Entscheidungsstichwort (Thema)
Verhältnis Kündigungsschutzklage. allgemeiner Feststellungsantrag. beschränkte Revisionszulassung
Leitsatz (amtlich)
- Ein innerhalb der Frist des § 4 KSchG erhobener Antrag gemäß § 256 Abs. 1 ZPO, mit dem die Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses begehrt wird, wahrt die Klagefrist für die erste und auch für spätere Kündigungen jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer die Sozialwidrigkeit der Kündigungen noch bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz geltend macht (Fortführung der Senatsrechtsprechung, vgl. BAGE 57, 231 = AP Nr. 19 zu § 4 KSchG 1969 und Urteil vom 27. Januar 1994 – 2 AZR 484/93 – AP Nr. 28 zu § 4 KSchG 1969); dies gilt unabhängig davon, ob für den Antrag zunächst ein Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO bestand.
- Bestehen Zweifel, ob der Klageantrag (auch) ein Feststellungsbegehren gemäß § 256 Abs. 1 ZPO beinhaltet, sind diese gemäß § 139 ZPO zu klären (Senatsurteil vom 27. Januar 1994 – 2 AZR 484/93 – aaO); notfalls ist der bei Ablauf der Klagefrist des § 4 KSchG bestehende Umfang des Rechtsschutzbegehrens durch Auslegung zu ermitteln (insoweit übereinstimmend BAG Urteil vom 16. März 1994 – 8 AZR 97/93 – AP Nr. 29 zu § 4 KSchG 1969). Ob ein Zusatz zu einem Antrag nach § 4 KSchG, der das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses anspricht, regelmäßig als Feststellungsantrag gemäß § 256 ZPO zu werten ist, bleibt unentschieden.
Normenkette
KSchG § 13 Abs. 1, § 4 S. 1, § 7; ZPO § 256 Abs. 1; ArbGG § 72 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 17.03.1994; Aktenzeichen 9 Sa 712/93) |
ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 06.04.1993; Aktenzeichen 5 Ca 1200/92 P) |
Tenor
- Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. März 1994 – 9 Sa 712/93 – insoweit aufgehoben, als es die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien durch die Kündigung vom 7. Januar 1993 festgestellt, die Abweisung der auf die gegenteilige Feststellung gerichteten Klage im Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 6. April 1993 – 5 Ca 1200/92 P – bestätigt und die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen hat. Insoweit wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
- Die Revision der Beklagten wird als unzulässig verworfen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von fristlosen Kündigungen, die dem Kläger mit Schreiben vom 14. Dezember 1992 und 7. Januar 1993 erklärt wurden.
Der am 1. Februar 1932 geborene Kläger war seit dem 22. März 1972 bei der Beklagten als Chefarzt der Abteilung für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin am Städtischen Krankenhaus P… beschäftigt. Er war zuletzt in die VergGr. I der Anl. 1a zum BAT eingestuft und erhielt darüber hinaus eine außertarifliche Zulage von jährlich 15.000,-- DM brutto. Außerdem erzielte der Kläger Einnahmen aus dem Recht, privat liquidieren zu können, wobei sich diese nach Abzug der Abgaben an einen Krankenhausmitarbeiterpool auf etwa 200.000,-- DM pro Jahr beliefen.
Der Kläger hatte sich, nachdem die Errichtung einer Eigenbluttransfusionsabteilung für das Städtische Krankenhaus P… im Januar 1992 besprochen worden war, mit Schreiben vom 2. März 1992 bereiterklärt, hierfür ein Konzept zu erstellen.
Am 26. November 1992 fand eine Sitzung des ärztlichen Vorstandes statt. Dabei wurde der Kläger von seiten des ärztlichen Direktors aufgefordert, über die Problematik der Eigenbluttransfusion und seine diesbezügliche Tätigkeit einen Sachstandsbericht zu geben. Der Kläger erklärte daraufhin, daß er sich in einem Rechtsstreit mit dem Oberbürgermeister der Beklagten befinde und vor dessen Klärung die Organisation seiner Abteilung nicht verändern werde.
Mit Schreiben vom 14. Dezember 1992 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Das Kündigungsschreiben wurde am 14. Dezember 1992 durch Boten zum Privathaus des an diesem Tag ortsabwesenden Klägers überbracht. Diesen Brief fand der Kläger bei seiner Rückkehr am nächsten Morgen um 6.00 Uhr vor. Darüber hinaus ließ die Beklagte die Kündigung auch noch durch einen Gerichtsvollzieher am 14. Dezember 1992 zustellen. Da dieser in der Wohnung des Klägers niemanden antraf, legte er das Kündigungsschreiben beim Amtsgericht P… nieder und heftete an die Haustür des Klägers eine schriftliche Mitteilung über die Niederlegung des Schriftstücks. Außerdem übermittelte die Beklagte das Kündigungsschreiben am 14. Dezember 1992 per Telefax an den Prozeßbevollmächtigten des Klägers.
Der Kläger erhob, unter dem 17. Dezember 1992 bei Gericht eingehend, Klage mit dem Antrag:
- Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weiterhin besteht und durch die außerordentliche Kündigung vom 14. Dezember 1992 nicht beendet worden ist.
- Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Mit Schreiben vom 7. Januar 1993, welches dem Kläger noch am selben Tag übergeben wurde, erklärte die Beklagte wegen der anhaltenden Auseinandersetzungen des Klägers mit dem Oberbürgermeister (der Kläger hatte u.a. Strafanzeigen erstattet und Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben) eine weitere fristlose Kündigung.
Am 19. Januar 1993 fand ein erfolgloser Gütetermin statt. Mit Schriftsatz vom 12. Februar 1993, bei Gericht eingegangen am 24. Februar 1993, kündigte der Kläger dann folgende Anträge an:
- Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weiterhin besteht und durch die außerordentlichen Kündigungen vom 14. Dezember 1992 und 7. Januar 1993 nicht beendet worden ist.
- Die Beklagte wird dazu verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Klageantrag Ziff. 1) in seiner Position als Chefarzt der Abteilung für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin weiterzubeschäftigen und gem. BAT I zu besolden.
- Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Er hat u.a. geltend gemacht, für die Kündigung vom 14. Dezember 1992 fehle es an einer vorherigen Abmahnung und unabhängig davon an einem wichtigen Grund; auch habe die Beklagte die Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt. Die Kündigung vom 7. Januar 1993 sei ebensowenig durch einen wichtigen Grund gerechtfertigt, seine Reaktionen auf das Verhalten des Oberbürgermeisters seien arbeitsrechtlich nicht zu beanstanden.
Der Kläger hat schließlich beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weiter besteht und durch die außerordentlichen Kündigungen vom 14. Dezember 1992 und 7. Januar 1993 nicht beendet worden ist,
- die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Klageantrag Ziff. 1) in seiner Position als Chefarzt der Abteilung für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat u.a. die Ansicht vertreten, die Kündigung vom 14. Dezember 1992 sei wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung berechtigt. Hinsichtlich der weiteren Kündigung vom 7. Januar 1993 habe der Kläger schon die Klagefrist versäumt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.
Auf die Berufung des Klägers, mit der dieser seinen Weiterbeschäftigungsantrag nicht mehr gestellt hat, hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien erst durch die Kündigung vom 7. Januar 1993 beendet worden ist. Die Kosten des Rechtsstreits hat das Landesarbeitsgericht dem Kläger auferlegt. Die weitergehende Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen und die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen, wobei es die Revisionszulassung in den Entscheidungsgründen des Urteils auf die Frage der Rechtzeitigkeit der Klageerweiterung vom 12. Februar 1993 bezüglich der Kündigung vom 7. Januar 1993 beschränkt hat; demgemäß besagt die von der Kammer unterschriebene Rechtsmittelbelehrung, die Revision könne von dem Kläger eingelegt werden, für die Beklagte sei gegen die Entscheidung kein Rechtsmittel gegeben.
Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Feststellung, daß das Arbeitsverhältns zwischen den Parteien über den 14. Dezember 1992 und den 7. Januar 1993 hinaus wegen der Unwirksamkeit der an diesen Tagen ausgesprochenen Kündigungen weiterhin besteht; hilfsweise beantragt der Kläger festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht. Die Beklagte hat ebenfalls Revision eingelegt mit dem Ziel der Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist mangels Zulassung unzulässig (§ 72 Abs. 1 ArbGG). Dagegen führt die Revision des Klägers insoweit zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung (§§ 564 Abs. 1, 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO), als das Landesarbeitsgericht die Kündigung vom 7. Januar 1993 für wirksam erachtet hat.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung vom 14. Dezember 1992 sei nicht fristgerecht erklärt worden (§ 626 Abs. 2 BGB). Das Arbeitsverhältnis der Parteien sei aber durch die Kündigung vom 7. Januar 1993 fristlos beendet worden, weil der Kläger diese Kündigung nicht innerhalb der Klagefrist des § 4 KSchG angegriffen habe; sein ursprünglicher Klageantrag habe insoweit nicht fristwahrend gewirkt, denn für eine Feststellung gemäß § 256 ZPO habe kein Rechtsschutzbedürfnis bestanden und der Kläger habe auch in der Güteverhandlung am 19. Januar 1993 keinen Bezug zu der Kündigung vom 7. Januar 1993 hergestellt.
II. Die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts zur Kündigung vom 14. Dezember 1992 hat der Senat nicht zu überprüfen, weil die Revision der Beklagten nicht statthaft ist. In dem angegriffenen Urteil ist die Revision nämlich nur für den Kläger, nicht auch für die Beklagte zugelassen. Für diese Beschränkung der Revisionszulassung spricht bereits der verkündete Tenor. Danach hat das Landesarbeitsgericht die Kosten des Rechtsstreits allein dem Kläger auferlegt, also keine nennenswerte Beschwer der Beklagten gesehen. Dazu kommt, daß die Zulassung der Revision mit der Zurückweisung der weitergehenden Berufung des Klägers in einem Absatz verbunden ist. Schon der verkündete Tenor läßt es daher höchst zweifelhaft erscheinen, ob die Revision unbeschränkt, d.h. auch für die Beklagte eröffnet werden sollte. Jedenfalls bei einer derart offensichtlich auslegungsbedürftigen Rechtsmittelzulassung kann für die Auslegung auf die Entscheidungsgründe zurückgegriffen werden (für generelle Heranziehbarkeit der Entscheidungsgründe BAGE 29, 221 = AP Nr. 5 zu § 91 ArbGG 1953; vgl. zur Beschränkung der nur für eine der Parteien erfolgten Zulassung auf einzelne Teile des Streitstoffs BAG Urteil vom 6. Juni 1984 – 7 AZR 451/82 – AP Nr. 16 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, m.w.N.; zur Zulassung der Revision in den Entscheidungsgründen vgl. BAG Urteil vom 23. November 1994 – 4 AZR 528/92 – AP Nr. 27 zu § 72 ArbGG 1979 und Senatsurteil vom 5. Oktober 1995 – 2 AZR 244/95 – n.v.).
Etwa noch bestehende Zweifel werden vorliegend durch VII. der Entscheidungsgründe ausgeräumt, wonach die Revision zugelassen wurde, “soweit es die Rechtzeitigkeit der Klageerweiterung vom 12.2.1993 bezüglich der Kündigung vom 7.1.1993 anlangt”. Zwar konnte das Landesarbeitsgericht die Zulassung nicht auf einen einzelnen rechtlichen Gesichtspunkt beschränken, sondern nur auf einen solchen Teil des Streitstoffes, über den auch durch Teil- oder Zwischenurteil entschieden werden könnte (vgl. BAGE 47, 179 = AP Nr. 89 zu § 626 BGB, m.w.N.; BAGE 51, 314 = AP Nr. 2 zu § 180 BGB). Die Entscheidungsgründe lassen aber eindeutig erkennen (“… soweit …”), daß die Zulassung der Revision nur den Teil des Streitstoffes betreffen sollte, in dem es um die Wirksamkeit der Kündigung vom 7. Januar 1993 ging. Insoweit handelte es sich um einen abtrennbaren Streitgegenstand, weshalb gegen eine entsprechende Beschränkung der Revisionszulassung keine Bedenken bestehen. Durch die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über diesen Teil des Streitgegenstandes war allein der Kläger beschwert, nicht die Beklagte. Ihre Revision ist schon deshalb – auch als unselbständige Anschlußrevision (vgl. Senatsurteil vom 26. Januar 1995 – 2 AZR 355/94 – EzA § 626 BGB n.F. Nr. 115; Thomas/Putzo, ZPO, 19. Aufl., § 556 Rz 4) – unzulässig, so daß offenbleiben kann, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen für die Bestimmung des Umfangs der Rechtsmittelzulassung auf die Rechtsmittelbelehrung des Urteils zurückgegriffen werden kann.
III. Der Auffassung des Landesarbeitsgerichts zur Wirksamkeit der Kündigung vom 7. Januar 1993 folgt der Senat nicht.
1. Der Kläger hat in der Revisionsbegründungsschrift ausgeführt, hinsichtlich der Wirksamkeit der ersten Kündigung der Beklagten sei das Urteil des Landesarbeitsgerichts zutreffend und solle aufrechterhalten bleiben. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger ferner auf Fragen des Vorsitzenden gemäß § 139 ZPO klargestellt, daß sein Hauptantrag auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung abziele und die allgemeine Feststellung des Bestehens des Arbeitsverhältnisses der Parteien nurmehr mit dem Hilfsantrag begehrt werde. Der Hauptantrag des Klägers ist deshalb dahingehend auszulegen, daß der Kläger unter teilweiser Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts und insoweit in Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts die Feststellung begehrt, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei auch durch die Kündigung vom 7. Januar 1993 nicht aufgelöst worden. Mit diesem Antrag ist die Revision des Klägers zulässig.
2. Die Revision ist ferner begründet, weil entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts der Kläger ursprünglich zumindest auch einen Feststellungsantrag gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erhoben und hinsichtlich der Kündigung vom 7. Januar 1993 die Klagefrist der §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 4 Satz 1 KSchG gewahrt hat.
a) Ob im Zeitpunkt des Ablaufs der Klagefrist ein Feststellungsantrag gemäß § 256 ZPO vorliegt, mit dem das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht und damit jeglicher Auflösungstatbestand negiert wird, ist im Zweifelsfall durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BAG Urteil vom 16. März 1994 – 8 AZR 97/93 – AP Nr. 29 zu § 4 KSchG 1969). Vorliegend hat der Kläger in erster Linie die Feststellung begehrt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weiterhin bestehe. Sein Antrag auf allgemeine Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses war schon von daher nicht bloß ein unselbständiger, floskelartiger Hinweis auf die üblichen Rechtsfolgen der Unwirksamkeit einer gemäß §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 4 Satz 1 KSchG angegriffenen Kündigung, sondern als das erstrangige Rechtsschutzbegehren des Klägers ausgewiesen. Dazu kommt, daß der Kläger bereits in der Klageschrift auf andere arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen mit dem Oberbürgermeister sowie darauf hingewiesen hatte, die Beklagte habe das Kündigungsschreiben vom 14. Dezember 1992 mehrfach zugestellt. Dies deutete zumindest objektiv auf die Gefahr weiterer Auflösungstatbestände und möglicher Folgekündigungen, woraus sich ein über den bloßen Kündigungsschutzantrag hinausgehendes Feststellungsinteresse ergeben konnte. Unter diesen Umständen kann dem erstrangigen Feststellungsantrag des Klägers selbständige Bedeutung nicht abgesprochen werden. Der Antrag war als solcher ernst zu nehmen, unabhängig davon, ob bereits damals ein ausreichendes Feststellungsinteresse wirklich bestand. Die Reichweite des Rechtsschutzbegehrens hängt nicht von seiner Zulässigkeit ab. Eine mangels Feststellungsinteresse zunächst unzulässige Klage kann im Laufe des Verfahrens zulässig werden, wenn eine Veränderung der Umstände das Feststellungsinteresse begründet. Es kann danach vorliegend offenbleiben, ob schon der bloße Zusatz “… sondern fortbesteht” zum Kündigungsschutzantrag gemäß § 4 KSchG regelmäßig als Antrag gemäß § 256 ZPO auszulegen ist, weil er meist von Anwälten und Rechtssekretären in Kenntnis des Senatsurteils vom 21. Januar 1988 – 2 AZR 581/86 – (BAGE 57, 231 = AP Nr. 19 zu § 4 KSchG 1969) zur Vermeidung eines möglichen Rechtsverlustes durchaus bewußt und von daher ernstgemeint angefügt wird (insoweit ablehnend BAG Urteil vom 16. März 1994 – 8 AZR 97/93 – AP, aaO, zu III 2 der Gründe). Es bedarf auch keiner Entscheidung, inwieweit erst nach Ablauf der Klagefrist – z.B. auf richterlichen Hinweis gemäß § 139 ZPO – erfolgte Klarstellungen noch zur Antragsauslegung herangezogen werden können (vgl. das Urteil des Achten Senats des Bundesarbeitsgerichts, aaO, zu III 3b der Gründe). Unabhängig davon hatte der Kläger hier eine “echte” Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erhoben.
b) Im Rahmen dieser Feststellungsklage, mit der der Kläger jeglichen Auflösungstatbestand für den Zeitraum bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung negierte, konnte sich der Kläger auf die Unwirksamkeit weiterer Kündigungen, hier also auf die der Kündigung vom 7. Januar 1993, berufen, auch wenn er sie erst später als drei Wochen nach Zugang der Kündigung in den Prozeß einführte. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seit BAGE 57, 231 = AP, aaO (vgl. zuletzt Urteil vom 16. März 1994 – 8 AZR 97/93 – AP, aaO, zu III 2 der Gründe, m.w.N.). An ihr hält der Senat trotz der zum Teil in der Literatur geäußerten Kritik (vgl. Boemke, RdA 1995, 211, 219 f., 225 ff., m.w.N.) jedenfalls für den Fall fest, daß die Unwirksamkeit der Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 und 3 KSchG bzw. im Sinne von §§ 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG, 626 BGB bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz geltend gemacht wird (§ 6 KSchG). Der speziellen Geltendmachung der Unwirksamkeit steht nicht die schon mit dem Feststellungsantrag nach § 256 ZPO gegebene Rechtshängigkeit entgegen (so aber Dütz, Anm. zu BAG Urteil vom 16. März 1994 – 8 AZR 97/93 – EzA § 4 KSchG n. F. Nr. 49, III 2). In der nachträglichen Erhebung des Kündigungsschutzantrags im Sinne von § 4 KSchG liegt nämlich grundsätzlich zugleich eine – gemäß §§ 264 Nr. 2 ZPO, 6 KSchG stets zulässige – Änderung des Feststellungsantrags insoweit, als dieser den Zeitraum vor dem mit der nun speziell angegriffenen Kündigung vorgesehenen Auflösungszeitpunkt erfaßt. Wird daneben der allgemeine Feststellungsantrag gemäß § 256 ZPO aufrechterhalten, bezieht er sich nurmehr auf die Zeit danach und gewöhnlich weiterhin bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung. Spätestens zum letztgenannten Zeitpunkt muß für den weiterhin gestellten allgemeinen Feststellungsantrag allerdings ein nicht mehr aus den speziell angegriffenen Kündigungen herleitbares Rechtsschutzinteresse an alsbaldiger Feststellung gemäß § 256 Abs. 1 ZPO vorliegen, soweit sich die Zulässigkeit nicht ausnahmsweise aus § 256 Abs. 2 ZPO ergibt; andernfalls ist die Klage teilweise abzuweisen (vgl. Senatsurteil vom 27. Januar 1994 – 2 AZR 484/93 – AP Nr. 28 zu § 4 KSchG 1969).
Danach hat der Kläger für die Kündigung vom 7. Januar 1993 die Klagefrist der §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 4 Satz 1 KSchG jedenfalls dadurch gewahrt, daß er mit Schriftsatz vom 12. Februar 1993 die Feststellung beantragt hat, das Arbeitsverhältnis sei durch die genannte Kündigung nicht beendet worden, wobei er sich zur Begründung u.a. auf das Fehlen eines wichtigen Grundes und die Nichteinhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB berufen hat. Ob die genannte Kündigung gemäß § 626 BGB rechtswirksam ist, kann der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht selbst entscheiden. Das angegriffene Urteil war deshalb insoweit aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die in der Revisionsinstanz angefallenen Kosten, zurückzuverweisen.
Unterschriften
Etzel, Bitter, Fischermeier, Frey, Baerbaum
Fundstellen
Haufe-Index 872254 |
BAGE, 371 |
BB 1995, 2658 |
BB 1996, 1227 |
NJW 1996, 2179 |
JR 1996, 528 |
NZA 1996, 334 |
ZIP 1996, 388 |
AP, 0 |