Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf einer Sonderzulage nach Höhergruppierung
Leitsatz (redaktionell)
1. Verrechnet der Arbeitgeber anläßlich einer Höhergruppierung eine widerrufliche Sonderzulage mit der entstehenden Gehaltsdifferenz, so liegt darin ein vollständiger oder teilweiser Widerruf der Sonderzulage.
2. Erfolgt die Höhergruppierung aufgrund einer Änderung der tariflichen Gehaltsstruktur, so entspricht es billigem Ermessen, wenn der Arbeitgeber eine bisher im Hinblick auf die Tätigkeit des Angestellten gewährte - widerrufliche - Sonderzulage auf die Gehaltsdifferenz zwischen der alten und der neuen Tarifgruppe anrechnet.
Orientierungssatz
Auslegung des Manteltarifvertrages für das private Versicherungsgewerbe.
Normenkette
TVG § 1; BGB §§ 315, 611
Verfahrensgang
LAG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 10.03.1993; Aktenzeichen 3 Sa 397/92) |
ArbG Kiel (Entscheidung vom 04.09.1992; Aktenzeichen 1a Ca 1225/92) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Weiterzahlung einer bislang gewährten monatlichen Sonderzahlung.
Der Kläger ist seit dem 1. Oktober 1980 bei dem Beklagten in der Schadensaußenstelle 25 in K beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe (im folgenden: MTV) Anwendung. Der Kläger war zunächst in Gehaltsgruppe IV und ab 1. Juli 1984 in Gehaltsgruppe V eingruppiert.
Mit Schreiben vom 16. Juni 1989 gewährte der Beklagte dem Kläger eine widerrufliche Sonderzahlung in Höhe von 200,-- DM monatlich. Das Schreiben hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut:
"Sehr geehrter Herr W ]
Es freut uns, Ihnen mitteilen zu können, daß uns
Ihre Arbeitsleistung, Ihr Pflichtbewußtsein und
Ihr persönlicher Einsatz Anlaß geben, Ihre Bezüge
durch Gewährung einer widerruflichen Sonderzulage
aufzubessern.
Mit Wirkung vom 1. Juli 1989 werden Ihre monatli-
chen Bruttobezüge wie folgt berechnet:
...
Wir hoffen, daß die Gehaltsanhebung und die damit
verbundene Anerkennung Ihrer Leistung Sie auch
weiterhin veranlassen, Ihre ganze Arbeitskraft im
Interesse unseres Unternehmens einzusetzen.
..."
In einer internen Darstellung der Gehaltsentwicklung des Klägers vom 29. März 1989 ist dazu festgehalten:
"Herr W ist im V-Bereich tätig und erledigt
neben seinen eigentlichen Aufgaben insbesondere
Arbeiten, die den VMB im Innendienst deutlich
entlasten. Dazu gehören u.a. alle Arbeiten, die
im Zusammenhang mit VM-Insertionen oder WG-Rekla-
mationen zu erledigen sind. Er ist insbesondere
für den Bereich "VM-Wesen" verantwortlich.
...
Besonders hervorzuheben ist, daß Herr W ei-
genverantwortlich LV-Beratungen außerhalb der GS
auch außerhalb der Geschäftszeit erfolgreich
durchführt.
Aufgrund des vorhandenen Fachwissens besitzt er
auch die Fähigkeit, Deckungsablehnungen oder
-zusagen in RS-Angelegenheiten selbständig und
richtig durchzuführen.
..."
Diese Darstellung hat der Kläger nicht erhalten; sie ist jedoch Bestandteil seiner Personalakte geworden.
Mit Wirkung vom 1. Januar 1991 ist eine Änderung des Manteltarifvertrages für die private Versicherungswirtschaft in Kraft getreten. Dabei wurde eine neue Gehaltsgruppe VI (im folgenden VI neu) geschaffen, in die diejenigen Arbeitnehmer eingestuft werden sollten, die bisher in der Gehaltsgruppe V eingruppiert waren, aber eine höherwertige Tätigkeit ausübten, die dennoch nicht zu einer Eingruppierung in die Gehaltsgruppe VI (alt) reichte. Eine "Übergangsregelung zu § 4" vom 25. Oktober 1990 regelt hierzu:
"Bei der Einstufung der Arbeitnehmer in die neue
Gehaltsgruppe VI ist wie folgt zu verfahren:
a) Arbeitnehmer, die bisher in Gruppe V einge-
stuft sind und deren Tätigkeit die Vorausset-
zungen der Gruppe VI (neu) nicht erfüllt,
bleiben der Gruppe V zugeordnet. Das gilt auch
dann, wenn sie eine übertarifliche Zulage er-
halten und ihre Gesamtbezüge dadurch über dem
Gehalt der Gruppe VI (neu) liegen.
b) Arbeitnehmer, die bisher in Gruppe V einge-
stuft sind und deren Tätigkeit die Vorausset-
zungen der Gruppe VI (neu) erfüllt, sind in
die Gruppe VI (neu) einzustufen, dabei werden
Tätigkeitszulagen nach § 6 MTV auf die Diffe-
renz zwischen Gruppe V und Gruppe VI (neu) an-
gerechnet. Ebenso werden sonstige Gehaltsbe-
standteile (einschließlich Berufsjahrvorgrif-
fen) ungeachtet ihrer Bezeichnung insoweit an-
gerechnet, als sie ihrem Zweck nach einer Tä-
tigkeitszulage entsprechen."
Der Beklagte gruppierte dementsprechend den Kläger zum 1. Januar 1991 in die neue Gehaltsgruppe VI ein und rechnete die bisher gezahlte Sonderzulage an.
Der Kläger verlangt im Wege der Feststellungsklage die Weiterzahlung der ungekürzten Sonderzulage. Er ist der Ansicht, die ihm gewährte Sonderzulage stelle eine persönliche Zulage und keine Tätigkeitszulage dar und dürfe daher nicht verrechnet werden. Außerdem verletze die einseitige Streichung der Zulage das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG und sei daher unwirksam.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist,
dem Kläger die mit Wirkung vom 1. Juli 1989 ge-
währte Sonderzulage in Höhe von 200,-- DM monat-
lich brutto auch nach Inkrafttreten des neuen
Manteltarifvertrags für die private Versiche-
rungswirtschaft ab 1.1.1991 hinaus ohne Verrech-
nungsrecht zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er meint, die dem Kläger gezahlte Sonderzulage stelle ihrem Charakter nach eine Art Tätigkeitszulage dar und dürfe daher nach dem Tarifvertrag verrechnet werden. Die Sonderzulage sei dem Kläger gewährt worden, weil er alle Arbeiten, die im Zusammenhang mit VM-Insertionen und Werbegebühren-Reklamationen zu erledigen waren, für den Bereich VM-Wesen und LV-Beratung eigenverantwortlich durchführte. Mit der Gewährung der Sonderzulage habe die Entwicklung des Klägers in Richtung auf die nächsthöhere Gehaltsgruppe honoriert werden sollen. Diese Zielrichtung habe mit der Umgruppierung des Klägers in diese Gehaltsgruppe ihre Erledigung gefunden. Im übrigen werde bei dem Beklagten seit Jahrzehnten so verfahren, daß bei tariflichen Umgruppierungen eine widerrufliche Zulage entfalle. So sei auch eine Zulage in Höhe von 100,-- DM monatlich für den Kläger bei dessen Höhergruppierung von der Gehaltsgruppe IV in die Gehaltsgruppe V entfallen. Da also bei einer Umgruppierung generell eine widerrufliche Sonderzulage gestrichen werde, komme eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nicht in Betracht.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten blieb beim Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf ungekürzte Weiterzahlung der Zulage nicht zu, da ein wirksamer Widerruf durch die Beklagte erfolgt ist. Demnach war die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die tariflichen Voraussetzungen für eine Anrechnung der dem Kläger gewährten Zulage bei der Höhergruppierung in die Gehaltsgruppe VI (neu) seien nicht gegeben. Die dem Kläger seit dem 1. Juli 1989 gewährte Zulage sei weder eine Tätigkeitszulage noch ein Gehaltsbestandteil, der nach seinem Zweck einer Tätigkeitszulage entspreche, im Sinne der Übergangsvorschrift zu § 4 MTV. Es handele sich um eine persönliche Zulage, wie die vom Empfängerhorizont ausgehende Auslegung ergebe. Die vom Beklagten erklärte Anfechtung sei unwirksam, weil sie - unabhängig davon, ob er überhaupt einem zur Anfechtung berechtigenden Irrtum unterlegen sei - verspätet im Sinne von § 121 BGB erfolgt sei. Auch ein wirksamer Widerruf der Zulage liege nicht vor, da die Verrechnung jedenfalls deswegen unwirksam sei, weil sie ohne die nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG notwendige Mitbestimmung des Betriebsrats erfolgt sei. Nach der Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 3. Dezember 1991 bestehe dieses Mitbestimmungsrecht auch bei der Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf über-/außertarifliche Zulagen aus Anlaß und bis zur Höhe der Tariflohnerhöhung, wenn sich dadurch die Verteilungsgrundsätze änderten und darüber hinaus für eine anderweitige Anrechnung bzw. Kürzung ein Regelungsspielraum verbliebe. Bei der von dem Beklagten vorgenommenen Verrechnung handele es sich um einen kollektiven Tatbestand, der der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliege. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats sei auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil der Mitbestimmung rechtliche Hindernisse entgegenstünden. Ein solches rechtliches Hindernis für die Mitbestimmung bei der Anrechnung von Zulagen wird zwar dann angenommen, wenn sämtliche Zulagen verrechnet würden und damit ein der Mitbestimmung zugänglicher Gestaltungsspielraum für die Verteilung nicht zur Verfügung stehe. Diese Voraussetzungen seien jedoch nicht gegeben.
Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts vermag der Senat nicht zu folgen.
II. Der Kläger kann die ungekürzte Weiterzahlung der monatlichen Sonderzulage von 200,-- DM ohne Verrechnung auf die Gehaltsdifferenz zwischen der Gehaltsgruppe V und der Gehaltsgruppe VI (neu) nach Inkrafttreten der Änderung des Manteltarifvertrags für die private Versicherungswirtschaft ab 1. Januar 1991 nicht verlangen. Der Beklagte hat die widerrufliche Sonderzulage durch die Anrechnung auf die Differenz zwischen den Gehaltsgruppen V und VI (neu) nach der Höhergruppierung des Klägers zum 1. Januar 1991 wirksam widerrufen; der Mitbestimmung des Betriebsrats bedurfte es dabei nicht.
1. Die vom Kläger erhobene Feststellungsklage ist zulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gilt dies dann, wenn die Leistungsklage nur in Form einer Klage auf zukünftige Leistung nach § 259 ZPO möglich wäre (Grunsky, ArbGG, 6. Aufl., § 46 Rz 24; BAGE 12, 294, 296 = AP Nr. 31 zu § 242 BGB Gleichbehandlung) oder wenn Entgeltansprüche oder sonstige Ansprüche des Klägers sowohl für die Zukunft als auch für die Vergangenheit geltend gemacht werden (Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 46 Rz 72; BAG Urteil vom 18. Januar 1966 - 1 AZR 158/65 - AP Nr. 106 zu § 242 BGB Ruhegehalt). Der Kläger macht mit seinem Klageantrag die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zur Weiterzahlung der bisher gewährten Sonderzulage in die Zukunft hinein geltend.
2. Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf die ungekürzte Weiterzahlung der Sonderzulage; seine Klage ist unbegründet.
a) Der Beklagte hat dem Kläger gemäß dem Schreiben vom 16. Juni 1989 die Gewährung einer widerruflichen Zulage zugesagt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist es zulässig, übertarifliche Lohnbestandteile, so z.B. auch Leistungszulagen (BAG Urteil vom 9. Juni 1967 - 3 AZR 352/66 - AP Nr. 5 zu § 611 BGB Lohnzuschläge), unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs zu gewähren (BAG Urteil vom 30. August 1972 - 5 AZR 140/72 - AP Nr. 6 zu § 611 BGB Lohnzuschläge). Gegen die Ausgestaltung der Sonderzulage durch den Beklagten als widerruflich bestehen danach auch unter Berücksichtigung der im Schreiben vom 16. Juni 1989 angegebenen Gründe für die Gewährung ("Arbeitsleistung, Pflichtbewußtsein und persönlicher Einsatz") keine rechtlichen Bedenken.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist weiter davon auszugehen, daß der Widerruf bzw. die Kürzung solcher Lohn- und Gehaltsbestandteile nur nach billigem, gerichtlich nachprüfbarem Ermessen erfolgen kann und das billige Ermessen im Sinne von § 315 BGB gewahrt ist, wenn der Arbeitgeber für den Widerruf bzw. die Kürzung der Sonderzulage einen sachlichen Grund hat (BAG Urteile vom 9. Juni 1967 - 3 AZR 352/66 - und vom 30. August 1972 - 5 AZR 140/72 - aaO).
b) Nach diesen Grundsätzen kann der Kläger die ungekürzte Weiterzahlung der ihm mit Schreiben vom 16. Juni 1989 zugesagten Sonderzulage nach dem 1. Januar 1991 nicht verlangen. Der Beklagte hat den Kläger ab dem 1. Januar 1991 von der Gehaltsgruppe V in die Gehaltsgruppe VI (neu) entsprechend der ab dem 1. Januar 1991 geltenden Änderung des MTV höhergruppiert und auf die dabei entstandene Gehaltsdifferenz die Sonderzulage angerechnet. Damit hat der Beklagte in der Höhe der Anrechnung die Sonderzulage widerrufen.
Dieser Widerruf ist sachlich gerechtfertigt und entspricht billigem Ermessen. Der Beklagte hat die Sonderzulage des Klägers im Zusammenhang mit der Einführung einer neuen Gehaltsgruppe im MTV, die für den Kläger einschlägig war und zu seiner Höhergruppierung führte, widerrufen; dieser - teilweise oder vollständige - Widerruf der Sonderzulage ist sachbezogen. Die Übergangsregelung zu § 4 des MTV vom 25. Oktober 1990 bestimmte sinngemäß, daß sonstige Gehaltsbestandteile ungeachtet ihrer Bezeichnung insoweit auf die Differenz zwischen Gehaltsgruppe V und Gehaltsgruppe VI (neu) angerechnet werden, als sie ihrem Zweck nach einer Tätigkeitszulage nach § 6 MTV entsprechen. Nach den Vorstellungen der Tarifvertragsparteien sollten demnach Tätigkeitszulagen und vergleichbare Zahlungen auf die Höhergruppierung angerechnet werden. Dem entspricht es, wenn die Tarifvertragsparteien in der Protokollnotiz zur Tarifvereinbarung vom 25. Oktober 1990 u.a. ausgeführt haben, "... Durch die Einführung der Gehaltsgruppe VI (neu) wollen die Tarifparteien der Tatsache Rechnung tragen, daß der Abstand zwischen den bisherigen Gruppen V und VI unverhältnismäßig groß war, was eine der konkreten Tätigkeit entsprechende Eingruppierung in diesem Bereich erschwerte. ... Die Neufassung der Gehaltsstruktur soll nach dem Willen der Tarifvertragsparteien kostenneutral sein. ..." Unter Berücksichtigung dieses Willens der Tarifvertragsparteien entspricht es billigem Ermessen, wenn der Arbeitgeber die Höhergruppierung eines Arbeitnehmers im Zusammenhang mit derartigen Änderungen der tariflichen Gehaltsgruppen zum Anlaß nimmt, eine dem Angestellten gewährte - widerrufliche - Sonderzulage auf die durch die Höhergruppierung entstehende Gehaltsdifferenz anzurechnen.
Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß der Beklagte in der Vergangenheit, so bei der Höhergruppierung des Klägers von Gehaltsgruppe IV in Gehaltsgruppe V ab dem 1. Juli 1984 die damals gewährte Sonderzulage mit der Gehaltsdifferenz verrechnet hat.
Der Beklagte war demnach individualrechtlich berechtigt, anläßlich der Höhergruppierung des Klägers aufgrund der neuen tariflichen Gehaltsstruktur die bis dahin gewährte einzelvertragliche Sonderzulage zu widerrufen.
c) Entgegen der Entscheidung der Vorinstanzen steht dem Widerruf der Sonderzulage des Klägers durch den Beklagten nicht entgegen, daß Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht gewahrt sind. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats war nicht gegeben.
Die dem Kläger mit dem Schreiben vom 16. Juni 1989 zugesagte - widerrufliche - Sonderzulage wurde nach den objektiven Umständen ihrer Gewährung - wie sich insbesondere auch aus der internen Darstellung der Gehaltsentwicklung des Klägers vom 29. März 1989 ergibt - im Hinblick auf die Tätigkeit des Klägers gewährt. Nach den daraus ersichtlichen Überlegungen des Beklagten wurde die Sonderzulage gewährt, weil der Kläger eigenverantwortlich LV-Beratungen außerhalb der GS und auch außerhalb der Geschäftszeit erfolgreich durchführte sowie aufgrund des vorhandenen Fachwissens die Fähigkeit besitzt, Deckungsablehnungen oder -zusagen in RS-Angelegenheiten selbständig und richtig durchzuführen. Die Sonderzulage ist damit als sonstiger Gehaltsbestandteil anzusehen, der seinem Zweck nach einer Tätigkeitszulage entspricht. Das wird auch durch den bei der Tarifauslegung neben dem Tarifwortlaut und dem Sinn und Zweck der Tarifnormen mitzuberücksichtigenden tariflichen Gesamtzusammenhang bestätigt. Da die Tarifvertragsparteien nämlich neben den Tätigkeitszulagen nach § 6 MTV, die zu zahlen sind, wenn der Arbeitnehmer neben der Tätigkeit nach der er eingruppiert ist, dauernd (§ 6 Buchstabe a MTV) oder vorübergehend, aber länger als drei Monate (§ 6 Buchstabe b MTV), Arbeiten einer höher bewerteten Gehaltsgruppe verrichtet, auch solche Gehaltsbestandteile erfaßt haben, die ihrem Zweck nach einer Tätigkeitszulage entsprechen, kann daraus nur geschlossen werden, daß sie diejenigen Zulagen erfassen wollten, die an die Tätigkeit des Arbeitnehmers, also an der Art der Tätigkeit, der Art der Ausführung der Tätigkeit und nicht an persönlichen, von der Tätigkeit des Arbeitnehmers unabhängigen Voraussetzungen ansetzen. Die dem Kläger mit Schreiben vom 16. Juni 1989 gewährte Sonderzulage ist daher als ein solcher Gehaltsbestandteil im Sinne von Ziffer 5. Buchstabe b) der Übergangsvorschrift zu § 4 MTV anzusehen.
Für einen solchen Gehaltsbestandteil sieht die Übergangsregelung zum Tarifvertrag die Anrechnung auf die Differenz zwischen Gehaltsgruppe V und VI (neu) ausdrücklich vor. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist daher aufgrund der tariflichen Regelung nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG ausgeschlossen.
Hat der Beklagte somit die Sonderzulage zulässigerweise und ohne Verstoß gegen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats auf die Gehaltsdifferenz anläßlich der Höhergruppierung des Klägers von Gehaltsgruppe V in Gehaltsgruppe VI (neu) angerechnet, so kann die auf die ungekürzte Weiterzahlung der Sonderzulage gerichtete Klage keinen Erfolg haben; sie ist daher unter Aufhebung der berufungsgerichtlichen Entscheidung und Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Matthes Hauck Dr. Freitag
Kähler Staedtler
Fundstellen
Haufe-Index 436664 |
BB 1995, 828 |
BB 1995, 828-829 (LT1-2) |
DB 1995, 1618-1619 (LT1-2) |
BuW 1995, 253-255 (KT) |
EBE/BAG 1995, 27-29 (LT1-2) |
NZA 1995, 430 |
NZA 1995, 430-432 (LT1-2) |
AP § 611 BGB Lohnzuschläge (LT1-2), Nr 11 |
AR-Blattei, ES 1530 Nr 25 (LT1-2) |
EzA § 315 BGB, Nr 4 (LT1-2) |