Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Sonderzahlung ohne Arbeitsleistung. Ruhen des Arbeitsverhältnisses
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
LAG Hamm (Urteil vom 26.08.1994; Aktenzeichen 10 Sa 1945/93) |
ArbG Herford (Urteil vom 16.09.1993; Aktenzeichen 1 Ca 499/93) |
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 26. August 1994 – 10 Sa 1945/93 – aufgehoben.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 16. September 1993 – 1 Ca 499/93 – wird zurückgewiesen.
3. Der Kläger trägt auch die Kosten der Berufung und der Revision.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung einer betrieblichen Sonderzahlung.
Der Kläger ist seit dem 6. Juni 1975 bei der Beklagten als Hilfsarbeiter beschäftigt. Kraft beiderseitiger Tarifbindung findet auf das Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag über die stufenweise Einführung eines 13. Monatseinkommens (Sonderzahlung) für die Holzindustrie, die kunststoffverarbeitende Industrie und das Serienmöbelhandwerk im nordwestdeutschen Raum der Bundesrepublik Deutschland vom 10. Januar 1989 (im folgenden: TV Sonderzahlung) Anwendung.
Dieser Tarifvertrag lautet – soweit vorliegend von Interesse:
„…
2. Arbeitnehmer, die am 1. Dezember in einem Arbeitsverhältnis stehen und zu diesem Zeitpunkt angehören, haben je Kalenderjahr einen Anspruch auf betriebliche Sonderzahlungen als Teil eines 13. Monatsverdienstes nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen.
3. Die Sonderzahlung wird am 1. Dezember jeden Jahres fällig. Sie beträgt bei vollem Anspruch 65 %, ab 1992 70 % eines durchschnittlichen Brutto-Monatsverdienstes bzw. einer monatlichen Ausbildungsvergütung.
4. Der durchschnittliche Brutto-Monatsverdienst wird aus dem Gesamt verdienst der Monate Januar bis September (1. Januar bis 30. September) des laufenden Kalenderjahres berechnet.
5. Für die Berechnung des Gesamtverdienstes gelten folgende Grundsätze:
- zum Gesamtverdienst gehören Lohn oder Gehalt, Urlaubsentgelt, gesetzliche Lohn- und Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfalle sowie bei Kuren und Schonzeiten.
- Nicht zum Gesamtverdienst gehören das zusätzliche Urlaubsgeld, vermögenswirksame Leistungen des Arbeitgebers, Montagezuschläge, Auslösungen, Reisespesen, Trennungsentschädigungen, Verpflegungszuschüsse, erstattete Fahrtkosten, Mankogeld, gesetzliche und freiwillige Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kranken- und Mutterschaftsgeld, gesetzliche und freiwillige Zuschüsse des Arbeitgebers zur Kranken-, Renten- und befreienden Lebensversicherung, Gratifikationen, einmalige Zuwendungen, Werkzeuggeld, Anwesenheitsprämien, Erfindervergütungen. Abfindungen aufgrund des Rationalisierungsschutzabkommens, Ergebnis- und Umsatzbeteiligungen (keine Provisionen).
- Dem Gesamtverdienst ist hinzuzurechnen Lohn- oder Gehaltsausfall für Fehlzeiten, die von dem Arbeitnehmer nicht zu vertreten sind; dazu gehören Kurzarbeit bis zu 15 Wochen und Ausfallzeiten, die durch Teilnahme an Schulungskursen nach den Bestimmungen des MTN sowie an Tarifverhandlungen entstanden sind. Bei Krankheit, die länger als 4 Monate dauert, wird Lohn- und Gehaltsausfall für dadurch bedingte weitere Fehlzeiten nicht mehr hinzugerechnet. Dies gilt nicht für durch unverschuldete Betriebsunfälle hervorgerufene Zeiten der Arbeitsunfähigkeit sowie nicht für Arbeitnehmer, die länger als 10 Jahre dem Betrieb ununterbrochen angehören.
9. Anspruchsberechtigte Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr kraft Gesetzes oder Vereinbarung ruht, erhalten keine Leistung? ruht das Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr teilweise, so erhalten sie eine anteilige Leistung.
…”
Seit dem 11. Januar 1991 war der Kläger fortlaufend arbeitsunfähig erkrankt. Bis zum 20. November 1991 bezog er Krankengeld von der zuständigen Krankenkasse. Nach Ablauf des Krankengeldbezuges beantragte er Anfang 1992 beim Arbeitsamt Arbeitslosengeld. Mit Schreiben vom 10. Januar 1992 teilte die Gewerkschaft Holz und Kunststoff, Geschäftsstelle Löhne – Bad Oeynhausen, der Beklagten im Auftrage des Klägers folgendes mit:
„Sehr geehrte Damen und Herren, … im Auftrag von Herrn P. übersenden wir Ihnen als Formblatt eine Arbeitsbescheinigung des Arbeitsamtes mit der Bitte, diese möglichst kurzfristig ausgefüllt an uns zurückzusenden.
Herr P. ist seit längerer Zeit arbeitsunfähig krank und erhält nunmehr keine Leistungen der Krankenkasse mehr. Er ist außerdem auch nicht mehr krankenversichert.
Aus diesem Grunde hat sich Herr P. beim Arbeitsamt in Bad Oeynhausen gemeldet, um Arbeitslosengeld zu beantragen. Im Auftrag von Herrn P. weisen wir ausdrücklich darauf hin, daß das Arbeitsverhältnis unverändert fortbesteht. Wir bitten Sie daher in der Ziffer 5 f das entsprechende Feld anzukreuzen und als Grund Arbeitsunfähigkeit anzugeben.
…”
Die Beklagte erteilte dem Kläger daraufhin eine Arbeitsbescheinigung nach § 133 AFG, die u.a. folgende Angaben enthielt:
„Das Arbeitsverhältnis wurde bisher nicht beendet”
und
„das Arbeitsverhältnis besteht trotz Beendigung der Beschäftigung fort; Grund: Aussteuerung wegen anhaltender Krankheit.”
Nachdem der Kläger diese Arbeitsbescheinigung beim zuständigen Arbeitsamt eingereicht hatte, bezog er während des gesamten Jahres 1992, in dem er auch weiterhin durchgehend arbeitsunfähig krank war, Arbeitslosengeld.
Im Jahr 1992 stellte der Kläger einen Antrag auf Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente. Nachdem diese abgelehnt worden war, erhob er Klage beim Sozialgericht Detmold.
Mit Schreiben vom 16. Dezember 1992 ließ der Kläger durch die Gewerkschaft Holz und Kunststoff einen Anspruch auf eine volle Sonderzahlung für das Jahr 1992 nach dem TV Sonder Zahlung geltend machen. Die Beklagte lehnte eine Zahlung ab.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.868,37 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 31. März 1993 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie beruft sich darauf, ein Anspruch des Klägers auf die Sonderzahlung sei nach Ziff. 9 TV Sonderzahlung ausgeschlossen, weil das Arbeitsverhältnis während des ganzen Jahres 1992 geruht habe. Die beiderseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis seien nämlich auf Grund einer stillschweigend zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung suspendiert worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 1.761,51 DM brutto nebst Zinsen verurteilt und die Revision zugelassen.
Mit dieser verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, während der Kläger die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Dem Kläger steht für das Jahr 1992 kein Anspruch auf die begehrte tarifliche Sonderzahlung zu.
I. Das Landesarbeitsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf die Sonderzahlung mit der Begründung bejaht, daß er die Anspruchsvoraussetzungen der Ziff. 2 TV Sonderzahlung, nämlich Bestehen eines Arbeitsverhältnisses am 1. Dezember 1992 und mindestens viermonatige ununterbrochene Betriebszugehörigkeit, erfüllt habe.
Der Ausnahmetatbestand der Ziff. 9 TV Sonderzahlung, der bei Ruhen des Arbeitsverhältnisses im Kalenderjahr keinen Anspruch auf eine Sonderzahlung vorsieht, sei nicht gegeben. Zu einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses sei es weder durch die Arbeitsunfähigkeit des Klägers im Jahre 1992 noch durch den Bezug von Arbeitslosengeld gekommen. Auch liege keine Vereinbarung zwischen den Parteien über ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses vor.
II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts kann der Senat nicht folgen.
1. Grundsätzlich erfüllt der Kläger die für einen Anspruch auf eine tarifliche Sonderzahlung für 1992 anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale der Ziff. 2 TV Sonderzahlung. Er stand am 1. Dezember 1992 in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten und hatte zu diesem Zeitpunkt dem Betrieb ununterbrochen mindestens vier Monate angehört.
Alleine die Tatsache, daß der Kläger während des gesamten Jahres 1992 arbeitsunfähig krank war und deshalb keine tatsächliche Arbeitsleistung erbracht hat, führt nicht zum Wegfall des Anspruchs auf eine Sonderzahlung.
Im Anschluß an seine Entscheidung vom 5. August 1992 (BAGE 71, 78 = AP Nr. 143 zu § 611 BGB Gratifikation) hat der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß über die normierten Anspruchsvoraussetzungen hinaus einer tariflichen Regelung nicht der Rechtssatz entnommen werden kann, daß Voraussetzung für den Anspruch auf eine tarifliche Sonderzahlung auf jeden Fall eine nicht ganz unerhebliche tatsächliche Arbeitsleistung im Bezugszeitraum ist.
Im zu entscheidenden Rechtsstreit enthält der TV Sonderzahlung keine Regelung, die generell eine tatsächliche Arbeitsleistung im Bezugszeitraum als Voraussetzung für eine Sonderzahlung verlangt. Aus der Bestimmung der Ziff. 5 Abs. c) des TV Sonderzahlung läßt sich vielmehr sogar der Wille der Tarifvertragsparteien entnehmen, daß krankheitsbedingte Fehlzeiten – selbst solche von über viermonatiger Dauer – den Anspruch auf die Sonderzahlung nicht gänzlich ausschließen sollen. Nach dieser Regelung verringert sich lediglich die Höhe der Sonderzahlung bei Arbeitnehmern, die länger als vier Monate arbeitsunfähig krank waren. Auch diese Minderung tritt nicht ein, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch einen unverschuldeten Betriebsunfall verursacht war oder wenn der Arbeitnehmer länger als 10 Jahre ununterbrochen dem Betrieb angehört hat. Für diese Arbeitnehmer führt somit nicht einmal eine über viermonatige Arbeitsunfähigkeit im Bezugszeitraum zu einer Kürzung des Anspruchs auf die Sonderzahlung.
2. Ein Anspruch des Klägers auf eine Sonderzahlung für das Jahr 1992 wird aber durch Ziff. 9 des TV Sonderzahlung ausgeschlossen.
Nach dieser Tarifnorm erhalten diejenigen Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr kraft Gesetzes oder Vereinbarung ruht, keine Leistung.
Ein solches Ruhen des Arbeitsverhältnisses der Parteien hat wahrend des Jahres 1992 vorgelegen.
a) Das „Ruhen” des Arbeitsverhältnisses ist ein in der Rechtssprache gebräuchlicher Begriff. Benutzen Tarifvertragsparteien ohne Erläuterung einen derartigen Begriff, so kann davon ausgegangen werden, daß sie ihn im allgemein anerkannten Sinne verstanden wissen wollen (ständige Rechtsprechung des BAG; vgl. BAGE 62, 35 = AP Nr. 2 zu § 15 BErzGG).
Für den Begriff des Ruhens eines Arbeitsverhältnisses gibt es allerdings keine allgemeine, für alle Erscheinungsformen der Nichtarbeit im Rahmen eines rechtlich fortbestehenden Arbeitsverhältnisses gültige Definition. Vielmehr werden die unterschiedlichsten Erscheinungsformen als ruhendes Arbeitsverhältnis bezeichnet.
In einigen Fällen ordnen gesetzliche Bestimmungen das Ruhen des Arbeitsverhältnisses an, z.B. § 1 Arbeitsplatzschutzgesetz. § 15 Abs. 1 Arbeitssicherstellungsgesetz, § 1 Eignungsübungsgesetz.
Ansonsten geht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei Fehlen einer gesetzlichen Regelung davon aus, daß ein Arbeitsverhältnis dann ruht, wenn die wechselseitigen Hauptpflichten des Arbeitsverhältnisses (Arbeitsleistung und Vergütungszahlung) suspendiert sind und somit der jeweilige Gläubiger von seinem Schuldner die Erbringung der Leistung nicht verlangen und nicht durchsetzen kann, während die Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis weiterbestehen (BAGE 62, 35 = AP Nr. 2 zu § 15 BErzGG).
b) Alleine die langandauernde krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Klägers im Jahre 1992 führte nicht zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses, weil es sich bei der dauerhaften Verhinderung zur Arbeitsleistung nicht um eine durchgehende wechselseitige Suspendierung der Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis, sondern um eine Leistungsstörung im Sinne des Allgemeinen Teils des bürgerlichen Schuldrechts handelt (BAGE 66, 34 = AP Nr. 93 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie).
c) Auch eine etwa (rückwirkend) für 1992 gewährte Bewilligung der vom Kläger beantragten Erwerbsunfähigkeitsrente, würde nicht zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes im Jahre 1992 führen. Um ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses nach Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente zu erreichen, müßte nämlich erst eine Vereinbarung zwischen den Parteien über die Suspendierung der wechselseitigen Hauptpflichten des Arbeitsverhältnisses unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung desselben getroffen werden (BAGE 65, 187 = AP Nr. 92 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie).
d) Ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses im Sinne der Ziff. 9 des TV Sonderzahlung ist aber im Jahre 1992 auf Grund einer Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Beklagten eingetreten.
Auf Grund der Aufforderung des Rechtsvertreters des Klägers vom 10. Januar 1992 hat die Beklagte diesem eine Arbeitsbescheinigung im Sinne des § 133 AFG übersandt, in welcher sie bestätigt hat, daß das Arbeitsverhältnis trotz Beendigung der Beschäftigung fortbesteht. Als Grund dafür hat sie angegeben: „Aussteuerung wegen anhaltender Krankheit”.
Infolge dieser Erklärung der Beklagten erhielt der Kläger dann für das gesamte Jahr 1992 Arbeitslosengeld.
Der Kläger hat sich, obwohl sein Arbeitsverhältnis noch nicht beendet war, beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt. Nach § 100 AFG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer u.a. arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt hat. Arbeitslos ist nach § 101 AFG schon ein Arbeitnehmer, der u.a. vorübergehend nicht in einem „Beschäftigungsverhältnis” steht. Das hier genannte Beschäftigungsverhältnis ist nicht mit dem Arbeitsverhältnis gleichzusetzen. Ein Arbeitnehmer kann daher „nicht in einem Beschäftigungsverhältnis” auch dann stehen, wenn sein Arbeitsverhältnis rechtlich fortbesteht. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Arbeitgeber seine Verfügungsgewalt über den Arbeitnehmer und dessen Arbeitskraft nicht mehr beansprucht – etwa nach einer unwirksamen Kündigung – oder wenn der Arbeitnehmer diese Verfügungsgewalt nicht länger anerkennt oder wenn der Arbeitgeber über die Arbeitskraft des Arbeitnehmers – gleich aus welchen Gründen – nicht mehr verfügen will (BAG Urteil vom 28. September 1994 – 10 AZR 805/93 – AP Nr. 168 zu § 611 BGB Gratifikation).
Daß der Arbeitnehmer – wie hier der Kläger – der Arbeitsvermittlung wegen seiner nicht nur vorübergehenden Minderung seiner Leistungsfähigkeit nicht mehr zur Verfügung steht, ist nach § 105 a AFG ohne Bedeutung. Der Arbeitnehmer kann gleichwohl Arbeitslosengeld erhalten. Er hat nur auf Aufforderung des Arbeitsamtes innerhalb eines Monats einen Antrag auf Maßnahmen zur Rehabilitation oder auf Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit zu stellen.
Aus dieser gesetzlichen Regelung folgt, daß auch dann, wenn ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber rechtlich noch nicht beendet ist, Arbeitslosengeld beantragt und erhält, das Arbeitsverhältnis durch diesen versicherungsrechtlichen Vorgang nicht berührt, insbesondere rechtlich nicht beendet wird (vgl. BAG Urteil vom 28. September 1994, a.a.O.).
Gleichwohl können durch diesen Vorgang die durch das an sich fortbestehende Arbeitsverhältnis begründeten Bindungen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber in einer Weise gelockert werden, die die Annahme rechtfertigt, daß die wechselseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis suspendiert sind.
Derjenige Arbeitnehmer, der lange Zeit arbeitsunfähig krank ist, von der Krankenkasse ausgesteuert wurde und der mit der Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit kaum rechnet, beantragt Arbeitslosengeld nicht deshalb, um die Zeit bis zur Wiederaufnahme seiner Tätigkeit im fortbestehenden Arbeitsverhältnis zu überbrücken, sondern für die Zeit, bis ihm Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bewilligt wird. Für ihn ist das bestehende Arbeitsverhältnis letztlich ohne wirtschaftliche Bedeutung. Der Arbeitgeber, der dem Arbeitsamt gegenüber die Beendigung der Beschäftigung trotz rechtlichen Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses bestätigt, verzichtet damit auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers und damit letztlich auch auf sein Direktionsrecht diesem gegenüber.
Daraus folgt, daß der Kläger durch seine Arbeitslosmeldung – auch gegenüber der Beklagten – zu erkennen gegeben hat, daß er seine Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis, nämlich die Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung, wegen seiner krankheitsbedingten und nicht nur vorübergehenden Minderung der Leistungsfähigkeit zumindest vorläufig als beendet ansieht. Auch durch den Antrag auf Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente und die gegen den ablehnenden Bescheid des Rentenversicherungsträgers vor dem Sozialgericht erhobene Klage hat der Kläger dokumentiert, daß er am Wiederaufleben der Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis, nämlich der Arbeits- und der Vergütungspflicht, kein Interesse mehr hat. Die Beklagte, die in der Arbeitsbescheinigung die Beendigung der Beschäftigung bestätigt hat, hat ihrerseits im Gegenzug auf die Erbrigung der Arbeitsleistung durch den Kläger verzichtet. Bei einer solchen Fallage gehen beide Vertragsparteien davon aus, daß wegen der Nichterbringung der Arbeitsleistung und des Bezuges von Arbeitslosengeld durch den Arbeitnehmer auch die Pflicht zur Vergütungszahlung durch den Arbeitgeber entfällt.
Damit hat im Streitfalle zwischen beiden Parteien dahingehende Übereinstimmung bestanden, daß zumindest für die Dauer des Bezuges von Arbeitslosengeld durch den Kläger die wechselseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis nicht mehr bestehen, das heißt suspendiert sind.
Dies hat der Kläger der Beklagten dadurch kundgetan, daß er diese um die Erstellung einer Arbeitsbescheinigung gebeten hat, aus der ersichtlich wurde, daß seine „Beschäftigung” bei ihr wegen seiner Erkrankung beendet sei, damit er Arbeitslosengeld beziehen könne. Diesen Wunsch des Klägers konnte die Beklagte nur so verstehen, daß er die Absicht hatte, keine Arbeitsleistung mehr für sie zu erbringen und an Stelle einer ihm etwa zustehenden Arbeitsvergütung Arbeitslosengeld zu beziehen. Mit dieser Absicht des Klägers hat sich die Beklagte durch das wunschgemäße Ausfüllen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und die Übersendung derselben an den Rechtsvertreter des Klägers konkludent einverstanden erklärt.
Dadurch ist es zu einer einvernehmlichen Suspendierung der Hauptpflichten aus dem rechtlich fortbestehenden Arbeitsverhältnis im Jahre 1992 und somit zu einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses „kraft Vereinbarung” im Sinne der Ziff. 9 TV Sonderzahlung gekommen.
Dem Kläger steht daher die geforderte Sonder Zahlung für das Jahr 1992 nicht zu. Das klagestattgebende Urteil des Landesarbeitsgerichts war demnach aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende arbeitsgerichtliche Urteil zurückzuweisen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Matthes, Hauck, Böck, Brose, J. Wingefeld
Fundstellen