Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderungskündigung. Versetzung
Leitsatz (redaktionell)
vgl. Senatsurteil vom 30. September 1993 (– 2 AZR 283/93 – AP Nr. 33 zu § 2 KSchG 1969, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung vorgesehen)
Normenkette
BetrVG §§ 99, 102
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Urteil vom 18.01.1994; Aktenzeichen 11 Sa 1589/93) |
ArbG Hannover (Urteil vom 10.08.1993; Aktenzeichen 3 Ca 181/93) |
Tenor
1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 18. Januar 1994 – 11 Sa 1589/93 – aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die 43 Jahre alte Klägerin war seit 12. November 1990 bei der Volkshochschule O. beschäftigt, die zum 1. April 1991 vom beklagten Bildungswerk übernommen worden ist. Sie arbeitete zunächst als Sozialbetreuerin im Rahmen der Bildungsmaßnahmen des Beklagten in B. Ihr Einsatz wurde von der Bundesanstalt für Arbeit (BA) finanziert. Eine zwischen dem Beklagten und der BA über die Kostenerstattung abgeschlossene Vereinbarung vom 25. Januar 1993, die bis zum 31. Dezember 1993 lief, kündigte die BA mit Schreiben vom 15. Februar 1993 zum 31. März 1993. Daraufhin sprach der Beklagte mit Schreiben vom 24. Februar 1993 der Klägerin gegenüber eine Änderungskündigung zum 31. Mai 1993 aus und bot ihr an, bereits ab 1. April 1993 die gleiche Arbeit zu den gleichen Arbeitsbedingungen in L. zu verrichten.
Die Klägerin, die das Angebot unter Vorbehalt angenommen hat und seit 1. April 1993 in L. arbeitet, hält die Änderung der Arbeitsbedingungen für sozial ungerechtfertigt. Sie hat vor allem geltend gemacht, das Änderungsangebot zum 1. April 1993 sei völlig unbestimmt gewesen. Eine Arbeitsplatzbeschreibung habe nicht vorgelegen und die Mittel für den Arbeitsplatz in L. seien offenbar nur bis 31. August 1993 bewilligt gewesen, ohne daß ihr der Beklagte dies mitgeteilt habe. Ihr Arbeitsplatz in B. sei demgegenüber durch die Vereinbarung mit der Arbeitsverwaltung zumindest bis 31. Dezember 1993 abgesichert gewesen. Angesichts der offensichtlichen Rechtswidrigkeit der Kündigung des Vertrages durch die BA sei es dem Beklagten zumutbar gewesen, gegen die BA gerichtlich vorzugehen, anstatt ihr zu kündigen.
Jedenfalls scheitere die Wirksamkeit der Kündigung an der fehlenden Beteiligung des zuständigen Betriebsrats. Inhalt der Änderungskündigung sei eine Versetzung. Die Wirksamkeit der Kündigung habe deshalb eine Beteiligung des Betriebsrats des selbständigen Betriebs in L. nach § 99 BetrVG vorausgesetzt, die nicht erfolgt sei. Was die Anhörung nach § 102 BetrVG anbelange, so treffe es zwar zu, daß im Zeitpunkt der Kündigung in B. kein Betriebsrat bestanden habe. Der Beklagte hätte jedoch prüfen müssen, ob nicht insoweit der Betriebsrat des Hauptbetriebs in Hannover hätte angehört werden müssen, was ebenfalls nicht ordnungsgemäß geschehen sei.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen aufgrund der Kündigung vom 24. Februar 1993 sozial ungerechtfertigt ist.
Der Beklagte hat zur Stützung seines Klageabweisungsantrags behauptet, eine betriebsbedingte Kündigung sei nach Streichung der Mittel durch die BA unausweichlich gewesen, da die Klägerin in B. die einzige Sozialbetreuerin gewesen sei. Den freien Arbeitsplatz in L. habe man der Klägerin angeboten und es habe sich durch die Versetzung nur der Arbeitsort geändert. Ob in L. irgendwann eine betriebsbedingte Kündigung zu erwarten gewesen sei, habe er nicht überschauen können. Jedenfalls sei der Arbeitsplatz in L. nicht unsicherer gewesen als alle anderen aus öffentlichen Mitteln finanzierten Arbeitsplätze seines Bildungswerks. Die Streichung der Mittel für die Stelle in B. habe er angesichts seiner Abhängigkeit von öffentlichen Förderungsmitteln hinnehmen müssen.
Die Aus- und Weiterbildungsstätte B. sei ein selbständiger Betrieb mit 18 Mitarbeitern gewesen, in dem auch nach Ausspruch der Kündigung ein Betriebsrat gewählt worden sei. Rein vorsorglich habe er zu der Änderungskündigung der Klägerin den Betriebsrat des Hauptbetriebs in Hannover angehört. Diesem seien die Kündigungsgründe, insbesondere der Wegfall der Förderungsmittel und die fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin in B. im einzelnen erläutert worden. Nach Ausspruch der Kündigung am 30. März 1993 habe man auch den Betriebsrat der Ausbildungswerkstatt in L. über die beabsichtigte Versetzung der Klägerin unterrichtet. Dieser habe weder Bedenken geäußert noch gar seine Zustimmung verweigert.
Das Arbeitsgericht hat nach dem Klageantrag erkannt, das Landesarbeitsgericht die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung (§ 565 ZPO), damit das Landesarbeitsgericht abschließend über die soziale Rechtfertigung der Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung vom 24. Februar 1993 entscheiden kann.
I. Das Landesarbeitsgericht, dem im Zeitpunkt der Verkündung des Berufungsurteils das damals noch nicht veröffentlichte Senatsurteil vom 30. September 1993 (– 2 AZR 203/93 – AP Nr. 33 zu § 2 KSchG 1969, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) noch nicht bekannt war, hat angenommen, die Änderungskündigung des Beklagten sei aus betriebsverfassungsrechtlichen Gründen unwirksam, weil der Beklagte nicht ausreichend dargelegt habe, daß er den Betriebsrat in L. über die beabsichtigte Versetzung der Klägerin nach § 99 BetrVG ordnungsgemäß unterrichtet und dessen Zustimmung zu der Versetzung eingeholt habe.
II. Der Beklagte rügt zu Recht eine Verletzung materiellen Rechts (§§ 102, 99 BetrVG). Entgegen der Auffassung der Vorinstanz hängt die Wirksamkeit der Änderungskündigung nicht davon ab, ob zu der Versetzung der Klägerin eine ordnungsgemäße Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG vorliegt bzw. ersetzt ist. Beabsichtigt der Arbeitgeber eine Versetzung des Arbeitnehmers i.S.v. § 95 Abs. 3 BetrVG, die er ohne Änderungskündigung auf der Grundlage des bestehenden Vertrages bzw. seines Direktionsrechts nicht durchsetzen kann, so muß er zu der Änderungskündigung den Betriebsrat nach § 102 BetrVG anhören. Für die Versetzung ist darüber hinaus zwar nach § 99 BetrVG die Zustimmung des Betriebsrats erforderlich. Die Wirksamkeit der Änderungskündigung hängt aber nicht von der Durchführung des Verfahrens nach § 99 BetrVG ab. Fehlt die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung nach § 99 BetrVG, so ist nicht die Änderungskündigung unwirksam, der Arbeitgeber kann dann lediglich die Versetzung tatsächlich nicht durchführen (Senatsurteil vom 30. September 1993 – 2 AZR 283/93 –, a.a.O.). Die Entscheidung des Falles hing deshalb nicht – wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat – davon ab, ob eine wirksame Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG wenigstens nachträglich erteilt worden ist. Ob überhaupt eine Versetzung i.S.v. § 95 Abs. 3 BetrVG vorlag, kann damit offenbleiben.
III. Ob die Kündigung des Beklagten aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, kann der Senat mangels entsprechender Tatsachenfeststellungen durch das Berufungsgericht nicht beurteilen. Dies führt zur Zurückverweisung.
1. Das Landesarbeitsgericht wird der Frage nachzugehen haben, ob die Wirksamkeit der Änderungskündigung daran scheitert, daß keine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG vorliegt. In der Betriebsstätte in B. bestand zwar im Zeitpunkt der Kündigung kein Betriebsrat. Es wird jedoch zu prüfen sein, ob der Betriebsrat des Hauptbetriebs in Hannover zu beteiligen war und ggf. wirksam beteiligt worden ist.
2. Auf die Frage der Sozialwidrigkeit der Änderung der Arbeitsbedingungen ist das Landesarbeitsgericht – von seinem rechtlichen Ausgangspunkt her konsequent – überhaupt nicht eingegangen. Dies wird nach der Zurückverweisung ebenfalls nachzuholen sein.
Unterschriften
Etzel, Fischermeier, Bröhl, Nipperdey, J. Walter
Fundstellen