Entscheidungsstichwort (Thema)
Verjährung. Unterbrechung. Hemmung. “Höhere Gewalt” bei Aufhebung einer rechtskräftigen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts auf Verfassungsbeschwerde
Leitsatz (amtlich)
Die auf Verfassungsbeschwerde eines Arbeitnehmers vom Bundesverfassungsgericht aufgehobene – zunächst rechtskräftige – Abweisung einer Kündigungsschutzklage ist als solche keine “höhere Gewalt” iSd. § 203 Abs. 2 BGB aF. Sie hemmt die Verjährungsfrist für vom Ausgang des Kündigungsschutzprozesses abhängige Annahmeverzugsansprüche nicht, wenn der Kläger keinerlei Anstrengungen zur Wahrung der Verjährungsfrist unternommen hat, obwohl er dazu in der Lage war.
Orientierungssatz
- Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird die Verjährung der sich aus § 615 BGB ergebenden Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers durch eine Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG nicht nach § 209 Abs. 1 BGB unterbrochen.
- Der Verfassungsbeschwerde kommt keine verjährungsunterbrechende Wirkung zu. § 209 Abs. 1 BGB ist weder unmittelbar noch analog anwendbar. Die Verfassungsbeschwerde stellt kein weiteres zusätzliches Rechtsmittel dar. Als außerordentlichem Rechtsbehelf kommt ihr kein Suspensiveffekt zu. Sie hemmt den Eintritt der formellen und materiellen Rechtskraft nicht.
- Die Vorschriften der §§ 202 bis 207 BGB beruhen auf dem Grundsatz, daß die Verjährung so lange nicht gegen den Gläubiger laufen darf, als er sein Recht nicht durchsetzen kann. Daß der Gläubiger zur klageweisen Durchsetzung seines Rechts außer Stande ist, kann auf verschiedenen Gründen beruhen. Dem tragen die §§ 202 ff. BGB Rechnung, indem sie zwischen den verschiedenen Erscheinungsformen nach Grund und Folgen differenzieren.
- An die Annahme “höherer Gewalt” iSd. § 203 BGB sind strenge Anforderungen zu stellen. Der Begriff entspricht im wesentlichen dem unabwendbaren Zufall iSd. § 233 Abs. 1 ZPO (in der bis zum 30. Juni 1977 geltenden Fassung).
- Es ist anerkannt, daß auch Fehler amtlicher Stellen sich als höhere Gewalt gegenüber einer rechtzeitigen Rechtsverfolgung darstellen können.
- Höhere Gewalt iSd. § 203 Abs. 2 BGB liegt jedoch stets nur dann vor, wenn die Verhinderung auf Ereignissen oder Umständen beruht, die auch durch die äußerste, vernünftiger Weise noch zu erwartende Sorgfalt nicht hätte vermieden werden können. Schon das geringste Verschulden schließt höhere Gewalt aus.
- Die auf Verfassungsbeschwerde eines Arbeitnehmers vom Bundesverfassungsgericht aufgehobene – zunächst rechtskräftige – Abweisung einer Kündigungsschutzklage ist als solche nicht “höhere Gewalt” iSd. § 203 Abs. 2 BGB. Sie hemmt die Verjährungsfrist für vom Ausgang des Kündigungsschutzprozesses abhängige Annahmeverzugsansprüche nicht, wenn der Kläger keinerlei Anstrengungen zur Wahrung der Verjährungsfrist unternommen hat, obwohl er dazu in der Lage war.
Normenkette
BGB a.F. §§ 202-203, 209; ZPO a.F. § 580 Nr. 6; BGB §§ 202-203, 209; ZPO § 580 Nr. 6 (Gesetze in der bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung)
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 26. Februar 2001 – 2 Sa 106/99 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger macht Vergütungsansprüche aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs geltend. Außerdem streiten die Parteien über Grund und Höhe von Zinsansprüchen, die der Kläger für die Zeit des Annahmeverzugs verlangt.
Der 1945 geborene Kläger steht als Lehrer in den Diensten des beklagten Freistaates und erhält Vergütung nach VergGr. III BAT-O. Er war im August 1968 in der damaligen DDR in den Schuldienst getreten und hatte unterschiedliche Funktionen ausgeübt; von September 1983 bis August 1986 war der Kläger als Kreisschulinspektor, von Juli 1987 bis Juli 1990 als stellvertretender Kreisschulrat tätig. Sein beruflicher Werdegang war von einem einjährigen Besuch der Bezirksparteischule der SED und von der Ausübung ehrenamtlicher Tätigkeiten in der SED begleitet. Seit dem 1. September 1990 wurde der Kläger wieder als Lehrer eingesetzt.
Mit Schreiben vom 25. September 1991 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger und stützte sich auf Art. 20 Abs. 1 iVm. Anl. I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Nr. 1 EV (künftig: Abs. 4 Nr. 1 EV). Auf die vom Kläger erhobene Kündigungsschutzklage stellte das Kreisgericht Bautzen mit Urteil vom 30. Januar 1992 (– 5 Ca 3672/91 –) die Unwirksamkeit der Kündigung fest. Das Landesarbeitsgericht wies dagegen die Klage mit Urteil vom 25. Februar 1993 (– 6 (4) Sa 60/92 –) ab. Die Revision des Klägers wies das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 27. April 1995 zurück (– 8 AZR 275/93 –). Die vom Kläger hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde führte zur Aufhebung der Urteile des Bundes- und des Landesarbeitsgerichts durch Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 1998 (– 1 BvR 1812/95 –). In der erneuten Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 4. Juni 1998 nahm der Beklagte die Berufung gegen das Urteil des Kreisgerichts Bautzen zurück. Seit dem 1. Juli 1998 ist der Kläger wieder als Lehrer für den Beklagten tätig.
Mit der am 10. Juni 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verlangt der Kläger – soweit jetzt noch von Interesse – Annahmeverzugsvergütung für die Zeit von 1992 bis 1995 in mittlerweile unstreitiger Höhe von 413.120,96 DM brutto abzüglich anderweitig erzielter Einkünfte von 156.776,67 DM brutto nebst 4 vH Zinsen. Ferner verlangt der Kläger 4 vH Zinsen aus Bruttogehaltsansprüchen für die Zeit von Januar 1996 bis Juni 1998, wobei er sich anderweitig erzielten Verdienst und vom Beklagten geleistete Zahlungen von der Hauptforderung abziehen läßt. Der Kläger ist der Auffassung, die vom Beklagten für die Zeit von 1992 bis 1995 erhobene Verjährungseinrede greife nicht durch. Die Verjährung sei unterbrochen oder gehemmt gewesen. Einer erfolgreichen Zahlungsklage habe die rechtskräftige Abweisung der Kündigungsschutzklage durch das Bundesarbeitsgericht entgegengestanden. Jedenfalls in entsprechender Anwendung der Restitutionsvorschrift des § 580 Ziff. 6 ZPO oder unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben müsse die Einrede der Verjährung erfolglos sein.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger zu zahlen:
413.120,96 DM brutto nebst jeweils 4 % Zinsen auf einen Bruttobetrag von 538,03 DM seit dem 16. Februar 1992,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 3.479,54 DM seit dem 16. März 1992,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 3.479,54 DM seit dem 16. April 1992,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 4.278,66 DM seit dem 16. Mai 1992,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 4.278,66 DM seit dem 16. Juni 1992,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 4.278,66 DM seit dem 16. Juli 1992,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 500,00 DM seit dem 16. Juli 1992,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 4.278,66 DM seit dem 16. August 1992,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 4.278,66 DM seit dem 16. September 1992,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 4.278,66 DM seit dem 16. Oktober 1992,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 4.278,66 DM seit dem 16. November 1992,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 3.251,78 DM seit dem 16. November 1992,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 4.523,16 DM seit dem 16. Dezember 1992,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 4.358,87 DM seit dem 16. Januar 1993,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 4.358,87 DM seit dem 16. Februar 1993,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 4.358,87 DM seit dem 16. März 1993,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 4.358,87 DM seit dem 16. April 1993,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 4.358,87 DM seit dem 16. Mai 1993,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 4.551,19 DM seit dem 16. Juni 1993,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 4.920,20 DM seit dem 16. Juli 1993,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 500,00 DM seit dem 16. Juli 1993,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 4.920,20 DM seit dem 16. August 1993,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 4.920,20 DM seit dem 16. September 1993,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 4.920,20 DM seit dem 16. Oktober 1993,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 4.920,20 DM seit dem 16. November 1993,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 3.739,35 DM seit dem 16. November 1993,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 4.920,20 DM seit dem 16. Dezember 1993,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 4.920,20 DM seit dem 16. Januar 1994,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 4.920,20 DM seit dem 16. Februar 1994,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 4.920,20 DM seit dem 16. März 1994,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 4.920,20 DM seit dem 16. April 1994,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 4.920,20 DM seit dem 16. Mai 1994,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 4.920,20 DM seit dem 16. Juni 1994,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 4.920,20 DM seit dem 16. Juli 1994,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 500,00 DM seit dem 16. Juli 1994,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 4.920,20 DM seit dem 16. August 1994,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 5.018,60 DM seit dem 16. September 1994,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 5.144,07 DM seit dem 16. Oktober 1994,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 5.144,07 DM seit dem 16. November 1994,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 3.814,14 DM seit dem 16. November 1994,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 5.144,07 DM seit dem 16. Dezember 1994,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 5.144,07 DM seit dem 16. Januar 1995,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 5.144,07 DM seit dem 16. Februar 1995,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 5.144,07 DM seit dem 16. März 1995,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 5.144,07 DM seit dem 16. April 1995,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 5.308,68 DM seit dem 16. Mai 1995,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 5.308,68 DM seit dem 16. Juni 1995,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 5.308,68 DM seit dem 16. Juli 1995,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 500,00 DM seit dem 16. Juli 1995,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 5.308,68 DM seit dem 16. August 1995,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 5.308,68 DM seit dem 16. September 1995,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 5.438,16 DM seit dem 16. Oktober 1995,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 5.438,16 DM seit dem 16. November 1995,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 4.034,60 DM seit dem 16. November 1995,
auf einen weiteren Bruttobetrag von 5.438,16 DM seit dem 16. Dezember 1995,
sowie weitere 4 % Zinsen jeweils aus 68.908,31 DM brutto seit dem 16. Dezember 1996, aus 70.839,54 DM seit dem 16. Dezember 1997, aus 33.948,24 DM seit dem 16. Juni 1998
abzüglich anderweitig erzielte Einkünfte iHv. 156.776,67 DM brutto sowie für den Zeitraum vom 1. Januar 1996 bis 30. Juni 1998 geleisteter 45.568,59 DM brutto.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Einrede der Verjährung erhoben. Weder habe die Kündigungsschutzklage die Verjährung unterbrochen, noch sei dem Kläger durch die rechtskräftige Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts die Möglichkeit der fristwahrenden Zahlungsklage genommen gewesen. Die Voraussetzungen einer Restitution seien nicht gegeben und die Verjährungseinrede nicht treuwidrig erhoben. Verzugszinsen seien schon deshalb nicht geschuldet, weil der Beklagte auf die Richtigkeit der Urteile von Landes- und Bundesarbeitsgericht habe vertrauen dürfen. Er habe sich in einem unverschuldeten Rechtsirrtum befunden.
Das Arbeitsgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 4 vH Zinsen aus dem dem jeweiligen Bruttobetrag entsprechenden Nettobetrag für Vergütungsforderungen des Klägers von 1996 bis Juni 1998 verurteilt und dabei vom Bruttobetrag Abzüge vorgenommen. Im übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die Anschlußberufung des Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren im Umfang der zuletzt gestellten Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Den Forderungen des Klägers für die Zeit von 1992 bis 1995 steht die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Verzugszinsen für Vergütungsansprüche ab 1996 schuldet der Beklagte nicht.
- Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Vergütungsansprüche für die Zeit bis 1995 seien verjährt. Die Kündigungsschutzklage habe die Verjährungsfrist nicht nach § 209 Abs. 1 BGB (BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung, im folgenden: BGB) unterbrochen. Das entspreche der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der das Berufungsgericht aus Respekt vor der Einheitlichkeit der Rechtsordnung folge. Die Verjährung sei auch nicht wegen Stillstands der Rechtspflege (§ 203 Abs. 1 BGB) oder anderweitiger höherer Gewalt (§ 203 Abs. 2 BGB) gehemmt gewesen. Ausgangspunkt müsse dabei die Situation des Klägers nach rechtskräftiger Abweisung der Kündigungsschutzklage im Jahre 1995 sein. Zu diesem Zeitpunkt seien die Ansprüche aus dem Jahre 1992 schon verjährt gewesen. “Höhere Gewalt” iSd. § 203 BGB, deren Unterfall der “Stillstand der Rechtspflege” sei, könne nur angenommen werden, wenn der Anspruchsteller darlege und gegebenenfalls beweise, daß es auch am geringsten Verschulden auf seiner Seite fehle. Ein solcher Fall könne zwar auch vorliegen, wenn der Gläubiger auf die Richtigkeit in Wahrheit fehlerhafter amtlicher Entscheidungen vertraue. Der Kläger habe aber mit Erhebung der Verfassungsbeschwerde gezeigt, daß er gerade nicht auf die Richtigkeit der rechtskräftigen Abweisung seiner Kündigungsschutzklage vertraut habe. Der Kläger habe auch nicht vorgetragen, daß er eine Zahlungsklage – verbunden mit einem Aussetzungsantrag – oder die verhandlungsweise Erlangung eines Einredeverzichts des Beklagten überhaupt nur erwogen oder versucht habe. Gegen Treu und Glauben verstoße die Erhebung der Verjährungseinrede deshalb nicht, weil der Beklagte nie einen Zweifel daran gelassen habe, sich vom Kläger trennen zu wollen. Vertrauen des Klägers auf einen Gehaltsanspruch nach Ablauf der Kündigungsfrist habe sich nicht entwickeln können. Verzugszinsen könne der Kläger nicht verlangen. Der Beklagte habe sich in einem angesichts der rechtskräftigen Abweisung der Kündigungsschutzklage durch das Bundesarbeitsgericht entschuldbaren Rechtsirrtum befunden.
Dem folgt der Senat im Ergebnis und weitgehend auch in der Begründung.
I. Die Klage ist unbegründet, soweit der Kläger für den Zeitraum von 1992 bis 1995 Vergütung aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs nach §§ 611, 615 BGB verlangt. Ob die Ansprüche entstanden sind, kann dahinstehen. Der Beklagte ist nach § 222 Abs. 2 BGB berechtigt, die Leistung zu verweigern, weil die Ansprüche verjährt sind. Das hat das Landesarbeitsgericht zu Recht erkannt.
1. Nach § 196 Abs. 1 Nr. 8 BGB betrug die Verjährungsfrist für die hier streitigen Vergütungsansprüche des Klägers zwei Jahre. Sie begann nach §§ 198, 201 BGB mit Schluß des Jahres, in dem die Ansprüche entstanden sind. Demnach ist die Verjährungsfrist für die Ansprüche aus dem Jahre 1992 am 31. Dezember 1994, die Ansprüche aus dem Jahre 1993 am 31. Dezember 1995, die Ansprüche aus dem Jahre 1994 am 31. Dezember 1996 und für die Ansprüche aus dem Jahre 1995 am 31. Dezember 1997 abgelaufen. Die Klage wurde erst im Jahre 1998 erhoben. Sie konnte die bereits vollendeten Fristen nicht wahren.
2. Die Verjährung der Annahmeverzugsansprüche ist durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage nicht gem. § 209 Abs. 1 BGB unterbrochen worden. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird die Verjährung der sich aus § 615 BGB ergebenden Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers durch eine Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG nicht nach § 209 Abs. 1 BGB unterbrochen (BAG 7. November 1991 – 2 AZR 159/91 – AP BGB § 209 Nr. 6 = EzA BGB § 209 Nr. 5, zu B der Gründe; 29. Mai 1961 – 5 AZR 162/59 – AP BGB § 209 Nr. 2, zu I 2 der Gründe; 1. Dezember 1960 – 5 AZR 20/58 – BAGE 9, 7, 12, zu I 2 der Gründe). Hieran ist festzuhalten.
In der Entscheidung vom 7. November 1991 (aaO) hat sich der Senat ausführlich mit den in der Literatur vertretenen Gegenauffassungen auseinandergesetzt. Neue Gesichtspunkte, die Anlaß zu einer Änderung der Rechtsprechung geben könnten, sind nicht ersichtlich.
3. Da der Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage die Vergütungsansprüche nicht umfaßte, konnte die Verjährung etwa noch nicht verjährter Ansprüche auch nicht durch Erhebung der Verfassungsbeschwerde unterbrochen werden. Außerdem kommt der Verfassungsbeschwerde keine verjährungsunterbrechende Wirkung zu. § 209 Abs. 1 BGB ist weder unmittelbar noch analog anwendbar. Die Verfassungsbeschwerde stellt kein weiteres zusätzliches Rechtsmittel dar. Als außerordentlichem Rechtsbehelf kommt ihr kein Suspensiveffekt zu. Sie hemmt den Eintritt der formellen und materiellen Rechtskraft nicht. Die Rechtskraft der angegriffenen Entscheidung ist bei der Verfassungsbeschwerde in der Regel gerade eine Zulässigkeitsvoraussetzung (BVerfG 14. Mai 1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166, 213; 18. Januar 1996 – 1 BvR 2116/94 – BVerfGE 93, 381, 385; Schlaich/Korioth Das Bundesverfassungsgericht 5. Aufl. Rn. 186).
4. Die Revision macht ohne Erfolg geltend, die Verjährung sei nach § 202 Abs. 1 BGB oder nach § 203 BGB gehemmt gewesen.
Die Vorschriften der §§ 202 bis 207 BGB beruhen auf dem Grundsatz, daß die Verjährung solange nicht gegen den Gläubiger laufen darf, als er sein Recht nicht durchsetzen kann (“agere non valenti non currit praescriptio”, vgl. Staudinger/Frank Peters BGB (2001) § 202 Rn. 1). Daß der Gläubiger zur klagweisen Durchsetzung seines Rechts außer Stande ist, kann auf verschiedenen Gründen beruhen. Dem tragen die §§ 202 ff. BGB Rechnung, indem sie zwischen den verschiedenen Erscheinungsformen nach Grund und Folgen differenzieren.
a) Nach § 202 Abs. 1 BGB ist die Verjährung gehemmt, solange die Leistung gestundet oder der Verpflichtete aus einem anderen Grund vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigt ist. Maßgeblich ist, ob der Schuldner aus rechtlichen Gründen vorübergehend die Leistung verweigern kann: Der Gläubiger soll nicht gezwungen sein, einen Anspruch einzuklagen, der zeitweilig nicht durchsetzbar ist, weil ihm eine dilatorische Einrede entgegensteht. Der Gläubiger darf warten, bis der maßgebliche Zeitraum (zB Stundungszeitraum) abgelaufen ist. Dagegen erfaßt § 202 Abs. 1 BGB nicht die Fälle, in denen der Schuldner lediglich das Entstehen des Anspruchs bestreitet. Denn in diesen Fällen befindet sich der Gläubiger in der für den Zivilprozeß üblichen Lage, daß der Schuldner den Anspruch dem Grunde nach in Abrede stellt. In diesen Fällen gibt es für den Gläubiger keinen rechtlichen Grund, auf eine Verbesserung seiner Klagechance zu warten. Er kann – und muß – sofort klagen, wenn er die Verjährungsfrist unterbrechen will (Staudinger/Frank Peters aaO § 202 Rn. 4).
aa) Soweit die Revision geltend macht, der Kläger sei vorübergehend “aus einem anderen Grund” zur Verweigerung der Leistung berechtigt gewesen, übersieht sie, daß es im Rahmen des § 202 Abs. 1 BGB nicht darauf ankommt, ob der Gläubiger, sondern ob der Schuldner zur Verweigerung der Leistung auf Grund einer aufschiebenden Einrede berechtigt ist (Erman – W. Hefermehl BGB 10. Aufl. § 202 Rn. 5).
bb) Daß dem Beklagten zu irgendeinem Zeitpunkt eine dilatorische Einrede zugestanden hätte, trägt der Kläger selbst nicht vor. Der Beklagte hat vielmehr seine Leistungspflicht allein deshalb bestritten, weil er annahm, die Kündigung habe das Arbeitsverhältnis beendet und deshalb bestehe auch kein Vergütungsanspruch.
cc) Die Revision macht ohne Erfolg geltend, die Zahlungsklage sei auf Grund der Rechtskraft der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27. April 1995 erst mit dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts wieder möglich geworden und bis dahin habe der Beklagte die Zahlung – vorübergehend iSd. § 202 Abs. 1 BGB – verweigern dürfen. Der Revision ist zuzugeben, daß eine Verjährungshemmung auch dann eintreten kann, wenn der klageweisen Geltendmachung vorübergehend ein rechtliches Hindernis entgegensteht (Erman – W. Hefermehl aaO Rn. 7). Indes bestand ein solches rechtliches Hindernis hier nicht. Der Kläger war von Rechts wegen an einer Zahlungsklage ebensowenig gehindert wie an der Durchführung der Kündigungsschutzklage. Er hätte vor Vollendung der Verjährungsfristen klagen können. Der Beklagte hätte sich gegen die klagweise Geltendmachung der Vergütungsansprüche dann vermutlich ebenso verteidigt wie gegen die Kündigungsschutzklage, indem er vorgetragen hätte, das Arbeitsverhältnis sei auf Grund wirksamer Kündigung beendet. Eine Zahlungsklage wäre im für den Kläger ungünstigsten Fall zunächst zwar rechtskräftig abgewiesen worden, auf zulässige Verfassungsbeschwerde wären rechtskräftig abweisende Entscheidungen der Fachgerichte jedoch aufgehoben worden. Letztlich hätte der Kläger obsiegt. Dies zeigt, daß der Zahlungsklage vor Vollendung der Verjährungsfrist kein rechtliches Hindernis entgegenstand. Nur solche rechtlichen Hindernisse können aber unter dem Gesichtspunkt des § 202 Abs. 1 BGB zur Hemmung der Verjährungsfrist führen.
b) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, die Verjährung sei auch nicht nach § 203 BGB gehemmt gewesen. Nach dieser Vorschrift ist die Verjährung gehemmt, solange der Berechtigte durch Stillstand der Rechtspflege (§ 203 Abs. 1 BGB) oder in anderer Weise durch höhere Gewalt (§ 203 Abs. 2 BGB) innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist an der Rechtsverfolgung gehindert ist.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß ein Stillstand der Rechtspflege nicht vorgelegen hat. Das ist ersichtlich nicht zu beanstanden. Daß die Gerichte irgendwann im fraglichen Zeitraum ihre Tätigkeit eingestellt hätten (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 60. Aufl. § 203 Rn. 3), behauptet auch der Kläger nicht.
bb) Der Kläger war auch nicht in anderer Weise durch höhere Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist an der Rechtsverfolgung gehindert.
cc) Bei dem Begriff “höhere Gewalt” handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Das Revisionsgericht kann die Anwendung derartiger unbestimmter Rechtsbegriffe durch das Berufungsgericht nur daraufhin überprüfen, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Subsumtion des Sachverhalts Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (st. Rspr. vgl. BAG 11. September 2001 – 1 ABR 2/01 – EzA BetrVG 1972 § 95 Nr. 34; 16. Mai 2000 – 9 AZR 241/99 – BAGE 94, 329, 334). Diesem Prüfungsmaßstab wird die Würdigung des Berufungsgerichts gerecht.
dd) An die Annahme höherer Gewalt sind strenge Anforderungen zu stellen (BGH 7. Mai 1997 – VIII ZR 253/96 – BB 1997, 1383). Der Begriff entspricht im wesentlichen dem unabwendbaren Zufall iSd. § 233 Abs. 1 ZPO aF (Staudinger/ Frank Peters aaO § 203 Rn. 11; MünchKommBGB/Grothe § 203 Rn. 3). Höhere Gewalt kann durch äußere Ereignisse gegeben sein. Es ist anerkannt, daß auch Fehler amtlicher Stellen sich als höhere Gewalt gegenüber einer rechtzeitigen Rechtsverfolgung darstellen können (vgl. BAG 29. November 1990 – 2 AZR 312/90 – AP BGB § 203 Nr. 2 und 27. Februar 1991 – 5 AZR 316/90 – nv.: irrtümliche Löschung der Gemeinschuldnerin im Handelsregister; LAG Düsseldorf 13. Februar 1998 – 9 (13) Sa 1726/97 – MDR 1998, 784: objektiv fehlerhafte Abweisung einer Kündigungsschutzklage und spätere Aufhebung der Entscheidung auf Restitutionsklage). Die Rechtsprechung gewährt der amtlichen Sachbehandlung eine weitgehende Richtigkeitsvermutung, sofern es sich nicht nur um allgemeine, vom Einzelfall losgelöste Auskünfte oder Belehrungen handelt. Ob diese Grundsätze auch für eine sogenannte “gefestigte anspruchsfeindliche Rechtsprechung” gelten, ist streitig (dafür: BGH 8. Oktober 1987 – VII ZR 358/86 – NJW 1988, 197; dagegen: BAG 6. Dezember 1961 – 4 AZR 297/60 – BAGE 12, 97; LAG Niedersachsen 22. September 1998 – 13 Sa 454/98 – ZTR 1999, 33 und Staudinger/Frank Peters aaO § 203 Rn. 7 mwN). Auf Entscheidungen eines obersten Gerichtshofes des Bundes, die sich – wie hier – als verfassungswidrig erweisen, ist § 203 Abs. 2 BGB bisher nicht angewandt worden. Höhere Gewalt kann schließlich auch in Ereignissen liegen, die den Gläubiger persönlich betreffen. Auch mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit wird als beachtlich angesehen (BGH 19. Januar 1978 – II ZR 124/76 – BGHZ 70, 235; Staudinger/Frank Peters aaO § 203 Rn. 15 ff.; Erman-W. Hefermehl aaO § 203 Rn. 4).
ee) Höhere Gewalt iSd. § 203 Abs. 2 BGB liegt jedoch stets nur dann vor, wenn die Verhinderung auf Ereignissen oder Umständen beruht, die auch durch die äußerste, vernünftiger Weise noch zu erwartende Sorgfalt nicht hätte vermieden werden können. Schon das geringste Verschulden schließt höhere Gewalt aus (BGH 24. September 1981 – IX ZR 93/80 – BGHZ 81, 353; Soergel/Niedenführ BGB 13. Aufl. § 203 Rn. 3; Staudinger/Frank Peters aaO § 203 Rn. 10). Stets ist Voraussetzung, daß der Berechtigte ohne jedes Eigenverschulden an der Klage gehindert war, was er darlegen und gegebenenfalls beweisen muß (vgl. zu § 202: Staudinger/Frank Peters aaO § 202 Rn. 35; Soergel/Niedenführ aaO § 292 Rn. 20). Dies prägt auch die in der Rechtsprechung entschiedenen Fallgestaltungen: So hat der Bundesgerichtshof Verjährungshemmung durch Bedürftigkeit nur dann angenommen, wenn die Partei ein Armenrechtsgesuch bzw. einen Antrag auf Prozeßkostenhilfe gestellt, also eigene Anstrengungen zur Klageerhebung unternommen hatte (BGH 19. Januar 1978 – II ZR 124/76 – BGHZ 70, 235; 22. März 2001 – IX ZR 407/98 – NJW 2001, 2545). Bei objektiv falscher Sachbehandlung durch Gerichte hat der Bundesgerichtshof als entscheidend angesehen, daß der Berechtigte “auf die falsche Fährte gelockt” worden war, also auf die Richtigkeit der gerichtlichen Sachbehandlung vertraute (vgl. BGH 15. Dezember 1994 – IX ZR 45/94 – NJW 1995, 1419; ebenso: OLG Hamm 17. Januar 1975 – 19 U 212/73 – FamRZ 1977, 551). In den vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fällen objektiv falscher Sachbehandlung durch Amtsträger hatte die Klagepartei auf die Richtigkeit der Entscheidungen vertraut und deshalb von weiterer Rechtsverfolgung abgesehen (BAG 29. November 1990 – 2 AZR 312/90 – AP BGB § 203 Nr. 2 und 27. Februar 1991 – 5 AZR 316/90 – nv.). Dies feste Vertrauen wurde als so schutzwürdig angesehen, daß es ein Eigenverschulden der Berechtigten ausschloß. Auch in dem vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf (13. Februar 1998 – 9 (13) Sa 1726/97 – MDR 1998, 784) entschiedenen Fall hatte die Klagepartei offenbar auf die Richtigkeit der Entscheidung im Kündigungsschutzverfahren vertraut. Dagegen hat der Bundesgerichtshof es als – wenn auch leichtes – Verschulden angesehen, wenn eine Partei auf die Auffassung eines Oberlandesgerichts vertraut hatte (BGH 8. Oktober 1987 – VII ZR 358/86 – NJW 1988, 197).
ff) Von diesen Grundsätzen ist auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen und hat angenommen, der Kläger habe nicht ohne eigenes Verschulden die Verjährungsfrist versäumt. Das ist nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat zum einen ausgeführt, die seinerzeitige Rechtsprechung des Achten Senats zu Kündigungen nach Abs. 4 Ziff. 1 EV sei wie die Regelung des Abs. 4 Ziff. 1 EV selbst durchaus umstritten gewesen. Ob bei dieser Lage von einer gefestigten anspruchsfeindlichen Rechtsprechung gesprochen werden kann, kann dahinstehen. Auch wenn man dies annähme, hat doch der Kläger, indem er Verfassungsbeschwerde erhob, selbst deutlich gemacht, daß er sich mit der rechtskräftigen Abweisung seiner Kündigungsschutzklage durch das Bundesarbeitsgericht nicht zufrieden geben wollte. Er war – wie das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat – durch eine etwaige anspruchsfeindliche Rechtsprechung gerade nicht an der klagweisen Verfolgung seiner Rechtsposition gehindert. Der Kläger hat die rechtskräftige Entscheidung im Kündigungsschutzprozeß nicht als unabwendbares Ereignis hingenommen, sondern sie im Gegenteil als korrigierbare Fehlentscheidung angesehen. Ihm war auch entgegen der Auffassung der Revision bis Ende 1997 ebenso wie danach die Erhebung einer schlüssigen Zahlungsklage möglich. Sie hätte – die übrigen Anspruchsvoraussetzungen als gegeben unterstellt – letztlich ebenso Erfolg gehabt wie die Kündigungsschutzklage.
gg) Der Kläger hat auch ansonsten keine Umstände dargelegt, aus denen sich eine unverschuldete Versäumung der Verjährungsfrist ergäbe. Insbesondere hat er nicht vorgetragen, wenigstens den Versuch zur Wahrung seiner Rechte unternommen zu haben. Er hat, wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, nicht dargelegt, daß er aus finanziellen Gründen zur Klageerhebung nicht im Stande war. Die insoweit erhobene und auf §§ 139, 278 Abs. 3 ZPO gestützte Verfahrensrüge ist unzulässig. Denn auch mit der Revision trägt der Kläger ebensowenig wie in den Vorinstanzen vor, welche Schritte er konkret erwogen oder versucht hat. Daß, wie die Revision dartut, die Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten des Klägers stets dahin beraten habe, es bestehe ein hohes Kostenrisiko, mag so sein. Nur bestand eben auch ein hohes Verjährungsrisiko. Ob und wann der Kläger selbst konkret auf die beiden Risiken hingewiesen wurde und aus welchen Gründen er sich entschieden hat, statt des Kostenrisikos das Verjährungsrisiko in Kauf zu nehmen, ist nicht dargetan. Im übrigen hat der Kläger auch nicht vorgetragen, daß mit ihm eine Zahlungsklage überhaupt erwogen wurde, geschweige denn, warum man von ihr absah. Daß es – wie der Kläger geltend macht – einen Beschluß der Landesrechtsstelle der GEW gab, für Zahlungsklagen keinen Rechtsschutz zu gewähren, mag ebenfalls richtig sein. Es bedeutet aber nicht, daß sich der Kläger selbst um Rechtsschutz auch nur bemüht hätte. Auch daß der Bevollmächtigte des Klägers den Versuch, eine Stundungsabrede mit dem Beklagten zu vereinbaren, als wenig erfolgversprechend einschätzte, ändert nichts daran, daß weder der Kläger noch sein Prozeßbevollmächtigter konkrete Anstalten zur Wahrung der Verjährungsfrist oder zum Erreichen eines pactum de non petendo gemacht haben. Der Vorwurf der Revision an das Berufungsgericht, es pönalisiere die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde und stelle an den Verfassungsbeschwerdeführer überzogene Sorgfaltsanforderungen, trifft nicht zu. Dem Kläger ist durch die Erhebung der Verfassungsbeschwerde kein Nachteil, sondern ein beträchtlicher Vorteil, nämlich der Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses, erwachsen. Die Verjährung ist nicht deshalb eingetreten, weil der Kläger Verfassungsbeschwerde eingelegt, sondern weil er die Verjährungsfrist nicht gewahrt hat. Mit der Verfassungsbeschwerde hat der Kläger seine verfassungsmäßigen Rechte in einer für ihn sehr wichtigen Frage mit Erfolg gewahrt. Die Wahrung der verfassungsmäßigen Rechte entbindet aber nicht von der Obliegenheit, die vom einfachen Gesetz vorgesehenen Fristen zu wahren. Dem entspricht es, daß die Verfassungsbeschwerde keine aufschiebende Wirkung hat. Nur unter engen Voraussetzungen greift das Bundesverfassungsgericht nach Einlegung einer Verfassungsbeschwerde durch Erlaß einer Einstweiligen Anordnung in den Rechtszustand ein, der sich bei Beachtung der angegriffenen – möglicherweise verfassungswidrigen – rechtskräftigen Entscheidung ergibt (vgl. nur: BVerfG 23. März 2001 – 1 BvR 238/01 – NJW 2001, 1562).
5. Dem Kläger war auch der Weg zu den Arbeitsgerichten nicht unter Verstoß gegen Verfassungsrecht faktisch versperrt.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wirken sich das Prinzip des sozialen Rechtsstaats und die in Art. 3 Abs. 1 GG gewährleistete Rechtsgleichheit auch auf die Durchsetzung individueller Rechtspositionen mit Hilfe der staatlichen Gerichte aus. Die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie gewährleistet in zivilrechtlichen Streitigkeiten – ebenso wie Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG für den Bereich des öffentlichen Rechts – nicht nur, daß überhaupt ein Rechtsweg zu den Gerichten offensteht. Sie garantiert vielmehr auch die Effektivität des Rechtsschutzes. Soweit der Zugang zu den Gerichten mit einem Kostenrisiko verbunden ist, kann diese verfassungsrechtliche Gewährleistung im Falle wirtschaftlichen Unvermögens faktisch in Frage gestellt sein. Deshalb hat der Gesetzgeber dafür Sorge zu tragen, daß auch die unbemittelte Partei in die Lage versetzt wird, ihre Belange im Rechtsstreit geltend zu machen. Von Verfassungs wegen wird verlangt, daß der armen Partei die Prozeßführung nicht unmöglich gemacht wird (BVerfG 2. März 1993 – 1 BvR 249/92 – BVerfGE 88, 118, 123; 26. April 1988 – 1 BvL 84/86 – BVerfGE 78, 104, 118; 22. Januar 1959 – 1 BvR 154/55 – BVerfGE 9, 124, 131).
b) Abgesehen davon, daß der Kläger keine Tatsachen vorgetragen hat, aus denen darauf geschlossen werden könnte, daß er in irgendeinem der in Frage kommenden Zeiträume mittellos oder in wirtschaftlicher Bedrängnis gewesen wäre, ist das System des arbeitsgerichtlichen Rechtsschutzes derart ausgestaltet, daß auch vermögenslose Arbeitnehmer nicht faktisch vom Zugang zu den Gerichten ausgeschlossen werden.
Der Gesetzgeber hat Arbeitnehmer in arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten allerdings nicht generell von jedem Kostenrisiko ausgenommen. Schon die Erhebung der Kündigungsschutzklage kann für Arbeitnehmer mit Kosten verbunden sein. Gleiches gilt für eine Vergütungsklage.
Dies ist verfassungsrechtlich unbedenklich, zumal der Gesetzgeber das Kostenrisiko für Arbeitnehmer begrenzt hat. Dies wäre auch dem Kläger bei einer Durchführung eines erstinstanzlichen Verfahrens zu Gute gekommen. Er hätte nach § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG (nur) seine eigenen außergerichtlichen Kosten, jedoch nicht die des Beklagten tragen müssen. Das Risiko, zur Zahlung von Gerichtskosten herangezogen zu werden, wäre auf einen Höchstbetrag von 1.000,00 DM (jetzt: 500,00 Euro) beschränkt gewesen (§ 12 Abs. 2 Satz 1 ArbGG). Diese wären nicht sofort fällig geworden, weil im Verfahren vor dem Arbeitsgericht kein Kostenvorschuß erhoben wird (§ 12 Abs. 4 Satz 1 ArbGG). Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt ist nicht vorgeschrieben (§ 11 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Zudem besteht für Arbeitnehmer die Möglichkeit, Prozeßkostenhilfe in Anspruch zu nehmen bzw. die Beiordnung eines Rechtsanwaltes zu beantragen (§§ 114 ff. ZPO, § 11a ArbGG). Bei der Entscheidung über die Prozeßkostenhilfe dürfen die Gerichte keine überzogenen Anforderungen an die Erfolgsaussichten einer Klage stellen. Die “hinreichende Aussicht auf Erfolg” iSd. § 114 ZPO darf nicht unter Beantwortung schwieriger, bislang nicht geklärter Rechtsfragen verneint werden (BVerfG 7. Mai 2002 – 1 BvR 1699/01 – VIZ 2002, 594).
6. Die Revision macht ohne Erfolg geltend, die Verjährung müsse in analoger Anwendung des § 580 Ziff. 6 ZPO außer Betracht bleiben. Nach der genannten Norm findet die Restitutionsklage statt, wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist. Die Restitutionsklage soll es ermöglichen, daß rechtskräftige Urteile überprüft werden, wenn ihre Grundlagen für jedermann erkennbar in einer für das allgemeine Rechtsgefühl unerträglichen Weise erschüttert sind (BGH 21. Januar 1988 – III ZR 252/86 – BGHZ 103, 121 mwN). Eine solche Erschütterung der Urteilsgrundlagen liegt nur vor, wenn zwischen dem Restitutionsgrund und der Vorentscheidung ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Dem angegriffenen Urteil muß durch den Restitutionsgrund eine der Grundlagen, auf denen es beruht, entzogen werden (BGH 12. April 1951 – IV ZR 111/50 – JZ 1952, 560 m. Anm. Rosenberg). Es geht um eine Durchbrechung der Rechtskraft im Interesse der materiellen Gerechtigkeit.
a) Soweit die Revision mit der analogen Anwendung des § 580 Nr. 6 ZPO erreichen will, daß die Aufhebung einer rechtskräftigen Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht als Restitutionsgrund zur Aufhebung anderer gerichtlicher Entscheidungen führen müsse, kann sie schon deshalb keinen Erfolg haben, weil es an einer solchen anderen gerichtlichen Entscheidung fehlt. Eine rechtskräftige Entscheidung über die vom Kläger verfolgten Zahlungansprüche liegt nicht vor.
b) Wenn die Revision meint, die Aufhebung einer rechtskräftigen Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht im Kündigungsschutzrechtsstreit müsse zur Erhebung einer Zahlungsklage entsprechend den Regeln der Restitutionsklage berechtigen, für die dann sowohl ein aufzuhebendes Urteil fingiert werden müßte als auch ein Restitutionsgrund durch Analogie zu gewinnen wäre, kann sie ebenfalls keinen Erfolg haben. Für eine solche “Restitutionsklage” hätte der Kläger bereits nicht die Frist des § 586 Abs. 1 ZPO gewahrt. Nach dieser Vorschrift ist die Restitutionsklage vor Ablauf der Notfrist eines Monats zu erheben. Nach § 586 Abs. 2 ZPO beginnt die Frist mit dem Tag, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat. Sähe man mit dem Kläger den Restitutionsgrund in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Februar 1998, so wäre die Frist nur dann gewahrt, wenn der Kläger, der die vorliegende Klage am 10. Juni 1998 beim Arbeitsgericht eingereicht hat, von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht vor dem 10. Mai 1998 erfahren hätte. Derartiges hat der Kläger nicht vorgetragen.
7. Der Beklagte verstößt nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn er sich auf die Vollendung der Verjährungsfrist beruft.
a) Die Verjährungsvorschriften dienen dem Rechtsfrieden und der Sicherheit des Rechtsverkehrs (BGH 16. Juni 1972 – I ZR 154/70 – BGHZ 59, 72). Daher sind an die Voraussetzungen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben bei der Berufung auf Verjährungsfristen strenge Maßstäbe anzulegen. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung kann nur gegenüber einem wirklich groben Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) durchgreifen. Auch der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes kann sich grundsätzlich auf Verjährung berufen (BAG 17. Dezember 1964 – 5 AZR 90/64 – AP BGB § 196 Nr. 2 = EzA BGB § 218 Nr. 1). Darin liegt noch keine Verletzung seiner Fürsorgepflicht. Dem Dienstherrn der öffentlichen Hand obliegen in dieser Beziehung keine weitergehenden Verpflichtungen als dem Arbeitgeber in der privaten Wirtschaft (BAG 16. Dezember 1959 – 4 AZR 392/57 – BAGE 8, 279). Als unzulässige Rechtsausübung erscheint die Erhebung der Verjährungseinrede dann, wenn die Untätigkeit des Gläubigers auf das Verhalten des Schuldners zurückzuführen ist. Der Schuldner setzt sich in Widerspruch zu seinem eigenen früheren Verhalten, wenn er zunächst den Gläubiger zur Untätigkeit veranlaßt, und später, indem er Verjährung geltend macht, aus dieser Untätigkeit einen Vorteil für sich ableiten will. Der Schuldner muß also, wenn auch unabsichtlich, seinen Gläubiger von der Klageerhebung abgehalten haben. Das kann man dann annehmen, wenn der Schuldner durch positives Tun, zB eine falsche Auskunft oder durch pflichtwidriges Unterlassen einen bestimmten Irrtum erregt hat (BAG 11. Juni 1959 – 4 AZR 205/57 – AP TOA § 20 Nr. 1; 28. Mai 1964 – 5 AZR 499/63 – AP BGB § 242 Unzulässige Rechtsausübung – Verwirkung Nr. 6; 29. Juli 1966 – 3 AZR 20/66 – AP BGB § 242 Ruhegehalt Nr. 115; 7. Mai 1986 – 4 AZR 556/83 – BAGE 52, 33; BGH 21. Januar 1988 – IX ZR 65/87 – NJW 1988, 2245).
b) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, daß die Vollendung der Verjährung nicht auf einem Verhalten des Beklagten beruhte. Der Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt einen Zweifel daran gelassen, daß er sich vom Kläger trennen wollte und nicht zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bereit war, folglich auch keine Vergütung zahlen wollte. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, im Hinblick auf den Verfassungsverstoß müsse es dem Beklagten verwehrt sein, die Verjährungseinrede zu erheben. Demgegenüber hat bereits das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, daß das geltende Recht die Folgen der Feststellung eines Verfassungsverstoßes durch das Bundesverfassungsgericht regelt und insbesondere keine weiteren zivilrechtlichen Folgen an die Aufhebung einer rechtskräftigen Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht knüpft, als sie sich aus der Beseitigung der verfassungswidrigen Entscheidung selbst ergeben. Über deren Streitgegenstand hinaus bleibt die einfachgesetzliche Rechtslage unberührt. Nach § 95 Abs. 2 BVerfGG hebt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung auf, wenn es der Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung stattgibt. Wenn es sich um eine gerichtliche Entscheidung handelt, verweist es die Sache an ein zuständiges Gericht zurück. Beides ist hier geschehen. Weitere Folgen der Aufhebung einer verfassungswidrigen Entscheidung sieht das Gesetz nicht vor.
II. Die vom Kläger erhobenen Zinsansprüche auf die Vergütungsforderungen für die Zeit ab Januar 1996 sind unbegründet. Der Kläger hat schon die Hauptforderungen für die Verzögerungszeiträume nicht schlüssig dargelegt.
Nach dem bis zuletzt aufrecht erhaltenen Antrag macht der Kläger Zinsen aus insgesamt 173.696,09 DM brutto geltend, wobei er sich verschiedene Beträge abziehen läßt, ohne jedoch darzulegen, von welchen Zeitpunkten an welche Beträge von der Hauptforderung abgesetzt werden sollen. Aus den Darlegungen des Klägers und seinen Anträgen ist die Höhe der jeweils zu verzinsenden Hauptforderung – bezogen auf die Verzögerungszeiträume – nicht errechenbar. Von der Gesamtforderung läßt er sich zunächst 45.568,59 DM brutto abziehen. Dies ist der vom Beklagten nachgezahlte Betrag. Da der Kläger den Abzug aber nicht zeitlich eingegrenzt hat, muß dieser Abzugsposten von der gesamten vom Kläger bezifferten Hauptforderung abgesetzt werden. Es verblieben sodann 128.127,50 DM brutto. Nach eigenem Vortrag hat der Kläger jedoch anrechnungspflichtigen Verdienst erzielt (§ 11 Nr. 1 KSchG). Diesen hatte er zunächst mit 118.687,00 DM brutto angegeben. Im Verlauf des Rechtsstreits erster Instanz hat der Kläger diese Angabe korrigiert und den anzurechnenden Verdienst mit 133.127,50 DM brutto beziffert. Zum Beleg dieser Bezifferung hat sich der Kläger dann auf eine Aufstellung des Beklagten bezogen, aus der sich anzurechnender Verdienst iHv. 128.127,50 DM brutto ergibt. Auch insoweit hat der Kläger nicht dargetan, von welchen Zeitpunkten an er die Abzüge angerechnet wissen will. Damit hat er nicht dargelegt, aus welcher – nach Abzug verbleibenden – Hauptforderung er Zinsen begehrt.
- Die Kosten der Revision muß der Kläger nach § 97 Abs. 1 ZPO tragen.
Unterschriften
Rost, Bröhl, Schmitz-Scholemann, Bensinger, Röder
Fundstellen
Haufe-Index 940483 |
BAGE 2004, 290 |
DB 2003, 2179 |
NJW 2003, 2849 |
FA 2003, 242 |
FA 2003, 255 |
NZA 2003, 963 |
SAE 2003, 322 |
AP, 0 |
EzA-SD 2003, 5 |
EzA |
MDR 2003, 939 |
NJ 2003, 559 |