Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung. Sachgrund der Vertretung. Widerlegung eines indizierten Rechtsmissbrauchs. Schule
Orientierungssatz
1. Die Gerichte dürfen sich bei der Befristungskontrolle nicht auf die Prüfung des geltend gemachten Sachgrunds nach § 14 Abs. 1 TzBfG beschränken, sondern sind aus unionsrechtlichen Gründen verpflichtet, durch Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auszuschließen, dass der Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreift.
2. Diese Prüfung ist uneingeschränkt auch im Schulbereich geboten. Hier besteht allerdings die branchenspezifische Notwendigkeit besonderer Flexibilität, die einen wiederholten Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG, § 21 Abs. 1 BEEG objektiv rechtfertigen kann, um dem Bedarf der Schulen angemessen gerecht zu werden und um zu verhindern, dass der Staat als Arbeitgeber dem Risiko ausgesetzt wird, erheblich mehr feste Lehrkräfte anzustellen, als zur Erfüllung seiner Verpflichtungen tatsächlich notwendig sind. Die branchenspezifische Flexibilität ist neben allen anderen Umständen bei der umfassenden Rechtsmissbrauchskontrolle zu berücksichtigen.
3. Bei Vorliegen eines die Befristung an sich rechtfertigenden Sachgrunds besteht regelmäßig kein gesteigerter Anlass zur Missbrauchskontrolle. Werden jedoch die für die sachgrundlose Befristung in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG genannten Grenzen, die nach der gesetzlichen Konzeption in jeder Hinsicht unbedenklich sind, alternativ oder insbesondere kumulativ in gravierendem Ausmaß überschritten, kann eine missbräuchliche Ausnutzung der an sich eröffneten Möglichkeit zur Sachgrundbefristung indiziert sein. In einem solchen Fall kann der Arbeitgeber den indizierten Gestaltungsmissbrauch durch den Vortrag besonderer Umstände entkräften. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls.
4. Im vorliegenden Fall wurde der bei einer Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses von acht Jahren und zehn Monaten sowie 18 Vertragsverlängerungen indizierte Rechtsmissbrauch nach einer Würdigung aller Umstände als widerlegt angesehen, weil die aufgrund der Lehrbefähigung für ein Fach – Hauswirtschaftslehre – nur eingeschränkt einsetzbare Lehrerin an verschiedenen Schulen mit deutlich unterschiedlicher Stundenzahl von zwei bis zu 25,5 Stunden wöchentlich beschäftigt wurde, sie an der jeweiligen Schule abwesende Lehrkräfte jeweils unmittelbar oder mittelbar vertrat und sich die Laufzeiten der mit der Klägerin geschlossenen Verträge weitestgehend an dem prognostizierten Vertretungsbedarf orientierten. Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, dass das beklagte Land die Befristungsmöglichkeit in rechtsmissbräuchlicher Weise genutzt hat, um einen dauerhaften Vertretungsbedarf zu decken.
Normenkette
BEEG § 21 Abs. 1; TzBfG § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, Abs. 2, § 17 Sätze 1-2; AGG § 3 Abs. 2, § 7 Abs. 2; BGB §§ 242, 615 S. 1; KSchG § 7
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 17. Juli 2013 – 7 Sa 450/13 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung des letzten mit der Klägerin abgeschlossenen Arbeitsvertrags sowie über Vergütungsansprüche aus Annahmeverzug für die Zeit vom 28. August 2010 bis zum 31. Dezember 2010.
Die Klägerin war seit dem 29. Oktober 2001 auf der Grundlage von insgesamt 19 befristeten Arbeitsverträgen als Lehrkraft im Fach Hauswirtschaft bei dem beklagten Land beschäftigt. Sie wurde im Bereich von zwei Bezirksregierungen an drei Schulen eingesetzt. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Beschäftigungszeiten:
29. Oktober 2001 bis 17. Juli 2002:
Elternzeitvertretung für die Lehrkraft C, 2/27 Stunden, Realschule G (Bezirksregierung K). Frau C war Erziehungsurlaub für die Zeit vom 20. August 2001 bis zum 31. August 2002 bewilligt worden.
18. Juli 2002 bis 30. Juli 2003:
Elternzeitvertretung für die Lehrkraft S, 2/27 Stunden, Realschule G. Frau S war Erziehungsurlaub für den Zeitraum vom 29. April 2001 bis zum 15. Februar 2004 bewilligt worden. Die Klägerin befand sich in der Zeit vom 15. März 2003 bis zum 18. Juli 2003 im Mutterschutz.
31. Juli 2003 bis 13. Februar 2004:
Elternzeitvertretung für die Lehrkraft S, 2/27 Stunden, Realschule G.
6. September 2004 bis 23. Dezember 2004:
Krankheitsvertretung für die Lehrkraft M, 14/28 Stunden, Gemeinschaftshauptschule B (Kreis Dü).
24. Dezember 2004 bis 31. Januar 2005:
Krankheitsvertretung für die Lehrkraft M, 14/28 Stunden, Gemeinschaftshauptschule B (Kreis Dü).
10. Januar 2005 bis 31. Januar 2005:
Krankheitsvertretung für die Lehrkräfte M und F, 25/28 Stunden, Gemeinschaftshauptschule B (Kreis Dü).
1. Februar 2005 bis 6. Juli 2005:
Elternzeitvertretung für die Lehrkraft E, 14/28 Stunden, Gemeinschaftshauptschule B (Kreis Dü).
22. August 2005 bis 23. Dezember 2005:
Krankheitsvertretung für die Lehrkraft T, 20/28 Stunden, Gemeinschaftshauptschule B (Kreis Dü).
24. Dezember 2005 bis 7. April 2006:
Krankheitsvertretung für die Lehrkraft T, 20/28 Stunden, Gemeinschaftshauptschule B (Kreis Dü).
8. April 2006 bis 23. Juni 2006:
Krankheitsvertretung für die Lehrkraft T, 20/28 Stunden, Gemeinschaftshauptschule B (Kreis Dü).
16. Oktober 2006 bis 20. Dezember 2006:
Krankheitsvertretung für die Lehrkraft T, 20/28 Stunden, Gemeinschaftshauptschule B (Kreis Dü).
21. Dezember 2006 bis 31. Januar 2007:
Krankheitsvertretung für die Lehrkraft T, 20/28 Stunden, Gemeinschaftshauptschule B (Kreis Dü). Die Mitarbeiterin T wurde mit Ablauf des 31. Januar 2007 in den Ruhestand versetzt.
12. Februar 2007 bis 20. Juni 2007:
16/28 Stunden aufgrund eines von der Schule ermittelten Vertretungskonzepts, Gemeinschaftshauptschule B (Kreis Dü).
6. August 2007 bis 20. August 2007:
Elternzeitvertretung für die Lehrkraft Sch, 13,5/25,5 Stunden, Gesamtschule N (Bezirksregierung D). Frau Sch war Elternzeit für den Zeitraum vom 4. August 2007 bis zum 8. August 2008 bewilligt worden.
21. August 2007 bis 27. November 2007:
Mutterschutzvertretung für die Lehrkraft Ka, Vollzeit, Gesamtschule N. Die Mutterschutzfrist von Frau Ka begann am 21. August 2007 und endete am 27. November 2007.
28. November 2007 bis 25. Juni 2008:
Elternzeitvertretung für die Lehrkraft Ka, Vollzeit, Gesamtschule N. Frau Ka war auf ihren Antrag vom 5. November
2007 Elternzeit bis zum 6. Oktober 2009 bewilligt worden.
26. Juni 2008 bis 31. Januar 2009:
Elternzeitvertretung für die Lehrkraft U, Vollzeit, Gesamtschule N. Frau U war auf ihren Antrag vom 17. Januar
2008 Elternzeit für den Zeitraum vom 9. August 2008 bis
zum 25. Februar 2009 bewilligt worden.
I. Februar 2009 bis 6. Oktober 2009:
Elternzeitvertretung für die Lehrkräfte Ka und Ne, Vollzeit, Gesamtschule N. Frau Ne war Elternzeit bis zum 18. Oktober 2009 bewilligt worden.
7. Oktober 2009 bis 27. August 2010:
Mutterschutz- und Elternzeitvertretung für die Lehrkraft Ka (zweites Kind), Vollzeit, Gesamtschule N, Änderungsvertrag vom 2./6. Oktober 2009 zum Arbeitsvertrag vom 3. August 2007. Frau Ka war auf Antrag vom
II. September 2009 Elternzeit bis zum 13. August 2011
gewährt worden.
Das beklagte Land lehnte eine Beschäftigung der Klägerin über den 27. August 2010 hinaus ab.
Mit ihrer am 2. September 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Befristungskontrollklage hat die Klägerin insbesondere die Auffassung vertreten, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der im Änderungsvertrag vom 2./6. Oktober 2009 getroffenen Befristungsabrede zum 27. August 2010 beendet worden sei. Die Befristung sei rechtsmissbräuchlich. Aufgrund der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses von über acht Jahren sowie der Anzahl von 19 Befristungen sei ein sog. institutioneller Rechtsmissbrauch indiziert.
Die Klägerin hat zuletzt – soweit für die Revision noch von Bedeutung – beantragt
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der im Änderungsvertrag vom 2./6. Oktober 2009 unter § 1 getroffenen Befristungsabrede zum 27. August 2010 beendet ist,
das beklagte Land zu verurteilen, an sie
- für August 2010 ein restliches Bruttoentgelt in Höhe von 345,26 Euro nebst einem Ortszuschlag von 100,37 Euro abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 229,80 Euro netto zu zahlen,
- für September 2010 ein Bruttoentgelt in Höhe von 2.675,76 Euro nebst Ortszuschlag in Höhe von 777,20 Euro abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.723,50 Euro netto zu zahlen,
- für Oktober 2010 ein Bruttoentgelt in Höhe von 2.675,76 Euro nebst Ortszuschlag in Höhe von 777,20 Euro abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.723,50 Euro netto zu zahlen,
- für November 2010 ein Bruttoentgelt in Höhe von 5.217,73 Euro nebst Ortszuschlag in Höhe von 777,20 Euro abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.723,50 Euro netto zu zahlen,
- für Dezember 2010 ein Bruttoentgelt in Höhe von 2.675,76 Euro nebst Ortszuschlag in Höhe von 777,20 Euro abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.723,50 Euro netto zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, ein möglicherweise indizierter institutioneller Rechtsmissbrauch sei widerlegt. Die Klägerin sei nicht über einen langen Zeitraum auf derselben Stelle beschäftigt worden. Sie habe ihre Arbeitsleistung vielmehr während der Dauer ihres Arbeitsverhältnisses an drei verschiedenen Schulen in unterschiedlichen Städten und im Bereich von zwei verschiedenen Bezirksregierungen erbracht. Zudem sei sie in unterschiedlichen Schulformen mit einem unterschiedlichen Lehrdeputat zwischen zwei und 25,5 Stunden beschäftigt worden. Die einzelnen Befristungen hätten sich an Dauer und Umfang des Ausfalls der vertretenen Lehrkraft orientiert. Die Befristung des jeweiligen Arbeitsvertrags auf das Ende des Schulhalbjahres bzw. Schuljahres hänge damit zusammen, dass sich zu jedem neuen Schuljahr unter Berücksichtigung fächerspezifischer Gesichtspunkte ein spezieller Vertretungsbedarf stelle. Da keine Verpflichtung bestehe, eine Vertretungsreserve vorzuhalten, komme es nicht entscheidend darauf an, ob nach dem 27. August 2010 ein Vertretungsbedarf für die Klägerin im Land Nordrhein-Westfalen oder im Bereich der Bezirksregierung D vorhanden gewesen sei.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre zuletzt gestellten Klageanträge weiter. Das beklagte Land beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Befristungskontrollklage der Klägerin zu Recht abgewiesen. Deshalb stehen der Klägerin auch die geltend gemachten Vergütungsansprüche für die Zeit nach dem Vertragsende am 27. August 2010 nicht zu.
I. Die in dem letzten Arbeitsvertrag vom 2./6. Oktober 2009 vereinbarte Befristung zum 27. August 2010 ist, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, durch den Sachgrund der Vertretung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG, § 21 Abs. 1 BEEG gerechtfertigt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Befristung sei nicht wegen institutionellen Rechtsmissbrauchs unwirksam, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
1. Die streitbefangene Befristung ist durch den Sachgrund der Vertretung gerechtfertigt.
a) Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG ist die Befristung eines Arbeitsvertrags zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird. Der Sachgrund der Vertretung wird durch § 21 Abs. 1 BEEG konkretisiert (BAG 29. April 2015 – 7 AZR 310/13 – Rn. 16; vgl. auch BAG 19. Februar 2014 – 7 AZR 260/12 – Rn. 27; 18. Juli 2012 – 7 AZR 443/09 – Rn. 16, BAGE 142, 308; 12. Januar 2011 – 7 AZR 194/09 – Rn. 13). Danach ist die Befristung eines Arbeitsverhältnisses ua. dann gerechtfertigt, wenn ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers oder einer anderen Arbeitnehmerin für die Dauer des Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz, einer Elternzeit oder einer auf Tarifvertrag oder einzelvertraglicher Vereinbarung beruhenden Arbeitsfreistellung zur Betreuung eines Kindes eingestellt wird.
b) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden und von der Revision nicht gerügten Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind hier die Voraussetzungen einer mittelbaren Vertretung erfüllt. Die streitgegenständliche Befristung beruht auf dem Ausfall der Lehrkraft Ka. Frau Ka befand sich zunächst im Mutterschutz und sodann in Elternzeit. Aufgrund einer Vertretungskette besteht der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall der Lehrkraft Ka und der befristeten Einstellung der Klägerin. Dies wird von der Klägerin nicht in Frage gestellt.
2. Die Befristung ist auch nicht nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs unwirksam.
a) Die Gerichte dürfen sich bei der Befristungskontrolle nicht auf die Prüfung des geltend gemachten Sachgrunds beschränken. Sie sind vielmehr aus unionsrechtlichen Gründen verpflichtet, durch Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auszuschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreifen (EuGH 26. November 2014 – C-22/13 ua. – [Mascolo] Rn. 102 ff.; 26. Januar 2012 – C-586/10 – [Kücük] Rn. 40). Diese zusätzliche Prüfung ist im deutschen Recht nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) vorzunehmen (vgl. BAG 29. April 2015 – 7 AZR 310/13 – Rn. 24; 12. November 2014 – 7 AZR 891/12 – Rn. 27; grundlegend BAG 18. Juli 2012 – 7 AZR 443/09 – Rn. 38, BAGE 142, 308 und – 7 AZR 783/10 – Rn. 33).
aa) Die Prüfung, ob der Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgegriffen hat, verlangt eine Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (vgl. EuGH 26. November 2014 – C-22/13 ua. – [Mascolo] Rn. 102; 26. Januar 2012 – C-586/10 – [Kücük] Rn. 40, 43, 51, 55; st. Rspr. seit BAG 18. Juli 2012 – 7 AZR 443/09 – Rn. 40, BAGE 142, 308). Von besonderer Bedeutung sind die Gesamtdauer der befristeten Verträge sowie die Anzahl der Vertragsverlängerungen. Ferner ist der Umstand zu berücksichtigen, ob der Arbeitnehmer stets auf demselben Arbeitsplatz mit denselben Aufgaben beschäftigt wurde oder ob es sich um wechselnde, ganz unterschiedliche Aufgaben handelt. Bei zunehmender Anzahl befristeter Verträge und Dauer der befristeten Beschäftigung eines Arbeitnehmers kann es eine missbräuchliche Ausnutzung der dem Arbeitgeber an sich rechtlich eröffneten Befristungsmöglichkeit darstellen, wenn er gegenüber einem bereits langjährig beschäftigten Arbeitnehmer trotz der tatsächlich vorhandenen Möglichkeit einer dauerhaften Einstellung immer wieder auf befristete Verträge zurückgreift (BAG 19. Februar 2014 – 7 AZR 260/12 – Rn. 36 mwN). Zu berücksichtigen ist außerdem, ob die Laufzeit der Verträge zeitlich hinter dem prognostizierten Vertretungsbedarf zurückbleibt (BAG 18. Juli 2012 – 7 AZR 443/09 – Rn. 46, aaO). Bei der Gesamtwürdigung können daneben weitere Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Zu denken ist dabei etwa an die Zahl und Dauer von Unterbrechungen zwischen den befristeten Verträgen (BAG 10. Juli 2013 – 7 AZR 761/11 – Rn. 27). Bei der Gesamtbeurteilung ist die Übereinstimmung von Befristungsgrund und Befristungsdauer als Indiz gegen einen Gestaltungsmissbrauch zu berücksichtigen. Daneben können grundrechtlich gewährleistete Freiheiten von Bedeutung sein (BAG 29. April 2015 – 7 AZR 310/13 – Rn. 25; 24. September 2014 – 7 AZR 987/12 – Rn. 38; 19. Februar 2014 – 7 AZR 260/12 – Rn. 36; 18. Juli 2012– 7 AZR 443/09 – Rn. 47, aaO). Außerdem sind die besonderen Anforderungen der in Rede stehenden Branchen und/oder Arbeitnehmerkategorien zu berücksichtigen, sofern dies objektiv gerechtfertigt ist (EuGH 26. Februar 2015 – C-238/14 – [Kommission/Luxemburg] Rn. 40). Der Schulbereich zeugt von der Notwendigkeit besonderer Flexibilität, die den Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge gemäß § 5 Nr. 1 Buchst. a der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverhältnisse im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 objektiv rechtfertigen kann, um dem Bedarf der Schulen angemessen gerecht zu werden und um zu verhindern, dass der Staat als Arbeitgeber dem Risiko ausgesetzt wird, erheblich mehr feste Lehrkräfte anzustellen, als zur Erfüllung seiner Verpflichtungen auf diesem Gebiet tatsächlich notwendig sind (EuGH 26. November 2014 – C-22/13 ua. – [Mascolo] Rn. 95). Allerdings wird auch in diesen für den Schulbereich nicht untypischen Fallkonstellationen eine weitere Prüfung der Umstände des Einzelfalls verlangt, um einen missbräuchlichen Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge im Sinne des § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung auszuschließen (vgl. EuGH 26. November 2014 – C-22/13 ua. – [Mascolo] Rn. 104). Deshalb muss der Arbeitgeber zwar auch dem branchentypisch wiederkehrenden, unplanbaren Vertretungsbedarf nicht grundsätzlich durch eine Personalreserve begegnen. Kann sich der Arbeitgeber jedoch ausnahmsweise wegen eines institutionellen Rechtsmissbrauchs nicht auf die Befristung des Arbeitsvertrags berufen, besteht damit ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, mag auch faktisch insoweit die Gefahr eines zeitweisen Personalüberhangs nicht völlig auszuschließen und bei den Personalplanungen zu berücksichtigen sein.
bb) Zur Bestimmung der Schwelle einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung von Sachgrundbefristungen kann an die gesetzlichen Wertungen in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG angeknüpft werden. Die Vorschrift macht eine Ausnahme von dem Erfordernis der Sachgrundbefristung und erleichtert damit den Abschluss von befristeten Verträgen bis zu der festgelegten Höchstdauer von zwei Jahren bei maximal dreimaliger Verlängerungsmöglichkeit. Sie kennzeichnet den nach Auffassung des Gesetzgebers unter allen Umständen unproblematischen Bereich. Ist ein Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG gegeben, lässt erst das erhebliche Überschreiten dieser Grenzwerte den Schluss auf eine missbräuchliche Gestaltung zu. Zumindest regelmäßig besteht hiernach bei Vorliegen eines die Befristung an sich rechtfertigenden Sachgrunds kein gesteigerter Anlass zur Missbrauchskontrolle, wenn die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG für die sachgrundlose Befristung bezeichneten Grenzen nicht um ein Mehrfaches überschritten sind. Werden diese Grenzen jedoch alternativ oder insbesondere kumulativ mehrfach überschritten, ist eine umfassende Missbrauchskontrolle geboten, in deren Rahmen es Sache des Arbeitnehmers ist, noch weitere für einen Missbrauch sprechende Umstände vorzutragen. Werden die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG genannten Grenzen alternativ oder insbesondere kumulativ in gravierendem Ausmaß überschritten, kann eine missbräuchliche Ausnutzung der an sich eröffneten Möglichkeit zur Sachgrundbefristung indiziert sein. In einem solchen Fall hat allerdings der Arbeitgeber die Möglichkeit, die Annahme des indizierten Gestaltungsmissbrauchs durch den Vortrag besonderer Umstände zu entkräften (BAG 29. April 2015 – 7 AZR 310/13 – Rn. 26; 18. Juli 2012 – 7 AZR 443/09 – Rn. 48, BAGE 142, 308).
b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dass sich die Befristung im vorliegenden Fall nicht als rechtsmissbräuchlich erweist, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
aa) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG genannten Grenzen hier kumulativ – hinsichtlich der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses und der Anzahl der befristeten Arbeitsverträge – in besonders gravierendem Ausmaß überschritten sind. Die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses umfasst einen Zeitraum von acht Jahren und zehn Monaten und übersteigt damit das Vierfache des in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG genannten Werts. Innerhalb dieses Zeitraums wurden 18 Vertragsverlängerungen vereinbart. Dies ist das Sechsfache der in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG vorgesehenen Anzahl von drei Verlängerungen.
bb) Das Landesarbeitsgericht hat den damit indizierten Rechtsmissbrauch nach einer umfassenden Würdigung der Gesamtumstände als widerlegt angesehen.
Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass das beklagte Land keine Personalreserve vorhalten müsse, um den Vertretungsbedarf auszugleichen, der aufgrund der „branchenspezifischen Besonderheit” des Schulbetriebs in jedem Schuljahr in nicht vorhersehbarem und planbarem Umfang durch die vorübergehende Verhinderung von Lehrkräften mit unterschiedlichen Fächerkombinationen in unterschiedlicher Stundenhöhe entsteht. Es hat zudem angenommen, gegen einen Gestaltungsmissbrauch spreche, dass die Klägerin an drei verschiedenen Schulen mit deutlich unterschiedlicher Stundenzahl beschäftigt worden sei und sich die Laufzeiten der mit der Klägerin geschlossenen Verträge weitestgehend an dem prognostizierten Vertretungsbedarf orientiert hätten. Daraus sei zu schließen, dass das beklagte Land die Befristungsmöglichkeit nicht in rechtsmissbräuchlicher Weise genutzt habe, um einen dauerhaften Personalmangel auszugleichen. Ein solcher dauerhafter Vertretungsbedarf bestehe im Fach Hauswirtschaft nicht, für das allein die Klägerin die erforderliche Lehrbefähigung besitze.
cc) Diese Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
(1) Die Erwägung des Landesarbeitsgerichts, eine „branchenspezifische Besonderheit des Schulbetriebs” bestehe darin, dass aufgrund von nicht vorhersehbarem Sonderurlaub, Erziehungsurlaub, Erkrankung von Lehrkräften, die mit unterschiedlichen Fächerkombinationen in unterschiedlicher Stundenzahl beschäftigt seien, für das beklagte Land in jedem Schuljahr ein Vertretungsbedarf in nicht vorhersehbarem und planbarem Umfang entstehe, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies allein reicht allerdings nicht aus, um einen Gestaltungsmissbrauch zu widerlegen. Davon ist auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen und hat aus der Vertragsbiographie der Klägerin, die an unterschiedlichen Schulen in unterschiedlichem Zeitumfang eingesetzt worden ist, rechtsfehlerfrei geschlossen, dass ihr nicht unter rechtsmissbräuchlicher Ausnutzung der Möglichkeiten der Vertretungsbefristung ein Vollzeitarbeitsverhältnis vorenthalten wurde. Dabei hat das Landesarbeitsgericht zu Recht berücksichtigt, dass die Klägerin nicht stets in derselben Dienststelle mit denselben Tätigkeiten beschäftigt, sondern an unterschiedlichen Schulen eingesetzt wurde. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht dabei als gegen einen Gestaltungsmissbrauch sprechend gewürdigt, dass die Klägerin nicht zur Vertretung in Gestalt der sogenannten gedanklichen Zuordnung (vgl. hierzu BAG 11. Februar 2015 – 7 AZR 113/13 – Rn. 20 f.; 18. Juli 2012 – 7 AZR 443/09 – Rn. 23 ff., BAGE 142, 308) beschäftigt wurde, sondern zur mittelbaren Vertretung von Lehrkräften an deren Schule. Wird ein Arbeitnehmer über einen langen Zeitraum im Rahmen aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverhältnisse in derselben Dienststelle im selben zeitlichen Umfang mit denselben Aufgaben – zudem noch im Wege der gedanklichen Zuordnung – betraut, spricht dies stärker für einen institutionellen Rechtsmissbrauch als eine Beschäftigung zur unmittelbaren oder mittelbaren Vertretung. Unmittelbare oder mittelbare Vertretungen innerhalb einer überschaubaren Organisationseinheit lassen hingegen eher den Schluss darauf zu, dass kein dauernder Vertretungsbedarf besteht. Die Befristungen der Arbeitsverträge mit der Klägerin beruhen auf schulbezogenen und nicht auf schulübergreifend organisierten Vertretungsketten. Anhaltspunkte dafür, dass an derselben Schule ein dauerhafter Vertretungsbedarf für den Lehrbedarf der Klägerin bestanden hätte, sind nicht ersichtlich.
(2) Auch die signifikanten Unterschiede des jeweils vereinbarten Lehrdeputats der Klägerin von zwei bis zu 25,5 Wochenstunden hat das Landesarbeitsgericht zu Recht als Anhaltspunkt dafür angesehen, dass das beklagte Land die wiederholt gegebenen Befristungsmöglichkeiten nicht genutzt hat, um einen dauerhaften Vertretungsbedarf wegen Erziehungsurlaubs oder Erkrankung von Stammkräften zu decken. Dies ergibt sich auch daraus, dass sich die Dauer der Befristung der mit der Klägerin geschlossenen Verträge weitgehend an dem prognostizierten Vertretungsbedarf orientiert hat.
(3) Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht die fachlich eingeschränkte Einsetzbarkeit der Klägerin als Umstand bewertet, der gegen einen Gestaltungsmissbrauch spricht. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Klägerin aufgrund ihrer Qualifikation grundsätzlich nur als Lehrerin im Fachbereich Hauswirtschaft eingesetzt werden kann. Dem steht nicht entgegen, dass sie in der Vergangenheit während eines kurzen Zeitraums auch in den Fächern Kunst, Deutsch und Englisch unterrichtet hat. Die Klägerin hat selbst nicht behauptet, über die fachlichen Voraussetzungen für einen derartigen Einsatz, also über die erforderliche Lehrbefähigung, zu verfügen. Sie kann nicht verlangen, als Stammkraft auch in Fächern eingesetzt zu werden, deren fachliche Voraussetzungen sie nicht erfüllt.
(4) Entgegen der Auffassung der Klägerin musste das Landesarbeitsgericht auch nicht feststellen, ob und in welchem Umfang in der Vergangenheit bei landesweiter Betrachtung ein ständiger Vertretungsbedarf für das Fach Hauswirtschaft bestand. Selbst wenn insoweit ein ständiger Vertretungsbedarf bestanden haben sollte, wäre das beklagte Land nicht ohne weiteres verpflichtet, eine Personalreserve in Form unbefristet beschäftigter Vertretungskräfte vorzuhalten.
(5) Schließlich unterliegt es keinem Rechtsfehler, dass das Landesarbeitsgericht im Rahmen der Gesamtwürdigung nicht geprüft hat, ob frühere, von der Klägerin nicht mit Befristungskontrollklagen angegriffene Befristungen möglicherweise nicht durch einen Sachgrund gerechtfertigt waren. Befristungsabreden, die nicht innerhalb der Frist des § 17 Satz 1 TzBfG mit einer Befristungskontrollklage angegriffen werden, gelten nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 KSchG als wirksam. Diese Fiktion steht einer späteren Prüfung auf ihre Rechtfertigung im Rahmen einer Rechtsmissbrauchskontrolle entgegen. Dass die Klägerin vom beklagten Land von der Erhebung einer Befristungskontrollklage abgehalten worden wäre, hat sie nicht vorgetragen.
3. Soweit sich die Klägerin in den Vorinstanzen darauf berufen hat, die Befristung verstoße gegen das Verbot der mittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts gemäß § 7 Abs. 2 iVm. § 3 Abs. 2 AGG, hat sie sich weder in der Revisionsbegründung noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf diese Rechtsauffassung berufen. Die Vorinstanzen haben dies verneint und angenommen, die tatsächlichen Voraussetzungen einer mittelbaren Diskriminierung seien nicht dargelegt worden. Hiergegen wendet sich die Revision nicht.
II. Aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 27. August 2010 ist das beklagte Land nicht verpflichtet, der Klägerin über diesen Zeitpunkt hinaus nach § 615 Satz 1 BGB die vereinbarte Vergütung zu zahlen.
III. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Gräfl, für den erkrankten Richter am Bundesarbeitsgericht Waskow Gräfl, Kiel, Maaßen, Krollmann
Fundstellen
Haufe-Index 9108733 |
BB 2016, 628 |
FA 2016, 155 |
NZA 2016, 354 |
ZTR 2016, 285 |
AP 2016 |
EzA-SD 2016, 7 |
EzA 2016 |
PersV 2016, 195 |
RiA 2016, 209 |
öAT 2016, 79 |
ArbR 2016, 145 |