Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsabgeltung bei Arbeitsunfähigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Die Tarifvertragsparteien sind nicht gehindert, abweichend von § 7 Abs. 4 BUrlG zugunsten fortdauernd arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer zu vereinbaren, daß bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Urlaubsanspruch vom Arbeitgeber abzugelten ist (vgl. BAG 20. Januar 1998 - 9 AZR 601/96 - nv. und 9. August 1994 - 9 AZR 346/92 - BAGE 77, 291).
2. Den urlaubsrechtlichen Bestimmungen des § 33 TV AL II (Frz) kann kein von § 7 Abs. 4 BUrlG abweichender Regelungswille der Tarifvertragsparteien zugunsten von dauerhaft arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmern entnommen werden.
Normenkette
BUrlG § 7 Abs. 4; Tarifvertrag für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland TV AL II (Frz) § 33
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 12. August 1998 - 12 Sa 77/97 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Abgeltung von sieben Tagen Urlaub aus dem Jahr 1996 und 39 Urlaubstagen aus dem Jahr 1995 hat.
Der im März 1936 geborene Kläger war 25 Jahre Zivilbeschäftigter bei den Französischen Stationierungsstreitkräften. Zuletzt wurde er als Oberheizer beschäftigt. Vertraglich war die Anwendung des Tarifvertrages für die Arbeitnehmer bei den Französischen Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland TV AL II (Frz) in der jeweils geltenden Fassung vereinbart. Im Juni 1995 bot das Kommando der Französischen Stationierungsstreitkräfte dem Kläger einen Aufhebungsvertrag mit folgendem Inhalt an:
„Ihr Arbeitsvertrag endet zum 29.2.1996:
…
Grund: |
Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses erfolgt im Einvernehmen mit dem Kommando der FFSA-1DB im Rahmen des Abbaus des Arbeitsplatzes infolge der Umstrukturierung der Einrichtungen der Garnison.” |
Der Kläger unterzeichnete dieses Angebot und erhielt eine Abfindung von 27.931,00 DM. Seit dem 26. Juni 1995 ist der Kläger ununterbrochen arbeitsunfähig krank. Er ist schwerbehindert und leidet an Krebs. Im Januar 1996 beantragte der Kläger die Auszahlung seiner Urlaubsansprüche. Das Büro für die Zivilbeschäftigten der Französischen Stationierungsstreitkräfte wies im März 1996 die Forderung des Klägers nach Zahlung einer Urlaubsabgeltung zurück. Im Juni 1996 ist dem Kläger mit Wirkung zum 25. August 1995 eine Erwerbsunfähigkeitsrente bewilligt worden.
Am 2. September 1996 hat der Kläger Klage auf Urlaubsabgeltung erhoben. Er hat geltend gemacht, trotz Fortdauer seiner Arbeitsunfähigkeit habe die Beklagte nach Maßgabe des Tarifvertrags den Urlaubsanspruch in bar abzugelten. Die maßgeblichen Bestimmungen des TV AL II (Frz) in der Fassung der zum 1. Januar 1984 in Kraft getretenen Änderungsvereinbarung Nr. 14 lauten:
„Abschnitt 8 – Urlaubsbestimmung
§ 33 Erholungsurlaub
Anspruch
- Der Arbeitnehmer hat nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen in jedem Kalenderjahr (Urlaubsjahr) Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub.
- …
- …
Teilurlaub
- …
Scheidet der Arbeitnehmer wegen Berufsunfähigkeit oder wegen Erwerbsunfähigkeit oder deshalb aus dem Beschäftigungsverhältnis aus, weil er Altersruhegeld bezieht, so beträgt der Urlaubsanspruch
- sechs Zwölftel, wenn das Beschäftigungsverhältnis in der ersten Hälfte
- zwölf Zwölftel, wenn das Beschäftigungsverhältnis in der zweiten Hälfte
des Urlaubsjahres endet.
- …
Übertragung des Urlaubs
Der Urlaub soll im laufenden Kalenderjahr erteilt und genommen werden.
Eine Übertragung auf das nächste Kalenderjahr ist nur zulässig, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen.
- Bei Übertragung auf das nächsten Kalenderjahr muß der Urlaub bis zum 31. März angetreten sein. Kann der Arbeitnehmer den Urlaub wegen Arbeitsunfähigkeit nicht bis zum 31. März antreten so muß der Urlaub innerhalb von zwei Monaten nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erteilt und angetreten werden.
- …
Abgeltung des Urlaubs
- Der Urlaub wird grundsätzlich in bezahlter Arbeitsbefreiung erteilt.
- Ist das Beschäftigungsverhältnis gekündigt, so muß der dem Arbeitnehmer noch zustehende Urlaub während der Kündigungsfrist erteilt werden.
- Lassen dringende betriebliche oder zwingende persönliche Gründe die Erteilung des Urlaubs bis zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht zu, so wird der verbleibende Urlaubsanspruch in bar abgegolten.
- …”
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.610,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 16. Juli 1996 zu bezahlen.
Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist vom Landesarbeitsgericht zurückgewiesen worden. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger weiterhin sein bisheriges Prozeßziel.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, den im Jahr 1996 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstandenen Urlaubsanspruch sowie den aus dem Jahre 1995 übertragenen Resturlaubsanspruch nach § 33 Ziff. 7 TV AL II (Frz) in bar abzugelten.
1. Die Klage ist nach Art. 56 Abs. 8 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut zutreffend gegen die Beklagte gerichtet. Nach Art. 25 des Gesetzes zu dem Abkommen vom 19. Juni 1951 zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen (NATO-Truppenstatut) und zu den Zusatzvereinbarungen vom 3. August 1959 sind gerichtliche Entscheidungen über eine Leistung eines Zivilbeschäftigten bei den Stationierungsstreitkräften so auszusprechen, daß die Beklagte für den Entsendestaat zu leisten hat, dem die Leistung als Arbeitgeber obliegt.
2. Das Landesarbeitsgericht hat das Entstehen eines Abgeltungsanspruchs verneint. Dazu hat es ausgeführt, nach § 7 Abs. 4 BUrlG werde kein Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs begründet, wenn der Arbeitnehmer seinen Resturlaub wegen Erkrankung auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr nehmen könne. Zwar seien die Tarifvertragsparteien frei, von dieser gesetzlichen Regelung zugunsten des Arbeitnehmers abzuweichen und eine Abfindung der Resturlaubsansprüche bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu vereinbaren, eine derartige abweichende Regelung sei aber nicht in dem hier maßgeblichen § 33 TV AL II (Frz) getroffen worden. Der Kläger berufe sich zu Unrecht auch auf die Vorschrift des § 33 Ziff. 4 c TV AL II (Frz). Denn er sei weder wegen Berufsunfähigkeit oder wegen Erwerbsunfähigkeit noch deshalb aus dem Beschäftigungsverhältnis ausgeschieden, weil er Altersruhegeld beziehe. Nach dem im Juli 1995 abgeschlossenen Aufhebungsvertrag sei alleiniger Ausscheidensgrund ein dringendes betriebliches Erfordernis.
3. Entgegen der Revision ist das Urteil des Landesarbeitsgerichts frei von Rechtsfehlern.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist der Urlaubsabgeltungsanspruch kein Abfindungsanspruch. Er entsteht als Ersatz für die wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr mögliche Befreiung von der Arbeitspflicht. Er setzt deshalb voraus, daß der Urlaubsanspruch bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses noch erfüllt werden könnte (BAG 20. Januar 1998 - 9 AZR 601/96 - nv.; 19. November 1996 - 9 AZR 376/95 - und 5. Dezember 1995 - 9 AZR 871/94 - AP BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 71 und Nr. 70 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 1 und EzA BUrlG § 7 Nr. 101). Entgegen der Ansicht der Revision ist den tariflichen Urlaubsbestimmungen des § 33 TV AL II (Frz) nicht zu entnehmen, daß für erkrankte Arbeitnehmer eine von § 7 Abs. 4 BUrlG abweichende Abfindungsregelung gelten soll. Das hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 20. Januar 1998 (- 9 AZR 601/96 -) erkannt. Dazu hätten die Tarifvertragsparteien ihren abweichenden Regelungswillen eindeutig im Wortlaut des Tarifvertrags zum Ausdruck bringen müssen (vgl. BAG 9. August 1994 - 9 AZR 346/92 - BAGE 77, 291 und 26. Mai 1992 - 9 AZR 172/91 - AP BUrlG § 4 Abgeltung Nr. 58 = EzA BUrlG § 7 Nr. 83). Hier haben die Tarifvertragsparteien lediglich Verbesserungen zugunsten von arbeitsunfähigen Arbeitnehmern beim Teilurlaub (Ziff. 4 c) und bei der Verlängerung der Übertragungsfristen (Ziff.6 b Satz 2) vereinbart.
Im übrigen hat das Landesarbeitsgericht zu Recht darauf hingewiesen, daß § 33 Ziff. 4 c TV AL II (Frz) allenfalls als Anhaltspunkt dafür verstanden werden könnte, daß die Tarifvertragsparteien den Arbeitnehmern, die wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit oder wegen des Bezugs von Altersruhegeld ausscheiden, eine Vergünstigung zukommen lassen wollen. Der Kläger fällt jedoch nicht unter diesen Personenkreis. Wie das Landesarbeitsgericht nach § 561 Abs. 1 ZPO bindend für das Revisionsgericht festgestellt hat, ist der Kläger nach dem Inhalt des Aufhebungsvertrages vom Juli 1995 aus einem anderen Grund aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden.
II. Der Kläger hat nach § 97 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Leinemann, Reinecke, Düwell, Otto, Kranzusch
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 09.11.1999 durch Brüne, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436556 |
BB 2000, 671 |
DB 2000, 523 |
EBE/BAG 2000, 42 |
FA 2000, 140 |
NZA 2000, 603 |
SAE 2000, 215 |
ZTR 2000, 183 |
AP, 0 |
AuA 2000, 290 |
PersR 2000, 137 |
AUR 2000, 198 |