Entscheidungsstichwort (Thema)
Fallgruppenaufstieg; Anrechnung von Teilzeitbeschäftigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Bestimmung des § 23a Satz 2 Nr 6 Buchst b Satz 2 BAT, wonach bestimmte, im Grundsatz als Bewährungszeiten voll anrechenbare Zeiten der Teilzeitbeschäftigung im Falle des Übergangs zu längerer Arbeitszeit nur noch anteilig anzurechnen sind, ist wegen Verstoßes gegen Art 3 Abs 1 GG und § 2 Abs 1 BeschFG 1985 nichtig.
2. Die unter § 23a Satz 2 Nr 6 Buchst b Satz 1 BAT fallenden Bewährungs- und Tätigkeitszeiten sind auch im Fall des Übergangs in eine längere Arbeitszeit voll anzurechnen.
3. Der Angestellte hat unabhängig davon, wie er vom Arbeitgeber tatsächlich vergütet worden ist, dann eine Vergütung im Sinne von § 5 Nr 1 des Tarifvertrags zur Änderung der Anlage 1a zum BAT vom 24. April 1991 "erhalten", wenn ihm diese Vergütung nach dem Tarifvertrag zugestanden hat.
4. Eine gegen Art 119 EWG-Vertrag verstoßende mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts beim Arbeitsentgelt setzt voraus, daß das zahlenmäßige Verhältnis der Geschlechter unter den von einer Rechtsnorm Benachteiligten wesentlich anders ist als dasjenige unter den von ihr Begünstigten. Dagegen folgt alleine daraus, daß sich unter den von einer Rechtsnorm nachteilig Betroffenen überwiegend Angehörige eines Geschlechts befinden, noch nicht der diskriminierende Charakter dieser Rechtsnorm.
Normenkette
BAT § 24 b; EWGVtr Art. 119; GG Art. 3 Abs. 1; BeschFG 1985 § 2 Abs. 1; BAT § 23a S. 2 Nr. 6 Buchst. b
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 26.01.1993; Aktenzeichen 13 Sa 1347/92 E) |
ArbG Emden (Entscheidung vom 02.07.1992; Aktenzeichen 1 Ca 1017/91 E) |
Tatbestand
Die Parteien streiten noch darüber, ob die Klägerin im Wege des Fallgruppenaufstiegs seit dem 1. September 1990 in VergGr. IV b BAT eingruppiert ist.
Die Klägerin ist staatlich anerkannte Erzieherin. Seit dem 1. September 1986 ist sie als pädagogische Mitarbeiterin in unterrichtsbegleitender Funktion an einer Sonderschule des beklagten Landes für geistig Behinderte tätig. Zunächst war sie bis zum 31. August 1989 teilzeitbeschäftigt mit drei Vierteln der regelmäßigen Wochenarbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten. Seit dem 1. September 1989 ist sie vollzeitbeschäftigt.
Das Arbeitsverhältnis unterliegt kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit dem BAT. Die Klägerin wurde bis 1990 nach VergGr. V c BAT vergütet. Das beklagte Land hat im Verlauf des Rechtsstreits mit Wirkung zum 1. Mai 1990 den Anspruch der Klägerin auf Vergütung nach VergGr. V b BAT anerkannt.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei seit dem 1. September 1990 im Wege des Fallgruppenaufstiegs in VergGr. IV b BAT eingruppiert. Dies ergebe sich aus der seinerzeit geltenden Fassung des BAT. Die von ihr in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmale der Anlage 1 a zum BAT, Teil II G Unterabschn. II lauteten:
Vergütungsgruppe V b
1. Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher
Anerkennung oder Jugendleiterinnen mit staat-
licher Prüfung
...
k) in geschlossenen (gesicherten) Gruppen oder
in Aufnahme-(Beobachtungs-)gruppen oder in
heilpädagogischen Gruppen,
(Hierzu Protokollnotizen Nr. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7,
9, 10 und 14)
...
Vergütungsgruppe IV b
...
3. Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher
Anerkennung oder Jugendleiterinnen mit staat-
licher Prüfung der Vergütungsgruppe V b Fall-
gruppe 1
nach vierjähriger Berufsausübung in einer Tä-
tigkeit der Vergütungsgruppe V b.
(Hierzu Protokollnotizen Nr. 1, 2, 3 und 14)
...
Protokollnotizen:
Nr.3 Erzieher(innen), Kindergärtnerinnen, Hort-
nerinnen
mit staatlicher Anerkennung als Erzieher
...
werden nach diesem Tätigkeitsmerkmal ein-
gruppiert, wenn sie am 1. April 1970 die in
dem Tätigkeitsmerkmal geforderte Tätigkeit
ausüben oder ihnen bis zum 31. Dezember
1986 diese Tätigkeit übertragen wird.
...
Für den Fallgruppenaufstieg war in der seit dem 1. Januar 1988 geltenden Fassung des BAT bestimmt:
§ 23 b
Fallgruppenaufstieg
A. Für die Bereiche des Bundes und der Tarifge-
meinschaft deutscher Länder:
Soweit Tätigkeitsmerkmale (Fallgruppen) der
Vergütungsordnung einen Aufstieg (z.B. Bewäh-
rungsaufstieg, Tätigkeitsaufstieg) außerhalb
des § 23 a vorsehen, gilt § 23 a Satz 2 Nr. 6
Buchst. b) entsprechend.
...
Der in Bezug genommene § 23 a Satz 2 Nr. 6 lautete seit dem 1. Januar 1988:
§ 23 a
Bewährungsaufstieg im Bereich des Bundes
und im Bereich der Tarifgemeinschaft deut-
scher Länder
Der Angestellte, der ein in der Anlage 1 a mit
dem Hinweiszeichen* gekennzeichnetes Tätig-
keitsmerkmal erfüllt, ist nach Erfüllung der vor-
geschriebenen Bewährungszeit höhergruppiert. Für
die Erfüllung der Bewährungszeit gilt folgendes:
...
6.a) Bewährungszeiten vor dem 1. Januar 1988, in
denen der Angestellte regelmäßig mit minde-
stens drei Viertel der regelmäßigen wö-
chentlichen Arbeitszeit eines entsprechen-
den vollbeschäftigten Angestellten beschäf-
tigt war, werden voll, Bewährungszeiten, in
denen er mit mindestens der Hälfte der re-
gelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines
entsprechenden vollbeschäftigten Angestell-
ten beschäftigt war, werden zur Hälfte an-
gerechnet.
b) Bewährungszeiten nach dem 31. Dezember
1987, in denen der Angestellte mit einer
kürzeren als der regelmäßigen wöchentlichen
Arbeitszeit eines entsprechenden vollbe-
schäftigten Angestellten, mindestens jedoch
in einem höheren als dem in § 3 Buchst. q)
genannten Umfang beschäftigt war, werden
vorbehaltlich des Satzes 2 voll angerech-
net. Wird eine längere Arbeitszeit verein-
bart, wird die bis dahin zurückgelegte Be-
währungszeit in dem Verhältnis angerechnet,
in dem die bisher vereinbarte Arbeitszeit
zu der neuen Arbeitszeit steht. Satz 2 ist
nicht anzuwenden, wenn die Bewährungszeit
im Zeitpunkt der Verlängerung der Arbeits-
zeit bereits abgeleistet und der Angestell-
te höhergruppiert ist.
...
Mit dem Tarifvertrag zur Änderung der Anlage 1 a zum BAT vom 24. April 1991 wurde für Angestellte in der Tätigkeit der Klägerin die Möglichkeit des Fallgruppenaufstiegs nach VergGr. IV b BAT beseitigt. Der Änderungstarifvertrag wurde rückwirkend zum 1. Januar 1991 in Kraft gesetzt. Er enthält folgende Übergangsregelung:
§ 5
Übergangsvorschriften für den Bereich des Bun-
des und für den Bereich der Tarifgemeinschaft
deutscher Länder
Für die Angestellten, die am 31. Dezember 1990 in
einem Arbeitsverhältnis gestanden haben, das am
1. Januar 1991 zu demselben Arbeitgeber fortbe-
standen hat, gilt für die Dauer dieses Arbeits-
verhältnisses folgendes:
1. Hat der Angestellte am 31. Dezember 1990
Vergütung (§ 26 BAT) aus einer höheren Ver-
gütungsgruppe erhalten als aus der Vergü-
tungsgruppe, in der er nach diesem Tarif-
vertrag eingruppiert ist, wird diese Vergü-
tung durch das Inkrafttreten dieses Tarif-
vertrages nicht berührt.
...
Nach Meinung der Klägerin hatte sie die für den Fallgruppenaufstieg nach VergGr. IV b BAT erforderliche vierjährige Tätigkeit in der VergGr. V b mit Ablauf des 31. August 1990 erbracht, denn ihre Teilzeitbeschäftigung sei insoweit mit der vollen Kalenderzeit zu berücksichtigen gewesen. Die entgegenstehende Bestimmung des § 23 a Satz 2 Nr. 6 Buchst. b Satz 2 BAT sei nichtig, weil sie dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes widerspreche und außerdem Frauen wegen ihres Geschlechts mittelbar diskriminiere. Die zum 1. September 1990 erreichte Höhergruppierung habe aufgrund der Übergangsregelung im Änderungstarifvertrag vom 24. April 1991 auch nach der Beseitigung des Fallgruppenaufstiegs durch diesen Tarifvertrag Bestand. Im übrigen habe sie selbst bei Anwendung des § 23 a Satz 2 Nr. 6 Buchst. b BAT mit Ablauf des 31. Januar 1991 die für den Fallgruppenaufstieg erforderliche Zeit abgeleistet gehabt. Die damit erreichte Höhergruppierung habe ihr nicht durch den erst nach diesem Termin abgeschlossenen, aber rückwirkend zum 1. Januar 1991 in Kraft gesetzten Änderungstarifvertrag wieder entzogen werden können.
Die Klägerin hat zuletzt noch beantragt
festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet
ist, ihr ab dem 1. September 1990 unter Anrech-
nung der ab diesem Zeitpunkt gewährten Vergütung
eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe IV b BAT
nebst 4 % Zinsen auf die sich hieraus ergebenden
Nettodifferenzbeträge ab dem 15. Juni 1991 und
für die Folgezeit ab jeweiliger monatlicher Fäl-
ligkeit zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach seiner Auffassung sind die von der Klägerin seit dem 1. Januar 1988 in Teilzeitbeschäftigung zurückgelegten Zeiten nur mit drei Vierteln der Kalenderzeit anzurechnen, so daß sie unter der Geltung der von ihr in Anspruch genommenen Tarifbestimmungen bis zum 31. Dezember 1990 nicht die für den Fallgruppenaufstieg erforderlichen 48, sondern nur 47 Monate einer Tätigkeit nach VergGr. V b BAT geleistet habe. Diese bestehe aus 16 Monaten vom 1. September 1986 bis zum 31. Dezember 1987, 15 Monaten (3/4 von 20 Monaten) in der Zeit vom 1. Januar 1988 bis zum 31. August 1989 und 16 Monaten in der Zeit vom 1. September 1989 bis zum 31. Dezember 1990. § 23 a Satz 2 Nr. 6 Buchst. b Satz 2 BAT, auf den sich die nur teilweise Anrechnung der vom 1. Januar 1988 bis zum 31. August 1989 geleisteten Tätigkeit stütze, sei wirksam. Die nur teilweise Anrechnung von Tätigkeitszeiten, die in Teilzeitbeschäftigung verbracht worden sind, sei wegen des geringeren mit der Teilzeitbeschäftigung verbundenen Erwerbs von Erfahrungswissen sachlich gerechtfertigt. Dafür, daß § 23 a Satz 2 Nr. 6 Buchst. b Satz 2 BAT Frauen in wesentlich stärkerem Maße nachteilig treffe als Männer, gebe es keine tatsächlichen Anhaltspunkte.
Das Arbeitsgericht hat festgestellt, daß die Klägerin Anspruch auf Vergütung nach VergGr. V b BAT seit dem 1. Mai 1990 hat, und hat die Klage in dem jetzt noch streitigen Teil abgewiesen.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil insoweit abgeändert und der Klage im wesentlichen stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I. Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine im öffentlichen Dienst allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage, bei der nach der ständigen Rechtsprechung des Senats das nach § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere rechtliche Interesse an der Feststellung unbedenklich zu bejahen ist (Senatsurteil vom 19. März 1986 - 4 AZR 470/84 - AP Nr. 114 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
II. Die Klage ist auch begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß die Klägerin im Wege des Fallgruppenaufstiegs aus der VergGr. V b Fallgruppe 1 Buchst. k der Vergütungsordnung zum BAT, Teil II G Unterabschn. II, seit dem 1. September 1990 in VergGr. IV b BAT eingruppiert ist. Dies ergibt sich aus den Bestimmungen des BAT, dem das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit unterliegt.
1. In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, daß die Klägerin seit dem 1. September 1986 eine Tätigkeit ausgeübt hat, die unter VergGr. V b Fallgruppe 1 Buchst. k der Anlage 1 a zum BAT, Teil II G Unterabschn. II, in der seinerzeit geltenden Fassung fiel. Hierüber besteht zwischen den Parteien auch Einvernehmen. Zwar können die Parteien das Vorliegen tariflicher Tätigkeitsmerkmale nicht unstreitig stellen, da sie über Rechtsfragen und Rechtsbegriffe nicht verfügen können. Insoweit kann es aber bei einer pauschalen gerichtlichen Überprüfung bewenden (Senatsurteile vom 22. November 1977, BAGE 29, 364, 375 = AP Nr. 2 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vom 7. Oktober 1981 - 4 AZR 192/79 - AP Nr. 1 zu § 53 TVAL II). Diese ergibt hier, daß die Klägerin gemäß Protokollnotiz Nr. 3 zu Teil II G Unterabschn. II der Anlage 1 a zum BAT als staatlich anerkannte Erzieherin einer Sozialarbeiterin gleichzustellen war, da ihr die Tätigkeit als pädagogische Mitarbeiterin in unterrichtsbegleitender Funktion an einer Sonderschule für Behinderte vor dem 31. Dezember 1986 übertragen worden war. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 15. Mai 1991 (- 4 AZR 532/90 -, n.v.) entschieden hat, fällt eine solche Tätigkeit unter den Tarifbegriff der Tätigkeit in einer heilpädagogischen Gruppe.
2. Die Klägerin wies seit dem 1. September 1990 auch die für den Fallgruppenaufstieg in VergGr. IV b Fallgruppe 3 der Anlage 1 a zum BAT, Teil II G Unterabschn. II, in der damals geltenden Fassung erforderliche vierjährige Berufsausübung auf, denn sie hatte diese Tätigkeit seit dem 1. September 1986 ausgeübt. Die volle Anrechnung der mit drei Vierteln der regelmäßigen Arbeitszeit Vollzeitbeschäftigter verbrachten Beschäftigungszeiten ergibt sich zum Teil aus § 23 b Abschn. A i.V.m. § 23 a Satz 2 Nr. 6 Buchst. b BAT, zum Teil aus einer beim beklagten Land bestehenden betrieblichen Übung. Dem Landesarbeitsgericht ist darin zu folgen, daß die Bestimmung des § 23 a Satz 2 Nr. 6 Buchst. b Satz 2 BAT, nach der ein Teil der Beschäftigungszeiten der Klägerin nur mit drei Vierteln anzurechnen und daher die für den Fallgruppenaufstieg erforderliche Tätigkeitszeit erst mit Ablauf des 31. Januar 1991 zurückgelegt wäre, wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nichtig ist.
a) Die Tätigkeitszeiten der Klägerin vom 1. September 1986 bis zum 31. Dezember 1987 (16 Monate) und vom 1. September 1989 bis zum 31. August 1990 (12 Monate) sind voll anzurechnen.
aa) Für den erstgenannten Zeitraum, in dem die Klägerin mit drei Vierteln der Regelarbeitszeit teilzeitbeschäftigt war, ergibt sich dies zwar nicht aus dem BAT. Für den Fallgruppenaufstieg fehlt nämlich eine tarifliche Regelung über die Anrechnung von Zeiten der Teilzeitbeschäftigung, die vor dem 1. Januar 1988 zurückgelegt worden sind. § 23 b Abschn. A BAT enthält nur eine Verweisung auf die in § 23 a Satz 2 Nr. 6 BAT für Zeiten seit dem 1. Januar 1988 getroffene Bestimmung, nicht dagegen auf die in Buchst. a dieser Vorschrift für Zeiten vor dem 1. Januar 1988 enthaltene Regelung.
Die ungeminderte Anrechnung ergibt sich aber aus der bei dem beklagten Land bestehenden betrieblichen Übung, wonach für den Fallgruppenaufstieg Beschäftigungszeiten mit der vollen Kalenderzeit anzurechnen sind, wenn sie mit mindestens der Hälfte der wöchentlichen Regelarbeitszeit Vollzeitbeschäftigter zurückgelegt worden sind. Diese Betriebsübung beruht auf internen Regelungen der Tarifgemeinschaft deutscher Länder, über deren weitere Handhabung auch zwischen den Parteien des BAT Einvernehmen festgestellt worden ist (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand November 1993, § 23 b Rz 1 f.).
bb) Die Beschäftigungszeit der Klägerin seit dem 1. September 1989 ist mit der vollen Kalenderzeit anzurechnen, da die Klägerin seit diesem Termin vollzeitbeschäftigt ist.
b) Auch die von der Klägerin mit drei Vierteln der regelmäßigen Wochenarbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten in der Zeit vom 1. Januar 1988 bis zum 31. August 1989 geleistete Tätigkeit ist mit ihrer vollen kalendermäßigen Dauer von 20 Monaten anzurechnen und nicht, wie die Revision geltend macht, lediglich mit drei Vierteln. Dies ergibt sich aus § 23 b Abschn. A i.V.m. § 23 a Satz 2 Nr. 6 Buchst. b Satz 1 BAT, denn die Klägerin war in einem höheren als dem in der seinerzeit geltenden Fassung des § 3 Buchst. q BAT für die Ausnahme vom Geltungsbereich des BAT genannten Umfang (weniger als 18 Wochenstunden) beschäftigt. § 23 a Satz 2 Nr. 6 Buchst. b Satz 2 BAT steht dem nicht entgegen, denn diese Ausnahmebestimmung ist wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG nichtig.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts müssen sich auch Tarifnormen am allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG messen lassen. Aus der Tarifautonomie ergibt sich insoweit jedenfalls im Grundsatz keine Privilegierung der Tarifvertragsparteien gegenüber dem staatlichen Gesetzgeber, denn auch Tarifnormen sind Gesetze im materiellen Sinne (vgl. BAGE 48, 307, 310 f. = AP Nr. 4 zu § 3 BAT; BAGE 51, 59, 81 f.= AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG Urteil vom 28. Juli 1992 - 3 AZR 173/92 - AP Nr. 18 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu B I 2 a der Gründe, jeweils m.w.N., auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
bb) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet den Gesetzgeber, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Dabei ergeben sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. zuletzt BVerfGE 88, 87, 96 f., m.w.N.) je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen aus Art. 3 Abs. 1 GG unterschiedliche Grenzen für die Normsetzung, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Letztere besteht regelmäßig dann, wenn eine Ungleichbehandlung von Personengruppen vorliegt, wobei dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers um so engere Grenzen gesetzt sind, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann. Dementsprechend prüft das Bundesverfassungsgericht bei Regelungen, die Personengruppen verschieden behandeln oder sich auf die Wahrnehmung von Grundrechten nachteilig auswirken, im einzelnen nach, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können. Kommt dagegen als Maßstab nur das Willkürverbot in Betracht, so kann ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nur festgestellt werden, wenn die Unsachlichkeit der Differenzierung evident ist.
cc) Dem Landesarbeitsgericht ist darin zu folgen, daß § 23 a Satz 2 Nr. 6 Buchst. b Satz 2 BAT bereits dann, wenn er am Willkürverbot gemessen wird, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Zutreffend hat das Berufungsgericht erkannt, daß ein irgendwie gearteter sachlicher Grund für die in dieser Bestimmung vorgesehene nur teilweise Anrechnung von Beschäftigungszeiten nicht erkennbar ist.
In § 23 a Satz 2 Nr. 6 BAT ist die Regel aufgestellt, daß die vor dem 1. Januar 1988 mit mindestens drei Vierteln und nach diesem Zeitpunkt mit mindestens der Hälfte der regelmäßigen Wochenarbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten verbrachten Bewährungszeiten ebenso wie diejenigen eines Vollzeitbeschäftigten mit der vollen kalendermäßig bestimmten Dauer auf die für den Bewährungsaufstieg erforderliche Zeit angerechnet werden.
Wenn § 23 a Satz 2 Nr. 6 Buchst. b Satz 2 BAT von diesem Grundsatz für den Fall eine Ausnahme macht, daß z.B. eine drei viertelzeitige Beschäftigung zu einer Vollzeitbeschäftigung erweitert wird, dann kann dies nicht, wie das beklagte Land meint, mit einem bei Teilzeitbeschäftigung im Vergleich zur Vollzeitbeschäftigung geringeren Zuwachs an Erfahrungswissen begründet werden. Ein solcher Gesichtspunkt kann für die Tarifvertragsparteien nämlich schon deshalb keine Rolle gespielt haben, weil nach § 23 a Satz 2 Nr. 6 BAT eine durchgängig in Dreiviertelbeschäftigung zurückgelegte Bewährungszeit voll angerechnet wird und der Wechsel von einer Dreiviertel- zur Vollzeittätigkeit nicht zu einer nachträglichen Entwertung des vor diesem Wechsel erworbenen Erfahrungswissens führen kann.
Soweit im Schrifttum überhaupt Begründungen für diese Ausnahmebestimmung angeführt werden, beschränken sich diese auf den Hinweis, sie sei im Interesse der Gleichbehandlung mit den Vollzeitbeschäftigten getroffen worden (vgl. Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Stand März 1994, § 23 a Rz 98; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand November 1993, § 23 a Rz 12 c). Auch in dieser formelhaften Begründung ist aber kein sachliches Element zu erkennen, auf das die Benachteiligung der von dieser Ausnahme betroffenen gegenüber den in Dreiviertelbeschäftigung verbleibenden Arbeitnehmern gestützt werden könnte.
Der Senat hat auch erwogen, ob es für die Ausnahmebestimmung des § 23 a Satz 2 Nr. 6 Buchst. b Satz 2 BAT dann sachliche Gründe geben könnte, wenn sie so zu verstehen wäre, daß sie der vollen Anrechnung von Zeiten unterhälftiger Beschäftigung entgegensteht. Diese Frage kann indessen auf sich beruhen, denn die durch die Worte "vorbehaltlich des Satzes 2" vorgenommene Verklammerung der Sätze 1 und 2 des § 23 a Satz 2 Nr. 6 Buchst. b BAT macht deutlich, daß sich die Ausnahme von der Vollanrechnung nur auf die unter Satz 1 fallenden und damit mit mindestens der Hälfte der Vollarbeitszeit zurückgelegten Beschäftigungszeiten beziehen soll.
dd) Da die in § 23 a Satz 2 Nr. 6 Buchst. b Satz 2 BAT enthaltene Ausnahmebestimmung gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, ist sie nichtig (§ 134 BGB). Somit verbleibt es auch für die von dieser Bestimmung erfaßte Personengruppe bei der Grundregel des § 23 a Satz 2 Nr. 6 Buchst. b Satz 1 BAT, wonach die mit mindestens der Hälfte der Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten zurückgelegten Beschäftigungszeiten mit ihrer vollen Kalenderdauer auf die für den Bewährungs- oder Fallgruppenaufstieg erforderliche Zeit anzurechnen sind.
3. Das vorstehende Ergebnis folgt auch aus der Anwendung von § 2 Abs. 1 BeschFG 1985, da § 23 a Satz 2 Nr. 6 Buchst. b Satz 2 BAT ohne sachliche Gründe zu einer Benachteiligung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer gegenüber Vollzeitbeschäftigten führt.
a) Das Benachteiligungsverbot des § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 wird nicht von der Tariföffnungsklausel des § 6 Abs. 1 BeschFG 1985 erfaßt. Es ist vielmehr, da es im allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG wurzelt, auch für die Tarifvertragsparteien verbindlich (vgl. BAG Urteil vom 28. Juli 1992 - 3 AZR 173/92 - AP Nr. 18 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu B I 2 der Gründe, m.w.N., auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
b) Nach § 23 a Satz 2 Nr. 6 Buchst. b Satz 2 BAT werden teilzeitbeschäftigte gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern ungleich behandelt, da im Fall des Übergangs zur Vollzeitarbeit bestimmte von ihnen zurückgelegte Beschäftigungszeiten nicht mit ihrer vollen Kalenderdauer als Bewährungszeiten angerechnet werden, während Zeiten der Vollzeitbeschäftigung einer solchen Einschränkung nicht unterliegen.
c) Für diese Ungleichbehandlung fehlt es an einem sachlichen Grund. Es kann dahinstehen, ob ein sachlicher Grund i.S. des § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 darin gesehen werden kann, daß der mit Teilzeitbeschäftigung verbundene Zuwachs an Erfahrungswissen möglicherweise geringer ist als derjenige, der sich aus einer kalendermäßig gleichlangen Vollzeittätigkeit ergibt. Im Wertungssystem des § 23 a BAT kommt dieser Gesichtspunkt als sachlicher Grund jedenfalls für die seit dem 1. Januar 1988 mit mindestens der Hälfte der regelmäßigen Wochenarbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten geleistete Arbeit nicht in Betracht, weil nach § 23 a Satz 2 Nr. 6 Buchst. b Satz 1 BAT solche Beschäftigungszeiten grundsätzlich voll angerechnet werden und das in einer derartigen Teilzeitbeschäftigung erworbene Erfahrungswissen nicht nachträglich dadurch entwertet werden kann, daß der betreffende Angestellte in Vollzeitarbeit wechselt.
d) Die Rechtsfolgen des Verstoßes gegen § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 sind dieselben wie diejenigen des Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG (dazu oben 2 b dd).
4. Dagegen kann auf der Grundlage der von den Vorinstanzen getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht darüber entschieden werden, ob § 23 a Satz 2 Nr. 6 Buchst. b Satz 2 BAT auch wegen Verstoßes gegen das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Benachteiligung wegen des Geschlechts beim Arbeitsentgelt (Art. 119 EWG-Vertrag) unanwendbar ist. Es ist nämlich nicht dargetan, daß von dieser Ausnahmebestimmung Frauen in erheblich höherem Maß als Männer nachteilig betroffen wären.
Eine - hier allein in Betracht kommende - mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts setzt voraus, daß das zahlenmäßige Verhältnis der Geschlechter unter den von einer Rechtsnorm Benachteiligten wesentlich anders ist als dasjenige unter den von ihr Begünstigten (Senatsurteil vom 2. Dezember 1992 - 4 AZR 152/92 - AP Nr. 28 zu § 23 a BAT, zu IV 3 c der Gründe, m.w.N.). Im vorliegenden Fall müßte also unter den durch die Teilanrechnung nach § 23 a Satz 2 Nr. 6 Buchst. b Satz 2 BAT Benachteiligten ein erheblich höherer Anteil von Frauen sein als unter den Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten, deren Beschäftigungszeiten nach § 23 a Satz 2 Nr. 6 BAT voll angerechnet werden. Hierzu haben die Vorinstanzen nichts festgestellt. Aus dem Umstand, daß insgesamt erhebliche Unterschiede zwischen den Anteilen der Geschlechter an den Vollzeit- und an den Teilzeitbeschäftigten bestehen, kann nicht geschlossen werden, daß auch zwischen den hier maßgeblichen Vergleichsgruppen, die beide in erheblichem Umfang auch Teilzeitbeschäftigte umfassen, solche Unterschiede vorhanden sind.
5. Die im Wege des Fallgruppenaufstiegs von der Klägerin am 1. September 1990 erreichte Höhergruppierung in VergGr. IV b Fallgruppe 3 BAT ist der Klägerin auch nach der zum 1. Januar 1991 vorgenommenen Neuregelung des Teils II G der Vergütungsordnung zum BAT, mit der das von ihr in Anspruch genommene Tätigkeitsmerkmal entfallen ist, erhalten geblieben. Dies ergibt sich aus § 5 Nr. 1 des Tarifvertrags zur Änderung der Anlage 1 a zum BAT vom 24. April 1991. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien hat über den 31. Dezember 1990 hinaus bestanden. Die Klägerin hatte am 31. Dezember 1990 Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV b BAT.
Dabei ist es, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, unerheblich, daß das beklagte Land die Klägerin zu diesem Zeitpunkt tatsächlich nicht nach dieser Vergütungsgruppe, sondern niedriger vergütet hat. § 5 enthält eine Übergangsregelung, wie sie üblicherweise von den Tarifvertragsparteien in Tarifverträgen zur Änderung und Ergänzung der Anlage 1 a zum BAT getroffen wird. Der Sinn und Zweck einer solchen Übergangsregelung besteht darin, daß der tarifliche Status eines Angestellten durch das Inkrafttreten tariflicher Bestimmungen, die der auszuübenden Tätigkeit eine andere Wertigkeit als bisher beimessen, nicht beeinflußt werden soll. Dies haben die Tarifvertragsparteien in früheren Übergangsregelungen in der Weise zum Ausdruck gebracht, daß sie die Besitzstandswahrung für eine günstigere "Eingruppierung" der Angestellten vorsahen (BAGE 36, 392, 395 = AP Nr. 54 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Hierzu hat der Senat jedoch darauf hingewiesen, daß diese Formulierung zu Mißverständnissen Anlaß geben könne, weil es nicht auf die faktische Eingruppierung durch den Arbeitgeber, sondern allein darauf ankomme, welche tarifliche Mindestvergütung dem Angestellten am Stichtag zugestanden habe (BAG Urteil vom 28. September 1983 - 4 AZR 63/81 -, n.v.). Dem haben die Tarifvertragsparteien durch eine geänderte Formulierung der Übergangsregelungen Rechnung getragen, indem sie darauf abstellen, ob der Angestellte am Stichtag Vergütung aus einer höheren Vergütungsgruppe erhalten hat. Damit knüpfen die Tarifvertragsparteien nicht an die faktische Zahlung einer solchen Vergütung, sondern daran an, ob dem Angestellten ein Anspruch aus einer höheren Vergütungsgruppe zustand, als sie nunmehr nach den neuen tariflichen Bestimmungen vorgesehen ist. Dabei gehen die Tarifvertragsparteien mit der Bezugnahme auf diejenigen Angestellten, die "Vergütung aus einer höheren Vergütungsgruppe erhalten haben", vom Regelfall und der allgemeinen Übung im öffentlichen Dienst aus, wonach Angestellte, die einen entsprechenden tariflichen Vergütungsanspruch haben, auch die entsprechende Vergütung erhalten (Senatsurteil vom 18. Mai 1988 - 4 AZR 751/87 - AP Nr. 2 zu §§ 22, 23 BAT Datenverarbeitung).
6. Auf die vom Landesarbeitsgericht aufgeworfene Frage, ob der Änderungstarifvertrag vom 24. April 1991 der Klägerin eine - wegen der nur teilweisen Anrechnung der zurückgelegten Tätigkeitszeiten nach § 23 b Abschn. A i.V.m. § 23 a Satz 2 Nr. 6 Buchst. b Satz 2 BAT - erst am 1. Februar 1991 erreichte Vergütungsposition aufgrund seiner rückwirkenden Inkraftsetzung zum 1. Januar 1991 wieder entziehen konnte, kommt es danach nicht mehr an.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Schaub Schneider Dr. Wißmann
Dr. Konow Schmalz
Fundstellen
BAGE 76, 90-102 (LT1-4) |
BAGE, 90 |
BB 1994, 1359 |
BB 1994, 650 |
DB 1994, 2138-2140 (LT1-4) |
NZA 1994, 1042 |
NZA 1994, 1042-1045 (LT1-4) |
ZAP, EN-Nr 998/94 (L) |
ZTR 1994, 331-333 (LT1-4) |
AP § 23a BAT (LT1-4), Nr 31 |
AR-Blattei, ES 1560 Nr 44 (LT1-4) |
EzBAT § 23b BAT, Nr 2 (LT1-4) |
PersR 1994, 485-487 (LT) |
ZfPR 1994, 96 (S) |