Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichbehandlung beim Urlaubsgeld
Normenkette
BGB § 242
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 24. Juni 1999 – 6 Sa 241/99 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung von Urlaubsgeld für 1997.
Die Beklagte ist eine von mehreren Tochtergesellschaften, die aus einem Zeitungsverlag ausgegliedert wurden. Die Klägerin und die Kläger sind bei der Beklagten, der für die Stadt A. zuständigen Tochtergesellschaft als Zeitungszusteller beschäftigt. Vor der Ausgliederung waren die Zusteller gemeinsam mit vollzeitig angestellten Vertriebsinspektoren und Vertriebshelfern in einem Betrieb tätig. Bereits während dieser Zeit wurde zwischen den nur teilzeitbeschäftigten Zeitungszustellern und den vollzeitbeschäftigten Vertriebshelfern sowie den angestellten Vertriebsinspektoren unterschieden. Die Vertriebsinspektoren und die Vertriebshelfer erhielten ein Urlaubsgeld in Höhe von 68,2 % ihres Monatsverdienstes. Den Zustellern wurde kein Urlaubsgeld gewährt. Nach der Ausgründung der Tochtergesellschaften und der Aufteilung der Zustellungsbezirke schlossen die Muttergesellschaft und die Tochtergesellschaften einerseits und der bei der Muttergesellschaft gewählte Betriebsrat andererseits zur Beilegung zahlreicher Meinungsverschiedenheiten und laufender Beschlußverfahren am 9. August 1990 eine Vereinbarung: In dieser erkannten die Beteiligten an, daß keine der Tochtergesellschaften mit der Mutter einen gemeinsamen Betrieb bildet. Weiterhin wurde dort geregelt:
„9. Es besteht Einvernehmen darüber und die Beteiligten zu 3.) bis 6.) erklären, daß die bei ihnen beschäftigten Vertriebsinspektoren auch in Zukunft so angesehen werden, als wären sie noch dem Tarifvertrag für kaufmännische Angestellte in den Verlagen für Tageszeitungen im Land NRW unterworfen; das gilt auch für zukünftig Beschäftigte in der selben Funktion. Die Beteiligten zu 3.)–6.) sichern zu, daß die Vertriebshelfer und die Nachlieferungsfahrer die Zusatzleistungen erhalten, auf die sie bis zum 31.12.1989 bei der Beteiligten zu 1.) Anspruch hatten.
…”
Zunächst beschäftigte die Beklagte über 200 Zeitungszusteller sowie drei Vertriebshelfer und vier Vertriebsinspektoren. 1993 wurden die Vertriebshelfer zur Muttergesellschaft „zurückgegliedert”. Die Zahl der Zeitungszusteller bei der Beklagten wurde erheblich reduziert. Am 22. Mai 1995 schloß der Betriebsrat mit der Beklagten eine „Betriebsvereinbarung zur Regelung der Vergütung für Zustellerinnen und Zusteller von Tageszeitungen”, in der keine Regelung über Urlaubsgeldleistungen enthalten ist. Mit den im Juni 1998 erhobenen Klagen haben die klagenden Zeitungszusteller unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung Ansprüche auf Urlaubsgeld für 1997 geltend gemacht.
Die Kläger haben im einzelnen beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 1. DM 1.126,89 brutto zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 2. Juni 1998 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 2. DM 1.705,– brutto zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 2. Juni 1998 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 3. DM 469,– brutto zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 2. Juni 1998 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 4. DM 707,– brutto zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 2. Juni 1998 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 5. DM 314,– brutto zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 2. Juni 1998 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 6. DM 1.086,– brutto zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 2. Juni 1998 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, die Ungleichbehandlung sei sachlich gerechtfertigt. Sie zahle das Urlaubsgeld nicht als freiwillige Leistung. Den Vertriebsinspektoren stehe ein Anspruch aufgrund der Vereinbarung vom 9. August 1990 zu.
Das Arbeitsgericht hat den Klagen stattgegeben und – soweit der Beschwerdewert nicht erreicht war – die Berufung zugelassen. Die Berufungen der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht nach Verfahrensverbindung zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klagen.
Entscheidungsgründe
I. Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen der Beklagten zu Recht zurückgewiesen. Die Klägerin und die Kläger haben unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung Anspruch auf Gewährung des geltend gemachten Urlaubsgelds für 1997, dessen Höhe zwischen den Parteien unstreitig ist.
1. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist anwendbar, wenn ein Arbeitgeber Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt sowie bestimmte Voraussetzungen oder einen bestimmten Zweck festlegt (ständige Rechtsprechung BAG 23. August 1995 – 5 AZR 293/94 – BAGE 80, 354, 360 = AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 134 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 69, zu II 1 der Gründe).
a) Die Beklagte hat für das Urlaubsjahr 1997 einem Teil der Belegschaft für die Bestreitung zusätzlicher urlaubsbedingter Aufwendungen eine besondere Leistung gewährt, das sog. Urlaubsgeld. Die Gewährung dieser Leistung hat sie auf die Gruppe der vollbeschäftigten Vertriebsinspektoren beschränkt und die Gruppe der teilzeitbeschäftigten Zeitungszusteller ausgenommen. Damit hat sie das Kollektiv der Belegschaft in zwei Gruppen aufgeteilt, in die Gruppe der Berechtigten und in die Gruppe der Nichtberechtigten. Bei der Aufteilung waren keine individuellen Gesichtspunkte, sondern allein die Zugehörigkeit zur Gruppe der Vertriebsinspektoren oder Zeitungszusteller maßgeblich.
b) Unerheblich ist, daß der Aufteilung der Belegschaft in die Gruppe der Vertriebsinspektoren und in die Gruppe der Zeitungszusteller ein Zahlenverhältnis von 4: 180 zugrunde liegt. Der Gleichbehandlungsgrundsatz greift nicht erst dann ein, wenn die Mehrheit der Arbeitnehmer begünstigt wird. Entscheidend ist, ob der Arbeitgeber – wie hier – eine kollektive Regelung trifft (vgl. BAG 19. August 1987 – 5 AZR 222/86 – n.v.). Maßgeblich ist dann auch nicht das quantitative Verhältnis der Gruppen zueinander. Die begünstigte Gruppe kann auch zahlenmäßig kleiner als die benachteiligte Gruppe sein (vgl. BAG 25. Januar 1984 – 5 AZR 89/82 – BAGE 45, 76, 81 = AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 67 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 38). Daher kann auch die Begünstigung einer kleinen Gruppe von Arbeitnehmern den Arbeitgeber dazu verpflichten, sie mit einer zahlenmäßig größeren Gruppe von Arbeitnehmer gleichzubehandeln.
2. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler verneint, daß die Beklagte gegenüber den Zeitungszustellern offengelegt hat, einen sachlichen Grund für den Ausschluß von der Gewährung des Urlaubsgelds zu haben.
a) Der Ausschluß der Gruppe der Zeitungszusteller ist nicht deshalb zulässig, weil es sich bei den Angehörigen dieser Gruppe um gewerbliche Arbeitnehmer und bei der Gruppe der Vertriebsinspektoren um Angestellte handelt. Für die Frage der sachlichen Rechtfertigung des Unterscheidungskriteriums ist auf den Zweck der Leistung und nicht auf die Zugehörigkeit zur Gruppe der Arbeiter oder Angestellten abzustellen (vgl. BAG 25. Januar 1984 – 5 AZR 44/82 – BAGE 45, 66, 70 ff. = AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 66 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 40, zu I 1, 2 der Gründe; Senat 27. Oktober 1998 – 9 AZR 299/97 – BAGE 90, 85, 89).
b) Der Leistungszweck, der der Urlaubsgewährung zugrunde liegt, rechtfertigt keinen Ausschluß der Zeitungszusteller. Auch für Teilzeitbeschäftigte entsteht bei Antritt einer Urlaubsreise ein erhöhter Bedarf.
c) Die Besserstellung der Vertriebsinspektoren ist auch nicht durch die Rechtsnormen eines Tarifvertrages gerechtfertigt.
Zwar ist es zutreffend, daß ein tarifgebundener Arbeitgeber ohne Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz zwischen tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern unterscheiden darf (vgl. BAG 20. Juli 1960 – 4 AZR 199/59 – AP TVG § 4 Nr. 7). Eine derartige Rechtfertigung scheidet für die Beklagte aber schon deshalb aus, weil die Beklagte weder Mitglied der Tarifvertragspartei oder selbst Partei des von ihr herangezogenen § 30 des Manteltarifvertrages für die kaufmännischen Angestellten in den Verlagen von Tageszeitungen im Lande Nordrhein-Westfalen ist. Nach § 4 Abs. 1 TVG gelten die Rechtsnormen eines Tarifvertrages, die den Inhalt von Arbeitsverhältnissen ordnen, nur zwischen den beiderseits Tarifgebundenen.
d) Die Beklagte kann sich zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung auch nicht darauf berufen, ein tarifvertraglicher Anspruch der Vertriebsinspektoren auf Urlaubsgeld sei nach dem Teilbetriebsübergang im Jahre 1990 nach § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen ihr als neuer Betriebsinhaberin und den Vertriebsinspektoren geworden. Die Beklagte hat zwar in den Vorinstanzen vorgebracht, die Vertriebsinspektoren hätten vor dem Teilbetriebsübergang „dem MTV unterlegen”. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht beanstandet, es fehle der Vortrag von Tatsachen dafür, ob die Vertriebsinspektoren Mitglieder der tarifvertragsschließenden Gewerkschaft waren. Die Revision der Beklagten verkennt insoweit die Darlegungslast.
e) Die Beklagte kann sich für die Besserstellung der Vertriebsinspektoren auch nicht darauf berufen, sie habe einen vertraglichen Besitzstand der Vertriebsinspektoren gem. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB wahren müssen.
Die Wahrung eines arbeitsvertraglichen Besitzstandes kann als Grund für eine unterschiedliche Behandlung verschiedener Arbeitnehmergruppen in Betracht kommen (BAG 25. August 1976 – 5 AZR 788/75 – AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 41 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 11; 26. Mai 1993 – 4 AZR 461/92 – AP BGB § 612 Diskriminierung Nr. 2 = EzA BeschFG 1985 § 2 Nr. 28, zu B II der Gründe). Das Bundesarbeitsgericht hat die Besitzstandswahrung als sachlichen Differenzierungsgrund für den Fall anerkannt, daß ein Unternehmer zwei bisher selbständige Betriebe übernimmt und in dem neu geschaffenen einheitlichen Betrieb bei der Leistungsgewährung die vor der Betriebsübernahme angewandten Gratifikationsordnungen weiterhin anwendet (BAG 25. August 1976 – 5 AZR 788/75 – a.a.O.). Im Streitfall liegen die Verhältnisse allerdings anders. Die Vertriebsinspektoren und die Zeitungszusteller wurden vor dem Teilbetriebsübergang in ein- und demselben Betrieb beschäftigt. Die Beklagte kann sich daher nicht auf unterschiedliche Urlaubsgeldordnungen berufen. Sie ist mit dem Übergang des Betriebsteils in die gegenüber den Vertriebsinspektoren und Zeitungszustellern bestehenden Pflichten des früheren Arbeitgebers eingetreten. Damit verbunden war auch die Pflicht, die ohne Sachgrund von der Urlaubsgeldgewährung ausgeschlossenen Zeitungszusteller nach Maßgabe der allgemeinen Regelung zu behandeln.
f) Die Beklagte kann auch keine sachlich gerechtfertigte Besserstellung der Vertriebsinspektoren aus der sog. Betriebsvereinbarung vom 9. August 1990 herleiten. Diese Vereinbarung ist acht Monate nach dem Übergang des Betriebsteils auf die Beklagte von dem Betriebsrat des Zeitungsverlags abgeschlossen worden. Weder konnte dieser Betriebsrat für die Belegschaft der Beklagten handeln, noch enthält die Nr. 9 der Vereinbarung eine Regelung, die die bei der Beklagten beschäftigten Zeitungszusteller vom Bezug des Urlaubsgelds ausschließt.
3. Liegen somit keine sachlichen Rechtfertigungsgründe für den Ausschluß der Zeitungszusteller von der Urlaubsgeldgewährung vor, so können die Klägerin und die Kläger verlangen, entsprechend der Regelung behandelt zu werden, die für die angestellten Vertriebsinspektoren von der Beklagten angewandt wird.
II. Die Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
Unterschriften
Leinemann, Reinecke, Düwell, Furche, Trümner
Fundstellen