Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Zulage. spanabhebende Holzbearbeitungsmaschine
Orientierungssatz
1. Spanabhebende Holzbearbeitungsmaschinen iSv. § 4 Nr. 4 Satz 3 LTV 2009 sind alle Holzbearbeitungsmaschinen, mit denen Holz ge- oder verformt wird, indem Späne maschinell abgetragen werden. Dazu gehören zB Hobelmaschinen, Sägen, Fräsen und Schleifmaschinen.
2. Der Einsatz an Maschinen, die Teil einer Maschinenstraße sind, steht dem Anspruch auf die Zulage zum tariflichen Stundenlohn nach § 4 Nr. 4 Satz 3 LTV 2009 nicht entgegen. Maßgeblich ist vielmehr auch in diesem Fall, ob der Arbeitnehmer an einer Maschine arbeitet, die als spanabhebende Holzbearbeitungsmaschine im Tarifsinn anzusehen ist.
Normenkette
Lohntarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer in Betrieben der Holzindustrie und des Serienmöbelhandwerks in Westfalen-Lippe vom 29. Juli 2009 (LTV 2009) § 4 Nr. 4
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 23. Mai 2016 – 10 Sa 1730/15 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Anspruch auf eine tarifliche Zulage.
Der Kläger ist seit 1994 bei der Beklagten, die Innentüren herstellt, beschäftigt. Kraft beiderseitiger Tarifbindung findet auf das Arbeitsverhältnis ua. der Lohntarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer in Betrieben der Holzindustrie und des Serienmöbelhandwerks in Westfalen-Lippe vom 29. Juli 2009 (LTV 2009) Anwendung. Dessen § 4 „Lohngruppenschlüssel und Zulagen” lautet auszugsweise:
„4. |
MaschinenarbeiterInnen an Holzbearbeitungsmaschinen erhalten eine Zulage von 7 % auf ihren tariflichen Stundenlohn, sofern sie nicht im Akkord oder einem Prämiensystem arbeiten. Voraussetzung ist, dass die Tarifpartner in einem Katalog den Begriff ‚Holzbearbeitungsmaschinen’ festlegen. Bis dahin gilt folgende Bestimmung weiter: MaschinenarbeiterInnen an spanabhebenden Holzbearbeitungsmaschinen erhalten eine Zulage von 7 % auf den tariflichen Stundenlohn, sofern sie nicht im Akkord oder in einem Prämiensystem arbeiten.” |
Die tarifvertragsschließenden Parteien haben den Begriff der „Holzbearbeitungsmaschinen” bislang nicht in einem Katalog festgelegt.
Der Kläger war im Streitzeitraum als Maschinenbediener an den Maschinen 2 und 4 der IMA Türenstraße eingesetzt. Er arbeitete weder im Akkord noch in einem Prämiensystem. Bei der IMA Türenstraße handelt es sich um eine Maschinenstraße, an der das Werkstück automatisch bearbeitet wird. Aufgabe des Klägers war die Überwachung des Bearbeitungsvorgangs, die Bestückung der Maschinen und der Wechsel von Werkzeugen, soweit dies erforderlich war.
Bei den einzelnen Bearbeitungsschritten der Maschine 2 kommen Vorfräse/Reparaturfräse, Ritzsäge, Falzvorzerspaner, Prismenfräser, Fasenfräser, Bündigfräser/Fügefräser, Kappsägen, Schleifband, Flachziehklingen, Nutfräser und Zerspaner als Werkzeuge zum Einsatz. An dieser Maschine wird der Türrohling mittels Sägen, Fräsen und Schleifband bearbeitet. Das Werkstück wird zudem gefalzt, die Kanten werden verleimt sowie Schmutz mit Flachziehklingen entfernt. Bei den Bearbeitungsschritten von Maschine 4 kommen Reparatur-/Fügefräser, Deckvorzerspaner, Falzvorzerspaner, Prismenfräser, Profilfräser, Ritzsäge, Schlitzsäge, Bündigfräser/Fügefräser, Kappsägen, Fasenfräse, Schleifband (schmal und breit), Flachziehklingen und Nutfräser zum Einsatz. An der Maschine 4 wird nach Auslauf des Türrohlings aus der Maschine 2 die linke Seite der Tür bearbeitet. Das Werkstück wird mittels Sägen, Fräsen und Schleifband bearbeitet, gefalzt, die Kanten werden verleimt sowie Schmutz mit Flachziehklingen entfernt.
Eine tarifliche Zulage gemäß § 4 Nr. 4 Satz 3 LTV 2009 zahlte die Beklagte nicht. Der Kläger machte die Zulage für die Monate Oktober 2013 bis einschließlich Dezember 2014 ihr gegenüber erfolglos schriftlich geltend.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe für die Arbeit an den Maschinen 2 und 4 der IMA Türenstraße die tarifliche Zulage iHv. 7 % seines tariflichen Stundenlohns zu. Da an den Maschinen gefräst, gesägt und geschliffen werde, handle es sich um spanabhebende Holzbearbeitungsmaschinen im Sinne der tariflichen Vorschrift. „Spanabhebend” seien alle Bearbeitungsverfahren, bei denen bei einem Trennvorgang mithilfe der Schneiden eines Werkzeugs zur Änderung der Werkstückform oder -oberfläche Werkstoffschichten in Form von Spänen abgetragen würden. Die Größe der Späne sei für die Qualifizierung als spanabhebendes Fertigungsverfahren unerheblich. Es könne auch nicht darauf ankommen, ob einzelne Holzbearbeitungsmaschinen zu einer Maschinenstraße verbunden seien. Maßgeblich sei allein, ob bei den maschinellen Holzbearbeitungsverfahren Späne anfielen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.933,29 Euro brutto nebst Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, bei der IMA Türenstraße handle es sich nicht um eine spanabhebende Holzbearbeitungsmaschine. Fräsen und Sägen seien keine spanabhebenden Verfahren, da bei diesen Verfahren der Span nicht „abgehoben” werde. Als spanabhebende Holzbearbeitungsmaschinen seien der Abrichter, die Dickenhobelmaschinen, die zweiseitigen Hobelmaschinen und die mehrseitigen Hobelmaschinen anzusehen. Angesichts des weiten Geltungsbereichs der tariflichen Regelung hätte eine Gleichstellung von „spanenden Maschinen” und „spanabhebenden Maschinen” zur Folge, dass alle Mitarbeiter der Holzplattenfabrikation die tarifliche Zulage erhielten. Dies entspreche nicht dem Willen der Tarifvertragsparteien, die mit dem Merkmal der Spanabhebung eine deutliche Einschränkung hätten normieren wollen. Jedenfalls hätten die Tarifvertragsparteien zur Entstehungsgeschichte der Norm gehört werden müssen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.
I. Der Kläger hat für den Streitzeitraum Anspruch auf eine Zulage auf den tariflichen Stundenlohn iHv. 7 % nach § 4 Nr. 4 Satz 3 LTV 2009. Bei den Maschinen 2 und 4 der IMA Türenstraße, an denen der Kläger tätig war, handelt es sich um spanabhebende Holzbearbeitungsmaschinen im Tarifsinn. Die Verbindung der Maschinen zu einer Maschinenstraße steht dem Anspruch nicht entgegen.
1. Nach § 4 Nr. 4 Satz 3 LTV 2009 erhalten MaschinenarbeiterInnen an spanabhebenden Holzbearbeitungsmaschinen eine Zulage von 7 % auf den tariflichen Stundenlohn, sofern sie nicht im Akkord oder in einem Prämiensystem arbeiten.
2. Bei den Maschinen 2 und 4 der IMA Türenstraße handelt es sich um Holzbearbeitungsmaschinen iSv. § 4 Nr. 4 Satz 3 LTV 2009 (vgl. zum Begriff BAG 25. Juli 1962 – 4 AZR 535/61 –); dies steht zwischen den Parteien auch nicht im Streit. Im Akkord oder in einem Prämiensystem hat der Kläger nicht gearbeitet.
3. Das Landesarbeitsgericht hat auch ohne Rechtsfehler angenommen, dass es sich bei Holzbearbeitungsmaschinen, an denen gesägt, gefräst oder geschliffen wird, um spanabhebende Holzbearbeitungsmaschinen im Tarifsinn handelt. Als spanabhebend iSv. § 4 Nr. 4 Satz 3 LTV 2009 sind alle Bearbeitungsformen anzusehen, bei denen Holz ge- oder verformt wird, indem Späne maschinell abgetragen werden (so schon BAG 25. Juli 1962 – 4 AZR 535/61 – [Bündelsäge/Leistenbündelmaschine]). Dies ergibt eine Auslegung der Tarifnorm. Soweit der Senat in der Entscheidung vom 18. Oktober 1995 (– 10 AZR 1059/94 –) eine Unterscheidung zwischen spanabhebender und zerspanender Holzbearbeitung getroffen hat, wird daran nicht festgehalten.
a) Bereits der Wortlaut der Tarifnorm, von dem bei der Auslegung vorrangig auszugehen ist (st. Rspr., zB BAG 26. April 2017 – 10 AZR 589/15 – Rn. 14 mwN), spricht deutlich für ein solches Verständnis.
aa) Bei der Wortlautauslegung ist, wenn die Tarifvertragsparteien einen Begriff nicht eigenständig definieren, erläutern oder einen feststehenden Rechtsbegriff verwenden, vom allgemeinen Sprachgebrauch auszugehen. Wird ein Fachbegriff verwendet, der in allgemeinen oder in fachlichen Kreisen eine bestimmte Bedeutung hat, ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien mit diesem Begriff den allgemein üblichen Sinn verbinden wollten, wenn nicht sichere Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung gegeben sind, die aus dem Tarifwortlaut oder anderen aus dem Tarifvertrag selbst ersichtlichen Gründen erkennbar sein müssen. Wird ein bestimmter Begriff mehrfach in einem Tarifvertrag verwendet, ist im Zweifel weiter davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien dem Begriff im Geltungsbereich dieses Tarifvertrags stets die gleiche Bedeutung beimessen wollen (BAG 26. April 2017 – 10 AZR 589/15 – Rn. 15 mwN).
bb) Die Tarifnorm verwendet ausschließlich den Begriff spanabhebend, nicht hingegen die Begriffe spanend oder zerspanend. Unter „spanabhebend” ist nach dem Wortsinn in seiner allgemeinen und der identischen, hier vor allem maßgeblichen fachlichen Bedeutung jede Bearbeitung des Werkstücks zu verstehen, bei der Späne anfallen. Auf die Größe oder Form der Späne kommt es nicht an, auch nicht auf die Richtung, in die die Späne abgehoben werden.
(1) Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch wird jede Holzbearbeitung, bei der als (Abfall-)Produkt Späne entstehen, als spanabhebend verstanden. Eine Unterscheidung zwischen spanabhebend, spanend und zerspanend gibt es nicht. Der Duden verweist unter dem Stichwort „spanabhebend” auf „spanend” (Duden Universalwörterbuch 8. Aufl. Stichwort „spanabhebend”). „Spanen” bedeutet „Material mit einem geeigneten Werkzeug in Form von Spänen (von einem Werkstück, um es zu formen, um die Oberfläche zu glätten) abtragen” (Duden aaO Stichwort „spanen”). Zu „Span” heißt es: „(beim Hobeln, Behauen, Schneiden o. Ä.) kleines, als Abfall entstehendes Stückchen des bearbeiteten Materials: feine, dünne, grobe Späne; die Späne wegfegen, wegpusten” (Duden aaO Stichwort „Span”). Wahrig definiert „spanabhebend” als „bearbeiten, indem man mit Hobel, Feile usw. Späne in Schichten davon entfernt” (Wahrig Deutsches Wörterbuch 9. Aufl. Stichwort „spanabhebend”). Brockhaus definiert nicht den Begriff „spanabhebend”, jedoch „Spanen, spanende Formung”: „Fertigungsverfahren der Hauptgruppe Trennen, bei dem die geometr. Gestaltänderung eines Werkstückes durch mechan. Abtrennen kleiner Stoffteilchen (Späne) erreicht wird. Zur Spanabnahme finden Relativbewegungen zw. Werkstück und Werkzeug statt.” Als Fertigungsverfahren werden beispielhaft „Drehen, Bohren, Hobeln, Fräsen, Schleifen, Sägen, Senken, Räumen und Honen” genannt (Brockhaus Enzyklopädie 21. Aufl. Stichwort „Spanen”). Das Hobeln wird dabei nur als ein Fertigungsverfahren neben Fräsen, Schleifen und Sägen angesehen. Im vorgenannten Sinn benennt das Gabler Wirtschaftslexikon (Gabler Wirtschaftslexikon 18. Aufl. S. 2920) die „spanabhebende Fertigung” über den Bereich der Holzbearbeitung hinaus als „technisches Verfahren, bei dem vom Werkstück (Rohling) Werkstoffteile abgetrennt werden – Beispiele: Drehen, Hobeln, Bohren, Fräsen”. Als Gegensatz wird die „spanlose Fertigung” genannt, bei der durch „Anwendung von Druck oder Zug die Formänderung (bewirkt wird)”.
(2) Das fachspezifische Verständnis unterscheidet sich hiervon nicht; insbesondere wird der Begriff „spanabhebend” dort nicht etwa ausschließlich für den Einsatz von Hobeln oder Hobelmaschinen verwendet. Auch findet keine Unterscheidung zwischen spanabhebender und zerspanender oder spanender Holzbearbeitung statt; vielmehr werden diese Begriffe weitestgehend synonym verwendet. Das vom Landesarbeitsgericht unter umfassender Auswertung der fachspezifischen Literatur ermittelte Verständnis des Begriffs „spanabhebend” trifft zu. Die Angriffe der Revision führen zu keinem anderen Ergebnis.
(a) Bereits Fischer nennt als Beispiele spanabhebender Holzbearbeitungsmaschinen Sägemaschinen, Hobelmaschinen, Schleif- und Sandpapiermaschinen, Stemmmaschinen und Lochbohrmaschinen (Fischer Die Werkzeugmaschinen Band II S. 116 ff.). Maier definiert ähnlich: „Spanabhebende Maschinen dienen insgesamt der Funktion: Werkstücke mit geeigneten Werkzeugen spanabhebend bearbeiten. Sie sind damit von der Zweckbestimmung her technische Konstruktionen, mit deren Hilfe spanabhebende Werkzeuge an Werkstücken zum Einsatz gebracht werden. Die in der Holzverarbeitung vorwiegend zum Einsatz kommenden Bearbeitungsarten sind Fräsen, Hobeln, Drehen, Sägen, Bohren und Schleifen” (Maier Spanabhebende Maschinen in der Holzverarbeitung S. 17 f.). Dasselbe Verständnis findet sich bei Lohmann, der als Beispiele für „Maschinenwerkzeuge für Holzverarbeitung, spanabhebend” nennt: „Kreis-, Bandsägeblätter, Messer, Fräswerkzeuge mit Bohrung und Schaft, Bohrer, Sägeketten, außerdem Schleifmittel” (Lohmann Holzlexikon 4. Aufl. Stichwort „Maschinenwerkzeuge”). Spangebend sind danach ua. sägen, fräsen, hobeln, bohren und schleifen (Lohmann aaO Stichwort „Verformung”); Schleifstaub wird als „Späne mit höchstem Feinheitsgrad, abhängig von der Korngröße des Schleifmittels” definiert (Lohmann aaO Stichwort „Schleifstaub”). Auch Scholz zählt Sägen, Fräsen, Hobeln, Bohren, Drehen und Drechseln sowie Schleifen zu den Fertigungsverfahren Trennen und grenzt sie als spanende Bearbeitung vom spanlosen Trennen wie Spalten und Schälen mit Messern sowie Stanzen und Schneiden ab (Wagenführ/Scholz Taschenbuch der Holztechnik S. 268 ff., 350). Das Landesarbeitsgericht weist im Übrigen zutreffend darauf hin, dass sich dieses fachspezifische Verständnis auch in den zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Tarifnorm maßgeblichen DIN-Normen 8580 und 8589-0 wiederfindet, wo unter dem Begriff „Spanen” beispielhaft Bohren, Fräsen, Sägen, Schleifen und Hobeln genannt werden.
(b) Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, maßgeblich im Tarifsinn sei das Abheben des Spans durch zB Unterfassen des Werkstoffs, das Anfallen von Spänen durch eine Drehbewegung genüge nicht, lässt sich dies dem fachspezifisch verstandenen Wortlaut der Norm nicht entnehmen. Entscheidend ist vielmehr nach dem fachspezifischen Verständnis, dass das Werkstück in seiner Form und Oberfläche verändert wird, indem Teile (= Späne) abgetragen werden. In welcher Bewegungsrichtung dies geschieht, ist unerheblich. Auch die von der Revision herangezogene Fachliteratur (zB VEB Fachbuchverlag Leipzig Lexikon der Holztechnik 3. Aufl.) lässt einen solchen Schluss nicht zu.
b) Systematik und Gesamtzusammenhang der Tarifnormen stützen dieses Ergebnis.
aa) Die Arbeit an bestimmten Maschinen kann sowohl im Rahmen der Eingruppierung eine Rolle spielen als auch für die Frage, ob ein Zulagenanspruch besteht. So führt beispielsweise die Tätigkeit an bestimmten, einzeln aufgeführten (Holzbearbeitungs-)Maschinen nach § 3 Lohngruppe V Buchst. b Ziff. 1 LTV 2009 unter bestimmten Voraussetzungen zu einem Anspruch auf Vergütung nach Lohngruppe V. Gleiches gilt nach § 3 Lohngruppe V Buchst. b Ziff. 2 LTV 2009 für die Tätigkeit an „automatischen Maschinen”. Der Begriff der „spanabhebenden Holzbearbeitungsmaschine” wird in diesem Zusammenhang nicht verwendet, die jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen für die Eingruppierung bzw. den hier streitigen Zulagenanspruch sind vielmehr von den Tarifvertragsparteien unterschiedlich und eigenständig definiert worden. In diesem Zusammenhang macht § 4 Nr. 4 Satz 3 letzter Halbsatz LTV 2009 allerdings deutlich, dass die streitgegenständliche Zulage als Teil der laufenden Gesamtvergütung der mit solchen Tätigkeiten befassten Arbeitnehmer anzusehen ist. Andernfalls wäre nicht erklärbar, weswegen der Zulagenanspruch trotz identischer Tätigkeit entfällt, wenn sich die Vergütung nach einem Akkord- oder Prämiensystem (vgl. § 5 LTV 2009) richtet.
bb) Die Revision weist zutreffend darauf hin, dass durch § 4 Nr. 4 LTV 2009 nicht jedem Beschäftigten, der an Holzbearbeitungsmaschinen tätig ist, ein Zulagenanspruch gewährt werden sollte. Voraussetzung für die Zahlung einer Zulage ist vielmehr die Tätigkeit an einer in den – bisher nicht erstellten – Katalog aufgenommenen Holzbearbeitungsmaschine (§ 4 Nr. 4 Satz 2 LTV 2009) oder die Arbeit an einer spanabhebenden Holzbearbeitungsmaschine (§ 4 Nr. 4 Satz 3 LTV 2009). Der Begriff „spanabhebend” in § 4 Nr. 4 Satz 3 LTV 2009 schränkt damit den Kreis der möglichen Anspruchsinhaber ein. Auch wenn man Sägen, Fräsen und Schleifen zu den spanabhebenden Holzbearbeitungen zählt, führt dies jedoch nicht dazu, dass diese Einschränkung ihre Bedeutung verliert. Es gibt zahlreiche Verfahren der maschinellen Holzbearbeitung, die nicht spanabhebend sind, auch wenn die spanabhebenden Holzbearbeitungsmaschinen traditionell „bei weitem überwiegend sind” (Fischer Die Werkzeugmaschinen Band II S. 1). Hierunter fallen beispielsweise alle Verfahren, bei denen mittels Dampf und Druck das Holz gebogen oder auf andere Weise spanlos verformt wird (vgl. bereits Fischer aaO S. 227 f.; ähnlich Lohmann Holzlexikon 4. Aufl. Stichwort „Verformung”, wo Biegen und Pressen als spanlose Methoden benannt werden). Dass, wie die Revision meint, bei einem solchen Verständnis (zu) viele Beschäftigte im Geltungsbereich des Tarifvertrags einen Zulagenanspruch hätten, ist für die Auslegung der Norm ohne Bedeutung.
c) Welchen Sinn und Zweck die Tarifvertragsparteien der Zulage nach § 4 Nr. 4 Satz 3 LTV 2009 zumessen wollten, lässt sich dem LTV 2009 nicht deutlich entnehmen. Wie bereits unter I 3 b aa dargelegt, handelt es sich jedenfalls um einen Teil der Gegenleistung für die Arbeit an solchen spanabhebenden Holzbearbeitungsmaschinen, der bei der Arbeit im Akkord oder in einem Prämiensystem in der dortigen Vergütung enthalten wäre. Dass darüber hinaus – wie das Landesarbeitsgericht annimmt – auch besondere (gesundheitliche) Erschwernisse oder die Gewinnung qualifizierter Mitarbeiter bei dieser Art von Arbeit eine Rolle spielen könnten, lässt sich der Norm jedenfalls nicht klar entnehmen und könnte den Wegfall der Zulage bei einer Tätigkeit in einem anderen Vergütungssystem – jedenfalls im Hinblick auf Gesundheitsaspekte – nicht erklären. Unabhängig hiervon trifft aber die Annahme des Landesarbeitsgerichts zu, dass aus der Tarifnorm kein Zweck erkennbar ist, der auf eine einschränkende Auslegung hinweist und es rechtfertigen könnte, lediglich die Arbeit an Hobelmaschinen mit einer Zulage zu honorieren.
d) Bleiben nach der Auslegung einer Tarifnorm nach Wortlaut, Wortsinn und tariflichem Gesamtzusammenhang Zweifel an deren Inhalt und dem wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien, kann auf die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags zurückgegriffen werden (BAG 17. Juni 2015 – 10 AZR 518/14 – Rn. 34 mwN). An solchen Zweifeln fehlt es hier, so dass es eines Rückgriffs auf die Tarifgeschichte nicht bedarf. Unabhängig davon würde diese das hier gefundene Auslegungsergebnis stützen. Die heutige Fassung von § 4 Nr. 4 LTV 2009 geht auf einen Schiedsspruch vom 18. April 1958 zurück, durch den die Sätze 1 und 2 hinzugefügt wurden, die mangels Erstellung eines entsprechenden Katalogs durch die Tarifvertragsparteien bisher keinen Anwendungsbereich haben. Der deshalb weiterhin maßgebliche Satz 3 des § 4 Nr. 4 LTV 2009 entspricht hingegen – abgesehen von einer redaktionellen Änderung (MaschinenarbeiterInnen statt Maschinenarbeiter) – der bereits vor 1958 geltenden Regelung. Auch dies spricht dafür, dass die Tarifvertragsparteien den Begriff der „spanabhebenden Holzbearbeitungsmaschinen” gebrauchen wollten, wie er als Teil der Fachsprache bereits früher verstanden wurde. Die Einholung einer Tarifauskunft zum Verständnis der Regelung kommt entgegen der Auffassung der Revision in diesem Zusammenhang nicht in Betracht. Eine solche darf nicht auf die Beantwortung der prozessentscheidenden Rechtsfrage gerichtet sein; die Auslegung von Tarifverträgen und tariflichen Begriffen ist vielmehr Sache der Gerichte für Arbeitssachen (st. Rspr., zuletzt zB BAG 22. Juni 2016 – 10 AZR 260/15 – Rn. 26 mwN).
e) Schließlich führt – was auch die Revision einräumt – das gefundene Tarifverständnis zu einer hohen Praktikabilität in der Anwendung. Eine praktisch kaum mögliche Unterscheidung danach, welche Spangröße noch den Zulagenanspruch auslösen könnte, wird vermieden.
f) Soweit der Senat in seiner Entscheidung vom 18. Oktober 1995 (– 10 AZR 1059/94 –) zwischen „spanabhebenden Maschinen” und „zerspanenden Maschinen” unterschieden hat, findet dies – wie dargelegt – weder im allgemeinen noch im fachspezifischen Begriffsverständnis eine Grundlage. Deshalb hält der Senat hieran nicht mehr fest.
4. Das Landesarbeitsgericht hat weiterhin ohne Rechtsfehler erkannt, dass § 4 Nr. 4 Satz 3 LTV 2009 auch dann Anwendung findet, wenn Maschinen zu einer Maschinenstraße verbunden wurden. Die maßgebliche Tarifbestimmung enthält den Begriff der Maschinenstraße nicht, sondern stellt nur auf die Tätigkeit an einer „spanabhebenden Holzbearbeitungsmaschine” ab. Eine solche verliert ihre Eigenschaften nicht allein dadurch, dass sie mit anderen Maschinen verbunden wird. Auch die Anforderungen an den Bediener einer spanabhebenden Holzbearbeitungsmaschine ändern sich nicht allein dadurch, dass sich unmittelbar weitere Bearbeitungsschritte anschließen, die mit anderen Maschinen ausgeführt werden. Anhaltspunkte dafür, dass im Fall der Tätigkeit an einer Maschinenstraße ein Zulagenanspruch ausgeschlossen werden sollte, finden sich im LTV 2009 jedenfalls nicht, obwohl solche Maschinenstraßen zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Tarifvertrags bereits eingesetzt wurden. Entgegen der Auffassung der Revision wird die tarifliche Zulage bei einem solchen Verständnis auch nicht „auf Maschinenstraßen ausgedehnt”. Maßgebliche Voraussetzung für den Zulagenanspruch ist vielmehr auch bei einer Tätigkeit an einer Maschinenstraße, dass der Arbeitnehmer an einem Teil dieser Maschinenstraße arbeitet, der als „spanabhebende Holzbearbeitungsmaschine” im og. Sinn anzusehen ist.
5. Der Kläger hat mit der Arbeit an den Maschinen 2 und 4 der IMA Türenstraße an spanabhebenden Holzbearbeitungsmaschinen gearbeitet. An diesen beiden Maschinen wird überwiegend gesägt, gefräst und geschliffen. Dies sind Arbeiten iSd. § 4 Nr. 4 Satz 3 LTV 2009. Soweit weitere Bearbeitungsschritte (wie zB das Leimen der Kanten) ausgeführt werden, die für sich genommen die tariflichen Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllen, geben diese weder dem Arbeitsvorgang sein Gepräge, noch nehmen sie die überwiegende Arbeitszeit in Anspruch.
6. Danach steht dem Kläger für die Monate von Oktober 2013 bis einschließlich Dezember 2014 eine Zulage in – unstreitiger – Höhe von 1.933,29 Euro brutto zu. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 BGB.
II. Die Beklagte hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Gallner, Brune, W. Reinfelder, Schumann, Frese
Fundstellen
FA 2018, 102 |
AP 2018 |
NZA-RR 2018, 150 |