Entscheidungsstichwort (Thema)
Verhaltensbedingte Kündigung. Abmahnung
Normenkette
KSchG § 1; ZPO § 260
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 13. Januar 1988 – 2 Sa 80/87 – aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die noch allein vom Kläger in Anspruch genommene frühere Beklagte zu 2) (im folgenden nur Beklagte genannt) betreibt einen Wach- und Kontrolldienst. Sie schloß 1975 mit einer Firma H, R GmbH, der früheren Beklagten zu 1), einen Vertrag, wonach sie für die Zeit von Montag bis Freitag 15.30 Uhr bis 23.30 Uhr und samstags 5.00 bis 13.00 Uhr einen Pförtner stellte. In der Nacht sollten zwei Außenkontrollen und Innenkontrollen gemäß der angebrachten Stechstellen erfolgen. Vereinbarungsgemäß übersandte die GmbH der Beklagten eine genaue Dienstanweisung für den Wach- und Kontrolldienst, wovon ein Exemplar auch in der Pforte beim Kontrollbuch auflag.
Am 9. Januar 1984 stellte die Beklagte den am 25. Juli 1946 geborenen Kläger, verheiratet, 1 Kind, gemäß schriftlichem Arbeitsvertrag als Wachmann ein. Sie setzte ihn bei der früheren Beklagten zu 1) im Werk R im Pförtner- und Telefondienst ein, wobei er zusätzlich noch einen täglichen Abschlußkontrollgang zu machen hatte. Die Entlohnung des Klägers erfolgte durch die Beklagte, ebenso regelte sie seine Vertretung in Krankheits- und Urlaubsfällen.
Mit Schreiben vom 14. Januar 1987 kündigte die Beklagte, bei der kein Betriebsrat besteht, das Arbeitsverhältnis zum Kläger zum 31. Januar 1987 und machte geltend, die frühere Beklagte zu 1) habe den Bewachungsauftrag zum 31. Januar 1987 beendet. Mit Schreiben vom 21. Januar 1987 übersandte der Kläger der Beklagten „einige Anmerkungen” zu dieser Kündigung, in denen es u. a. heißt: „Vor allem ist nach meiner dreijährigen Beobachtung der Firma W die Urlaubsregelung eine sprichwörtliche und der Krankheitsfall eine Rückkehr ins Mittelalter, Punkte, die bei Veröffentlichungen reges Interesse finden könnten. Meine Beobachtungen des gesetzlich geregelten Urlaubes haben ergeben, daß möglichst noch im Vorjahr der Urlaub für das nächste Jahr mitgeteilt werden sollte, ein Vorgang der Unmöglichkeit. Ich bitte, hier in Zukunft Abhilfe zu schaffen. … Bei allen Firmen in der Bundesrepublik Deutschland hat sich der volle Lohnausgleich im Krankheitsfall durchgesetzt, ich weiß daher nicht, warum der W – da ausgenommen werden sollte, zumal bei einer Bezahlung, die an Sozialhilfe Erinnerungen wachrufen könnte. Vor allem dieser Punkt könnte bei der Öffentlichkeit über den W aufhorchen lassen. Verstehen Sie bitte diese Kritikpunkte nicht als Kündigung meinerseits Dies Schreiben ist kein Kündigungsschreiben…”
Die Beklagte erwiderte am 23. Januar 1987 wie folgt: „Wir erhielten Ihr obiges Schreiben, dem wir in den grundsätzlichen Punkten nicht zustimmen können.
Die ausgesprochene Kündigung war betriebsbedingt notwendig, nachdem die Arbeitsstelle bei der Firma H wegfällt und Sie andererseits die Ihnen angebotenen Tätigkeiten ablehnten. Auch auf den Anruf unseres Personalleiters, Herrn D, hin waren Sie nicht bereit nach B zu kommen um über eine Weiterbeschäftigung zu sprechen.
Ungeachtet dieser, von Ihrer Seite aus etwas unnormalen Haltung in Arbeitsangelegenheiten, sind wir jedoch bereit, uns wieder mit Ihnen in Verbindung zu setzen, sofern wir in Zukunft mit der Firma H – wieder zu einer Dienstvereinbarung kommen sollten.”
Die Parteien sehen die Kündigung vom 14. Januar 1987 als erledigt an, weil die Beklagte den Kläger ab 1. Februar 1987 in T weiter beschäftigte.
Unter dem 26. Februar 1987 schrieb die Beklagte dem Kläger wie folgt: „Strenger Verweis Wir mußten feststellen, daß Sie Ihre Meldung an die Zentrale nicht ordnungsgemäß durchführen. So haben Sie sich am 11.02.1987 erstmals um 22.40 Uhr und am 17.02.1987 um 22.37 Uhr gemeldet, während Ihr Dienstbeginn jeweils um 21.00 Uhr ist.
Des weiteren mußten wir den Kontrollstreifen entnehmen, daß Sie die im Objekt C in T vorgeschriebenen Kontrollen von je 40 Minuten wiederholt in wesentlich kürzeren Zeiten durchführten, ja das Objekt sogar schon in 12 Minuten durchrasten. Eine ordnungsgemäße Kontrolle ist so unmöglich.
Für diese groben Pflichtverletzungen erteilen wir Ihnen einen strengen Verweis mit der Maßgabe, künftig Ihren Dienst pünktlich und gewissenhaft durchzuführen.
Dieser strenge Verweis wird zu Ihrer Personalakte genommen.”
Mit Schreiben vom 27. Februar 1987 widersprach der Kläger der Behauptung, er habe seinen Dienst nicht pünktlich angetreten. Zum Vorwurf, er habe das Bewachungsobjekt „durchrast”, führte er u. a. aus: „Die Anrufe bei mir zu Hause seitens der Zentrale verärgerten in erheblichem Maße meine Frau, weil sie wußte, daß ich also längst unterwegs war in Tätigkeiten für die Firma. Ich bitte Sie daher, diese Privatanrufe nächstens bei mir zu Hause zu unterlassen. Im Gegensatz zum B handelt es sich beim erwähnten Objekt um einen Neubau, welcher bei meiner Einweisung mit Herrn K in etwa der gleichen Zeit durchlaufen wurde. Es handelt sich dabei keineswegs um „durchrasen”. Selbstverständlich werde ich in Zukunft „gemessenen Schrittes” das Neubaugebäude durchgehen.”
Unter dem 9. März 1987 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 23. März 1987 wie folgt: „in Bezug auf unseren Verweis vom 26.02.1987 sowie die wiederholten Pflichtverletzungen bei der Fa. C, sehen wir uns leider gezwungen, das zwischen uns bestehende Arbeitsverhältnis zum 23. März 1987 zu kündigen. Während der Kündigungszeit wird der Ihnen noch zustehende Urlaub in Anrechnung gebracht.
Wir bitten Sie unverzüglich Ihren Dienstausweis sowie Ihre Dienstkleidung bei uns abzugeben.”
Mit der am 26. März 1987 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage erhob der Kläger gegen die frühere Beklagte zu 1) und die Beklagte Klage und kündigte, soweit noch erheblich, folgende Anträge an:
- Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten zu Ziffer 1 besteht und dieses durch die Kündigung vom 9. März 1987 nicht beendet ist.
Die Beklagte zu Ziffer 1 wird verpflichtet, den Kläger weiterzubeschäftigen.
Hilfsweise:
- Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten zu Ziffer 2 durch die Kündigung vom 9. März 1987 nicht beendet ist.
- Die Beklagte zu Ziffer 2 wird verpflichtet, den Kläger weiterzubeschäftigen.
In der Klagebegründung heißt es u.a. wörtlich: „Vorsorglich und hilfsweise wird in die Anfechtung der Kündigung auch die Beklagte zu Ziff. 2 einbezogen, obwohl mit ihr nach Auffassung des Klägers ein Arbeitsverhältnis gar nicht besteht.
Sollte aber – was der Kläger derzeit zwar ausschließt – dennoch ein Beschäftigungsverhältnis mit der Beklagten zu Ziff. 2 festgestellt werden, dann sind die angefochtenen Kündigungen auch im Verhältnis zu der Beklagten zu Ziff. 2 unwirksam.”
Der Kläger hat hinsichtlich der früheren Beklagten zu 1) geltend gemacht, er sei deren Arbeitnehmer. Die Beklagte, die keine Genehmigung gemäß § 1 AÜG besitze, habe ihn an die frühere Beklagte zu 1) nur ausgeliehen. Die Beklagte sei daher zur Kündigung nicht berechtigt gewesen. Die frühere Beklagte zu 1) hat dem widersprochen und im einzelnen ausgeführt, zwischen ihr und der Beklagten hätten werkvertragliche Beziehungen bestanden.
Das Arbeitsgericht hat die gegen die frühere Beklagte zu 1) gerichtete Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, zwischen dem Kläger und der früheren Beklagten zu 1) habe kein nach Art. 1 § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG fingiertes Arbeitsverhältnis bestanden.
Der Kläger hat gegen dieses Urteil zunächst Berufung eingelegt, diese aber wieder zurückgenommen.
Hinsichtlich der Beklagten hat das Arbeitsgericht festgestellt, das Arbeitsverhältnis des Klägers sei durch die Kündigung vom 9. März 1987 nicht beendet worden. Zugleich hat es die Beklagte verurteilt, den Kläger arbeitsvertragsgemäß weiter zu beschäftigen. Gegen diese Verurteilung hat die Beklagte Berufung eingelegt.
Sie hat vorgetragen, die gegen sie gerichtete Klage sei unzulässig, denn der Kläger habe die Klage unter der Bedingung erhoben, daß er gegen die frühere Beklagte zu 1) nicht obsiege.
Die Kündigung sei aus im Verhalten des Klägers liegenden Gründen gerechtfertigt. Sie habe dem Kläger am 26. Juni 1987 einen strengen Verweis erteilt, der die Funktion einer Abmahnung erfüllt habe. Die darin enthaltenen Vorwürfe träfen zu. Nach § 16 c bb des Arbeitsvertrages sei bei grober Vernachlässigung der Pflichten eine Kündigung sogar ohne Abmahnung zulässig. Trotzdem habe der Kläger auch anschließend im Objekt C die vorgegebene Wachzeit von 40 Minuten pro Kontrollgang nicht eingehalten, wie sich aus dem Kontrollstreifen ergebe.
Die Kündigung werde auch darauf gestützt, daß der Kläger ihr im Schreiben vom 21. Januar 1987 mit Veröffentlichungen gedroht habe und daß er sich im Schreiben vom 27. Februar 1987 Privatanrufe verbeten habe.
In einem Schriftsatz vom 22. Juni 1987 hat die Beklagte weiter geltend gemacht, der Kläger habe sie mit der Erhebung einer Kündigungsschutzklage gegenüber der früheren Beklagten zu 1), einer Kundenfirma, in erhebliche Schwierigkeiten gebracht. Die Zusammenschau dieses Verhaltens mit den für die Kündigung vorgebrachten Gründen, auch der Sachvortrag in diesem Schriftsatz, ergebe die Berechtigung, die Kündigung aufrechtzuerhalten. Vorsorglich werde die Kündigung wiederholt und auch auf diesen Sachverhalt gestützt.
Die Beklagte hat beantragt, unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er hat vorgetragen, die Klage sei zulässig, auch durch einen Hilfsantrag werde die Frist des § 4 KSchG gewahrt.
Die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Er habe seinen Dienst in der chemischen Fabrik in T pünktlich um 21.00 Uhr aufgenommen. Er habe allerdings erfolglos versucht, sich bei der Beklagten in B über Funk zu melden. Telefonisch habe er sich zum Dienstantritt nicht melden können, weil der Kontrolleur der Beklagten, der ihn einzuweisen gehabt habe, erst gegen 22.00 Uhr erschienen sei und er das Firmengelände vorher nicht habe betreten können.
Hinsichtlich des Objekts C habe er bei den damaligen Witterungsverhältnissen die Bewachungszeiten nicht einhalten können. Auch sei ihm dies unmöglich gewesen, weil er drei zusätzlich zu bewachende Objekte habe übernehmen müssen. Hinzu komme, daß sich der Neubau der Firma C in D befinde, ihre alte Anlage hingegen in T -L. Nach der Besserung der Witterungsverhältnisse habe er es geschafft, die 40-minütigen Kontrollzeiten bei der Firma C einzuhalten.
Auf Äußerungen im Brief vom 21. Januar 1987 könne die Beklagte sich nicht berufen. Aus ihrem Antwortschreiben vom 23. Januar 1987 ergebe sich, daß sie gar keinen nennenswerten Anstoß an seinen Äußerungen genommen habe. Soweit er die frühere Beklagte zu 1) verklagt habe, habe er in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt, hieraus könne ihm kein Nachteil erwachsen.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision begehrt die Beklagte Abweisung der Klage. Der Kläger bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
I.1. Es kann dahingestellt bleiben, ob im Falle einer nur hilfweise gegen die Beklagte erhobenen Klage dem Erfordernis des § 4 KSchG genügt worden wäre. Die Zulässigkeit einer eventuellen subjektiven Klagenhäufung wird nach wohl herrschender Meinung im allgemeinen Zivilprozeß abgelehnt (vgl. Blomeyer, Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., § 109 I 1, S. 634; Stein/Jonas/Leipold ZPO, 20. Aufl., vor § 59 Rz 3; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 47. Aufl., § 59 Anm. 1, jeweils m. w.N.; BGH NJW 1972, 2302, ebenso LG Berlin, NJW 1958, 833 mit billigender Anm. von Habscheidt; anderer Auffassung: Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 14. Aufl., § 65 IV 3 b, S. 385). Diese Bedenken bestehen auch dann, wenn entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts richtigerweise davon ausgegangen wird, der Kläger hätte die Klageerhebung von einer innerprozessualen Bedingung abhängig gemacht.
Prozeßhandlungen, mit denen ein Verfahren erst eröffnet werden soll, vertragen keine Bedingung; die Rechtsfolge einer unzulässigen Bedingung führt zur Unzulässigkeit der Prozeßhandlung (ganz herrschende Meinung, vgl. Leipold, Anm. zu AP Nr. 18 zu § 103 BetrVG 1972; Rosenberg/Schwab, aa0, § 65 IV, S. 383 ff., m. w.N.).
Bei Parteihandlungen, die ein Verfahren betreffen, ist jedoch zu unterscheiden zwischen außerprozessualen und innerprozessualen Bedingungen (vgl. Rosenberg/Schwab, aa0). Außerprozessuale Bedingungen (z. B. die erst künftige Erhebung einer Klage, die noch ausstehende Einlegung oder Rücknahme eines Rechtsmittels, ein außergerichtliches Ergeignis, das noch ungewiß bevorsteht) machen die entsprechende Klageerhebung immer unzulässig.
Innerprozessuale Bedingungen sind hingegen – zumindest im Rahmen der objektiven Klagenhäufung – zulässig. Es wird in der Regel keine Unsicherheit in das Verfahren getragen, wenn innerhalb eines bereits eröffneten Klageverfahrens ein Antrag gestellt wird, der von einer bestimmten Gestaltung der Prozeßlage abhängt, von einem innerprozessualen Vorgang (vgl. Rosenberg/Schwab, aa0, § 65 IV 2, S. 383, 384; Blomeyer, aa0, § 30 VI, S. 171, 172; Jauernig, Zivilprozeßrecht, 22. Aufl., § 30 VI 6, S. 104; Stein/Jonas/Pohle, aa0, vor § 128 Rz 210; Thomas/Putzo, ZPO, 15. Aufl., Einl. III 2 i). In diesen Fällen tritt die Rechtshängigkeit des Hilfsanspruchs mit der Klageerhebung ein, auflösend bedingt durch die rechtskräftige Zuerkennung des Hauptanspruchs (Blomeyer, aa0, § 42 III 2 a, S. 247; Merle, ZZP Bd. 83 (1970), S. 436, 442; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aa0, § 260 Anm. 2 D c; Thomas/Putzo, aa0, § 260 Anm. 4 c; Rosenberg/Schwab, aa0, § 65 IV 3 a, S. 384, 385).
Selbst wenn demnach auch im Falle der subjektiven Klagenhäufung von einer Rechtshängigkeit mit Klageerhebung ausgegangen wird, ist es jedoch fraglich, ob damit der Eintritt der Wirksamkeit der Kündigung gemäß § 7 KSchG verhindert wird. Nach dem Sinngehalt zu § 4 KSchG erscheint es fraglich, ob das Arbeitsgericht durch eine derartige Antragstellung zunächst daran gehindert werden kann und darf, sachlich über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu entscheiden.
2. Diese Rechtsfrage braucht vorliegend nicht abschließend entschieden zu werden, denn bei richtiger Auslegung des Klagebegehrens hat der Kläger auch die Beklagte unbedingt verklagt.
Wie sich aus der Klageschrift ergibt, wollte der Kläger ein Prozeßrechtsverhältnis unter einer Bedingung nicht eingehen. Die Klageschrift enthielt beide Beklagten, beiden Beklagten wurde sie zugestellt, im Text der Klagebegründung heißt es weiter, „vorsorglich” und „hilfsweise” werde auch die Kündigung der Beklagten einbezogen, wobei bereits Sachvortrag hinsichtlich des Vortrags der Beklagten erfolgte. Aus dem Begriff „vorsorglich” in Verbindung mit der Einbeziehung der Kündigung der Beklagten kann geschlossen werden, der Kläger habe schon wegen der sich aus §§ 4, 7 KSchG ergebenden Folgen in jedem Fall die Beklagte sofort verklagen wollen. Durch die Verbindung der Begriffe vorsorglich und hilfsweise hat er lediglich zum Ausdruck gebracht, daß er die Entscheidung gegen die frühere Beklagte zu 1) sinnvoll als vorrangig ansah. Von diesem prozeßökonomisch sinnvollen Begehren ist auch das Berufungsgericht im Ergebnis ausgegangen.
II. Unter Zugrundelegung der Feststellungen des Berufungsgerichts kann nicht abschließend festgestellt werden, ob die Kündigung der Beklagten sozialwidrig war.
1. Von einem Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist auszugehen. Dies folgt für die Parteien dieses Rechtsstreits zwar nicht aus der Rechtskraft des zwischen dem Kläger und der früheren Beklagten zu 1) ergangenen Urteils. Bei einer Streitgenossenschaft nach § 60 ZPO behält jeder der Prozesse seine Selbständigkeit, die Rechtskraft erstreckt sich nur auf die Streitgenossen hinsichtlich derer das Urteil ergangen ist (einhellige Meinung, vgl. Rosenberg/Schwab, aa0, § 49 III 1 d, S. 282; Thomas/Putzo, aa0, § 61 Anm. 12). Die Beklagte hat den Kläger jedoch unter Nichtbeachtung ihrer ersten Kündigung vom 14. Januar 1987 ab 1. Februar 1987 anderweitig eingesetzt, so daß zumindest und jedenfalls ab diesem Zeitpunkt – wieder – ein Arbeitsverhältnis zur Beklagten bestand. Tatsachen dafür, daß der Kläger ab 1. Februar 1987 ausgeliehen und in eine andere Firma integriert gewesen wäre, sind nicht geltend gemacht.
2. Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die Kündigung sei sozialwidrig, weil der Kläger zuvor hätte abgemahnt werden müssen, tragen seine Feststellungen die getroffene Entscheidung nicht.
a) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, das Kündigungsschutzrecht werde vom ultima-ratio-Prinzip beherrscht. Hier fehle es an einer Abmahnung. Das Schreiben der Beklagten vom 26. Februar 1987 rechtfertige auch dann keine Kündigung, wenn berücksichtigt werde, daß es mit Kenntnis des Klägers zu den Personalakten genommen worden sei. Die Beklagte habe nicht hinreichend zum Ausdruck gebracht, daß im Wiederholungsfall der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet sei. Ohne Abmahnung sei vorliegend eine Kündigung nicht zu rechtfertigen. Da der Kläger drei zusätzliche Firmen zu überwachen gehabt habe, hätte er ohne Abmahnung annehmen können, die Beklagte werde im Einzelfall eine Unterschreitung der Wachzeit von 40 Minuten hinnehmen.
b) Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
aa) Soweit das Landesarbeitsgericht darauf abstellt, der Kläger sei nicht „abgemahnt” worden, ist für die Beurteilung der Kündigung allein entscheidend, ob die vorliegende „Abmahnung” eine Warnfunktion im Hinblick auf die Gefährdung des Arbeitsverhältnisses entfaltete. Im individualrechtlichen Bereich kann der Arbeitgeber mit der Abmahnung zunächst von seinem ihm vertraglich zustehenden Rügerecht Gebrauch machen (Rügefunktion). Er fordert damit für die Zukunft vertragsgerechtes Verhalten und stellt für den Fall weiterer Vertragsverletzungen individualrechtliche Konsequenzen in Aussicht (Warnfunktion) (BAG Urteile vom 30. Januar 1979 – 1 AZR 342/76 – AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Betriebsbuße; 15. Januar 1986 – 5 AZR 70/84 – AP Nr. 96 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; Hunold, BB 1986, 2050; KR-Wolf, 2. Aufl., Grunds. Rz 218; Stahlhacke, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 4. Aufl., Rz 6). Durch das Erfordernis einer vergeblich gebliebenen Abmahnung vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung soll der mögliche Einwand des Arbeitnehmers ausgeräumt werden, er habe die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens nicht gekannt oder jedenfalls nicht damit rechnen müssen, der Arbeitgeber sehe dieses Verhalten als so schwerwiegend an, daß er zu kündigungsrechtlichen Konsequenzen greifen werde (BAG Urteil vom 18. November 1986 – 7 AZR 674/84 – AP Nr. 17 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; KR-Becker, 2. Aufl., § 1 KSchG Rz 234; Stahlhacke, aa0, Rz 334; KR-Hillebrecht, 2. Aufl., § 626 BGB Rz 96).
bb) Bei einem als „Abmahnung” bezeichneten Vorgehen des Arbeitgebers ist es aber auch denkbar, daß er ausdrücklich nur eine Gläubigerfunktion geltend machen will (vgl. BAG Urteil vom 6. August 1981 – 6 AZR 1086/79 – AP Nr. 40 zu § 37 BetrVG 1972). Insoweit, als Vertragsrüge, hat die Abmahnung einen Sanktionscharakter (KR-Wolf, aa0, Rz 218 a). In der Entscheidung vom 30. Januar 1979 (aa0) heißt es, die Kündigung sei die stärkste individualrechtliche Maßnahme, die Abmahnung demgegenüber das mildere Mittel. Insoweit kann die Abmahnung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als mildere Sanktion geboten und erforderlich sein.
cc) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist bei Störungen im Leistungsbereich zur Vorbereitung einer Kündigung regelmäßig vor Ausspruch einer Kündigung eine vergebliche Abmahnung erforderlich (BAGE 46, 163, 170 = AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969, zu 5 a der Gründe sowie BAG Urteile vom 18. Januar 1980 – 7 AZR 75/78 – AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; vom 9. August 1984 – 2 AZR 400/83- AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung), was insbes. für den Verhaltensbereich mit Auswirkungen im Leistungsbereich gilt (BAG Urteil vom 9. August 1984, aa0; KR-Hillebrecht, aa0, § 626 BGB Rz 109; Stahlhacke, aa0, Rz 8).
c) Soweit das Landesarbeitsgericht unter Verweis auf das ultima-ratio-Prinzip die Berechtigung der Kündigung ablehnt, stellt es auf einen hier nicht entscheidenden Gesichtspunkt ab. Da die Beklagte bereits einen „strengen Verweis” erteilt hatte, hat sie mit der Kündigung gerade nicht sofort zur stärksten Sanktion gegriffen. Sie hat vorher mit dem milderen Mittel des Verweises gearbeitet.
d) Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, das Schreiben der Beklagten vom 26. Februar 1987 habe keine Warnfunktion entfaltet, ist seine Auslegung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Auslegung steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Bereits in einer Entscheidung vom 7. November 1979 (– 5 AZR 962/77 – AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Betriebsbuße) wird ausgeführt, der Begriff „Verweis” sei dem typischen Disziplinarrecht entnommen. In der bereits zitierten Entscheidung vom 18. November 1986 (aa0) heißte es, zu den unverzichtbaren Voraussetzungen einer Abmahnung gehörten neben der Rüge eines genau zu bezeichnenden Fehlverhaltens der Hinweis auf die Bestands- oder Inhaltsgefährdung des Arbeitsverhältnisses für den Wiederholungsfall. Durch die Abmahnung solle dem Arbeitnehmer gegenüber zum Ausdruck gebracht werden, der Arbeitgeber sei nicht mehr gewillt, die vom Arbeitnehmer erhaltenen Arbeitsleistungen oder ein bestimmtes Verhalten künftig hinzunehmen. Das Berufungsgericht ist daher zu Recht davon ausgegangen, wem eine Nachlässigkeit (Zuspätkommen, nicht genaues Einhalten der Dienstzeit) vorgeworfen werde, brauche ohne ausdrücklichen Hinweis hierauf im allgemeinen nicht damit zu rechnen, ihm werde bereits bei der nächsten Verfehlung gekündigt. Bei derartigen Nachlässigkeiten rechtfertigt regelmäßig nur eine gewisse Beharrlichkeit eine Kündigung.
e) Soweit das Landesarbeitsgericht ausgeführt hat, die ausgesprochene Kündigung sei auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil eine Abmahnung im konkreten Fall entbehrlich gewesen sei, tragen seine Feststellungen seine Entscheidung nicht. Diese Frage läßt sich nur beantworten, wenn im einzelnen das bisher gerügte Verhalten des Klägers festgestellt ist, da anderenfalls eine sachgerechte Auslegung der Antwort des Klägers vom 27. Februar 1987 auf den „strengen Verweis” der Beklagten vom 26. Februar 1987 nicht möglich ist.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat hierzu ausgeführt, da die Beklagte dem Kläger drei zusätzliche Firmen zur Bewachung in dem ihm übertragenen Wachrevier bei gleicher Arbeitszeit zugewiesen gehabt habe, hätte der Kläger annehmen können, die Beklagte nehme eine Unterschreitung der Wachzeit hin, falls es ihm anders nicht möglich sei, seinen Bewachungsauftrag in der vorgegebenen Zeit auszuführen. Diese rechtlichen Ausführungen decken sich nicht mit dem festgestellten Sachverhalt. Zum Zeitpunkt des strengen Verweises (26. Februar 1987) waren dem Kläger die anderen Objekte schon übertragen, wie sich aus dem Schreiben des Klägers vom 27. Februar 1987 ergibt. Die Übertragung war also keine Veränderung des Sachverhalts nach Verweiserteilung. Trotzdem hat der Kläger in seinem Schreiben vom 27. Februar 1987 noch betont durch Setzen von Ausführungszeichen erklärt, er werde in Zukunft selbstverständlich „gemessenen Schrittes” das Nebengebäude durchgehen. Außerdem hatte der Kläger sich schon von sich aus zur Einhaltung der Arbeitszeiten ausdrücklich bereiterklärt. Ob sein späteres Verhalten auch ohne Abmahnung mit ausreichender Warnfunktion einen Kündigungsgrund darstellt, hängt von der vom Landesarbeitsgericht nachzuholenden Überprüfung ab, welche Vertragsverletzungen ihm konkret vorzuwerfen sind und ob ihnen die fehlende Bereitschaft des Klägers zu entnehmen ist, seine Vertragspflichten ordnungsgemäß zu erfüllen.
3. Revisionsrechtlich nicht angreifbar hat das Berufungsgericht den kündigungsrechtlich relevanten Inhalt der Schreiben des Klägers vom 21. Januar 1987 und vom 27. Februar 1987 gewertet. Auf die Androhung hat die Beklagte damit reagiert, daß sie eine weitere Beschäftigung in Aussicht stellte, und damit kundgetan, sie fühle sich nicht erheblich beeinträchtigt. Der Hinweis des Klägers im Schreiben vom 27. Februar 1987, man möge von Privatanrufen bei ihm absehen, da seine Ehefrau verärgert sei, ist eine nicht zu beanstandende Interessenwahrnehmung. Im Ergebnis zutreffend sind auch die Überlegungen des Berufungsgerichts zu § 16 des Arbeitsvertrages. Die Beklagte kann sich hierauf nicht berufen, weil angesichts der zwingenden Vorschriften des Kündigungsschutzrechts dem Arbeitnehmer nachteilige Vereinbarungen nicht wirksam getroffen werden können (vgl. KR-Becker, aa0, § 1 KSchG Rz 12 ff., m. w. N.; KR-Hillebrecht, aa0, § 626 BGB Rz 37 ff.).
Unterschriften
Hillebrecht, Schliemann, Ascheid, Schulze, Nipperdey
Fundstellen