbergbau, davon zuletzt mindestens 5 Jahre bei Mitgliedern des Unternehmensverbandes Ruhrbergbau … beschäftigt waren,
deren Witwen
ohne Prüfung der Bedürftigkeit.
- Empfänger von Bergmannsrente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit, von Knappschaftsrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, von Knappschaftsruhegeld und Inhaber eines Bergmannsversorgungsscheins mit weniger als 20jähriger Beschäftigung im deutschen Steinkohlenbergbau, sofern sie zuletzt mindestens 5 Jahre bei Mitgliedern des Unternehmensverbandes Ruhrbergbau … gearbeitet haben,
deren Witwen
bei nachzuweisender Bedürftigkeit.
- Arbeiter, die im deutschen Steinkohlenbergbau einen Betriebsunfall erlitten oder sich eine Berufskrankheit zugezogen haben, um mindestens 50 % erwerbsbeschränkt sind und vermindert bergmännisch berufsfähig oder berufs- oder erwerbsunfähig werden, ohne Rücksicht auf die Dauer ihrer Beschäftigung,
deren Witwen
ohne Prüfung der Bedürftigkeit.
- …
§ 97
Jedes Bergwerksunternehmen ist verpflichtet, im Falle seiner Auflösung, der Stillegung oder des Verkaufes seiner Zechen (Verlust der Kohlenbasis) die Erfüllung der sich gegenüber den Bezugsberechtigten ergebenden Ansprüche sicherzustellen.”
Die ab 1. September 1973 gültige Fassung des MTV enthält aufgrund des Änderungstarifvertrages vom 13. April 1976, gültig ab 1. Juli 1976, (MTV 1973/76) folgende Vorschrift über einen Barabgeltungsanspruch der bezugsberechtigten Rentner:
„§ 104
(1) Die nach §§ 100 und 101 bezugsberechtigten Rentner, die nach dem 30. Juni 1976 aus der Bergbautätigkeit ausscheiden, und deren Witwen können auf Antrag anstelle ihres Anspruches auf Hausbrandkohlen für das betreffende Bezugsjahr eine Energiebeihilfe für 2,5 Tonnen erhalten, sofern sie keine eigene Verwendung für Hausbrandkohlen haben. Der Antrag ist in den Monaten Januar bis März des laufenden Bezugsjahres zu stellen. Die Energiebeihilfe wird in einer Summe ausgezahlt.
(2) Die Höhe der Energiebeihilfe je Tonne entspricht der für aktive Arbeiter.”
Der anläßlich der Zechenstillegung abgeschlossene Sozialplan „zur Regelung von Belegschafts- und Sozialfragen für die durch die Stillegung der Bergbaubetriebe betroffenen Belegschaftsmitglieder, denen fristgerecht gekündigt wird oder deren Beschäftigungsverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen gelöst wird” vom 9. Oktober 1967 regelt u.a. folgendes:
„A. Allgemeines
1. Die C. B. AG verfolgt das Ziel, bis zum 31. März 1968 die Förderung aufrechtzuerhalten; Grundlage ist der Abbauplan 1967.
2. Die C. B. AG wird sich in enger Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat, den zuständigen Behörden, anderen Bergwerksunternehmen und sonstigen Wirtschaftszweigen darum bemühen, den von der Stillegung betroffenen Belegschaftsmitgliedern, sofern sie keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit, Altersruhegeld oder Knappschaftsausgleichsleistung haben, Arbeitsplätze in anderen Unternehmen zu vermitteln. Diese Bemühungen gelten insbesondere gegenüber bedingt tauglichen Arbeitnehmern …
…
7. Zum Zwecke eines geordneten Stillegungsablaufes werden Entlassungen nur nach Abstimmung mit dem Betriebsrat vorgenommen. Als Basis dient der Personalbedarfsplan gemäß dem vorliegenden Abbauplan. Entlassungswünschen von Belegschaftsmitgliedern wird nach Maßgabe der betrieblichen Möglichkeiten Rechnung getragen.
8. Belegschaftsmitglieder, die in absehbarer Zeit (31.12.1969) die KAL erlangen können, sollen solange und soweit Möglichkeiten vorhanden sind, für Abwicklungsarbeiten bei der C. B.-AG eingesetzt und knappschaftlich versichert werden.
9.
- Hausbrandkohlenlieferung für ausgeschiedene Belegschaftsmitglieder oder deren Witwen werden im Rahmen der tariflichen Bestimmungen sichergestellt. KAL-Empfänger werden diesem Personenkreis gleichgestellt.
- Arbeiter und Angestellte, denen durch das Werk gekündigt wird oder die in gegenseitigem Einvernehmen ausscheiden, erhalten noch für 1/2 Jahr nach dem Ausscheiden Hausbrandkohlen zu den bisherigen Bedingungen.”
Die Beklagte lieferte dem Kläger nach seinem Ausscheiden aus der bergbaulichen Tätigkeit und auch nach der Zechenstillegung Hausbrandkohlen weiter. Sie stellte die Lieferung erst ein, nachdem der Kläger seine Heizung im Jahre 1973 auf Erdgas umgestellt hatte.
Mit seiner am 4. März 1981 eingereichten Klage hat der Kläger zunächst Barabgeltung seines Deputatkohlenanspruchs für die Bezugsjahre 1978 bis 1981 verlangt. Das Verfahren wurde auf Anregung der Beklagten und im Einverständnis des Klägers bis zur rechtskräftigen Entscheidung anderer Verfahren zum Ruhen gebracht. Nachdem das Urteil des Senats vom 2. September 1987 (– 5 AZR 519/80 –) bekannt geworden war, beantragte der Kläger unter dem 6. Oktober 1987 die Fortsetzung des Verfahrens und verlangte nunmehr mit Schriftsatz vom 8. Februar 1988 Barabgeltung seines Deputatkohlenanspruchs für die Bezugsjahre 1979/80 bis 1986/87 sowie künftige Energiebeihilfe ab dem Bezugsjahr 1987/88.
Der Kläger hat geltend gemacht, er sei im Jahre 1976 bei der Beklagten wegen seiner Ansprüche vorstellig geworden. Man habe ihm aber erklärt, ihm stünden keine Ansprüche mehr zu. Das habe er zunächst geglaubt. Die Beklagte sei jedoch aufgrund tarifvertraglicher Vorschriften zur Leistung verpflichtet. Ziffer 9. a) des Sozialplans sichere die Hausbrandkohlenlieferungen für ausgeschiedene Mitarbeiter und nehme Bezug auf die tariflichen Bestimmungen. Der ab 1. Juli 1976 geltende MTV sehe einen Barabgeltungsanspruch für bezugsberechtigte Rentner vor. Auch ergebe sich aus Anlage 8 des Rundschreibens des Unternehmensverbandes Ruhrbergbau vom 13. April 1976 ein Wahlrecht zwischen Kohlen und Barabgeltung für Rentner, die vor dem 1. Juli 1976 ausgeschieden sind. Im übrigen stünden ihm die Ansprüche auch auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Satz 2 des Bergmannsversorgungsscheingesetzes Nordrhein-Westfalen (BVSG NRW) zu. Daneben sei zu beachten, daß die Beklagte ihm auch nach Zechenstillegung weiterhin Kohle geliefert habe, obwohl sie diese selber habe beschaffen müssen. Durch diese tatsächlichen Leistungen habe sich deren ursprünglicher Geschäftszweck geändert. Aus dem ehemaligen Deputat sei eine allgemeine Versorgungszuwendung geworden. Darauf habe er Anspruch.
Der Kläger hat zuletzt nur noch beantragt
die Beklagte zu verurteilen, ihm für das Bezugsjahr
1980/1981 – 2,5 t a 167, – DM brutto = 417,50 DM brutto,
1981/1982 – 2,5 t a 197, – DM brutto = 492,50 DM brutto,
1982/1983 – 2,5 t a 205, – DM brutto = 512,50 DM brutto,
1983/1984 – 2,5 t a 215, – DM brutto = 537,50 DM brutto,
1984/1985 – 2,5 t a 222, – DM brutto = 555,– DM brutto,
1985/1986 – 2,5 t a 222, – DM brutto = 555,– DM brutto,
1986/1987 – 2,5 t a 222, – DM brutto = 555,– DM brutto
zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, der Kläger könne sich nicht auf den nach seinem Ausscheiden abgeschlossenen Sozialplan vom 9. Oktober 1967 berufen. Auch stünden ihm keine tarifvertraglichen Ansprüche zu, da er nur 14 Jahre im Bergbau tätig gewesen sei. Wegen ihres Ausscheidens aus dem Unternehmensverband Ruhrbergbau bestehe auch kein Anspruch des Klägers aus § 9 BVSG NRW.
Die Beklagte hat weiter die Einrede der Verjährung erhoben und schließlich geltend gemacht, der Kläger habe ab 1978 keinen Antrag auf Energiebeihilfe mehr gestellt.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte nach dem zuletzt gestellten Antrag des Klägers verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision, mit der der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung erstrebt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Es kann allerdings noch nicht abschließend beurteilt werden, ob dem Kläger die verlangte Energiebeihilfe zusteht. Vielmehr bedarf die Sache weiterer Aufklärung.
Als Rechtsgrundlage für einen Anspruch des Klägers kommt in Betracht Ziff. 9. a) des Sozialplans vom 9. Oktober 1967 in Verbindung mit § 92 Nr. 3 a) oder Nr. 4 a), § 97 des Manteltarifvertrages für die Arbeiter des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus in der ab 1. Januar 1963 gültigen Fassung (MTV 1963) sowie § 104 Abs. 1 MTV in der ab 1. Juli 1976 gültigen Fassung (MTV 1973/1976).
I. Das Landesarbeitsgericht hat als unstreitig festgestellt, daß der Kläger aus seinem früheren Arbeitsverhältnis wegen Erwerbsunfähigkeit ausgeschieden ist und seitdem Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht. Es hat einen Anspruch des Klägers auf Hausbrandkohlen bzw. Energiebeihilfe abgelehnt, weil der Kläger keine Beschäftigungszeit von wenigstens 20 Jahren im deutschen Steinkohlenbergbau aufzuweisen habe. Dabei hat es die Anspruchsgrundlage aus § 92 Abs. 1 Nr. 3 a) MTV 1963, der für die Parteien des früheren Arbeitsverhältnisses des Klägers unmittelbar gegolten hat, nicht erörtert. Ein Anspruch auf Hausbrandkohlen könnte dem Kläger als Berginvaliden mit Erwerbsunfähigkeitsrente und Bergmannsversorgungsschein nach dieser Tarifbestimmung aber zugestanden haben, auch wenn er weniger als 20 Jahre im Bergbau gearbeitet hat. Allerdings ist weitere Anspruchsvoraussetzung das Vorliegen von Bedürftigkeit. Insoweit muß der Sachverhalt noch aufgeklärt werden.
Das Landesarbeitsgericht hat eine Anspruchsgrundlage nach § 92 Abs. 1 Nr. 4 a) MTV 1963 mit der Begründung verneint, der Kläger habe die Anspruchsvoraussetzungen nicht dargelegt. Die Tarifbestimmung gibt Arbeitern, die im deutschen Steinkohlenbergbau einen Betriebsunfall erlitten oder sich eine Berufskrankheit zugezogen haben, um mindestens 50 % erwerbsbeschränkt sind und vermindert bergmännisch berufsfähig oder berufs- oder erwerbsunfähig werden, ohne Rücksicht auf die Dauer ihrer Beschäftigung und ohne Prüfung der Bedürftigkeit einen Anspruch auf Hausbrandkohlen. Der Kläger hat dazu in der Verhandlung vor dem Arbeitsgericht vom 24. Februar 1988 zu gerichtlichem Protokoll erklärt, er sei wegen eines Unfalls ausgeschieden und erhalte seitdem eine Unfallrente von 60 %. Die Beklagte hat dieses Vorbringen nicht bestritten, so daß es nach §§ 138 Abs. 3, 288 Abs. 1 ZPO als wahr zu behandeln ist. Allerdings ist nicht klar, was eine „Unfallrente von 60 %” bedeutet. Sofern der Kläger vom Sozialversicherungsträger eine Rente wegen eines Unfalls beziehen sollte, könnte es sich nur um Leistungen wegen eines Arbeitsunfalles handeln. Mit der Prozentangabe (60 %) dürfte eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 60 % gemeint sein. Es ist nicht auszuschließen, daß der Kläger wegen eines Arbeitsunfalles (oder einer Berufskrankheit) erwerbsunfähig geworden ist und deswegen eine entsprechende Rente erhält. Dann aber stünde ihm ein Anspruch auf Hausbrandkohlen zu. Dadurch könnte sich auch erklären, daß die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin dem Kläger bis 1973 derartige Leistungen gewährt hat. Auch dieser Punkt des Berufsunfalles oder der Berufskrankheit muß noch tatsächlich aufgeklärt werden. Sollten die aufgeführten Anspruchsvoraussetzungen in tatsächlicher Hinsicht zu bejahen sein, steht dem Kläger ein Anspruch auf Energiebeihilfe im verlangten Umfang nach Nr. 9 a) des Sozialplans vom 9. Oktober 1967 in Verbindung mit § 104 MTV 1973/1976 zu.
II. Nr. 9 a) des Sozialplans spricht von „ausgeschiedenen Belegschaftsmitgliedern” oder deren Witwen. Deren Versorgung mit Hausbrand soll durch den Sozialplan „im Rahmen der tariflichen Bestimmungen sichergestellt” werden. Gemeint sind damit einmal die von der Stillegung betroffenen Arbeitnehmer, die im Zusammenhang mit der Durchführung der Stillegungsmaßnahmen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden und im Zeitpunkt der Stillegung „ausgeschiedene Belegschaftsmitglieder” sind (vgl. Senatsurteil vom 2. September 1987 – 5 AZR 519/80 –, zu II 2 a der Gründe).
Zum anderen gehören zu den „ausgeschiedenen Belegschaftsmitgliedern” aber auch, wie der Senat bei der Entscheidung des vorliegenden Streitfalles erkennt, diejenigen Arbeitnehmer, die – wie der Kläger – bereits früher mit einem Kohlenbezugsrecht ausgeschieden waren. Sie waren durch die Stillegung der Zeche nämlich in gleicher Weise betroffen wie die Arbeitnehmer, deren Ansprüche durch den Sozialplan geregelt werden sollten. Durch die Stillegung und den bevorstehenden Austritt der C. B. AG aus dem Unternehmensverband Ruhrbergbau verloren die bereits früher ausgeschiedenen Arbeitnehmer für die Zukunft ihre bislang tariflich abgesicherte Rechtsposition. Künftige Tarifverträge des Bergbaus konnten ihre Rechtsstellung gegenüber dem Arbeitgeber nicht mehr regeln. Insoweit bedurfte ihre Rechtslage einer besonderen Klärung und Absicherung. Die Grundlage hierfür bildete § 97 MTV 1963, der für das Arbeitsverhältnis des Klägers maßgeblich war. Nach dieser Bestimmung ist jedes Bergwerksunternehmen verpflichtet, bei Verlust der Kohlenbasis (Auflösung, Stillegung oder Verkauf der Zechen) die Erfüllung der sich gegenüber den Bezugsberechtigten ergebenden Ansprüchen „sicherzustellen”. Eine „Sicherstellung” dieser Arbeitnehmer stellt Nr. 9 a) des Sozialplans vom 9. Oktober 1967 dar, wenn darin festgelegt wird, daß „Hausbrandkohlenlieferung für ausgeschiedene Belegschaftsmitglieder … im Rahmen der tariflichen Bestimmungen sichergestellt” wird.
Diese Regelung des Sozialplans bedeutet nicht etwa lediglich eine deklaratorische Äußerung, sondern ist eine Anspruchsnorm (§ 328 BGB) für den beschriebenen Personenkreis zur Sicherstellung seiner Rechte. Als Anspruchsnorm gewinnt die Sozialplanvorschrift der Ziff. 9 a) selbständige Bedeutung durch die Verweisung auf „die tariflichen Bestimmungen”. Damit sind nicht nur diejenigen Bestimmungen gemeint, die im Zeitpunkt des Abschlusses des Sozialplans oder der Stillegung der Zeche gegolten haben, sondern die jeweils geltenden Tarifverträge mit einschlägigem Regelungsinhalt. Die „Sicherstellung” der ausgeschiedenen Arbeitnehmer (oder deren Witwen) sollte in der Form einer dynamischen Verweisung erfolgen; sie blieb von einem Verbandsaustritt und Branchenwechsel des Arbeitgebers unberührt.
III.1. Der Änderungstarifvertrag vom 13. April 1976, der den Manteltarifvertrag in der ab 1. September 1973 geltenden Fassung ergänzte (nunmehr § 104 MTV 1973/1976) führte erstmals für die kohlenbezugsberechtigten Rentner einen Barabgeltungsanspruch (Energiebeihilfe) ein. Da der Kläger seine Heizung seit 1973 auf Erdgas umgestellt hatte, hatte er nunmehr keine „eigene Verwendung für Hausbrandkohle” im Sinne der genannten Tarifvorschrift mehr. Er konnte folglich Energiebeihilfe für 2,5 t Kohlen beantragen.
2. Die in der Revisionsinstanz allein noch streitigen Ansprüche des Klägers für die Zeit von 1980/81 bis 1986/87 sind nicht verjährt.
Nach § 196 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 9 BGB verjähren die Ansprüche auf Entgelt für geleistete Dienste in zwei Jahren. Hierzu gehören auch die Zahlungsansprüche auf die einzelnen Raten eines Ruhegeldes. Das Ruhegehalts-Stammrecht unterliegt allerdings nicht der kurzen Verjährungsfrist (BAG Teil-Urteil vom 5. Februar 1971 – 3 AZR 28/70 – AP Nr. 10 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu IV der Gründe). Der Anspruch für das Bezugsjahr 1980/81 konnte frühestens zum 31. Dezember 1982 verjähren. Die am 6. März 1981 zugestellte Klage hat die Verjährung hinsichtlich dieses Anspruchs unterbrochen (§ 209 BGB). Für die folgenden Bezugsjahre einschließlich 1986/87 hat der Kläger allerdings erst mit Schriftsatz vom 8. Februar 1988 einen entsprechenden Zahlungsantrag angebracht. Auf die Verjährung der Ansprüche aus den Bezugsjahren 1981/82 bis 1983/84 kann sich die Beklagte allerdings nicht berufen. Sie würde damit gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen. Denn es ist zu beachten, daß der Rechtsstreit auf Antrag der Beklagten bis zur rechtskräftigen Entscheidung in einem vorgreiflichen Verfahren zum Ruhen gebracht wurde. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes konnte der Kläger nach Treu und Glauben davon ausgehen, daß die Beklagte das Verfahren zunächst nicht weiterbetreiben wollte und von ihm auch keine weitere Antragstellung erwartete. Von einer Verjährung der noch streitigen Ansprüche des Klägers kann daher nicht gesprochen werden.
3. Der Kläger braucht sich schließlich auch nicht entgegenhalten zu lassen, er habe den Anspruch auf Energiebeihilfe verloren, weil er nicht im jeweiligen Bezugsjahr einen entsprechenden Antrag gestellt habe. Durch die Klageschrift war der Beklagten das Verlangen des Klägers auf Gewährung einer Energiebeihilfe anstelle der nicht mehr verwendbaren Hausbrandkohlen bekannt. Die Klageschrift ersetzte den förmlichen Antrag. Da die Parteien ihren Rechtsstreit zum Ruhen gebracht hatten, weil sie auf eine höchstrichterliche Entscheidung warteten, kann dem Kläger nicht entgegengehalten werden, er hätte in der Zwischenzeit den jeweiligen Antrag auf Gewährung einer Energiebeihilfe anbringen müssen. Eine derartige Verteidigung würde ebenfalls nicht mit dem Grundsatz von Treu und Glauben in Einklang zu bringen sein.
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Olderog, Dr. Krems, Buschmann
Fundstellen