Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung. Sozialauswahl
Leitsatz (redaktionell)
Parallelentscheidung zum Senatsurteil vom 7. April 1993 – 2 AZR 449/91 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2-3; BGB § 613a
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Urteil vom 19.09.1991; Aktenzeichen 7 Sa 16/91) |
ArbG Hamburg (Urteil vom 16.01.1991; Aktenzeichen 11 Ca 340/90) |
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 19. September 1991 – 7 Sa 16/91 – aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger war seit 20. Februar 1967 als Hafenarbeiter im Betriebsteil Stauerei der Beklagten beschäftigt, den diese mit Wirkung zum 1. Oktober 1990 an das Unternehmen C. T. verkaufte. In der in diesem Zusammenhang getroffenen Betriebsvereinbarung vom 27. September 1990 zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat der Firmengruppe, der sie angehört, heißt es unter 1.:
„Die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer, die dem Betriebsteil Stauerei der Firma P. zuzuordnen sind (…) gehen nach § 613 a BGB auf die Firma C. T. über, sofern diese Arbeitnehmer dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse nicht widersprechen.”
Zuvor hatte die Beklagte mit Schreiben vom 30. August 1990 den Kläger über den beabsichtigten Verkauf und dessen Folgen informiert. In dem Schreiben heißt es u.a.:
„Sie haben die Möglichkeit, dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses auf die Firma C. T. zu widersprechen. Der Widerspruch muß schriftlich erfolgen und binnen drei Wochen bei der Personalabteilung – Frau F. (…) – eingegangen sein. Die Frist endet am Donnerstag, dem 20. September 1990. (…).
Da für die Arbeitsplätze im Bereich Stauerei künftig bei P. keine Beschäftigung mehr vorhanden sein wird, behält sich Ihr heutiger Arbeitgeber P. vor, für den Fall Ihres Widerspruchs das Arbeitsverhältnis mit Ihnen zu kündigen.”
Mit Schreiben vom 4. September 1990 widersprach der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Firma C. T. Daraufhin leitete die Beklagte das Anhörungsverfahren zu der beabsichtigten ordentlichen Kündigung ein und teilte dies dem Kläger in einem Schreiben vom 27. September 1990 vorab mit. Nach Widerspruch des Betriebsrates im Schreiben vom 5. Oktober 1990 kündigte die Beklagte dem Kläger sodann mit Schreiben vom 8. Oktober 1990 ein „eventuell noch bestehendes Arbeitsverhältnis vorsorglich fristgerecht” zum 30. Juni 1991 und vertrat in diesem Schreiben nunmehr die Auffassung, die bislang von der deutschen Rechtsprechung eingeräumte Möglichkeit, dem Übergang eines Arbeitsverhältnisses im Rahmen des § 613 a BGB zu widersprechen, sei aufgrund höherrangigen EG-Rechts außer Kraft getreten, so daß ein Arbeitsverhältnis mit ihr, das sie kündigen könne, nicht mehr fortbestehe.
Mit seiner Kündigungsschutzklage hat der Kläger die Sozialwidrigkeit dieser Kündigung geltend gemacht und die Auffassung vertreten, das bisher vom Bundesarbeitsgericht bejahte Widerspruchsrecht bestehe trotz der Rechtsprechung des EuGH fort. Die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stelle sich als günstigere Regelung im Sinne von Art. 7 der EG-Richtlinie 77/187 dar. Unabhängig davon habe die Beklagte ihm jedoch in der Betriebsvereinbarung ein Widerspruchsrecht zugestanden und ihn zudem im Schreiben vom 30. August 1990 ausdrücklich darüber belehrt. Die Kündigung selber sei unwirksam, weil keine soziale Auswahl im Verhältnis zu den im Kaibereich tätigen Arbeitnehmern getroffen worden sei. Auch sei noch genügend Arbeit bei der Beklagten im verbliebenen Kaibetrieb oder bei der E. KG vorhanden. Mit dieser Gesellschaft bilde die Beklagte einen gemeinsamen Betrieb und dort sei er auch – insoweit unstreitig – im Jahre 1989 bei durchschnittlich 250 Schichten pro Jahr mit insgesamt 34 Schichten und vom 2. Januar 1990 bis 30. September 1990 mit 13 Schichten – ab 23. Januar 1990 sei er allerdings fortlaufend arbeitsunfähig – eingesetzt worden.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 8. Oktober 1990, zugegangen am 10. Oktober 1990, nicht aufgelöst ist, sondern fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich darauf berufen, mit dem Verkauf der Stauerei sei der Arbeitsplatz des Klägers weggefallen; eine andere Beschäftigungsmöglichkeit bestehe weder im Kaibereich noch etwa bei der E. KG. Die Bereiche Stauerei und Kai seien bei ihr funktional weitgehend getrennt (Eigenständigkeit betr. Betriebsleitung, Inspektoren, Vertrieb, Entgeltabrechnung, Kostenstellen, Entgelttarife), so daß ein Leuteaustausch nicht – allenfalls im Notfall – in Betracht gekommen sei. Dementsprechend sei der Kläger auch ganz überwiegend im Stauereibereich eingesetzt worden, und zwar als Schauermann, Decksmann, Stapler- und Schwerstaplerfahrer. Ein Einsatz bei ihrer Muttergesellschaft, der E. KG komme schon deshalb nicht in Betracht, weil sie mit dieser keinen einheitlichen Betrieb bilde. Die Existenz eines einheitlichen Betriebsrats besage nichts, außerdem bestehe keine Verpflichtung ihrerseits zum Einsatz des Klägers bei der Eurokai KG. Der Rechtsauffassung des Klägers über das Bestehen eines Widerspruchsrechtes ist die Beklagte entgegengetreten und hat umfassend zur Frage der sozialen Rechtfertigung der Kündigung und zur Sozialauswahl vorgetragen.
Das Arbeitsgericht hat nach dem Klageantrag erkannt, während auf die Berufung der Beklagten das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen hat. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet; sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits, § 565 ZPO.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Durch den Verkauf der Stauerei an die C. T. sei das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Wirkung zum 1. Oktober 1990 gemäß § 613 a BGB auf den Käufer übergegangen. Bei der Zuordnung eines Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Betriebsteil sei der Wille des Veräußerers und des Betriebserwerbers maßgeblich; da der Kläger nach der Funktion seines Arbeitsplatzes ganz überwiegend typische Stauereiarbeiten ausgeführt habe und nur ganz untergeordnet im Kaibereich eingesetzt worden sei, sei er von dem Betriebsteilübergang betroffen.
Ein Widerspruchsrecht gegen die Betriebsteil-Übernahme stehe dem Kläger im Hinblick auf die Auslegung der EG-Richtlinie 77/187 vom 14. Februar 1977 durch den EuGH aufgrund seiner Vorabentscheidung vom 5. Mai 1988 (EuGH Slg. 1988, S. 2559) nicht zu, wonach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 77/187 dahin auszulegen sei, daß der Veräußerer nach dem Zeitpunkt des Übergangs von seinen Pflichten aus dem Arbeitsvertrag allein auf Grund des Überganges befreit sei, selbst wenn die in dem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer dem nicht zustimmen oder Einwände dagegen erheben würden. Diese Auslegung durch den EuGH sei für die nationalen Gerichte verbindlich. Das vom Bundesarbeitsgericht entwickelte Widerspruchsrecht könne auch nicht nach Art. 7 der Richtlinie aufrechterhalten bleiben, weil es sich bei dieser Rechtsprechung nicht um eine günstigere Rechtsvorschrift im Sinne dieser Vorschrift handele. Mithin sei die Beklagte nicht mehr Arbeitgeberin des Klägers und seine Klage schon deshalb abzuweisen.
II. Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist nach der neuen Entscheidung des EuGH vom 16. Dezember 1992 – Rs C 132/91, C 138/91 und C 139/91 – (DB 1993, 230) die Grundlage entzogen.
1. Der Vorlagebeschluß des Senats vom 21. Mai 1992 – 2 AZR 449/91 – (EzA § 613 a BGB Nr. 103, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen) steht einer Sachentscheidung im vorliegenden Rechtsstreit schon deshalb nicht entgegen, weil dieser nur im Parallelverfahren mit anderen Parteien ergangen ist. Im übrigen ist der Vorlagebeschluß aufgrund der Entscheidung des EuGH vom 16. Dezember 1992 erledigt (vgl. das Parallelurteil des Senats vom 7. April 1993 – 2 AZR 449/91 –, auch zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
2. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der oben wiedergegebene Klageantrag, wie sich aus dem Revisionsantrag ergibt. Der Kläger hat vorliegend eine Kündigungsschutzklage gemäß § 4 Satz 1 KSchG mit dem Antrag auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses verbunden. Diesem Antrag mißt der Senat keine selbständige Bedeutung zu, zumal der Kläger ein näheres Rechtsschutzinteresse für diesen Antrag nicht dargetan hat. Andererseits ist das Rechtsschutzinteresse für die Kündigungsschutzklage nicht dadurch entfallen. daß der Kläger nach der bisher nicht bestätigten Darstellung der Beklagten inzwischen eine Erwerbsunfähigkeitsrente beziehen und damit Ende 1991 aus dem Berufsleben ausgeschieden sein soll. Dadurch wird das Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit der am 8. Oktober 1990 ausgesprochenen Kündigung nicht berührt.
3. Nachdem der EuGH mit Urteil vom 16. Dezember 1992 (a.a.O.) entschieden hat, Art. 3 der Richtlinie 77/187 EwG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen verwehre es einem Arbeitnehmer nicht, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf einen Betriebserwerber zu widersprechen, kann die Klage nicht mehr mit der Begründung abgewiesen werden, das Arbeitsverhältnis sei ipso jure auf den Erwerber, die C. T., übergegangen.
a) Zwischen den Parteien ist die Rechtstatsache des Übergangs des Betriebsteils Stauerei durch Rechtsgeschäft inzwischen unstreitig (vgl. Protokollerklärung vom 19. September 1991 beim Landesarbeitsgericht). Auch erhebt die Revision keine Einwendungen (mehr) gegen die Zuordnung des Arbeitsverhältnisses des Klägers zum Betriebsteil Stauerei. Diese Annahme ist auch aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
b) Da der Kläger am 4. September 1990 dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprochen hat, kommt es maßgeblich auf das Bestehen eines den Übergang seines Arbeitsverhältnisses hindernden Widerspruchsrechtes an.
aa) Dabei braucht nicht mehr erörtert zu werden, ob dem Kläger ein solches Widerspruchsrecht nicht etwa einzelvertraglich oder durch die Betriebsvereinbarung vom 27. September 1990 eingeräumt worden ist, was das Landesarbeitsgericht verneint hat.
bb) Dem Kläger steht nämlich ein Widerspruchsrecht aus § 613 a BGB zu, wenn dies auch in dieser Vorschrift nicht ausdrücklich normiert ist.
Das Bundesarbeitsgericht (vgl. BAGE 26, 301 = AP Nr. 1 zu § 613 a BGB; Urteil vom 21. Juli 1977 – 3 AZR 703/75 – AP Nr. 8 zu § 613 a BGB; Urteil vom 17. November 1977 – 5 AZR 618/76 – AP Nr. 10 zu § 613 a BGB; Urteil vom 6. Februar 1980 – 5 AZR 275/78 – AP Nr. 21 zu § 613 a BGB; BAGE 45, 140 = AP Nr. 37 zu § 613 a BGB; BAGE 53, 251 = AP Nr. 55 zu § 613 a BGB; BAGE 61, 369 = AP Nr. 81 zu § 613 a BGB) hat dem Arbeitnehmer in ständiger Rechtsprechung ein Widerspruchsrecht gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber im Wege der verfassungskonformen Auslegung des § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB eingeräumt. Die wesentlichen Gründe dafür waren stichwortartig zusammengefaßt: Kein aufgezwungener Schuldnerwechsel (analog § 415 Abs. 1 Satz 1 BGB); kein „Verkauf” des Arbeitnehmers gegen seinen Willen (Art. 1, 2 GG); höchstpersönlicher Charakter der Dienstleistung; Grundrecht auf freie Arbeitsplatzwahl (Art. 12 GG); Möglichkeit des Verzichts auf den arbeitsrechtlichen Bestandsschutz; Entstehungsgeschichte des § 613 a BGB. Insoweit wird auf die ausführliche Begründung in den o.g. Entscheidungen verwiesen.
Ein Teil der Literatur (vgl. etwa Palandt/Putzo, BGB, 52. Aufl., § 613 a Rz 15; MünchKomm-Schaub, BGB, 2. Aufl., § 613 a Rz 41; Staudinger/Richardi, BGB, 12. Aufl., § 613 a Rz 121; KR-Wolf, 3. Aufl., § 613 a BGB Rz 61; aus neuerer Zeit Hommelhoff, AcP 1992, 71, 90) ist dieser Rechtsprechung gefolgt. Teilweise (vgl. die umfangreichen Nachweise bei Moll, AnwBl 1991, 296, Rz 119) hat diese Rechtsprechung Kritik erfahren. Das Bundesarbeitsgericht hat sich mit dieser Kritik auseinandergesetzt, jedoch die bisherige Rechtsprechung fortgeführt (vgl. Urteil vom 6. Februar 1980 – 5 AZR 275/78 – AP Nr. 21 zu § 613 a BGB, zu III der Gründe und BAGE 45, 140, 142 f. = AP Nr. 37 zu § 613 a BGB, zu II 2 der Gründe; zur dogmatischen Begründung des Widerspruchsrechtes vgl. aus neuerer Zeit ferner Arbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 14. Februar 1991 – 25 b Ca 352/90 – EzA § 613 a BGB Nr. 92, zu 1 der Gründe, das der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gefolgt ist). Es ist hinzuzufügen, daß dem Arbeitnehmer, was besonders beim Betriebsteilübergang deutlich wird, ein erhebliches Stück an Bestandsschutz genommen würde, wenn nicht mehr das ultima-ratio-Prinzip und die Grundsätze über die Sozialauswahl gelten (vgl. nachfolgend zu II 4 und 5).
Der Senat hält deshalb aus den im Beschluß vom 21. Mai 1992 (a.a.O.) genannten Gründen am Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers gegen einen Betriebsübergang fest, nachdem diese Rechtsprechung durch den europäischen Gerichtshof praktisch bestätigt worden ist (vgl. dazu auch Birk, EuZW 1993, 156, 157; Blomeyer EWiR Art. 3 Rl 77/187/EWG 1/93).
4. Es ist deshalb nunmehr über die Betriebsbedingtheit der Kündigung vom 8. Oktober 1990 zu entscheiden, wozu sich das Landesarbeitsgericht – von seinem Standpunkt aus zu Recht – nicht geäußert hat.
a) Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigung sei schon deshalb nicht betriebsbedingt (§ 1 Abs. 2 KSchG). weil trotz des Verkaufs der Stauerei noch anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten bei der Beklagten bestünden; deren Kündigung stelle sich deshalb nicht als ultima ratio dar.
Allerdings kann sich der Kläger im Streitfall auf eine solche Beschäftigungsmöglichkeit nur begrenzt berufen:
Es ist unstreitig, daß der bisherige Beschäftigungsbereich des Klägers, nämlich der Betriebsteil Stauerei an die C. T. veräußert worden ist (§ 613 a BGB). Damit ist eine Beschäftigungsmöglichkeit des Klägers bei der Beklagten entfallen, wobei die wirtschaftliche Notwendigkeit dieser Ausgliederung des Betriebsteils Stauerei vom Kläger nicht in Zweifel gezogen wird. Sie ist auch von der Beklagten mit nachvollziehbaren Überlegungen (vgl. dazu BAGE 55, 262 = AP Nr. 42 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung) dargelegt worden. Damit ist ein Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers im Sinne der Senatsrechtsprechung entfallen (BAG Urteil vom 30. Mai 1985 – 2 AZR 321/84 – AP Nr. 24 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung).
b) Es wäre nunmehr Sache des Klägers gewesen, darzulegen, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung bei der Beklagten auf einem freien Arbeitsplatz vorstelle (Senatsurteil vom 29. März 1990 – 2 AZR 369/89 – BAGE 65, 61, 70 f. = AP Nr. 50 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu B II 4 der Gründe). Dazu hat der Kläger sich auf zwei Umstände berufen:
aa) Er habe – was für 26 Schichten im Jahre 1989 und für 6 Schichten im Jahre 1990 unstreitig ist – einen Teil seiner Zeit an den Kaianlagen der E. KG gearbeitet, wo er auch weiterhin einsetzbar sei. Dazu gilt folgendes: Die beklagte P. arbeitet zusammen in einem Konzern mit mehreren Kaibetrieben, nämlich u.a. der E. KG und der H. S. KGaA; es handelt sich also um selbständige juristische Personen. Die Beklagte räumt ein, den Kläger in der Vergangenheit innerhalb des Gesamtkonzerns ausnahmsweise auch bei der Eurokai KG eingesetzt zu haben, sie bestreitet aber ausdrücklich eine Verpflichtung hierzu. Da der Kläger im vorliegenden Prozeß vorgetragen hat, die beteiligten Firmen bildeten einen einheitlichen Betrieb im Sinne der §§ 1, 23 KSchG (vgl. dazu Senatsurteile vom 5. März 1987 – 2 AZR 623/85 – BAGE 55, 117, 127 = AP Nr. 30 zu § 15 KSchG, 1969, zu B II 2 a der Gründe m.w.N. und vom 13. Juni 1985 – 2 AZR 452/84 – AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969), wofür als Indiz u.a. die Existenz eines gemeinsamen Betriebsrates sprechen könnte, wobei insbesondere das Informationsschreiben der Beklagten vom 21. August 1989 im Sinne einer Selbstbindung der Beklagten verstanden werden könnte, u.a. die Unterbringung des Klägers bei der E. KG zu versuchen (vgl. dazu Senatsurteil vom 14. Oktober 1982 – 2 AZR 568/80 – BAGE 41, 72 = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Konzern), wird dies vom Landesarbeitsgericht, das hierzu keinerlei Feststellungen getroffen hat, aufzuklären sein.
bb) Der Kläger hat ferner geltend gemacht, die Beklagte beschäftige regelmäßig 60 – 80 Arbeitnehmer aus einer Einsatzreserve der Gesamthafenbetriebsgesellschaft (GHB), auf die nunmehr zugunsten festangestellter Kräfte verzichtet werden könne. Damit hat der Kläger nicht auf eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit an einem freien Arbeitsplatz hingewiesen. Außerdem hat die Beklagte – übrigens schon im Anhörungsschreiben gegenüber dem Betriebsrat – vorgetragen, die Beschäftigung von GHB-Mitarbeitern erfolge immer nur aushilfsweise und in Auslastungsspitzen. Es sei aber nicht möglich, die Personalstärke an Spitzenauslastungen zu orientieren, weil ansonsten in beschäftigungsschwächeren Zeiten permanenter Beschäftigungsmangel auftreten würde, die Mitarbeiter aber gleichwohl Garantielohnzahlungen erhielten. Dem ist der Kläger nicht mehr entgegengetreten, so daß jedenfalls von einem mangelnden Bestreiten dieser Sachdarstellung der Beklagten durch den Kläger auszugehen ist (§ 138 Abs. 3 ZPO). Hierauf kann er sich also nicht mit Erfolg berufen.
Anderweitige freie Beschäftigungsmöglichkeiten bei der Beklagten hat der Kläger nicht konkret genannt.
5. Die Entscheidung hängt also davon ab, ob der Kläger sich mit Erfolg auf eine mangelnde Sozialauswahl berufen kann.
a) Der Kläger hat gegenüber der betriebsbedingten Kündigung der Beklagten u.a. geltend gemacht, Gesichtspunkte der sozialen Auswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) seien nicht ausreichend berücksichtigt worden, ohne allerdings bisher die seiner Ansicht nach weniger schutzbedürftigen Arbeitnehmer zu benennen.
Die Beklagte hat zunächst vorgetragen, sämtliche Arbeitsplätze in der Stauerei seien weggefallen; mit den im verbliebenen Kaibetrieb beschäftigten Arbeitnehmern seien die Mitarbeiter der Stauerei nicht zu vergleichen. Sie sei nicht gehalten, geringerwertige Arbeitsplätze für den Kläger freizukündigen. Zweitinstanzlich hatte sie dann weiter behauptet, in ihrem früheren Teilbetrieb „Kaibereich” betreibe sie keine eigenen Geschäfte mehr. Die bei ihr nach wie vor beschäftigten Mitarbeiter dieses Teilbereiches kämen im Rahmen einer Ausleihe tatsächlich fast ausschließlich bei der Firma HHLA zum Einsatz. Dort sei ein Einsatz des Klägers (zu unveränderten Arbeitsbedingungen) nicht möglich. Im Rahmen der Sozialauswahl habe sie auf den überwiegenden zeitlichen Arbeitsaufwand und den überwiegenden Arbeitsort abgestellt und sei dabei zu dem Ergebnis gekommen, die Mitarbeiter der übergegangenen Stauerei und die Mitarbeiter des verbliebenen Kaibetriebes führten qualitativ grundlegend verschiedenartige Arbeiten aus.
Damit hat die Beklagte weder konkret und nachvollziehbar dargelegt, daß und warum der Kläger mit Kaimitarbeitern nicht vergleichbar ist, noch. daß trotz bestehender Vergleichbarkeit seine Weiterbeschäftigung einer Änderungskündigung zum Zwecke der Herabgruppierung bedürfe. Die soziale Auswahl erstreckt sich innerhalb des Betriebes nur auf Arbeitnehmer, die miteinander verglichen werden können. Vergleichbar sind solche Arbeitnehmer, die austauschbar sind (vgl. BAGE 65, 61, 75 = AP Nr. 50 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu B III 1 der Gründe. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteil vom 16. September 1982 – 2 AZR 271/80 – AP Nr. 4 zu § 22 KO, zu B I 2 b der Gründe) richtet sich die Vergleichbarkeit der in die soziale Auswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen und somit nach der bislang ausgeübten Tätigkeit. Es ist zu prüfen, ob der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist, die Funktion eines anderen Arbeitnehmers wahrnehmen kann. Das ist nicht nur bei Identität des Arbeitsplatzes, sondern auch dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer auf Grund seiner Fähigkeit und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausführen kann. Der Vergleich vollzieht sich insoweit auf derselben Ebene der Betriebshierarchie (sog. horizontale Vergleichbarkeit). Wie der Senat im Urteil vom 7. Februar 1985 (– 2 AZR 91/84 – AP Nr. 9 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, zu IV 1 der Gründe) betont hat, scheidet eine Vergleichbarkeit nach diesen Kriterien nicht nur dann aus, wenn eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu schlechteren Arbeitsbedingungen möglich ist. Dies gilt vielmehr in allen Fällen, in denen eine anderweitige Beschäftigung nur auf Grund einer Änderung der bisherigen Arbeitsbedingungen und damit nur durch Änderungsvertrag oder Änderungskündigung in Betracht kommt (BAGE 65, 61 = AP, a.a.O.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Beklagte bisher nicht hinreichend substantiiert, inwiefern sich Kai- und Stauereiarbeit hinsichtlich des „überwiegenden Arbeitsortes und Arbeitsaufwandes” unterscheiden, mit der Folge, daß ihre Wertung (qualitativ unterschiedliche Tätigkeiten, Geringwertigkeit der Kaiarbeit) bisher nicht nachvollziehbar ist, zumal der Kläger als Stauereiarbeiter – wie wohl auch für Kaiarbeiter üblich – unter dem Oberbegriff „Hafenarbeiter” eingestellt war (siehe Anhörungsschreiben an den Betriebsrat), unstreitig auch schon an den Kaianlagen gearbeitet hat und – soweit bisher ersichtlich – auch lohntariflich offenbar mit einem Kaiarbeiter gleichbehandelt wurde.
Daß eine künftige Weiterbeschäftigung des Klägers als Kaiarbeiter einer Änderungskündigung bedarf, hat die Beklagte ebenfalls nicht substantiiert dargelegt. Die erst zweitinstanzlich vorgetragene Behauptung, sie habe ihre im Kaibereich verbliebenen Arbeitnehmer an die HHLA ausgeliehen (warum nicht auch den Kläger?), beruht offensichtlich auf einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Laufe dieses Prozesses und bedarf einer Erläuterung.
Soweit der Kläger die soziale Auswahl weiter rügen will (§ 1 Abs. 3 KSchG), wird auch er seine Angaben weiter zu substantiieren haben (vgl. zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast im Rahmen der Sozialauswahl Senatsurteil vom 15. Juni 1989 – 2 AZR 580/88 – BAGE 62, 116, 125 f. = AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, zu II 3 der Gründe). Da es nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts auf Fragen der Sozialauswahl nicht ankam, ist beiden Parteien Gelegenheit zu weiterer Stellungnahme zugeben.
b) Wenn die Vergleichbarkeit vom Kläger noch zu benennender Arbeitnehmer in Betracht kommt, so stellt sich das Problem, ob der Kläger, dem ohne Widerspruch gegen die Betriebsübernahme ein Arbeitsplatz bei dem Übernehmer erhalten geblieben wäre, sich im Hinblick hierauf auf eine mangelnde Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) mit Erfolg berufen könnte. Diese in der bisherigen Rechtsprechung noch nicht entschiedene Frage wird in der einschlägigen arbeitsrechtlichen Literatur kontrovers behandelt (vgl. z.B. Bauer, DB 1983, 714 f.; Helpertz, DB 1990, 1562 f.; Hutzler, BB 1981, 1470, 1471; Kreitner, Kündigungsrechtliche Probleme beim Betriebsinhaberwechsel, 1989, S. 162 ff.; Linck, Die soziale Auswahl bei betriebsbedingter Kündigung, 1990, S. 35, 36; Pietzko, Der Tatbestand des § 613 a BGB, 1988, S. 304 ff.; Tschöpe, Rechtsfolgen eines arbeitnehmerseitigen Widerspruchsrechts beim Betriebsinhaberwechsel, S. 45 – 48; Wickler. Arbeitgeberkündigung bei Betriebsinhaberwechsel, S. 114 f., 118). Die Stellungnahmen reichen von der Auffassung, der widersprechende Arbeitnehmer könne sich nicht auf § 1 Abs. 3 KSchG berufen, bis zu der Ansicht, die Aufgabe des Arbeitsplatzes beim Übernehmer sei im Rahmen der Sozialauswahl zu Lasten des widersprechenden Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Vielen Kommentierungen ist gemeinsam, daß sie auf die Berechtigung des Widerspruchs gegen die Betriebsübernahme abstellen und deshalb nach den Gründen fragen, warum der Arbeitnehmer dem Betriebs(teil)-Übergang widersprochen hat.
Der Senat ist der Auffassung, daß objektiv vertretbare Gründe für den Widerspruch Berücksichtigung finden müssen (vgl. dazu insbes. die bei Kreitner, a.a.O., S. 164 genannten Motivationen). Derartige objektivierbare Gründe sind von den Vorinstanzen – von ihrem Standpunkt eines fehlenden Widerspruchsrechts aus zu Recht – nicht zum Gegenstand der Entscheidung gemacht worden. Dem bisherigen Vortrag des Klägers läßt sich nicht entnehmen, warum er dem Betriebsübergang auf die C. T. widersprochen hat, ob er etwa die Arbeitsbedingungen beim Übernehmer als schlechter angesehen hat. Die Beklagte hat sich dazu bisher ebenfalls nicht erklärt, so daß den Parteien unter Beachtung der §§ 139, 278 Abs. 3 ZPO ggf. Gelegenheit zu weiterer Stellungnahme zu geben ist. Der Senat kann und will einer Bewertung etwaiger sachlicher und damit erheblicher Gründe, die den Kläger zum Widerspruch gegen den Betriebsübergang auf die C. T. bewogen haben könnten, nicht vorgreifen.
Unterschriften
Hillebrecht, Bitter, Kremhelmer, Schulze, Dr. Roeckl
Fundstellen