Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer Tarifvereinbarung. Abgrenzung Tarifvertrag. nichttarifliche Vereinbarung
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Übernahme normativer Regelungen aus einem fremden Tarifvertrag durch Tarifvertragsparteien ist nur durch einen normativ wirkenden Tarifvertrag möglich. Eine lediglich schuldrechtliche oder sonstige nichttarifliche Vereinbarung von Tarifvertragsparteien kann diese Wirkung nicht erzielen.
2. Welche Kriterien für die Auslegung von Vereinbarungen zwischen Tarifparteien angewandt werden, richtet sich nach dem Charakter der Vereinbarung: Ein normativ wirkender Tarifvertrag ist nach der objektiven Methode wie eine Norm auszulegen. Hingegen ist ein rein schuldrechtlicher Tarifvertrag oder ein nichttariflicher sonstiger Vertrag nach der subjektiven Methode wie ein Vertrag auszulegen (§§ 133, 157 BGB).
3. Dass die Parteien eine vertragliche Einigung als “Vereinbarung” und nicht als “Tarifvertrag” überschreiben, ist ein Indiz, das gegen das Vorliegen eines Tarifvertrags mit normativer Wirkung spricht.
4. Blankettverweisungen, die auch noch ungewisse zukünftige Änderungen in inkorporierten Tarifverträgen erfassen sollen, sind – neben weiteren Voraussetzungen – nur dann wirksam, wenn die Klauseln, auf die verwiesen wird, so genau bezeichnet werden, dass Irrtümer über Art und Ausmaß der in Bezug genommenen Regelungen ausgeschlossen sind.
5. Die tatsächliche Praxis des Vollzugs einer vertraglichen Regelung durch die vertragsschließenden Parteien kann zwar den bei Vertragsschluss zum Ausdruck gebrachten objektiven Gehalt der wechselseitigen Vertragserklärungen nicht mehr beeinflussen. Sie kann aber Anhaltspunkte für den tatsächlichen Vertragswillen enthalten und somit für die Auslegung von Bedeutung sein.
6. Die in einem Arbeitsvertrag vereinbarte dynamische Bezugnahme auf einen Tarifvertrag und die normative Geltung des in Bezug genommenen Tarifvertrags sind zwei verschiedene Streitgegenstände, da sich die den Anspruchsgrundlagen zu Grunde liegenden Lebenssachverhalte unterscheiden.
7. Die Vereinbarung über Rahmenbedingungen für den Abschluss von Tarifverträgen zwischen der Tarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes und der Gewerkschaft ÖTV vom 31.01.1984 ist kein normativ wirkender Tarifvertrag.
8. § 67 DRK-TV vom 31.01.1984 begründet keine unmittelbare Einbeziehung der BAT-Normen in den DRK-Bereich.
Normenkette
TVG § 1; BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit eines Vergütungstarifvertrages des öffentlichen Dienstes auf ihr Arbeitsverhältnis und einen daraus resultierenden Vergütungsanspruch des Klägers.
Der Kläger ist seit dem 1. April 1983, zuletzt als Anästhesiepfleger bei der Beklagten beschäftigt. Er ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Arbeitsvertrag lautet auszugsweise wie folgt:
Ҥ 2
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes in der für die DRK-Krankenhausgesellschaft mbH Rheinland-Pfalz jeweils geltenden Fassung.”
Die Beklagte war bis zum 30. September 2003 Mitglied der Tarifgemeinschaft des DRK. Zwischen der Tarifgemeinschaft des DRK und der Gewerkschaft ver.di (früher der ÖTV) sind zahlreiche Tarifverträge abgeschlossen worden. Am 31. Januar 1984 hatten die Tarifpartner eine Vereinbarung (im Folgenden: RahmenV) abgeschlossen, die auszugsweise folgenden Wortlaut hat:
“Vereinbarung
über Rahmenbedingungen für den Abschluß von Tarifverträgen
Zwischen der
Tarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes, Bonn,
einerseits, und der
Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr – Hauptvorstand –, Stuttgart,
andererseits, wird unter Berücksichtigung der internationalen und nationalen Stellung und Aufgabenstellung des Deutschen Roten Kreuzes folgende Vereinbarung geschlossen:
TEIL I
§ 1
(1) Die Vertragsparteien gehen davon aus, daß gleichzeitig mit dieser Vereinbarung ein Tarifvertrag zwischen ihnen abgeschlossen wird.
(2) Die Vertragsparteien gehen davon aus, daß der Tarifvertrag nach Abs. 1 die Arbeitsbedingungen des DRK darstellt. Die Arbeitsbedingungen enthalten dabei Bestandteile, welche mit den Regelungen des BAT inhaltlich identisch oder im wesentlichen identisch sind (Katalog A), und solche Bestandteile, welche besondere Regelungen für den Bereich der Tarifgemeinschaft des DRK enthalten (Katalog B).
§ 2
Übereinstimmendes Ziel der Vertragsparteien ist es, Arbeitskämpfe im Bereich der Tarifgemeinschaft des DRK nach § 3 Abs. 1 zu vermeiden.
§ 3
(1) Die Vertragsparteien führen Vertragsverhandlungen über die Materien, die im Katalog B zu regeln sind.
(2) Soweit die Arbeitsbedingungen des DRK mit den Regelungen des BAT inhaltlich identisch sind (Katalog A), werden zwischen den Vertragspartnern keine Verhandlungen geführt. Die Möglichkeit, im beiderseitigen Einvernehmen Verhandlungen zu führen, bleibt unberührt.
§ 4
(1) Soweit die Arbeitsbedingungen des DRK mit dem BAT inhaltlich nicht identisch sind, verpflichten sich die Vertragsparteien, im Fall der Nichteinigung bei den Tarifverhandlungen alles zu unternehmen, um einen Arbeitskampf zu verhindern.
(2) Kommt zwischen den Vertragsparteien eine Einigung nicht zustande, so findet das Verfahren nach §§ 5 ff. dieser Vereinbarung Anwendung.
§ 5
(1) Sind zwischen den Vertragsparteien die Verhandlungen gescheitert, oder verweigert eine Vertragspartei Aufnahme oder Fortsetzung von Verhandlungen, dann kann jede der Vertragsparteien die Schlichtungsstelle anrufen.
(2) Das Nähere regelt die gleichzeitig abgeschlossene Schlichtungsvereinbarung.”
Am selben Tage wurde von den Parteien der RahmenV ua. der “Tarifvertrag über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes” (im Folgenden: DRK-TV) abgeschlossen, dessen Wirkung seit dem 1. Januar 1991 auf das “Tarifgebiet West” (alte Bundesländer) beschränkt ist. Dieser weist in den Schlussbestimmungen in seiner am 30. September 2003 geltenden Fassung folgende Regelung auf:
Ҥ 67
Inkrafttreten, Laufzeit
(1) Der Tarifvertrag tritt am 1. Januar 1984 in Kraft.
(2) Dieser Tarifvertrag kann mit einer Frist von drei Monaten zum Schluß eines Kalendervierteljahres, frühestens zum 31. Dezember 1994, schriftlich gekündigt werden.
(3) Soweit Regelungen gemäß § 3 der Rahmenbedingungen (Katalog A) zwischen den Tarifvertragsparteien nicht zu verhandeln sind, bedarf es keiner formalen Kündigung des Tarifvertrages, um die geänderten Vorschriften für den öffentlichen Dienst als Tarifrecht für das DRK zu übernehmen.
(4) § 7, § 9, Abs. 1 und 2, § 14 Abs. 7, § 18 Abs. 1 und 3, § 20, § 21 Abs. 2 und 3, § 24 Abs. 1 und 5, § 29 Abs. 5, 6 und 7, § 33 Abs. 1, § 39 Abs. 5, 6 und 7, § 40 Abs. 2, § 43 Abs. 2, § 48 Abs. 4, § 50 Abs. 4, § 51, § 63 Abs. 1 sowie Anlage 10a Verg.-Gruppe IVa Nr. 16 bis 18 … weichen von den Regelungen des BAT ab. Sie sind nach dem 31. Dezember 1992 mit den in § 67 Abs. 2 vorgesehenen Fristen jederzeit kündbar.
(5) § 4 der Anlage 2 gilt als Bestandteil des Katalogs A im Sinne und mit den Rechtsfolgen des § 3 Abs. 2 der Vereinbarung über die Rahmenbedingungen.
…
(6) Die Protokollnotiz zu § 14 Abs. 2 in der Anlage 2 zum DRK-Tarifvertrag gilt als Bestandteil des Katalogs A im Sinne und mit den Rechtsfolgen des § 3 Abs. 2 der Vereinbarung über Rahmenbedingungen für den Abschluß von Tarifverträgen. Sofern künftig Arbeitszeitverkürzungen für § 15 Abs. 2 BAT vereinbart werden, werden diese im Rahmen der Tarifautomatik (§ 1 Abs. 2 i. V. m. § 3 Abs. 2 der Vereinbarung über Rahmenbedingungen über den Abschluß von Tarifverträgen) für den DRK-Tarifvertrag wirksam, wenn diese Arbeitszeitverkürzungen prozentual über das hinausgehen, was in der Protokollnotiz zu § 14 Abs. 2 DRK-Tarifvertrag in Anlage 2 vereinbart ist. ”
Seit 1984 wurden die Tarifabschlüsse für den Bereich BAT Bund/Länder, auch soweit sie den “Katalog A” betrafen, jeweils durch einen eigenen Tarifvertrag zwischen der Tarifgemeinschaft des DRK und der Gewerkschaft ÖTV (später ver.di) vereinbart.
Am 31. Januar 2003 wurde zwischen der Gewerkschaft ver.di und der dbb tarifunion einerseits und dem Bund und der Tarifgemeinschaft deutscher Länder andererseits der Vergütungstarifvertrag Nr. 35 (im Folgenden: VTV 35) abgeschlossen. In diesem wurde ua. die Erhöhung der Vergütung in drei Stufen neu festgesetzt, nämlich ab 1. Januar 2003 bzw. 1. April 2003 2,4 Prozent sowie ab 1. Januar 2004 und ab 1. Mai 2004 je ein weiteres Prozent. Die Gewerkschaften und die Tarifgemeinschaft des DRK traten in Verhandlungen ein, die sich ua. auch mit den sich aus dem VTV 35 ergebenden Änderungen im Öffentlichen Dienst befassten. Es kam jedoch zunächst zu keiner Einigung.
Die Beklagte zahlte ab dem 1. Januar 2003 dem Kläger eine um 2,4 Prozent erhöhte Vergütung.
Mit Wirkung zum 30. September 2003 trat die Beklagte aus der Landestarifgemeinschaft des DRK Rheinland-Pfalz aus, die Mitglied in der Bundestarifgemeinschaft des DRK war. Sie verfasste am 10. November 2003 ein Rundschreiben an alle Mitarbeiter, in dem sie (ergänzend zu vorherigen mündlichen Informationen) den zum 30. September 2003 wirksam gewordenen Austritt aus der Tarifgemeinschaft des DRK mitteilte und den wirtschaftlichen Hintergrund für diese Maßnahme erläuterte. Nach Darstellung der krisenhaften Situation heißt es in diesem Schreiben wie folgt:
“Vor diesem Hintergrund haben wir uns zu dem Austritt aus der DRK-Landestarifgemeinschaft entschlossen. Damit gilt der Tarifabschluß des Öffentlichen Dienstes vom 09. Januar 2003 nicht für unsere Häuser, sondern es findet der DRK-Tarifvertrag in der Fassung des 22. Änderungstarifvertrages vom 01.08.2000 im Wege der Nachwirkung weiterhin Anwendung. …
In vielen Gesprächen haben wir ein weitaus überwiegendes Verständnis für den Handlungsbedarf erfahren. Als Folge unseres Austritts aus der DRK-Landestarifgemeinschaft Rheinland-Pfalz ergibt sich aber auch, daß die Gehälter im Jahre 2004 wieder auf das Niveau des 31.12.2002 gesenkt werden können. Wir wissen daß bei allem grundsätzlichen Verständnis die mögliche Absenkung der Vergütung kritisch gesehen wird.
Deshalb werden wir trotz der damit verbundenen wirtschaftlichen Belastung für unsere Gesellschaft auf die Absenkung von 2,4 % verzichten und Ihnen für das Jahr 2004 nur eine Nullrunde zumuten. Da es sich bei der Weiterzahlung des Erhöhungsbetrages von 2,4 % um eine freiwillige Leistung der Gesellschaft handelt, erwarten wir als fairen Ausgleich von Ihnen, auf den Anspruch des AZV-Tages zu verzichten. … ”
Die während des Jahres 2003 zwischen der Tarifgemeinschaft des DRK und der Gewerkschaft ver.di geführten Verhandlungen über einen weiteren Änderungstarifvertrag, der ua. auch die Ergebnisse des VTV 35 in der bisher geübten Weise in den Bereich des DRK übertragen sollte, führten am 19. November bzw. 19. Dezember 2003 zur Unterzeichnung des 23. Tarifvertrages zur Änderung des DRK-TV (im Folgenden: 23. ÄndTV-DRK). Dieser sah neben der Übernahme der im VTV 35 vorgesehenen Entgelterhöhungen (“… gemäß § 3 Absatz 2 der Vereinbarung über Rahmenbedingungen … ”) auch die Übernahme der im VTV 35 vereinbarten Einmalzahlung für März 2003 vor; ausdrücklich ausgenommen dagegen wurde die dort gleichfalls vorgesehene Einmalzahlung für November 2004.
Der Kläger hat mit seiner Klage die Zahlung der Entgeltdifferenzen entsprechend den im VTV 35 vorgesehenen Erhöhungen von jeweils 1 % zum 1. Januar 2004 und zum 1. Mai 2004 für die Monate Januar bis März 2004 in rechnerisch unstreitiger Höhe sowie die entsprechende Feststellung hinsichtlich des darauf folgenden Zeitraums und der Zahlungsverpflichtung der Beklagten betr. eine Einmalzahlung für November 2004 in Höhe von 50,00 Euro geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die RahmenV sei ungeachtet ihrer Bezeichnung durch die Vertragsparteien als Tarifvertrag zu qualifizieren. Die dadurch bewirkte unmittelbare Übernahme der Vergütungstarifverträge des Öffentlichen Dienstes sei überdies in § 67 Abs. 6 DRK-TV zum Ausdruck gekommen, in dem die Tarifvertragsparteien den Begriff der “Tarifautomatik” unter Hinweis auf § 3 Abs. 2 RahmenV verwandt hätten. Der Ausschluss von Verhandlungen bei Regelungsgegenständen des Kataloges A im Sinne von § 3 Abs. 2 RahmenV bezwecke, Auseinandersetzungen zu vermeiden, was sich aber nur bei einer “Tarifautomatik” verwirklichen lasse. Der zwischen der Tarifgemeinschaft des DRK und der Gewerkschaft geübten Praxis der “Übernahme” durch einen jeweils ausdrücklich vereinbarten Tarifvertrag komme demgegenüber nur eine deklaratorische Bedeutung zu. Davon sei auch die Beklagte selbst ausgegangen, wenn sie – wie in den vorherigen Änderungsfällen auch – die Entgelterhöhung von 2,4 % zum 1. Januar 2003 an ihre Mitarbeiter gezahlt habe, obwohl der (deklaratorische) Übernahme-Tarifvertrag noch gar nicht geschlossen gewesen sei.
Der Kläger hat in den Vorinstanzen beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 90,12 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 23. April 2004 zu zahlen,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Tariferhöhung von 1 % ab Januar 2004 und weiteren 1 % ab Mai 2004 mit einer Gesamtlaufzeit bis zum 31. Januar 2005 an den Kläger weiterzugeben, sowie eine Einmalzahlung in Höhe von 50,00 Euro im November 2004 an den Kläger zu zahlen.
Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass der VTV 35 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung finde, weil seine normative Wirkung erst durch Abschluss des 23. ÄndTV-DRK vom 19. November/19. Dezember 2003 und damit nach ihrem Austritt aus der Tarifgemeinschaft des DRK und nach dem Ende der Tarifbindung der Beklagten vereinbart worden sei. Eine anderweitige Geltung des VTV 35 sei auch nicht mit § 3 Abs. 2 RahmenV zu begründen, da diese Vereinbarung keine normativen Regelungen enthalte, die unmittelbar und zwingend auf die Arbeitsverhältnisse der Tarifunterworfenen einwirkten. Dies sei auch nicht möglich gewesen, weil die davon nach Auffassung des Klägers erfassten Normen des BAT weder bestimmt noch überhaupt bestimmbar gewesen seien.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel mit der Maßgabe weiter, dass die Zahlungsverpflichtung der Beklagten betr. die Einmalzahlung für November 2004 nunmehr im Wege eines eigenständigen Leistungsantrags auf Zahlung von 50,00 Euro brutto nebst Zinsen seit dem 1. Dezember 2004 geltend gemacht wird.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass der VTV 35, auf den allein sich der Kläger stützt, auf das Arbeitsverhältnis der Parteien weder normativ noch auf Grund einzelvertraglicher Bezugnahme anzuwenden sei. Da die Beklagte zum 30. September 2003 aus der Tarifgemeinschaft des DRK ausgetreten und der 23. ÄndTV-DRK erst am 19. Dezember 2003 unterzeichnet worden sei, könne der vom 23. ÄndTV-DRK erfasste VTV 35 für das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht wirksam geworden sein. Eine vom 23. ÄndTV-DRK unabhängige Geltung des VTV 35 scheide aus. Dabei könne dahinstehen, ob die RahmenV aus dem Jahre 1984 überhaupt ein Tarifvertrag iSv. § 1 TVG sei. Jedenfalls ergebe sich weder aus der RahmenV noch aus § 67 Abs. 3 DRK-TV, dass die jeweiligen Tarifverträge des Öffentlichen Dienstes hinsichtlich der Arbeitsbedingungen gem. Katalog A ohne weiteren konstitutiven Akt der DRK-Tarifparteien normativer Inhalt des DRK-TV werden sollten. Dies entspreche auch der bisherigen Praxis der Tarifvertragsparteien, jeweils die Änderung der BAT-Reglungen betr. den Katalog A durch einen eigenständigen Tarifvertrag in den Bereich des DRK zu übernehmen. Die einzelvertragliche Inbezugnahme sei eine Gleichstellungsabrede im Sinne der bisherigen Senatsrechtsprechung. Mit dem Verbandsaustritt der Beklagten ende die Dynamik der in Bezug genommenen Tarifverträge des DRK, damit auch des BAT und der entsprechenden Vergütungstarifverträge.
B. Dem folgt der Senat im Ergebnis und in der Begründung.
I. Die Klage ist zulässig. Das gilt auch für den Feststellungsantrag. Das für eine Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche gesonderte Feststellungsinteresse ist gegeben, wenn – wie vorliegend – durch das Urteil eine sachgerechte und einfache Erledigung der einschlägigen Streitfragen zu erreichen ist und das streitige Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann (BAG 16. Juli 1998 – 6 AZR 672/96 – AP TVG § 4 Rationalisierungsschutz Nr. 27). Es ergibt sich für den Kläger ferner daraus, dass der festzustellende Anspruch mindestens teilweise auf einen in der Zukunft liegenden Zeitraum gerichtet ist; bei Klagen auf zukünftige Leistung gemäß §§ 257 bis 259 ZPO ist die Feststellungsklage der Leistungsklage gegenüber nicht subsidiär (BAG 20. Januar 2004 – 9 AZR 43/03 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 65 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 5). Der Kläger kann zwischen diesen Klagen und der Feststellungsklage wählen, zumal die Klage nach § 259 ZPO an besondere Voraussetzungen geknüpft ist (BAG 10. Januar 1989 – 3 AZR 308/87 – BAGE 60, 350, 352). Der Feststellungsantrag des Klägers ist zwar auf den Zeitraum der Laufzeit des VTV 35 bis zum 31. Januar 2005 beschränkt worden. Der sich daraus ergebende Leistungsanspruch ist damit aber erst im Rechtsmittelverfahren bezifferbar geworden, was den Kläger nicht zu einer Umstellung des Antrags zwingt (vgl. dazu BAG 18. März 1997 – 9 AZR 84/96 – BAGE 85, 306, 308; BGH 15. November 1977 – VI ZR 101/76 – NJW 1978, 210).
Auch der Zahlungsantrag hinsichtlich der Einmalzahlung für November 2004 ist zulässig. Zwar liegt insofern eine Klageänderung in der Revisionsinstanz vor, die im Allgemeinen unzulässig ist (BAG 16. November 1982 – 3 AZR 177/82 – BAGE 40, 355, 357; 5. Juni 2003 – 6 AZR 277/02 – AP ZPO 1977 § 256 Nr. 81 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 2). Sie ist aus prozess-ökonomischen Gründen jedoch dann zuzulassen, wenn der Sachantrag sich auf den in der Berufungsinstanz festgestellten Sachverhalt stützt (BAG 5. November 1985 – 1 ABR 49/83 – BAGE 50, 85, 92; 17. Oktober 1972 – 1 AZR 86/72 – AP BGB § 630 Nr. 8 = EzA BGB § 630 Nr. 4) . Das gilt auch für die Umstellung von einem Feststellungs- auf einen Leistungsantrag (BAG 28. Januar 2004 – 5 AZR 58/03 – AP EntgeltFG § 3 Nr. 21; Müller-Glöge in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 5. Aufl. § 74 Rn. 27). Diese Konstellation liegt hier vor. Der Kläger hat in der Berufungsinstanz ua. noch die Feststellung beantragt, die Beklagte sei verpflichtet, an ihn 50,00 Euro zu zahlen, und ist erst in der Revisionsinstanz zum Leistungsantrag übergegangen. Der damit verfolgte Anspruch hätte schon vor dem Landesarbeitsgericht mit einer Leistungsklage geltend gemacht werden können, da die (mögliche) Fälligkeit bereits zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht eingetreten war. Die Klageänderung in der Revision stützt sich auf dieselben Tatsachen, auf die auch der Feststellungsantrag gestützt war und die von dem Landesarbeitsgericht festgestellt worden sind. Der Senat konnte über die Begründetheit des Zahlungsantrags auf der Grundlage dieser Tatsachen entscheiden.
II. Der Zahlungsantrag hinsichtlich der Entgeltdifferenzen für Januar bis März 2004 ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Weitergabe der Tariferhöhung, weil die Übernahme des VTV 35 durch den 23. ÄndTV-DRK vom 19. November/19. Dezember 2003 für das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Wirksamkeit entfaltet und eine anderer Grund für seine Geltung zwischen den Parteien nicht ersichtlich ist.
1. Die unmittelbare normative Geltung des VTV 35 scheidet aus, da die Beklagte nicht Mitglied in einer den VTV 35 abschließenden Tarifvertragspartei auf Arbeitgeberseite war und ist (§ 4 Abs. 1 TVG).
2. Der VTV 35 gilt auch nicht auf Grund einer tarifvertraglich geregelten unmittelbaren Übernahme in das Tarifwerk des DRK. Denn es fehlt insoweit an einer entsprechenden tariflichen Regelung im DRK-TV, die vor dem Ende der Tarifbindung der Beklagten am 30. September 2003 vereinbart worden wäre.
a) Eine Übernahme normativer Regelungen aus einem fremden Tarifvertrag durch Tarifvertragsparteien ist nur durch eine Vereinbarung möglich, die ihrerseits den Grundsätzen der tarifvertraglichen Normsetzung entspricht, mithin durch einen (nicht rein schuldrechtlichen) Tarifvertrag. Eine lediglich schuldrechtliche oder sonstige nichttarifliche Vereinbarung von Tarifvertragsparteien kann diese Wirkung nicht erzielen. In der Praxis erfolgt die Inkorporierung fremder tariflicher Normen in den eigenen Normenbestand typischerweise durch einen Anerkennungs- oder Verweisungstarifvertrag. Dieser wird auch dann allgemein als zulässig angesehen, wenn er eine dynamische Verweisung enthält, in der die Tarifvertragsparteien des Anerkennungstarifvertrages auf die “jeweils gültige Fassung” des einzubeziehenden Tarifvertrages verweisen, und ein enger sachlicher Zusammenhang der Geltungsbereiche der Tarifnormen besteht. Dann finden Änderungen des Bezugsobjekts automatischen Eingang in den Anerkennungstarifvertrag, ohne dass es einer neuerlichen Verweisungsanordnung bedarf (Senat 10. November 1982 – 4 AZR 1203/79 – BAGE 40, 327; BAG 8. März 1995 – 10 AZR 27/95 – AP TVG § 1 Verweisungstarifvertrag Nr. 5 = EzA TVG § 1 Nr. 40).
b) § 3 Abs. 2 RahmenV bewirkt keine unmittelbare Geltung der den Katalog A betreffenden Regelungen des BAT. Es handelt sich bei der RahmenV nicht um einen normativ wirkenden Tarifvertrag.
aa) Welche Kriterien für die Auslegung von Vereinbarungen zwischen Tarifparteien angewandt werden, richtet sich nach dem Charakter der Vereinbarung. Haben die Tarifparteien einen Tarifvertrag vereinbart, ist dieser nach der objektiven Methode wie eine Norm auszulegen. Handelt es sich um einen rein schuldrechtlichen Tarifvertrag oder um einen nichttariflichen sonstigen Vertrag, ist er nach der subjektiven Methode wie ein Vertrag auszulegen; die gesetzlichen Kriterien hierfür finden sich in §§ 133, 157 BGB. Ist umstritten, ob es sich um einen Tarifvertrag oder um eine sonstige nichttarifliche Vereinbarung handelt, ist der Inhalt und damit die Charakterisierung anhand des zu ermittelnden Willens der Parteien festzustellen. Die objektive Auslegung ist erst dann vorzunehmen, wenn feststeht, dass es sich um ein Normenwerk handelt (Senat 14. April 2004 – 4 AZR 232/03 – BAGE 110, 164, 171). Insoweit unterliegt der schuldrechtliche Teil eines Tarifvertrages anderen Kriterien als der normative Teil. Denn im schuldrechtlichen Teil eines Tarifvertrages werden lediglich Rechte und Pflichten der Tarifparteien geregelt; normative Wirkung entfaltet er nicht. Dies gilt erst recht für nichttarifvertragliche Vereinbarungen der Parteien, in denen gleichfalls verbindliche Festlegungen getroffen werden sollen, die jedoch keine Außenwirkung entfalten, insbesondere keine eigenständigen Normen setzen, die für die Arbeitsverhältnisse der Tarifunterworfenen zwingend und unmittelbar gelten. Ob die Tarifvertragsparteien einen Tarifvertrag abschließen oder eine andersartige schriftliche Vereinbarung treffen wollten, ist in Zweifelsfällen nach den allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Rechts (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln (Senat 26. Januar 1983 – 4 AZR 224/80 – BAGE 41, 307, 314; 14. April 2004 – 4 AZR 232/03 – aaO).
bb) Es kann dahingestellt bleiben, ob die RahmenV mit ihren schuldrechtlichen Verpflichtungen der Vertragspartner der schuldrechtliche Teil eines Tarifvertrages oder eine nichttarifliche Vereinbarung ist. Die RahmenV ist jedenfalls kein Tarifvertrag, der verbindliche Normen für die Mitglieder der Parteien der RahmenV aufstellt.
(1) Die Parteien der RahmenV haben ihrer Einigung die Überschrift “Vereinbarung … ” gegeben. Dies spricht bereits gegen die Annahme, es handele sich um einen Tarifvertrag mit normativer Wirkung. Zwar ist die Charakterisierung einer vertraglichen Einigung von Tarifparteien nicht davon abhängig, dass die Parteien diese Einigung auch als Tarifvertrag bezeichnen. Auch ein als “Vereinbarung” genannter Vertrag kann ein Tarifvertrag sein, wenn er der Sache nach als solcher zu betrachten ist (Senat 5. November 1997 – 4 AZR 872/95 – BAGE 87, 45, 56). Aus der Bezeichnung des Vertrages als “Vereinbarung” lässt sich jedoch im Streitfall folgern, dass die Parteien selbst davon ausgegangen sind, gerade keinen Tarifvertrag abzuschließen. Von tariffähigen Parteien, die eine Vereinbarung abschließen, ist bereits grundsätzlich zu erwarten, dass sie dann, wenn sie dieser Vereinbarung den Rechtscharakter eines Tarifvertrages gem. § 1 Abs. 1 TVG beimessen und damit hinsichtlich der dort enthaltenen Regelungen über Arbeitsbedingungen die zwingende und unmittelbare Wirkung gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG bewirken wollen, diese Vereinbarung als Tarifvertrag bezeichnen. Die hier beteiligten Vertragsparteien haben darüber hinaus in § 1 Abs. 1 RahmenV ihren übereinstimmenden Ausgangspunkt bekundet, dass gleichzeitig mit der RahmenV ein Tarifvertrag zwischen den Vertragspartnern abgeschlossen wird. Sie gehen damit von einem Unterschied zwischen dem von ihnen als “Vereinbarung” gekennzeichneten Vertrag und dem weiteren von ihnen am gleichen Tage tatsächlich abgeschlossenen und als “Tarifvertrag” (über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes – DRK-TV) gekennzeichneten Vertrag aus.
(2) In § 1 Abs. 2 RahmenV wird ausdrücklich geregelt, dass dieser parallel abgeschlossene und als solcher bezeichnete Tarifvertrag nach Abs. 1 die Arbeitsbedingungen des DRK darstellt. Daraus ergibt sich, dass die Arbeitsbedingungen des DRK jedenfalls nicht Gegenstand der RahmenV sein und in ihr nicht geregelt werden sollten.
(3) Auch aus § 10 RahmenV, in dem die Vertragsparteien den Begriff “Tarifparteien” verwandt haben, folgt entgegen der Revision nicht die Absicht der Vertragsparteien, mit der RahmenV einen Tarifvertrag iSv. § 1 Abs. 1 TVG abschließen zu wollen.
Die Parteien der RahmenV sind Tarifvertragsparteien. Sie sind tariffähig und haben am selben Tage auch einen Tarifvertrag abgeschlossen. Dass sie sich in der RahmenV ua. als Tarifparteien bezeichnen, ist deshalb für den Rechtscharakter der RahmenV nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Eine konkrete Betrachtung der Platzierung dieser Begriffe in der RahmenV spricht im Übrigen eher für die oben dargelegte Wertung. Denn die die Vereinbarung abschließenden Parteien bezeichnen sich durchgehend in der gesamten RahmenV als “Vertragsparteien” bzw. “Vertragspartner”, insgesamt an achtzehn verschiedenen Stellen. Abweichend davon benutzen sie den von der Revision herausgestellten Begriff der “Tarifparteien” bzw. “Tarifvertragspartner” nur vier Mal in §§ 10, 11 RahmenV und ausschließlich im Zusammenhang mit den Verpflichtungen zur Aufnahme und Durchführung von Verhandlungen über vom Tarifvertrag abweichende Regelungen – wobei ersichtlich auch tatsächlich ein Tarifvertrag, nämlich der DRK-TV gemeint ist, §§ 9, 12 Abs. 2 RahmenV – im Falle einer finanziellen Notlage eines Arbeitgebers oder der Tarifgemeinschaft des DRK, also für einen Sanierungs- oder Notlagentarifvertrag.
cc) § 3 Abs. 2 RahmenV ist ferner keine Verweisungsklausel im Sinne einer Blankettverweisung mit inkorporierender Wirkung, weil sie insoweit nicht hinreichend bestimmt formuliert ist.
(1) Blankettverweisungen, die auch noch ungewisse zukünftige Änderungen in inkorporierten Tarifverträgen erfassen sollen, sind – neben weiteren Voraussetzungen – nur dann wirksam, wenn die Verweisung “eindeutig” ist (Senat 10. November 1982 – 4 AZR 1203/79 – BAGE 40, 327, 333). Legt ein Normsetzungsakt die Tatbestände nicht selbst fest, sondern verweist er auf andere Normen, so muss der Rechtsunterworfene klar erkennen können, welche Vorschriften im Einzelnen für ihn gelten sollen (BVerfG 24. Mai 1977 – 2 BvL 11/74 – BVerfGE 44, 322, 350, zum “rechtsstaatlichen Erfordernis” der Normenklarheit bei der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen). Für die Mitglieder der Tarifvertragsparteien ist der Rechtssatzcharakter des Tarifvertrages ausschlaggebend. Bei jeder Verweisung ist daher dem Orientierungsbedürfnis und der Orientierungssicherheit der Adressaten Rechnung zu tragen (Wiedemann Anm. AP TVG § 1 Form Nr. 7). Eine tarifliche Bezugnahme auf einen anderen Tarifvertrag muss deshalb die Klauseln, auf die verwiesen wird, so genau bezeichnen, dass Irrtümer über Art und Ausmaß der in Bezug genommenen Regelungen ausgeschlossen sind (Senat 9. Juli 1980 – 4 AZR 564/78 – BAGE 34, 42, 47; 20. April 1994 – 4 AZR 354/93 – BAGE 76, 276, 283 f.; vgl. auch bereits BAG 30. Mai 1958 – 1 AZR 198/57 – AP TVG § 9 Nr. 8).
(2) Diesen Anforderungen wird § 3 Abs. 2 iVm. § 1 Abs. 2 RahmenV nicht gerecht.
(a) Es mangelt bereits an der Erklärung, tarifliche Normen des BAT sollten auch im Bereich des DRK gelten. § 3 RahmenV regelt nur die Verpflichtung von Verhandlungen der Vertragspartner über Arbeitsbedingungen des DRK, die ihrerseits im parallel abgeschlossenen DRK-TV geregelt sind. Für einen bestimmten (im Sinne von “bezeichneten”) Normenbereich soll die Verpflichtung zu Verhandlungen ausgeschlossen werden. Darin liegt schon nach dem Wortlaut nicht die Anordnung der unmittelbaren Geltung der im anderen Tarifbereich vereinbarten Normen, sondern lediglich der Ausschluss dieser Normen von der Verhandlungspflicht.
(b) Ferner ist in § 3 Abs. 2 iVm. § 1 Abs. 2 RahmenV nicht hinreichend bestimmt, welche einzelnen Regelungen aus dem Bereich des BAT inkorporiert werden sollen. Unklar ist bereits, ob die von § 3 Abs. 2 RahmenV erfassten Bedingungen mit den in § 1 Abs. 2 RahmenV genannten Bedingungen vollständig übereinstimmen. Während § 1 Abs. 2 RahmenV unter dem “Katalog A” die Regelungen des BAT erfasst, die mit den Arbeitsbedingungen im DRK-TV “inhaltlich identisch oder im wesentlichen identisch sind”, werden in § 3 Abs. 2 RahmenV nur diejenigen Regelungen des BAT genannt, die “inhaltlich identisch sind”, nicht aber diejenigen, die nur “im wesentlichen identisch” sind.
(c) Aber selbst wenn man davon ausgeht, dass die gemeinten Regelungsbereiche deckungsgleich sein sollen, wofür die in beiden Fällen verwandte Bezeichnung “Katalog A” spricht, sind sie doch inhaltlich unbestimmt. Ob eine Regelung mit einer anderen “inhaltlich identisch” oder “im wesentlichen identisch” ist, bedarf einer interpretierenden Auslegung. Die zu vergleichenden Normensysteme sind der “BAT” (ohne jede nähere Präzisierung, § 1 Abs. 2 Satz 2, § 3 Abs. 2 Satz 1 RahmenV) und “die Arbeitsbedingungen des DRK”, die in dem am selben Tage abgeschlossenen DRK-TV enthalten sind. Soweit diese wortgleich sind, wird insofern kein Zweifel bestehen. Es ist aber schon fraglich, inwieweit ergänzende Regelungen im BAT (welche Fassung auch immer) “automatisch” im Normenbestand des DRK-TV gelten sollten. Denn welche Reichweite der von den Vertragsparteien definierte Regelungsbereich hat, die bei der Bewertung einer inhaltlichen Identität (oder weitgehenden Identität) vorausgesetzt wurde, erschließt sich nicht aus dem Wortlaut der Vereinbarung, so dass allein auf Grund dieser Regelung die jeweils anzuwendende Norm, die die Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien rechtsverbindlich regelt, nicht zu ersehen ist. Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich dies auch nicht aus dem Katalog der Regelungen in § 67 Abs. 4 DRK-TV. Dieser enthält zwar Bestimmungen, die nach Auffassung der Tarifvertragspartner von den Regelungen des BAT abweichen. Die Beklagte hat jedoch zutreffend darauf verwiesen, dass dieser Katalog nicht abschließend ist. So findet sich beispielsweise für § 6 Abs. 3 DRK-TV keine Entsprechung in § 7 BAT. Die Schweigepflicht des Angestellten ist in § 8 DRK-TV teilweise deutlich abweichend von § 9 BAT geregelt. Die Ausnahmen vom Geltungsbereich in § 2 DRK-TV entsprechen – naturgemäß – nur teilweise den Ausnahmen in § 3 BAT (zB § 2 Buchst. a DRK-TV und § 3 Buchst. i BAT). Die genannten DRK-TV-Vorschriften sind jedoch sämtlich nicht in § 67 Abs. 4 DRK-TV genannt.
Damit ist die notwendige Bestimmtheit der für das Arbeitsverhältnis geltenden Normen weder aus der RahmenV allein noch aus der Zusammenschau mit § 67 Abs. 4 DRK-TV gewährleistet. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass die Tarifvertragsparteien in den folgenden mehr als 20 Jahren die jeweilig aus dem BAT entlehnten Regelungen in einem eigenen Tarifvertrag aufgeführt und ausdrücklich in den Normbestand des DRK-TV überführt haben (dazu unten unter B II 2 d).
c) Auch aus § 67 DRK-TV – sowohl für sich allein als auch in einer Zusammenschau mit § 3 Abs. 2 RahmenV – ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision nichts für die Annahme einer unmittelbaren Einbeziehung der BAT-Normen in den DRK-Bereich.
aa) Es fehlt in § 67 DRK-TV bereits an einer konstitutiven “Übernahme”-Regelung, die für sich allein genommen die Inkorporierung der BAT-Normen in den DRK-Bereich bewirken könnte. § 67 DRK-TV bezieht sich in den maßgeblichen einzelnen Regelungsteilen auf § 3 Abs. 2 RahmenV. Aus dieser Vorschrift ergibt sich – wie dargelegt – die unmittelbare Geltung der BAT-Normen jedoch nicht.
bb) Auch ist ein Rückschluss auf die “automatische” Geltung der BAT-Normen aus § 67 Abs. 3 DRK-TV nicht zu entnehmen. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, weist § 67 Abs. 3 DRK-TV nur dann einen Regelungsinhalt auf, wenn die Tarifvertragsparteien davon ausgingen, dass bzgl. der Frage der Kündigung des Tarifvertrages sowohl die Möglichkeit als auch der Bedarf bestand, hier eine Regelung zu treffen. Dies setzt aber voraus, dass die Tarifvertragsparteien von der Notwendigkeit einer Kündigung des Tarifvertrages ausgingen, wenn die fraglichen BAT-Regelungen sich ändern sollten. Eine solche Notwendigkeit hätte bei einer “automatischen” Inkorporierung der BAT-Regeln in das DRK-Tarifwerk jedoch nicht bestanden. Auch die konkrete Verwendung des Begriffs der “Übernahme” spricht für die Erforderlichkeit eines aktiven Handelns der Tarifvertragsparteien. Die Satzkonstruktion “… bedarf es keiner … Kündigung …, um die … Vorschriften … zu übernehmen”, verweist auf etwas Prozesshaftes und zeitlich aufeinander folgende Vorgänge. Die Regelung besagt damit, dass es – entgegen der von den Tarifvertragsparteien vorausgesetzten Rechtslage, die ohne diese Regelung bestanden hätte – einer bestimmten, an sich vor der “Übernahme” erforderlichen Voraussetzung nicht bedarf.
cc) Schließlich beruft sich die Revision auch vergebens auf den von den Tarifvertragsparteien in § 67 Abs. 6 DRK-TV und in späteren Änderungstarifverträgen verwandten Begriff der “Tarifautomatik”. Abgesehen davon, dass es sich dabei um einen Begriff handelt, dem im Tarifrecht ansonsten eine gänzlich andere Bedeutung zukommt (so verweisen zB die Stichwortverzeichnisse in den Kommentaren zum TVG von Däubler 2. Aufl., Kempen/Zachert 4. Aufl. und Wiedemann 6. Aufl. insoweit ausschließlich auf die Zuordnung von Eingruppierungsmerkmalen zu einer bestimmten Tätigkeit im Sinne der langjährigen gefestigten Rechtsprechung des BAG), besagt der Begriff im Zusammenhang der Regelung und insbesondere durch den Verweis auf § 3 Abs. 2 RahmenV nichts anderes als dass zwischen einer Änderung der BAT-Vorschriften in einem bestimmten Bereich, der seinerseits in § 3 Abs. 2 iVm. § 1 Abs. 2 RahmenV (etwas) näher definiert ist, und den normativ geltenden Arbeitsbedingungen im Bereich des DRK ein bestimmter Zusammenhang besteht. Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers unterstellt, dass die Tarifvertragsparteien davon ausgegangen sind, eine Änderung in einem bestimmten Tarifvertrag solle sich in immer gleicher Weise und ohne dass es eines eigenständigen Rechtsaktes bedürfte, auf ein anderes Tarifwerk, nämlich den DRK-TV, auswirken, ergibt sich aus dem Begriff allein jedoch nicht, in welcher Weise diese “Tarifautomatik” wirken und wie sich konkret die Änderung des einen Tarifvertrages auf den anderen Tarifvertrag auswirken solle; insbesondere ist die von der Revision vertretene Auffassung, allein aus der Verwendung dieses Begriffs ergebe sich die unmittelbare normative Geltung der in einem Tarifbereich geänderten Normen für den anderen Tarifbereich, hieraus nicht abzuleiten. Die von den Tarifvertragsparteien tatsächlich gemeinte Wirkungsweise erschließt sich nur unter Heranziehung der jeweils in Bezug genommenen Regelung des § 3 Abs. 2 RahmenV, die jedoch – wie dargelegt – keineswegs die “automatische” Übernahme der Norm in den DRK-Bereich normiert, sondern lediglich den diesbezüglichen Wegfall der Verpflichtung zu Verhandlungen.
d) Das Landesarbeitsgericht verweist auch zu Recht auf die langjährige Praxis der Tarifvertragsparteien, die Änderungsverträge zum BAT bezüglich der Arbeitsbedingungen des Kataloges A jeweils durch eigene Tarifverträge in das DRK-Tarifwerk zu übernehmen.
aa) Die tatsächliche Praxis des Vollzuges einer vertraglichen Regelung durch die vertragsschließenden Parteien kann zwar den bei Vertragsschluss zum Ausdruck gebrachten objektiven Gehalt der wechselseitigen Vertragserklärungen nicht mehr beeinflussen. Er kann aber Anhaltspunkte für den tatsächlichen Vertragswillen enthalten und somit für die Auslegung von Bedeutung sein (BAG 30. Januar 1991 – 7 AZR 497/89 – BAGE 67, 124, 135; 29. Juli 2003 – 9 AZR 100/02 – BAGE 107, 119, 122). Diese für die Vertragsauslegung gem. §§ 133, 157 BGB geltenden Grundsätze finden auch auf Vereinbarungen von Tarifvertragspartnern Anwendung, soweit es – wie hier – um eine Auslegung nach diesen Grundsätzen geht. Maßgeblich ist dann das Verhalten der Tarifvertragsparteien, nicht dagegen das der Tarifunterworfenen, da diese nicht am Vertragsabschluss beteiligt waren.
bb) Die Tarifvertragsparteien haben seit 1984 sämtliche von ihnen übernommenen Änderungen und Ergänzungen des BAT in eigenständigen Tarifverträgen normiert. Sie haben damit ihr Verständnis der eigenen Willenserklärungen bei der Vereinbarung der RahmenV dahin gehend verdeutlicht, dass eine solche Normierung in eigenständigen Tarifverträgen auch erforderlich ist. Für die von der Revision vertretene Auffassung, diese Tarifverträge seien sämtlich von ausschließlich deklaratorischer Bedeutung, fehlt es an jedem Anhaltspunkt. Es ist nicht davon auszugehen, dass Tarifvertragsparteien über 20 Jahre und länger teilweise umfangreiche Tarifverträge schließen, die die Regelung von Arbeitsbedingungen zum Inhalt haben, aber keinerlei eigene normative Wirkungen entfalten, weil die dort geregelten Arbeitsbedingungen ohnehin schon gelten. Dies wird dadurch bekräftigt, dass die Tarifvertragsparteien im 23. ÄndTV-DRK die Normen des VTV 35 nur teilweise übernommen und bestimmte, im VTV 35 vorgesehene Leistungen ausdrücklich von der Übernahme in das DRK-Tarifwerk ausgenommen haben. Auch wenn dieser Vertragsschluss erst nach Beendigung der Mitgliedschaft der Beklagten in der Tarifgemeinschaft des DRK erfolgt ist, lässt er Rückschlüsse auf die – hier allein interessierende – Handhabung der Tarifvertragspartner des DRK-TV bei der Übernahme von Regelungen auch des “Katalogs A” durch eigene Änderungstarifverträge zu.
e) Dem kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass sich aus der bloß faktischen Weitergabe der zum 1. Januar 2003 im VTV 35 vereinbarten Lohnerhöhung von 2,4 % an die Mitarbeiter der Beklagten oder bei anderen Mitgliedern der Tarifgemeinschaft ein anderes Auslegungsergebnis herleiten lasse. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist es generell nicht möglich, aus dem faktischen Verhalten eines tarifunterworfenen Arbeitgebers Rückschlüsse auf den Willen der Tarifvertragsparteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu ziehen.
f) Die in den Vorinstanzen nicht aufgeworfene Frage, ob die auf den BAT verweisende Norm in § 3 Abs. 2 iVm. § 1 Abs. 2 RahmenV überhaupt die Vergütungstarifverträge im öffentlichen Dienst erfasst (vgl. hierzu Senat 2. März 1988 – 4 AZR 595/87 – BAGE 57, 374, 378 f.), musste der Senat deshalb nicht entscheiden.
3. Auch die einzelvertragliche Inbezugnahme des jeweiligen DRK-TV im Arbeitsvertrag der Parteien bewirkt keine Geltung des VTV 35. Hierbei handelt es sich um einen eigenständigen Streitgegenstand, der nicht in die Revisionsinstanz gelangt ist.
a) Die in einem Arbeitsvertrag vereinbarte dynamische Bezugnahme auf einen Tarifvertrag und die normative Geltung des in Bezug genommenen Tarifvertrages sind zwei verschiedene Streitgegenstände, da sich die den Anspruchsgrundlagen zu Grunde liegenden Lebenssachverhalte unterscheiden (Senat 11. Mai 2005 – 4 AZR 315/04 – AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 30 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 34, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen mwN).
b) Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, vorliegend sei die Verweisungsklausel als eine Gleichstellungsabrede im Sinne der bisherigen Senatsrechtsprechung anzusehen, weshalb die Bindung an den externen Tarifvertrag nicht weiter gehen könne als die Bindung auf Grund Mitgliedschaft in der tarifschließenden Gewerkschaft (vgl. dazu Senat 27. November 2002 – 4 AZR 540/01 – AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 29), mithin die nach dem Ende der Tarifbindung der Beklagten am 30. September 2003 abgeschlossenen Tarifverträge im Arbeitsverhältnis der Parteien keine Wirkung mehr hätten entfalten können, hat die Revision nicht angegriffen.
III. Der Antrag auf Verurteilung der Beklagten zu einer Einmalzahlung für November 2004 in Höhe von 50,00 Euro ist gleichfalls unbegründet. Wie dargelegt, sind die Normen des VTV 35 nicht in den DRK-TV eingegangen. Eine “automatische” Übernahme fand nicht statt. Die teilweise Einbeziehung des VTV in den DRK-TV durch den 23. ÄndTV-DRK wurde erst nach dem Austritt der Beklagten aus der Tarifgemeinschaft des DRK vereinbart und sieht zudem ausdrücklich vor, dass im Bereich des DRK die für den öffentlichen Dienst vereinbarte Einmalzahlung für November 2004 nicht gezahlt wird.
IV. Auch der Feststellungsantrag des Klägers ist unbegründet. Er stützt sich allein auf die Übernahme der Vereinbarungen des VTV 35 in das Tarifwerk des DRK. Diese ist – wie dargelegt – nicht erfolgt.
C. Die Kosten der Revision hat der Kläger zu tragen, weil sein Rechtsmittel erfolglos geblieben ist, § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Bott, Wolter, Creutzfeldt, H. Scherweit-Müller, Görgens
Fundstellen