Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeugnisdatum
Leitsatz (redaktionell)
Ein vom Arbeitgeber berichtigtes Zeugnis ist auf das ursprüngliche Ausstellungsdatum zurückzudatieren, wenn die verspätete Ausstellung nicht vom Arbeitnehmer zu vertreten ist.
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Entscheidung vom 05.07.1991; Aktenzeichen 3 Sa 14/91) |
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 18.01.1991; Aktenzeichen 1 Ca 547/90) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ein von der Beklagten berichtigtes Zeugnis auf das ursprüngliche Ausstellungsdatum zurückzudatieren ist.
Die Klägerin war bei der Beklagten vom 1. Juli 1972 bis zum 30. Juni 1990 als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 1990 aus betrieblichen Gründen gekündigt. In einem Vorprozeß über die Berechtigung der Kündigung haben die Parteien am 26. Januar 1990 einen Vergleich abgeschlossen, nach dem das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 1990 gegen Zahlung einer Abfindung endet und die Beklagte sich verpflichtet, der Klägerin ein berufsförderndes, qualifiziertes Zeugnis zu erteilen.
In einem weiteren Vorprozeß haben die Parteien über den Wortlaut des der Klägerin erteilten Zeugnisses gestritten. Dieser Rechtsstreit endete am 16. November 1990 durch einen Vergleich, in dem es einleitend heißt:
"Die Beklagte verpflichtet sich, das Zeugnis der
Klägerin zum 30. Juni 1990 wie folgt abzuändern:
..."
Die Beklagte erteilte daraufhin zunächst mit Datum vom 16. November 1990 ein neues Zeugnis, das von der Klägerin mit Schreiben vom 27. November 1990 beanstandet wurde, weil es nach ihrer Auffassung nicht in vollem Umfang dem gerichtlichen Vergleich entsprach. Außerdem verlangte die Klägerin von der Beklagten, dieses Zeugnis mit dem ursprünglichen Ausstellungsdatum vom 30. Juni 1990 zu erteilen. Die Beklagte stellte daraufhin unter dem 3. Dezember 1990 ein neues Zeugnis mit dem Wortlaut aus, wie die Klägerin es verlangt hatte, lehnte es aber weiterhin ab, dieses Zeugnis mit dem ursprünglichen Ausstellungsdatum vom 30. Juni 1990 zu versehen. Die Klägerin hat sich hiergegen in diesem Rechtsstreit mit der Begründung gewandt, das Ausstellungsdatum des berichtigten Zeugnisses behindere sie in ihrem beruflichen Fortkommen, denn daraus sei ersichtlich, daß eine Auseinandersetzung über das ursprünglich erteilte Zeugnis geführt worden sei.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, das mit Datum vom
3. Dezember 1990 ausgestellte Zeugnis der Beklag-
ten dahingehend zu ändern, daß das Ausstellungs-
datum der 30. Juni 1990 ist.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und hat geltend gemacht, nach dem Grundsatz der Zeugniswahrheit sei der Arbeitgeber gehalten, das Zeugnis unter dem Datum seiner Ausstellung zu erteilen. Es gebe keinen Erfahrungssatz, daß Personalleiter und verständige Arbeitgeber daraus zwangsläufig auf Auseinandersetzungen über den Wortlaut des Zeugnisses schließen könnten.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte will mit ihrer Revision die Abweisung der Klage erreichen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Klägerin verlangt zu Recht, daß ihr das berichtigte Zeugnis mit dem Datum des ursprünglich bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses erteilten Zeugnisses ausgestellt wird.
I. Ein solcher Anspruch der Klägerin ergibt sich allerdings nicht aus dem Vergleich vom 16. November 1990, denn die Parteien haben übereinstimmend erklärt, bei Abschluß dieses Vergleiches hätten sie und ihre Prozeßbevollmächtigten keine rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen über das Ausstellungsdatum des zu berichtigenden Zeugnisses treffen wollen, weil sie diese Frage nicht gesehen hätten. Diese eindeutigen Erklärungen der Parteien lassen keinen Raum für eine andere Auslegung. Daran ist das Revisionsgericht gebunden.
II. Es ist in diesem Rechtsstreit nicht darüber zu entscheiden, ob ein Arbeitnehmer, der ein Zeugnis erst einige Zeit nach seinem Ausscheiden verlangt, eine Rückdatierung auf den Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangen kann. Das wird in der Rechtsprechung und Literatur abgelehnt (vgl. u.a. LAG Hamm Urteil vom 21. März 1969 - 8 Sa 845/68 - DB 1969, 886; LAG Bremen Urteil vom 23. Juni 1989 - 4 Sa 320/88 - LAGE § 630 BGB Nr. 6; ArbG Karlsruhe Urteil vom 19. September 1985 - 6 Ca 654/85 - BB 1986, 461; Baumbach/Duden/Hopt, HGB, 28. Aufl., § 73 Anm. 1 A; Becker-Schaffner, BB 1989, 2105; Göldner, Grundlagen des Zeugnisrechts, 1989, S. 17 f.; Krummel, Zeugnis und Auskunft im Arbeitsrecht, Dissertation Bielefeld 1983, S. 159; MünchKomm-Schwerdtner, BGB, 2. Aufl., § 630 Rz 6; Palandt/Putzo, BGB, 51. Aufl., § 630 Rz 3; RGK-Eisemann, BGB, 12. Aufl., § 630 Rz 26; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl., § 146 III 1 S. 1142; Schleßmann, Das Arbeitszeugnis, 12. Aufl., S. 80).
Wird dagegen ein bereits erteiltes Zeugnis - wie im Streitfall - vom Arbeitgeber inhaltlich geändert bzw. berichtigt, so wird ganz überwiegend die Auffassung vertreten, daß das berichtigte Zeugnis das Datum des ursprünglich und erstmals erteilten Zeugnisses zu tragen hat, und zwar unabhängig davon, ob der Arbeitgeber die Berichtigung von sich aus vornimmt oder ob er dazu gerichtlich verurteilt oder durch Prozeßvergleich angehalten wurde (vgl. z.B. LAG Bremen Urteil vom 23. Juni 1989 - 4 Sa 320/88 - LAGE § 630 BGB Nr. 6; ArbG Karlsruhe Urteil vom 19. September 1985 - 6 Ca 654/85 - BB 1986, 461; Becker-Schaffner, BB 1989, 2105; Schleßmann, aaO, S. 80; derselbe, BB 1988, 1323; Palandt/ Putzo, BGB, 51. Aufl., § 630 Rz 3; anderer Meinung MünchKomm-Schwerdtner, BGB, 2. Aufl., § 630 Rz 35).
III. Der erkennende Senat ist ebenfalls der Auffassung, daß die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung des berichtigten Zeugnisses mit dem Datum des ursprünglich erteilten Zeugnisses hat. Das muß - wie im Streitfall - jedenfalls dann gelten, wenn eine Arbeitnehmerin das Zeugnis rechtzeitig verlangt und die verspätete Ausstellung nicht auf eigener Nachlässigkeit beruht, sondern darauf zurückzuführen ist, daß der Arbeitgeber sich bereit erklärt, das ursprünglich erteilte Zeugnis im Wortlaut zu ändern. Allerdings muß ein Zeugnis in erster Linie wahr sein. Die Wahrheitspflicht umfaßt alle Fragen des Zeugnisrechts (vgl. BAGE 9, 289, 292 = AP Nr. 1 zu § 73 HGB, zu 1 der Gründe). Andererseits soll es das Fortkommen des Arbeitnehmers nicht unnötig erschweren. Zwischen dem Wahrheitsgrundsatz und dem Grundsatz des verständigen Wohlwollens besteht ein Spannungsverhältnis. Ein Zeugnis kann nur im Rahmen der Wahrheit verständig wohlwollend sein (vgl. bereits BAGE 9, 289, 293 f. = AP Nr. 1 zu § 73 HGB, zu 3 der Gründe; BAGE 24, 112, 114 f. = AP Nr. 7 zu § 630 BGB; BGH Urteil vom 26. November 1963 - VI ZR 221/62 - AP Nr. 10 zu § 826 BGB).
Diese Wahrheitspflicht betrifft zunächst einmal den Zeugnisinhalt, also die Bewertung und Darstellung der Leistungen des Arbeitnehmers. Grundsätzlich ist es im redlichen Geschäftsverkehr üblich, schriftliche Erklärungen unter dem richtigen Datum auszustellen, also dem Datum, an dem sie abgegeben werden. Das gilt aber nicht in dem Sonderfall eines berichtigten Zeugnisses, wenn der Arbeitgeber es zu einem späteren Zeitpunkt erst wahrheitsgemäß erteilt. Wäre die Beklagte ihrer Verpflichtung zur Erteilung des Zeugnisses im zutreffenden Umfang sogleich nachgekommen, hätte die Klägerin ein Zeugnis mit dem ursprünglichen Datum erhalten. Es kann nicht unberücksichtigt bleiben, daß die verspätete Ausstellung eines richtigen Zeugnisses von der Klägerin nicht zu vertreten ist.
Die Tatsache, daß die Beklagte das Zeugnis der Klägerin erst unter dem 3. Dezember 1990 erteilt hat, wirkt sich nur nachteilig für die Klägerin und nicht für die Beklagte aus. Wenn ein Zeugnis ein Ausstellungsdatum trägt, welches nicht unerheblich - hier fünf Monate - nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers liegt, ist nach den Erfahrungen des Arbeitslebens zu befürchten, daß dadurch bei dem Arbeitgeber, bei dem sich der Arbeitnehmer unter Vorlage des Zeugnisses bewirbt, der Eindruck hervorgerufen werden kann, das Zeugnis sei erst nach längeren Auseinandersetzungen mit dem früheren Arbeitgeber ausgestellt worden. Ein solcher Eindruck entwertet das Zeugnis und ist geeignet, Mißtrauen gegen den Inhalt des Zeugnisses zu erwecken. Diese Gefahr ist zumindest dann zu bejahen, wenn das Arbeitsverhältnis - wie im vorliegenden Fall - sehr lange bestanden hat. Wenn sich - wie in der Regel - der Arbeitnehmer gegenüber Mitbewerbern durchsetzen muß, können solche Bedenken hinsichtlich der verspäteten Ausstellung des Zeugnisses sich für den Arbeitnehmer nachteilig auswirken. Andererseits sind für den Arbeitgeber - hier die Beklagte - keine Nachteile ersichtlich, wenn das von ihm berichtigte Zeugnis mit dem ursprünglichen Datum ausgestellt wird, das er ebenfalls verwandt hätte, wenn er es sogleich mit dem richtigen Wortlaut erteilt hätte.
Dr. Gehring Dr. Olderog Dr. Reinecke
Kähler Dr. Müller
Fundstellen
Haufe-Index 440238 |
BB 1993, 729 |
BB 1993, 729-730 (LT1) |
DB 1993, 644 (LT1) |
DStR 1993, 1035-1035 (K) |
NJW 1993, 2196-2197 (LT1) |
SteuerBriefe 1993, 268-269 (K) |
BuW 1993, 272 (K) |
EBE/BAG 1993, 26-27 (LT1) |
ARST 1993, 123-124 (LT1) |
NZA 1993, 698 |
NZA 1993, 698-699 (LT1) |
ZAP, EN-Nr 419/93 (S) |
AP § 630 BGB (LT1), Nr 19 |
EzA § 630 BGB, Nr 15 (LT1) |
EzBAT § 61 BAT, Nr 17 (LT1) |