Entscheidungsstichwort (Thema)
Chemische Industrie. Urlaubsdauer bei Schichtarbeit
Leitsatz (redaktionell)
Bestätigung von Senat 5. November 2002 – 9 AZR 470/01 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 15 = EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 4
Orientierungssatz
1. Die tarifliche Urlaubsdauer von 30 Tagen gem. § 12 Abschnitt II Ziff. 1 MTV bezieht sich nur auf das tarifliche Grundmodell der 5-Tage-Woche. Verteilt sich die Arbeitszeit auf mehr oder weniger als fünf Werktage in der Woche, ist der Urlaubsanspruch gem. § 12 Abschnitt II Ziff. 4 Abs. 3 oder Abs. 4 MTV mit dem Ziel einer gleichwertigen Urlaubsdauer umzurechnen. Dazu sind die vom Arbeitnehmer jährlich zu leistenden Jahres-Soll-Schichten mit der Zahl der Jahres-Soll-Arbeitstage der Bezugsgruppe der Arbeitnehmer, deren regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf fünf Tage verteilt ist, ins Verhältnis zu setzen.
2. Bei der Berechnung der Jahres-Soll-Schichten sind die 34 Freischichten des § 5 Abschnitt II Ziff. 1 Abs. 2 MTV in Abzug zu bringen. Freischichttage sind keine Arbeitstage. An Freischichttagen schuldet der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung. Sie dienen dazu, trotz täglicher oder wöchentlicher Überschreitung der tariflich regelmäßigen Arbeitszeit im Verteilzeitraum, die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit zu wahren. Sie verringern deshalb rechnerisch die dem Arbeitnehmer zu gewährenden Urlaubstage.
Normenkette
ArbZG §§ 9, 13; EFZG § 2
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 21.03.2002; Aktenzeichen 11 Sa 449/01) |
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 26.10.2000; Aktenzeichen 11 Ca 3696/00) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 21. März 2002 – 11 Sa 449/01 – aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 26. Oktober 2000 – 11 Ca 3696/00– wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Dauer des tariflichen Jahresurlaubs ab dem Jahre 2000. Der Kläger ist bei der Beklagten als Feuerwehrmann beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit die Vorschriften des Manteltarifvertrages für die Chemische Industrie für die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein und Berlin (West) (MTV) Anwendung. Der Kläger wurde im Rahmen eines Schichtsystems in der Wachabteilung eingesetzt. Seit dem 1. Januar 2000 arbeitet er nach folgendem Schichtplan: Im Drei-Wochen-Turnus wechseln kurze Schichten mit einer Arbeitszeit von acht Stunden mit langen 24-Stunden-Schichten und freien Tagen. Die 24-Stunden-Schicht teilt sich für die Tage von Montag bis Freitag in acht Stunden Arbeitszeit, acht Stunden Arbeitsbereitschaft und acht Stunden Bereitschaftsruhe auf. An Samstagen beträgt die Arbeitszeit in der 24-Stunden-Schicht fünf Stunden. An Sonn- und Feiertagen beträgt sie eine Stunde. Darüber hinaus gewährt die Beklagte jährlich 34 Freischichten. Zur Arbeitszeit und Dauer des Urlaubs enthält der MTV folgende Bestimmungen:
„§ 2
Regelmäßige Arbeitszeit
I.
Dauer und Verteilung der Arbeitszeit
1. Die regelmäßige tarifliche wöchentliche Arbeitszeit an Werktagen beträgt ausschließlich der Pausen 37,5 Stunden. …
Die regelmäßige tarifliche oder abweichend festgelegte wöchentliche Arbeitszeit kann auch im Durchschnitt eines Verteilzeitraums von bis zu 12 Monaten erreicht werden. Bei der Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit kann die tägliche Arbeitszeit bis zu 10 Stunden betragen. …
2. Für Wechselschichtarbeitnehmer in vollkontinuierlichen und teilkontinuierlichen Betrieben beträgt die regelmäßige wöchentliche Gesamtarbeitszeit ausschließlich der Pausen 37,5 Stunden. Eine geringfügige durch den Schichtplan bedingte Überschreitung der 37,5 Stunden ist mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig.
In vollkontinuierlichen Betrieben bleibt es der betrieblichen Vereinbarung überlassen, zur Erreichung zusätzlicher Sonntagsfreischichten Schichten bis zu 12 Stunden an Sonntagen einzulegen.
Die Arbeitszeiten in vollkontinuierlichen und teilkontinuierlichen Betrieben sind im Rahmen eines betrieblichen Schichtplans zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu vereinbaren unter Zugrundelegung eines Verteilzeitraums von bis zu 12 Monaten.
…
§ 5
Arbeitszeit der Arbeitnehmer mit Arbeitsbereitschaft
I.
1. Für Arbeitnehmer, in deren Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfange Arbeitsbereitschaft enthalten ist, kann die regelmäßige wöchentliche Gesamtarbeitszeit auf 46,5 Stunden wöchentlich (10 Stunden täglich) ausgedehnt werden. …
II.
Für solche Arbeitnehmer, deren höchstens 24stündige Anwesenheitszeit im Betrieb sich unterteilt in Arbeit, Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsruhe, z.B. Angehörige der hauptberuflichen Betriebs- bzw. Werkfeuerwehr, Wach- und Feuerwehrmannschaften, Werkschutz, Kraftfahrer und Sanitätspersonal, gilt folgende Regelung:
1. Zu der regelmäßigen täglichen 8stündigen Arbeitszeit tritt eine regelmäßige tägliche Arbeitsbereitschaft bis zu 8 Stunden und eine regelmäßige tägliche Bereitschaftsruhezeit von mindestens 8 Stunden.
Auf die Anwesenheitszeit im Betrieb (Arbeits-, Arbeitsbereitschafts- und Bereitschaftsruhezeit) muss regelmäßig jeweils eine Freizeit gleicher Länge folgen. Außerdem sind jährlich 35 weitere 24stündige Freizeiten in möglichst gleichmäßiger Verteilung zu gewähren.
…
§ 12
Urlaub
I.
Urlaubsanspruch
…
1. Der Arbeitnehmer hat für jedes Kalenderjahr Anspruch auf einen bezahlten Urlaub.
…
7. Bruchteile von Urlaubstagen von 0,5 an aufwärts sind auf volle Urlaubstage aufzurunden, Bruchteile darunter entsprechend abzurunden.
…
II.
Urlaubsdauer
1. Der Urlaub beträgt 30 Urlaubstage.
2. Arbeitnehmer, die im Urlaubsjahr überwiegend in vollkontinuierlicher Wechselschichtarbeit eingesetzt sind und die deshalb regelmäßig nach ihrem Schichtplan Sonntagsarbeit leisten, erhalten einen Zusatzurlaub von 3 Urlaubstagen; …
…
4. Für die Berechnung des sich aus den Ziffern 1, 2 und 3 ergebenden Urlaubs zählen als Urlaubstage grundsätzlich die Arbeitstage mit Ausnahme der Sonntage und der gesetzlichen Feiertage.
Für Arbeitnehmer, die regelmäßig in 5-Tage-Woche mit einem arbeitsfreien Werktag, insbesondere mit arbeits-freiem Samstag, beschäftigt sind, zählen als Arbeitstage die Tage, an denen der Arbeitnehmer aufgrund der regelmäßigen tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit zu arbeiten hätte.
Arbeitnehmern, deren regelmäßige Arbeitszeit auf mehr oder weniger als 5 Werktage in der Woche verteilt ist, ist ein zeitlich gleichwertiger Urlaub zu gewährleisten; das gilt insbesondere für Arbeitnehmer in regelmäßiger Schichtarbeit, Arbeitnehmer mit Arbeitsbereitschaft und Teilzeitbeschäftigte. Der Urlaub dieser Arbeitnehmer gilt dann als zeitlich gleichwertig, wenn er unter Einrechnung der in die Urlaubszeit fallenden arbeitsfreien Werktage ebenso viele Werktage umfasst, wie bei der Urlaubsberechnung nach Absatz 2; hierbei sind die jeweiligen Schichtpläne und die danach anfallenden arbeitsfreien Werktage zu berücksichtigen.
Bei einer ungleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit muss sichergestellt werden, dass der Urlaub zeitlich und in bezug auf die ausfallende Arbeitszeit gleichwertig ist.
…”
In einem Schreiben vom 16. September 1996 erläuterte die Personalabteilung die Urlaubsberechnung wie folgt:
„Lt. MTV ist eine zeitlich gleichwertige Urlaubsdauer von 6 Wochen sicherzustellen:
Der Mitarbeiter in der Feuerwehrschicht (lang/kurz) arbeitet in drei Wochen – dem Schichtturnus – 12 Schichten. Ein Mitarbeiter in der normalen 5-Tage-Woche à 7,5 Std./Tag arbeitet in drei Wochen 15 Tage.
Der Urlaub wird im Verhältnis 12: 15 umgerechnet. Der Feuerwehrmann erhält 12/15 von 30 (+3 Zusatzurlaub WS) Urlaubstagen= 26,4 Urlaubsschichten.
Seit dem 1. April 1993 werden für diese 26,4 Urlaubsschichten auf freiwilliger Basis 27 Urlaubsschichten gewährt.
…”
In dem Schreiben der Personalabteilung der Beklagten aus dem Jahr 1996 wird auch darauf hingewiesen, dass jedem Mitarbeiter insgesamt 34 Freischichten zu 8 Stunden zur gewähren sind. Weiter heißt es dort:
„Der entsprechende Arbeitsausfall wird im voraus im Schichtplan berücksichtigt. 28 Freischichten legt der Betrieb fest und 6 Freischichten nimmt der Mitarbeiter nach Absprache. …
Die MTV-Vorschrift, nach der 35 24stündige Freizeiten gewährt werden müssen, geht von der Regelung 24 Stunden Anwesenheit (8+8+8) / 24 Stunden frei aus. Sie ist daher auf unseren Schichtplan nicht anwendbar.”
Folgende Freischichten wurden in der Vergangenheit gewährt:
ab 1.1.1980 |
|
9 Freischichten |
ab 1.1.1982 |
|
13 ½ Freischichten |
ab 1.1.1986 |
|
17 ½ Freischichten |
ab 1.7.1989 |
40 → 39-Std.-Woche |
23 ½ Freischichten |
ab 1.4.1993 |
39 → 37,5 Stunden-Woche |
34 Freischichten |
In einer Betriebsvereinbarung vom 22. Dezember 1999, gültig ab dem 1. Januar 2000 heißt es zur Arbeitszeit und zum Urlaub für die Werksfeuerwehr.:
„Regelung der Arbeitszeit der Werkfeuerwehr I
Mit Wirkung vom 01.01.2000 gelten für die Werkfeuerwehr der I folgende Regelungen:
Arbeitszeit
• Für die Wachabteilungen gilt das Arbeitszeitmodell gemäß Anlage 1 vom 20.12.1999
…
Aufteilung der 24-Stunden-Schichten
Die 24-Stunden-Schichten setzen sich zusammen aus 8 Stunden Arbeitszeit, 8 Stunden Arbeitsbereitschaft und 8 Stunden Bereitschaftsruhe.
Freischichten
Der Vorgesetzte legt am Jahresanfang die Freischichten in einem zeitlich regelmäßigen Abstand in den Schichtplänen fest.
Urlaub
…
Die in der Anlage 1 – 3 beschriebenen Urlaubsberechtigungen sind nicht Bestandteil dieser Vereinbarung, da der Betriebsrat dahingehend kein Mitbestimmungsrecht hat.”
In der Anlage 1 zu dieser Betriebsvereinbarung heißt es unter anderem:
„Freischichten
Pro Kalenderjahr werden 34 Freischichten grundsätzlich auf den 8-Std.-Schichten gewährt.
Wenn die betrieblichen Belange es zulassen, ist auch die Gewährung auf der 24Std.-Schicht unter Einbringung von 2 Freischichten möglich.
Urlaub/Zusatzurlaub
Auf Basis des vorstehenden Schichtplanes (durchschnittlich 208,7 mögliche Schichten abzüglich 34 Freischichten = 174,7 zu leistende Schichten) werden 22 Schichten Urlaub gewährt, 15 Schichten auf der 24-Stunden-Schicht, 7 Schichten auf der 8-Stunden-Schicht.”
Der Vorgesetzte legte jeweils am Jahresanfang die Freischichten in einem zeitlich regelmäßigen Abstand in den Schichtplänen fest. Dabei gewährte die Beklagte seit April 1993 den Feuerwehrleuten 27 Urlaubsschichten einschließlich des Zusatzurlaubs von drei Urlaubstagen. Ab dem 1. Januar 2000 reduzierte sie diese Urlaubsschichten auf 22 Schichten jährlich.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe Anspruch auf 27 Urlaubsschichten nach Umrechnung eines Urlaubs von 33 Urlaubstagen in der 5-Tage-Woche. Er sei von der Beklagten darauf hingewiesen worden, dass mit 27 Urlaubsschichten ein tariflicher Anspruch von 26,4 Urlaubsschichten erfüllt werden solle.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, für die Urlaubsjahre 2000 und 2001 fünf zusätzliche Urlaubsschichten dem Kläger zu gewähren.
- festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab 2002 weiterhin 27 Urlaubstage/schichten zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, den Zusatzurlaub von drei Tagen habe sie nur auf freiwilliger Basis gewährt. Sie habe nie einen vom MTV losgelösten Urlaubsanspruch gewähren wollen. Die von ihr neu vorgenommene Urlaubsberechnung habe eine Korrektur der fälschlicherweise vorgenommenen Umrechnung im Sinne der Gleichwertigkeit des Urlaubs zwischen Normalschichtlern und Wechselschichtlern entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bedeutet.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision. Der Kläger beantragt deren Zurückweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet.
I. Die Feststellungsklage zu Ziff. 2 ist zulässig. Insbesondere besteht das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Die Feststellungsklage ist dann zulässig, wenn auf diesem Wege eine sachgemäße einfache Erledigung der Streitpunkte zu erreichen ist und prozesswirtschaftliche Erwägungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen (Senat 11. Dezember 2001 – 9 AZR 435/00 – EzA ZPO § 256 Nr. 59; 18. März 1997 – 9 AZR 84/96 – BAGE 85, 306, 308). Das ist vorliegend der Fall. Der Antrag des Klägers ist geeignet, die zwischen den Parteien jährlich neu entstehenden Streitpunkte hinsichtlich der korrekten Urlaubsberechnung zu klären. Für das abgeschlossene Jahr 2002 war es nicht erforderlich, auf einen Leistungsantrag umzustellen.
II. Die Klage ist insgesamt unbegründet. Der Kläger hat keinen über 22 Urlaubstage hinausgehenden jährlichen Urlaubsanspruch nach dem gem. § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG anzuwendenden MTV.
1. Der Kläger legt seiner Berechnung zu Recht den Zusatzurlaub von drei Urlaubstagen für Arbeitnehmer in vollkontinuierlicher Wechselschichtarbeit gem. § 12 Abschnitt II Ziff. 2 Abs. 1 MTV zugrunde. Dies setzt voraus, dass er in vollkontinuierlicher Wechselschicht eingesetzt ist. Soweit die Revision erstmals rügt, hierauf bestehe kein Anspruch, ist dies unbeachtlich. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte 33 Urlaubstage, unabhängig von der Erfüllung der tariflichen Anspruchsvoraussetzungen auf freiwilliger Basis gewährt. Ein Widerruf der Beklagten war nicht erfolgt.
Unabhängig davon ergibt sich auch bei Zugrundelegung von 33 Urlaubstagen kein längerer Urlaubsanspruch als 22 Tage jährlich.
2. Da der Kläger nicht regelmäßig in der 5-Tage-Woche arbeitet, sondern seine Arbeitszeit sich auf mehr oder weniger als fünf Werktage in der Woche verteilt, ist sein Urlaubsanspruch gem. § 12 Abschnitt II Ziff. 4 Abs. 3 oder Abs. 4 MTV mit dem Ziel einer gleichwertigen Urlaubsdauer umzurechnen. Die tarifliche Urlaubsdauer von 30 Tagen gem. § 12 Abschnitt II Ziff. 1 MTV bezieht sich nämlich nur auf das tarifliche Grundmodell der 5-Tage-Woche. Entgegen dem Landesarbeitsgericht ist dabei § 12 Abschnitt II Ziff. 4 Abs. 4 und nicht Abs. 3 MTV anzuwenden. Absatz 3 gilt nur für Arbeitnehmer, deren regelmäßige Arbeitszeit auf mehr oder weniger als fünf Werktage in der Woche verteilt ist. Die Vorschrift setzt damit eine regelmäßige Verteilung im Wochenrhythmus voraus, soweit von der 5-Tage-Woche abgewichen wird (Senat 5. November 2002 – 9 AZR 470/01 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 15 = EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 4). Der Kläger arbeitet schon deshalb nicht im regelmäßigen Wochenrhythmus iSv. Abs. 3, weil die 34 Freizeiten des § 5 Abschnitt II Ziff. 1 Abs. 2 MTV bei der Beklagten jahresbezogen gewährt werden.
Trotz der Festlegung der Freischichten am Jahresanfang im regelmäßigen Abstand ist eine regelmäßige Verteilung der Arbeitszeit im Wochenrhythmus nicht möglich, weil die Arbeitszeit sich auf mehr als 34 Wochen jährlich verteilt.
3. Dem Kläger steht nach § 12 Abschnitt II Ziff. 4 Abs. 4 MTV nicht die von ihm verlangte Anzahl von 27 Urlaubstagen jährlich zu. Die erforderliche Umrechnung nach Abs. 4 ergibt nur 22 Urlaubstage jährlich.
a) Nach § 12 Abschnitt II Ziff. 4 Abs. 4 MTV muss sichergestellt werden, dass die Urlaubsdauer der Arbeitnehmer dieser Fallgruppe zeitlich und im Bezug auf die ausfallende Arbeitszeit dem Urlaubsanspruch der im Grundmodell beschäftigten Arbeitnehmer gleichwertig ist. Dem Arbeitnehmer muss es möglich sein, bei zusammenhängender Urlaubsgewährung unter Berücksichtigung der freien Tage auf eine Freistellung zu kommen, die dem Grundmodell des Urlaubs bei Zugrundelegung einer 5-Tage-Woche entspricht. Zudem muss die Gleichwertigkeit im Bezug auf die ausfallende Arbeit sichergestellt sein. Dabei bedeutet die von den Tarifvertragsparteien verwandte Formulierung „gleichwertig”, dass bei unregelmäßiger Arbeitszeit keine völlige Gleichheit (nicht dieselbe Urlaubsfreistellung) gegeben sein muss. Es dürfen sich nur keine ins Gewicht fallenden Unterschiede ergeben (Senat 5. November 2002 – 9 AZR 470/01 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 15 = EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 4).
Für die Umrechnung des tariflichen Urlaubsanspruchs sind die vom Kläger jährlich zu leistenden Jahres-Soll-Schichten mit der Zahl der Jahres-Soll-Arbeitstage der Bezugsgruppe ins Verhältnis zu setzen (vgl. Senat 18. Februar 1997 – 9 AZR 738/95 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 13 = EzA BUrlG § 3 Nr. 20). Bezugsgruppe sind die Arbeitnehmer mit regelmäßiger 5-Tage-Woche. Für diese Umrechnung ist grundsätzlich auf Arbeitstage, die Arbeitsschichten entsprechen, abzustellen (Senat 22. Oktober 1991 – 9 AZR 621/90 – BAGE 68, 377). Bei der Umrechnung ist die unterschiedliche Anzahl der Tage mit der Anzahl der Urlaubstage miteinander ins Verhältnis zu setzen. Dabei ist für diese Verhältnisrechnung auf den Zeitabschnitt abzustellen, in dem im Durchschnitt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit erreicht wird (Senat 8. September 1998 – 9 AZR 161/97 – BAGE 89, 362). Gem. § 2 Abschnitt I Ziff. 2 Abs. 3 MTV ist für voll- und teilkontinuierliche Betriebe ein Verteilzeitraum von zwölf Monaten zugrunde zu legen.
Die Umrechnung erfolgt nach folgender Formel (Senat 5. November 2002 – 9 AZR 470/01 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 15 = EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 4):
Vorgeschriebene Urlaubstage/Jahr × Jahresarbeitstage |
= Arbeitstage Urlaub/Jahr. |
mögliche Jahresarbeitstage/Jahr der Bezugsgruppe |
Da der MTV auf das Kalenderjahr als den Zeitabschnitt abstellt, in dem im Durchschnitt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit zu erreichen ist, wird nach § 191 BGB ausgehend von 365 Kalendertagen die mögliche Anzahl der Arbeitstage bestimmt (vgl. Senat 5. November 2002 – 9 AZR 470/01 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 15 = EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 4).
b) Entgegen der Auffassung des Klägers sind die 34 Freischichten bei der Berechnung der zu leistenden individuellen Soll-Arbeitszeit (vorgeschriebene Arbeitstage) des Klägers in Abzug zu bringen.
Freischichttage dienen dazu, trotz täglicher oder wöchentlicher Überschreitung der tariflich regelmäßigen Arbeitszeit im Verteilzeitraum die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit zu wahren. Einzelne über die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit hinausgehende Stunden können als Ausgleich zu Freischichttagen zusammengefasst werden (Leinemann BB 1998, 1414). Freischichttage sind somit Wochentage, an denen ein Arbeitnehmer wegen der Verteilung der Arbeitszeit auf Arbeitsschichten nicht zur Arbeit verpflichtet ist. Sie sind keine Arbeitstage. Sie verringern deshalb rechnerisch die Anzahl der in einem Jahr möglichen Tage mit Arbeitspflicht.
Das Landesarbeitsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die Freischichttage gem. § 5 Abschnitt II Ziff. 1 Abs. 2 MTV darauf beruhen, dass die Mitarbeiter in der Werkfeuerwehr in einer 24-Stunden-Schicht höhere Anwesenheitszeiten, verteilt in Arbeit, Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsruhezeit zu erbringen haben. Dies soll durch die Freizeiten ausgeglichen werden. Die Freischichttage nach § 5 Abschnitt II Ziff. 1 Abs. 2 MTV dienen damit der Einhaltung der tariflichen Arbeitszeit im Verteilzeitraum. Insbesondere soll die in der 24-Stunden-Schicht tägliche Zeitbelastung ausgeglichen werden.
Dafür spricht die systematische Stellung der Freischichttage in § 5 MTV, der die Arbeitszeit der Arbeitnehmer mit Arbeitsbereitschaft regelt.
Zudem weist das Landesarbeitsgericht zu Recht darauf hin, dass sich die Freischichten parallel zur tariflichen Arbeitszeitverkürzung erhöht haben (ab 1. Juli 1989 statt 40 Stunden = 39 Stunden = 23,5 Freizeiten; ab 1. April 1993 statt 39 Stunden = 37,5 Stunden = 34 Freizeiten). Die zusätzlichen Freizeittage dienen damit erkennbar der Annäherung der Arbeitszeit der Arbeitnehmer mit Arbeitsbereitschaft an die Arbeitszeit der anderen Arbeitnehmer.
c) Soweit die Betriebsvereinbarung vom 22. Dezember 1999 ebenso den Abzug der 34 Freischichten von den tariflich möglichen Schichten bestimmt, ist dies unbeachtlich. Rechtlich gestaltende Wirkung kommt der Anlage 1 zur Betriebsvereinbarung vom 22. Dezember 1999 nicht zu, da nach dem ausdrücklichen Betriebsvereinbarungstext die Anlagen nicht Bestandteil der Betriebsvereinbarung sein sollen. Sie sind ersichtlich nur Berechnungsbeispiel in Anwendung der tariflichen Vorschriften.
d) Danach gilt für den Urlaubsanspruch des Klägers folgende Umrechnung:
(208,7 Schichten des Klägers - 34 Freischichten) × 33 Urlaubstage |
= 22,09 Urlaubstage. |
261 Jahressollarbeitstage |
Nach § 12 Abschnitt I Ziff. 7 MTV ist auf 22 Urlaubstage abzurunden.
e) Diese Anzahl von Urlaubsschichten ist auch geeignet, dem Kläger bei zusammenhängender Urlaubsgewährung unter Berücksichtigung seines Schichtplanes eine auf Wochen bezogene Freistellung zu ermöglichen, die der Urlaubsgewährung im Rahmen einer 5-Tage-Woche unter Berücksichtigung der besonderen Schwierigkeiten der Urlaubsberechnung bei Schichtarbeit gleichwertig ist. So ergeben die 30 Urlaubstage des in der regelmäßigen 5-Tage-Woche tätigen Arbeitnehmers eine Urlaubsdauer von sechs Wochen. Für den ohne die Freischichten in der 4-Tage-Woche tätigen Kläger errechnen sich zwar nur 5,5 Urlaubswochen. Hinzu kommen jedoch noch die 34 Freizeittage, so dass seine Urlaubsdauer je nach Lage der Freizeittage während des Urlaubszeitraums in der Regel sechs Wochen nicht unterschreitet. Denn während der Freizeittage wird kein Urlaub gewährt, da der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung schuldet und somit eine Befreiung von der Arbeitspflicht durch Urlaub nicht möglich ist.
4. Entgegen der Auffassung des Klägers haben die gesetzlichen Feiertage für die Berechnung der Urlaubstage keine Bedeutung. Die Behandlung der Feiertage ist gesondert in §§ 9 – 13 ArbZG und in § 2 EFZG geregelt. Urlaubsrechtlich sind die Feiertage nur dadurch von Bedeutung, dass dann, wenn die übliche Arbeitzeit schon durch einen Feiertag ausfällt und deshalb das Arbeitsentgelt fortzuzahlen ist, dieser Tag für die Urlaubsgewährung nicht zur Verfügung steht, da der Arbeitnehmer ohnehin keine Arbeitsleistung schuldet (Senat 5. November 2002 – 9 AZR 470/01 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 15 = EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 4).
5. Ein Anspruch auf längere Urlaubsdauer ergibt sich auch nicht aus betrieblicher Übung, obwohl die Beklagte vor dem Kalenderjahr 2000 27 jährliche Urlaubsschichten gewährte. Für die Annahme einer betrieblichen Übung reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber tatsächliche Leistungen erbringt. Es muss sich vielmehr für den Arbeitnehmer aus allen Gesamtumständen der Eindruck ergeben, der Arbeitgeber wolle sich über die bisher vereinbarten vertraglichen und tarifvertraglichen Pflichten hinaus zu einer weiteren Leistung verpflichten (Senat 20. August 2002 – 9 AZR 261/01 – AP BetrVG 1972 § 38 Nr. 27 = EzA BetrVG 2001 § 38 Nr. 1). Hier ergeben sich keine Umstände, aus denen der Kläger hätte schließen können, die Beklagte wolle mehr als die ihr obliegenden Pflichten aus dem Tarifvertrag erfüllen. Auch die Berechnung der Personalabteilung vom 16. September 1996 erfolgte ausdrücklich gemäß MTV („Lt. MTV”) und somit erkennbar in wenn auch unrichtiger Anwendung des MTV.
III. Der Kläger hat als unterlegene Partei gem. § 91 ZPO die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu tragen.
Unterschriften
Düwell, Reinecke, Krasshöfer, Kappes, Jungermann
Fundstellen