Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungslohnsicherung nach Rückstufung

 

Normenkette

MTV für Arbeiter des Bundes (MTB II) § 37; MTB II SR 2 a Nr. 14

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 18.01.1989; Aktenzeichen 5 Sa 1340/88)

ArbG Verden (Aller) (Urteil vom 21.07.1988; Aktenzeichen 2 Ca 1037/87)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 18. Januar 1989 – 5 Sa 1340/88 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Umfang der tariflichen Lohnsicherung nach § 37 MTB II.

Der 1946 geborene Kläger ist seit April 1968 als Kfz-Schlosser im Gerätedepot H. der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für Arbeiter des Bundes (MTB II) und die diesen ergänzenden und ändernden Tarifverträge kraft einzelvertraglicher Vereinbarung Anwendung.

In § 37 ist bestimmt:

(1) Ist der Arbeiter, der eine mindestens einjährige Beschäftigungszeit zurückgelegt hat, infolge eines Unfalls, den er in Ausübung oder infolge seiner Arbeit ohne Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit erlitten hat, in seiner Lohngruppe nicht mehr voll leistungsfähig und wird er deshalb in einer niedrigeren Lohngruppe weiterbeschäftigt, so wird der Unterschiedsbetrag zwischen dem jeweiligen Monatstabellenlohn der bisherigen und der neuen Lohngruppe (seit 1. Januar 1990 zusätzlich folgender Text: einschließlich der jeweiligen Zulage nach dem Tarifvertrag über eine Zulage an Arbeiter vom 17. Mai 1982 in der jeweils geltenden Fassung) als persönliche Zulage gewährt. Lohnzuschläge nach § 29, die der Arbeiter bei Eintritt der Leistungsminderung mindestens fünf Jahre für die gesamte regelmäßige Arbeitszeit (seit 1. Januar 1987: für mindestens drei Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit) bezogen hat, erhält er in der zuletzt bezogenen Höhe weiter.

Das gleiche gilt bei einer Berufskrankheit im Sinne der Reichsversicherungsordnung nach einer mindestens zweijährigen Beschäftigungszeit.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend

  1. für mindestens 55 (seit dem 1. Januar 1987: 53) Jahre alte Arbeiter nach fünfzehnjähriger Beschäftigungszeit, wenn die Leistungsminderung durch Abnahme der körperlichen Kräfte und Fähigkeiten infolge langjähriger Arbeit verursacht ist,

Für den Bereich des Bundesministers der Verteidigung haben die Tarifvertragsparteien eine Sonderregelung (SR 2 a) getroffen, in deren Nr. 14 bestimmt ist:

(2) Arbeiter, die die Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 Buchst. b erfüllen und die letzten 5 Jahre vor Eintritt der Leistungsminderung in jedem Jahr überwiegend im Leistungslohnverfahren oder mit leistungsabhängigen Arbeiten beschäftigt waren, erhalten im Falle ihrer Weiterbeschäftigung im Zeitlohn in der bisherigen oder in einer niedrigeren Lohngruppe eine persönliche Zulage. …

Der Kläger war bis zum 30. April 1984 in der Panzerwerkstatt eingesetzt und erhielt dort Vergütung zuletzt nach LohnGr. II a. Wegen zunehmender Schwerhörigkeit wurde er ab 1. Mai 1984 unter Zurückstufung in die LohnGr. II auf einen anderen Dienstposten umgesetzt, auf dem er mit Prüfungs-, Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten an den Fahrzeugen des Gerätedepots beschäftigt wird. Mit Schreiben vom 19. März 1987 beantragte der Kläger, ihm die gemäß § 37 MTB II zur Sicherung des Lohnstandes bei Leistungsminderung vorgesehenen Zahlungen zu leisten. Die Beklagte lehnte zunächst ab. Nach Erhebung einer Feststellungsklage mit dem Antrag, die Beklagte solle dem Kläger ab 1. Oktober 1986 den Unterschiedsbetrag zwischen dem monatlichen Bruttolohn der LohnGr. II a und der LohnGr. II sowie den in LohnGr. II a zuletzt gezahlten Lohnzuschlag abzüglich des ihm in LohnGr. II gezahlten Lohnzuschlags zahlen, teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 15. März 1988 mit, sie werde ihm mit Wirkung vom 1. Oktober 1986 den Unterschiedsbetrag zwischen dem monatlichen Bruttolohn der LohnGr. II a und der LohnGr. II MTB II sowie der in LohnGr. II a zuletzt gezahlten Lohnzuschläge abzüglich des in LohnGr. II zur Zeit gezahlten Lohnzuschlags gewähren. Das genügte dem Kläger nicht, weil die Beklagte den Unterschiedsbetrag nicht unter Einbeziehung des Leistungslohns ermittelt hatte, den der Kläger in der Panzerwerkstatt bezogen hatte.

Der Kläger hat gemeint, er habe auch Anspruch auf Sicherung dieses Leistungslohns. Soweit der Tarifvertrag die Leistungslohnsicherung nur für eine bestimmte Arbeitnehmergruppe vorsehe und den Fall des Klägers ausnehme, seien die Tarifnormen sittenwidrig und verletzten Art. 3 GG.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß der Kläger Anspruch auf Sicherung seines Leistungslohnes hat.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen zur Sicherung des Leistungslohns, der allein in der SR 2 a Nr. 14 MTB II vorgesehen sei. Diese Bestimmungen verletzten kein höherrangiges Recht.

Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision, während die Beklagte Zurückweisung der Revision beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, der Kläger habe keinen tarifvertraglichen Anspruch auf Sicherung seines bisher bezogenen Leistungslohns. Seiner Auffassung, er könne gleichwohl die Sicherung seines Leistungslohns beanspruchen, sei nicht zu folgen. Die Bestimmung der Nr. 14 SR 2 a MTB II sei keine willkürliche Regelung. Für die Regelung ließen sich vielmehr sachliche Gründe anführen. Die Tarifvertragsparteien hätten eine Einbeziehung des Leistungslohns in die Sicherung des Lohnstandes der Leistungsminderung nur bei denjenigen Arbeitern im Bereich des Bundesministers der Verteidigung für erforderlich gehalten, die bereits ein relativ hohes Alter (53 Jahre) erreicht hätten. Für Arbeiter dieser Altersstufe sei es in der Tat im Hinblick auf ihre künftigen Rentenansprüche besonders problematisch, wenn sie sich wegen einer Leistungsminderung durch Abnahme der körperlichen Kräfte und Fähigkeiten infolge langjähriger Arbeit mit einem niedrigeren Lohn begnügen müßten. Für Arbeiter, denen wegen einer Berufskrankheit eine Rente gewährt werde, wie das bei dem Kläger der Fall sei, sei von den Tarifvertragsparteien ein entsprechendes Sicherungsbedürfnis nicht oder jedenfalls solange nicht anerkannt worden, als diese Arbeiter das 53. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten. Entsprechendes gelte für die übrigen in § 37 MTB II aufgezählten Gruppen von Arbeitern.

II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

1. Der Kläger hat keinen tarifvertraglichen Anspruch nach der SR 2 a Nr. 14 Abs. 2 MTB II. Er hat nur gemäß § 37 Abs. 1 MTB II Anspruch auf den Unterschiedsbetrag zwischen dem jeweiligen Monatstabellenlohn der bisheriger- und der neuen Lohngruppe und die Lohnzuschläge nach § 29 MTB II, die der Kläger bei Eintritt der Leistungsminderung mindestens fünf Jahre für die gesamte regelmäßige Arbeitszeit (bzw. ab 1987 für mindestens 3/4 der regelmäßigen Arbeitszeit) bezogen hat.

2. Die weitergehende Regelung der SR 2 a Nr. 14 Abs. 2 MTB II, die eine bestimmte Gruppe von Arbeitern bei der Lohnsicherung privilegiert, zu der der Kläger nicht gehört, ist keineswegs nichtig. Sie verstößt insbesondere nicht gegen Art. 3 GG.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 54, 210 = AP Nr. 3 zu § 52 BAT; 50, 137 = AP Nr. 136 zu Art. 3 GG; Urteil vom 1. Juni 1903 – 4 AZR 566/80 – AP Nr. 5 zu § 611 BGB Deputat) sind die Tarifvertragsparteien an die Grundrechte gebunden. Tarifverträge enthalten Rechtsnormen und sind insoweit Gesetze im materiellen Sinne. Demgemäß sind die Tarifvertragsparteien in demselben Maß an die Grundrechte und damit an Art. 3 GG gebunden wie der staatliche Gesetzgeber. Danach wird der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG durch eine Tarifnorm nur dann verletzt, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, daß sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen. Die Tarifvertragsparteien haben hiernach eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien jeweils die gerechteste und zweckmäßigste Regelung getroffen haben; sie haben lediglich zu kontrollieren, ob die bestehende Regelung die Grenzen des Gestaltungsspielraums der Tarifvertragsparteien und damit die Grenzen der Tarifautonomie überschreitet. Das gilt um so mehr, als die richterliche Kontrolle nicht dazu führen darf, anhand des Art. 3 Abs. 1 GG generell die Zweckmäßigkeit tariflicher Normen nachzuprüfen.

Im Streitfall haben die Tarifvertragsparteien dadurch, daß sie bei Arbeiten im Bereich des Bundesministers der Verteidigung allein der in § 37 Abs. 2 Buchst. b MTB II genannten Gruppe eine Leistungslohnsicherung gewähren, an unterschiedliche tatsächliche Voraussetzungen (hier das Lebensalter) angeknüpft. Die Berücksichtigung höheren Lebensalters gerade bei der Lohnsicherung aus Anlaß der Leistungsminderung ist nicht nur nicht willkürlich, sondern sachgemäß, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat. Die Revisionsbegründung, die sich im wesentlichen in Überlegungen erschöpft, warum das Landesarbeitsgericht die Revision zugelassen hat, vermag gegen diese Bewertung keine Argumente vorzutragen. Das wiederholte Vorbringen einer anderen Rechtsauffassung allein ist für die revisionsrechtliche Überprüfung unergiebig.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Jobs, Kremhelmer, Dörner, Hilgenberg, Fischer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1073455

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