Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifgeltung im Beitrittsgebiet
Orientierungssatz
Hinweise des Senats:
"Fortsetzung der ständigen Rechtsprechung des Senats zum Geltungsbereich des BAT-O und zur Vergütung nach Rückkehr in das Beitrittsgebiet."
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des
Landesarbeitsgerichts Berlin vom 24. Februar 1998 - 12 Sa
161/97 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin über den 31. Dezember 1996 hinaus der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) oder der Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften - vom 10. Dezember 1990 (BAT-O) Anwendung findet.
Die Klägerin, die ursprünglich beim Magistrat von Berlin im ehemaligen Ostberlin beschäftigt war, wurde aufgrund Arbeitsvertrags der Parteien vom 13. Dezember 1991 mit Wirkung ab dem 1. Januar 1991 im Bereich der Senatsverwaltung für Stadt-entwicklung und Umweltschutz auf unbestimmte Zeit weiterbeschäftigt. In § 3 dieses Arbeitsvertrages der beiderseits tarifgebundenen Parteien wurde die Anwendung des BAT-O vereinbart.
Die Klägerin war ab dem 1. Dezember 1991 im Westteil von Berlin eingesetzt. Mit einem an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz gerichteten Schreiben vom 13. November 1992 und einem an die Klägerin persönlich gerichteten Schreiben vom 17. November 1992 teilte das beklagte Land der Klägerin mit, daß sich auf Grund des zwischenzeitlich ergangenen Urteils des Senats vom 30. Juli 1992 (- 6 AZR 11/92 - BAGE 71, 68), des sog.
"Posturteils", ihr Arbeitsverhältnis nach BAT richte, da sie seit dem 1. Dezember 1991 "dauerhaft bzw. auf nicht absehbare Zeit im Westteil Berlins beschäftigt" sei. Die höhere Vergütung erhalte sie unter Berücksichtigung der Ausschlußfrist rückwirkend ab dem 1. Dezember 1991. Auf einen späteren Antrag der Klägerin auf "Umstellung Ihres BAT-O-Arbeitsvertrages auf BAT" antwortete das beklagte Land mit Schreiben vom 26. März 1996 und verwies auf sein früheres Schreiben vom 17. November 1992. Gleichzeitig teilte es der Klägerin mit, daß ihr Arbeitsverhältnis "vom Tage der Aufnahme ihrer dauerhaften Tätigkeit im Westteil der Stadt von den Regelungen des Tarifrechts West erfaßt" werde und bat sie, "ihr Einverständnis mit der seinerzeit erfolgten Vertragsumstellung zu bestätigen". Dies erfolgte handschriftlich durch die Klägerin mit Datum vom 1. April 1996 auf dem Schreiben des beklagten Landes.
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie zog mit Wirkung vom 1. Januar 1997 vom Westteil in den Ostteil von Berlin um. Das beklagte Land teilte der Klägerin durch Schreiben vom 23. Dezember 1996 mit, daß sich ihr Arbeitsverhältnis mit dem Zeitpunkt des Umzugs "nur noch nach den im Tarifrechtskreis Ost" geltenden Vorschriften richte. Dem widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 14. Januar 1997.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, auf ihr Arbeitsverhältnis seien auch nach ihrer Rückkehr in das östliche Tarifgebiet weiterhin die Bestimmungen des BAT anzuwenden. Der Anspruch ergebe sich aus einzelvertraglicher Zusage.
Die Klägerin hat beantragt festzustellen, daß auf das
Arbeitsverhältnis der Parteien ab 1. Januar 1997 weiter der BAT
(West) in der jeweils geltenden Fassung nebst den diesen
ergänzenden Tarifverträgen anzuwenden ist.
Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis richte sich nach Rückkehr der Klägerin in das östliche Tarifgebiet wieder nach den Bestimmungen des BAT-O. Die übertarifliche Geltung des BAT sei nicht vereinbart worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage als unbegründet abgewiesen.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden nach dem 31. Dezember 1996 die Bestimmungen des BAT-O Anwendung. Aus den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien ergibt sich nichts anderes.
1. Nach § 1 Abs. 1 Buchst. b BAT-O gilt dieser Tarifvertrag für Arbeitnehmer der Länder, die in einer der Rentenversicherung der Angestellten unterliegenden Beschäftigung tätig sind (Angestellte) und deren Arbeitsverhältnisse in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages (fortan: EV) genannten Gebiet begründet sind.
a) Die Klägerin übt unstreitig eine der Rentenversicherung der Angestellten unterliegenden Beschäftigung bei dem beklagten Land aus.
b) Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist auch in dem in Art. 3 EV genannten Gebiet begründet.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist ein Arbeitsverhältnis in dem in Art. 3 EV genannten Gebiet begründet, wenn dort der Grund der Entstehung des Arbeitsverhältnisses liegt und der Bezug zum Beitrittsgebiet gegenwärtig noch besteht. Wird ein Arbeitnehmer für eine Tätigkeit im Beitrittsgebiet eingestellt und wird er auf unbestimmte Zeit dort beschäftigt, sind diese Voraussetzungen gegeben (BAG 24. Februar 1994 - 6 AZR 588/93 - BAGE 76, 57; 6. Oktober 1994 - 6 AZR 324/94 - BAGE 78, 108). Für den gegenwärtigen Bezug zum Beitrittsgebiet ist grundsätzlich die Lage des Arbeitsplatzes entscheidend (BAG 24. Februar 1994 - 6 AZR 588/93 - BAGE 76, 57, 61; 6. Oktober 1994 - 6 AZR 324/94 - BAGE 78, 108, 112; 23. Februar 1995 - 6 AZR 614/94 - BAGE 79, 215, 217; 20. März 1997 - 6 AZR 10/96 - BAGE 85, 322, 327 f.; 25. Juni 1998 - 6 AZR 515/97 - AP TV Arb Bundespost § 1 Nr. 2 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 76, zu II 1 a der Gründe und - 6 AZR 475/96 - AP TV Arb Bundespost § 1 Nr. 1 = EzA TVG § 4 Geltungsbereich Nr. 12, zu II 2 b bb der Gründe). Wird ein Arbeitnehmer, der für eine Tätigkeit im Beitrittsgebiet eingestellt wurde, vorübergehend auf nicht absehbare Zeit im Geltungsbereich des BAT beschäftigt, findet für die Dauer dieser Tätigkeit der BAT Anwendung. Nach Rückkehr auf einen Arbeitsplatz im Beitrittsgebiet unterfällt das Arbeitsverhältnis wieder dem BAT-O (BAG 6. Oktober 1994 - 6 AZR 324/94 - BAGE 78, 108; 23. Februar 1995 - 6 AZR 667/94 - BAGE 79, 224; 21. September 1995 - 6 AZR 151/95 - AP BAT-O § 1 Nr. 6 = EzA TVG § 4 Geltungsbereich Nr. 11, zu III 2 der Gründe; 26. Oktober 1995 - 6 AZR 125/95 - BAGE 81, 207, 209; 20. März 1997 - 6 AZR 10/96 - BAGE 85, 322, 329; 25. Juni 1998 - 6 AZR 515/97 -, aaO, zu II 1 c der Gründe).
bb) Der Grund für die Entstehung des Arbeitsverhältnisses lag im Beitrittsgebiet. Das Arbeitsverhältnis bestand bereits vor dem 3. Oktober 1990 in der ehemaligen DDR und wurde nach Herstellung der Einheit Deutschlands von dem beklagten Land als Rechtsnachfolger fortgeführt. Der Bezug zum Beitrittsgebiet besteht gegenwärtig, da sich der Arbeitsplatz der Klägerin seit dem 1. Januar 1997 wieder im ehemaligen Ostberlin befindet. Seit diesem Zeitpunkt richtet sich das Arbeitsverhältnis deshalb nach der Regelung des BAT-O. Lediglich während des Einsatzes im ehemaligen Westberlin fanden die Vorschriften des BAT auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.
2. Zu Recht hat auch das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die Parteien keine davon abweichende, für die Klägerin günstigere arbeitsvertragliche Vereinbarung getroffen haben.
a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, durch die Schreiben der Beklagten vom 17. November 1992 und vom 26. März 1996 sei nicht die Anwendung des BAT vereinbart worden. Das beklagte Land habe nur schriftlich bestätigt, was es geglaubt habe, tarifvertraglich zu schulden. Das beklagte Land habe durch den Vertragstext lediglich die Konsequenzen aus dem sog. "Posturteil" des Senats vom 30. Juni 1992 (- 6 AZR 11/92 - BAGE 71, 68) gezogen. Die Parteien hätten nicht vereinbart, daß der BAT nach der Rückkehr der Klägerin auf den Arbeitsplatz im Beitrittsgebiet gelten soll.
b) Diese Auslegung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Im Rahmen der Vertragsfreiheit ist es rechtlich möglich, einzelvertraglich die Geltung normativ nicht geltender Tarifregelungen zu vereinbaren (BAG 21. Oktober 1992 - 4 AZR 156/92 - AP BAT § 23 a Nr. 27, zu I 3 a der Gründe). Im öffentlichen Dienst hat allerdings die Verweisung auf den Geltungsbereich eines Tarifvertrages grundsätzlich nur den Sinn, daß der Arbeitsvertrag das beinhalten soll, was nach allgemeinen Grundsätzen des Tarifrechts auch für tarifgebundene Angestellte gilt (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG 21. Oktober 1992, aaO, zu I 3 b der Gründe, mwN und 1. Juni 1995 - 6 AZR 922/94 - BAGE 80, 152, 155). Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist deshalb davon auszugehen, daß die Klägerin gegenüber den vergleichbaren tarifgebundenen Angestellten nicht ungleich behandelt werden sollte (vgl. Senatsurteil vom 1. Juni 1995, aaO). Das Landesarbeitsgericht hat deshalb ohne Rechtsfehler angenommen, daß das beklagte Land nur das vollziehen wollte, was der tariflichen Rechtslage entsprach. Einen weitergehenden Verpflichtungswillen des beklagten Landes hat das Landesarbeitsgericht rechtsirrtumsfrei verneint.
3. Auch die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts unter Ziff. 3 bis 6 seiner Entscheidungsgründe sind rechtsirrtumsfrei. Eines Eingehens darauf bedarf es nicht mehr, da sich die Klägerin in der Revision weder auf die Mißachtung von Mitbestimmungsrechten des Personalrats noch auf eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes noch auf eine analoge Anwendung von § 12 Abs. 2 BAT oder auf Unbilligkeit der Verlegung ihres Arbeitsplatzes in den Ostteil von Berlin berufen hat.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Dr.
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