Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsbereitschaft - kleinere Dienstleistungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Sonderregelungen für Besatzungen von See- und Binnenfahrzeugen und von schwimmenden Geräten im Bereich des Bundesministers der Verteidigung nach § 2 Buchst b (SR 2b MTB II) enthalten in der Nr 8 Abs 5 Buchst a und b Bestimmungen über Vollarbeit (Bord- und Hafenwache) und Arbeitsbereitschaft (Anwesenheit an Bord) im Sinne des § 18 Abs 1 Satz 2 MTB II.
2. Während der Arbeitsbereitschaft muß der Arbeitnehmer im Bedarfsfall die Arbeit aufnehmen. Er leistet dann Vollarbeit.
3. Für die Arbeitsbereitschaft und die während des Dienstes geleistete Vollarbeit erhält der Arbeitnehmer die Pauschalvergütung nach der Nr 8 Abs 5 Buchst b in Verbindung mit der Nr 8 Abs 5 Buchst c SR 2b MTB II, sofern während der Vollarbeit lediglich kleinere Dienstleistungen verlangt werden. Überschreitet die Vollarbeit das Maß der kleineren Dienstleistungen, so steht dem Arbeitnehmer dafür die Vergütung nach der Nr 8 Abs 5 Buchst a in Verbindung mit der Nr 8 Abs 5 Buchst c SR 2b MTB II zu.
4. Der Tarifbegriff der kleineren Dienstleistungen im Sinne der Nr 8 Abs 5 Buchst b SR 2b MTB II bestimmt sich nicht nur nach dem zeitlichen Aufwand, nach dem Maß der körperlichen und geistigen Anstrengung oder der Bedeutung der Arbeit für den Dienstherrn. Er ist auch nach den arbeitszeitrechtlichen Vorgaben der Tarifvertragsparteien zu bestimmen. So stellen solche Arbeitsleistungen keine Bedarfsarbeit und damit keine kleineren Dienstleistungen im Rahmen der Arbeitsbereitschaft nach der Nr 8 Abs 5 Buchst b SR 2b MTB II dar, deren Erledigung vom Arbeitgeber zeitlich, örtlich und inhaltlich konkret von vornherein vorgeschrieben ist. Sie sind Vollarbeitsleistungen.
Normenkette
MTB 2; MTB 2 SR 2b; MTB 2 Anl SR; TVG § 1; MTB § 18 Abs. 1; MTB 2 § 18 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 26.04.1989; Aktenzeichen 3 Sa 68/89) |
ArbG Kiel (Entscheidung vom 11.01.1989; Aktenzeichen 3b Ca 1985/88) |
Tatbestand
Die Parteien streiten um Überstundenvergütung.
Der Kläger ist bei der Marinewaffenschule der Beklagten - Lehrgruppe - auf dem Hochseeschlepper-Schulboot "L " als Motorenwärter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für Arbeiter des Bundes (MTB II) vom 27. Februar 1964 kraft Tarifbindung und arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Parteien Anwendung.
Der Kläger wird regelmäßig zum Wachdienst gemäß Nr. 8 Abs. 5 der Sonderregelungen für Besatzungen von See- und Binnenfahrzeugen und von schwimmenden Geräten im Bereich des Bundesministers der Verteidigung nach § 2 Buchst. b (SR 2 b MTB II) eingeteilt. Diese Vorschrift hat u.a. folgenden Wortlaut:
(5) Für den Wachdienst gilt folgendes:
a)Bei Bord- und Hafenwachen ist eine
Wachstunde gleich einer Arbeitsstunde.
Der Arbeiter ist verpflichtet, sich
während dieser Wachen auf dem ihm an-
vertrauten Fahrzeug oder Gerät aufzu-
halten und für Ordnung zu sorgen. Er
ist nicht berechtigt, sich während der
Wachen schlafen zu legen.
b)Die Zeit der Verpflichtung zur Anwesen-
heit an Bord vom Dienstschluß bis zum
Dienstbeginn des darauffolgenden Tages
wird mit drei Arbeitsstunden bewertet,
sofern dieser Zeitraum mehr als drei
Stunden beträgt. Der zum Aufenthalt an
Bord verpflichtete Arbeiter hat sich
auf dem ihm anvertrauten Fahrzeug oder
Gerät aufzuhalten. Er ist berechtigt,
sich schlafen zu legen. Er ist jedoch
verpflichtet, auf dem Fahrzeug oder
Gerät für Ordnung zu sorgen und hat
dabei die üblicherweise vorzunehmenden
kleineren Dienstleistungen (z.B. Klar-
machen der Laternen, Festmachen der
Verholleinen, Heizen von Öfen in den
Wohn- und Maschinenräumen, An-bordholen
von anderen Besatzungsmitgliedern wäh-
rend der Wachzeit u. dgl.) auszuführen.
...
c)Diese Arbeitsstunden - sowohl Wachstun-
den wie die jeweils drei Stunden für
angeordnete Anwesenheit an Bord - gel-
ten immer als außerhalb der regelmäßi-
gen Arbeitszeit liegend und werden als
Überstunden bewertet.
Der Wachdienst beginnt mit dem Ende der regelmäßigen Arbeitszeit (16.00 Uhr an Hafendiensttagen bzw. 17.00 Uhr an Seediensttagen) und erstreckt sich bis zum Beginn der regelmäßigen Arbeitszeit des nächsten Tages um 7.30 Uhr. In dieser Zeit befinden sich ein Angestellter und ein Arbeiter an Bord, die abwechselnd Wache leisten. Die erste Wache von 16.00 Uhr bzw. 17.00 Uhr bis 20.00 Uhr beginnt der Angestellte. Dann übernimmt der Arbeiter die zweite Wache von 20.00 Uhr bis 24.00 Uhr. Danach leistet der Angestellte die dritte Wache von 0.00 Uhr bis 4.00 Uhr und wird dann wieder von dem Arbeiter abgelöst, der von 4.00 Uhr bis 7.30 Uhr die vierte Wache geht. Während der eine Arbeitnehmer Wache geht (Wachgänger), ist der andere verpflichtet, sich an Bord aufzuhalten.
Nach den Wachanweisungen für Wachposten auf dem Hochseeschlepper-Schulboot "L " vom 20. März 1986 hat der Wachposten jeweils vor Antritt der Wache, d. h. etwa alle vier Stunden, einen Kontrollgang (Ronde) durch sämtliche Betriebsräume des Schiffes zu machen. Während des Kontrollganges sind in der Gefrierlast, der Gemüselast und der Molkereilast die Temperaturen abzulesen und in ein Kontrollbuch einzutragen. Zur Erfüllung dieser Aufgabe wird der Wachposten vom Wachgänger eine halbe Stunde oder dreiviertel Stunde vor der Ablösung des Wachgängers geweckt. Die Ronde dauert etwa 18 Minuten und ist in das Wachbuch einzutragen. Nach Abschluß des Kontrollgangs sucht der Rondengänger den Wachgänger im Postenbereich auf und löst diesen in der Wache ab. Dabei wird die Waffe vom Wachgänger an den Wachposten übergeben.
Der Kläger leistete im Zeitraum von Januar 1986 bis Dezember 1988 129 Kontrollgänge, für die er insgesamt 38,7 Stunden aufwendete und die von der Beklagten nicht gesondert vergütet wurden.
Der Kläger hat gemeint, er habe für die Zeit der Kontrollgänge einen Anspruch auf Zahlung einer Überstundenvergütung gemäß Nr. 8 Abs. 5 Buchst. a und c SR 2 b MTB II in unstreitiger Höhe von 705,96 DM, weil die Kontrollgänge als Teil der Wache im Sinne der Nr. 8 Abs. 5 Buchst. a SR 2 b MTB II zu bewerten und zu vergüten seien.
Er hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für
38,7 in der Zeit vom 1. Januar 1986 bis 5. De-
zember 1988 geleistete Überstunden die Über-
stundenvergütung in Höhe von 705,96 DM nebst 4 %
Zinsen seit dem 4. Januar 1989 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, bei den im Streit befindlichen Ronden handele es sich um die Verpflichtung zur Anwesenheit an Bord im Sinne der Nr. 8 Abs. 5 Buchst. b der SR 2 b MTB II. Diese unterscheide sich von der Bord- und Hafenwache im Sinne der Nr. 8 Abs. 5 Buchst. a der SR 2 b MTB II durch die Intensität der zu leistenden Arbeit. Während der Verpflichtung zur Anwesenheit an Bord habe der Dienstverpflichtete kleinere Arbeitsleistungen zu übernehmen. Zu diesen Tätigkeiten zählten auch die Ronden. Die Rondenzeit sei daher mit der Pauschalvergütung nach der Nr. 8 Abs. 5 Buchst. b und c SR 2 b MTB II abgegolten.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision, während die Beklagte Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet und führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
I. Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, die vom Kläger geleisteten Ronden gehörten nicht zum Wachdienst nach Nr. 8 Abs. 5 Buchst. a SR 2 b MTB II, sondern zu den kleineren Dienstleistungen im Sinne der Nr. 8 Abs. 5 Buchst. b SR 2 b MTB II. Das Bundesarbeitsgericht habe angeordnete Kontrollgänge eines Wachhabenden, der ferner einen zur Bewachung eingeteilten Matrosen zu kontrollieren gehabt habe, als kleinere Dienstleistungen im Sinne der Nr. 4 Abs. 7 Buchst. b SR 2 e II BAT angesehen. So verhalte es sich auch im vorliegenden Fall. Der Unterschied zu den hier streitigen Ronden, daß keine genaue zeitliche Festlegung bestanden habe, könne nicht entscheidend sein. Die Beklagte weise zu Recht darauf hin, daß die Anforderung, die Ronden unmittelbar vor Beginn des eigentlichen Bewachungsdienstes durchzuführen, sachlich zweckmäßig sei und gerade im Interesse des jeweiligen Besatzungsmitglieds liege, um eine weitere Störung der Ruhezeit zu vermeiden. Die Beklagte habe auch zu Recht darauf hingewiesen, es gebe im Tarifvertrag keine Anhaltspunkte dafür, daß es mit dem tariflichen Begriff der kleineren Arbeitsleistungen nicht vereinbar sei, sie zu bestimmten Zeiten ausführen zu müssen. Nahezu alle im Tarifvertrag ausdrücklich beispielhaft genannten Tätigkeiten seien nämlich zu Zeiten zu verrichten, die vom Willen des Besatzungsmitgliedes unabhängig seien. So sei der Zeitpunkt des Klarmachens der Laternen durch den Beginn der Dunkelheit bestimmt. Ähnliches gelte für das Heizen der Öfen und das Festmachen der Verholleinen. Dem Kläger könne auch nicht in der Auffassung gefolgt werden, die Ronden, die insbesondere der seemännischen und militärischen Sicherheit an Bord dienten und regelmäßig in das Wachbuch einzutragen seien, seien deshalb keine kleineren Arbeitsleistungen, weil es sich nicht um Tätigkeiten mit geringem Anforderungsgrad handele. Die kleineren Arbeitsleistungen seien grundsätzlich unaufschiebbar und könnten keinesfalls bis zum Beginn der üblichen Dienstzeit verschoben werden. Die Unaufschiebbarkeit sei gerade der Grund dafür, daß sie auch in einer Zeit ausgeführt werden müßten, in der der Arbeitnehmer grundsätzlich berechtigt sei, sich schlafen zu legen. Die kleineren Dienstleistungen seien also von den Tarifvertragsparteien als wichtig erkannt. Es sei tarifrechtlich nicht zu belegen, daß ihnen ein geringerer Anforderungsgrad immanent sei.
Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
II. Der Kläger hat für die Tätigkeit der Kontrollgänge unmittelbar vor Ablösung des Wachgängers einen Anspruch nach der Nr. 8 Abs. 5 Buchst. c in Verb. mit Buchst. a der SR 2 b MTB II auf Überstundenvergütung in unstreitiger Höhe von 705,96 DM.
1. Das Landesarbeitsgericht ist zunächst zu Recht davon ausgegangen, daß der Kläger während der Kontrollgänge Wachdienst im Sinne der Nr. 8 Abs. 5 SR 2 b MTB II ausgeübt hat und deshalb grundsätzlich Ansprüche nach der Nr. 8 Abs. 5 Buchst. c SR 2 b MTB II entstanden sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG Urteil vom 7. November 1969 - 3 AZR 9/69 - AP Nr. 1 zu § 18 MTB II; Urteil vom 16. Mai 1973 - 4 AZR 365/72 - AP Nr. 2 zu § 18 MTB II; Urteil vom 20. März 1974 - 4 AZR 251/73 - AP Nr. 3 zu § 15 BAT; Senatsurteil vom 17. September 1987 - 6 AZR 659/84 - nicht veröffentlicht) ist unter Wachdienst im Sinne des MTB II und des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) ein besonderer, zusätzlicher und vom normalen Schichtdienst zu unterscheidender Dienst zu verstehen, der neben oder anstelle des normalen Dienstes geleistet wird und eine Überwachung, deren Intensität verschiedenartig sein kann, erfordert. Die Erledigung von allgemeinen seetypischen Aufgaben ist daher nicht ohne weiteres dem Wachdienst im Tarifsinne zuzuordnen, wenn diese bereits zu den allgemeinen Aufgaben des Arbeitnehmers gehören. Ein Wachdienst ist vielmehr erst dann anzunehmen, wenn ein besonderer, möglicherweise und gegebenenfalls auch seetypischer Überwachungscharakter hinzukommt. Der Begriff des Wachdienstes ist dabei der Oberbegriff für die beiden in Nr. 8 Abs. 5 Buchst. a und b SR 2 b MTB II geregelten Erscheinungsformen des Wachdienstes, die sich vor allem im Grad der Bewachungsintensität unterscheiden. Wachdienst ist sowohl die Bord- und Hafenwache als auch die Anwesenheit an Bord.
2. Der Senat vermag dem Landesarbeitsgericht jedoch nicht darin beizupflichten, daß die vierstündlich von der Beklagten durch Wachanweisung angeordneten Ronden als kleinere Dienstleistungen im Sinne der Nr. 8 Abs. 5 Buchst. b SR 2 b MTB II anzusehen seien.
a) Die Tarifvertragsparteien haben den Tarifbegriff der kleineren Dienstleistungen nicht abschließend definiert. Sie haben in der Klammer hinter dem Begriff lediglich Beispiele angegeben, wie die Formulierungen "z.B." und "u. dgl." ausweisen. Soweit andere als dort genannte Tätigkeiten anfallen und deren Einordnung umstritten ist, bedarf der Tarifvertrag der Auslegung.
Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Es ist der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien ist über den reinen Wortlaut hinaus mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Läßt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrags, gegebenenfalls auch eine praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteil vom 7. Dezember 1989 - 6 AZR 324/88 - NZA 1990, 490 = DB 1990, 941 = BB 1990, 925 = EzA § 4 TVG Bekleidungsindustrie Nr. 4, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, m.w.N.).
b) Der Wortlaut der in Nr. 8 Abs. 5 SR 2 b MTB II geregelten Wachdienstalternativen erlaubt keine eindeutige Zuordnung der Kontrollgänge zu einer der beiden Wachdienststufen der Buchstaben a und b. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteile vom 16. Mai 1973 - 4 AZR 365/72 -, 20. März 1974 - 4 AZR 251/73 - und 17. September 1987 - 6 AZR 659/84 -, jeweils aaO) ist unter Bordwache nicht der regelmäßige Schichtdienst an Bord zu verstehen, sondern ein besonderer zusätzlicher Wachdienst, der neben oder anstelle des normalen Dienstes in der Art einer Bewachung zu leisten ist. Es handele sich dabei nicht um eine Dienstleistung allgemeiner Art. Es müßten vielmehr spezielle Bewachungsaufgaben in Rede stehen.
Darunter könnten auch die vorliegenden Kontrollgänge fallen. Der Kontrollgänger ist nämlich nach der Wachanweisung verpflichtet, die Betriebsräume des Schiffes zu überprüfen und zu kontrollieren, womit begrifflich spezielle Bewachungsaufgaben im Sinne einer Bordwache geleistet werden. Die Kontrollgänge könnten allerdings bei Anwendung der grammatikalischen Auslegungsmethode ebenso unter den Begriff der üblicherweise vorzunehmenden kleineren Dienstleistungen im Sinne der Nr. 8 Abs. 5 Buchst. b SR 2 b MTB II subsumiert werden. Denn auch die Alternative des Abs. 5 Buchst. b stellt eine Form des Wachdienstes dar. Es ist daher nicht ausgeschlossen, den Begriff "kleinere Dienstleistungen" den Wach- und Kontrollaufgaben in Form von Kontrollgängen zuzuordnen.
Der Rückgriff auf den Begriff der Ordnungssorge ist unergiebig. Der Wachdienstleistende ist nämlich sowohl im Wachdienst gemäß Nr. 8 Abs. 5 Buchst. a SR 2 b MTB II als auch beim Wachdienst nach Nr. 8 Abs. 5 Buchst. b SR 2 b MTB II verpflichtet, für Ordnung zu sorgen. Die Wachdienstalternativen sind insoweit im Wortlaut identisch.
c) Die Wachanweisung der Beklagten ist für die tarifliche Auslegung nicht bindend. Sie bestimmt zwar, daß die Kontrollgänge vor Antritt der Wache zu machen sind. Darin liegt formal eine Zuordnung der streitigen Kontrollgänge zur geringer vergüteten Wachdienststufe der Nr. 8 Abs. 5 Buchst. b SR 2 b MTB II. Derartige von einem öffentlichen Arbeitgeber erlassene Dienst- und Verwaltungsanweisungen sind für die Tarifvertragsauslegung jedoch nur dann verbindlich, wenn die Tarifvertragsparteien durch eine tarifliche Verweisungsnorm die Einbeziehung gewollt haben (vgl. Senatsurteil vom 7. Juni 1990 - 6 AZR 573/88 - ZTR 1990, 475, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Eine Verweisung fehlt jedoch im Streitfall.
3. Der Sinn und Zweck der Tarifvorschrift sowie der tarifliche Zusammenhang mit den Vorschriften über die Arbeitszeit im MTB II ergeben jedoch, daß die Ronden im Streitfall nicht mehr als kleinere Dienstleistungen im Sinne der Nr. 8 Abs. 5 Buchst. b SR 2 b MTB II anzusehen sind. Sie sind vielmehr kraft Direktionsrechts angeordnete Vollarbeit, die mit der Pauschalvergütung der Nr. 8 Abs. 5 Buchst. c SR 2 b MTB II nicht abgegolten ist.
a) Die Nr. 8 der SR 2 b MTB II ist eine besondere Bestimmung zu § 18 MTB II, der Vorschrift über die Arbeitsbereitschaft und deren Vergütung. § 18 Abs. 1 MTB II definiert zwei Formen der Arbeitsbereitschaft. Danach ist Arbeitsbereitschaft zunächst die Zeit, die nach den gesetzlichen Vorschriften als solche zu betrachten ist. Als gesetzliche Vorschrift kommt allein § 7 Abs. 2 AZO in Betracht (Scheuring/Steingen, MTB II, Stand 1. Dezember 1990, § 18 Erl. 1), der den Begriff verwendet, aber nicht erläutert. Nach der gefestigten Auffassung in Rechtsprechung und Rechtslehre liegt Arbeitsbereitschaft als ein Fall der Vollarbeit vor, wenn vom Arbeitnehmer eine wache Achtsamkeit im Zustand der Entspannung verlangt wird (BAGE 18, 256 = AP Nr. 3 zu § 13 AZO; BAGE 18, 273 = AP Nr. 1 zu § 15 BAT; BAG Urteil vom 28. Januar 1981 - 4 AZR 892/78 - AP Nr. 1 zu § 18 MTL II; BAG Urteil vom 30. Januar 1985 - 7 AZR 446/82 - AP Nr. 2 zu § 35 BAT; BAGE 51, 131 = AP Nr. 7 zu § 15 BAT; Denecke/Neumann, AZO, 10. Aufl., § 7 Rz 23 ff.; Meisel/Hiersemann, AZO, 2. Aufl., § 2 Rz 24; Röhsler, Die Arbeitszeit, S. 31 f.).
Nach § 18 Abs. 1 Satz 2 MTB II ist Arbeitsbereitschaft aber auch die Zeit, während der sich der Arbeiter, ohne Arbeit zu leisten, an der Arbeitsstelle oder an einem anderen vom Arbeitgeber bestimmten Ort zur Verfügung zu halten hat. Tarifrechtlich werden damit unter den Begriff der Arbeitsbereitschaft auch Zeiten gefaßt, die nach dem Verständnis des Gesetzes nicht mehr der Arbeitsbereitschaft zugerechnet werden. Nach der von der Recht-sprechung (BAGE 8, 25, 28 = AP Nr. 5 zu § 7 AZO; BAGE 10, 191 = AP Nr. 6 zu § 12 AZO; BAG Urteil vom 26. Oktober 1961 - 5 AZR 370/60 - AP Nr. 11 zu § 15 AZO; BVerwG Urteil vom 19. Januar 1988 - 1 C 11.85 - Buchholz 451.23 Nr. 5 = ZTR 1988, 228) entwickelten Definition, die auch in anderen Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes gebraucht wird (vgl. die Sonderregelungen 2 a, 2 b und 2 c und 2 e III BAT), werden diese Zeiten als Bereitschaftsdienst bezeichnet. Dieser wird bei der Abgrenzung zur Arbeitsbereitschaft nämlich so definiert, daß sich der Arbeitnehmer für Zwecke des Betriebes an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebs aufzuhalten hat, um erforderlichenfalls seine volle Arbeitstätigkeit unverzüglich aufnehmen zu können (BAGE 8, 25, 28; 10, 191, 195 = AP, jeweils aaO; Clemens/ Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand Oktober 1990, § 15 Rz 18; Meisel/Hiersemann, aaO, § 2 Rz 26, 30 und 34; Röhsler, aaO, S. 33). Der Bereitschaftsdienst ist seinem Wesen nach eine Aufenthaltsbeschränkung verbunden mit der Verpflichtung, bei Bedarf sofort tätig zu werden (BAG Urteil vom 27. Februar 1985 - 7 AZR 552/82 - AP Nr. 12 zu § 17 BAT).
b) Die Nr. 8 der SR 2 b MTB II wiederholt die Regelung des § 18 Abs. 1 MTb II nicht nur, sondern modifiziert und ergänzt sie. So enthalten die Bestimmungen über den Wachdienst in Abs. 5 Buchst. a SR 2 b MTB II überhaupt keine Regelung über Arbeitsbereitschaft. Vielmehr enthält die Vorschrift eine Regelung über Vollarbeit (Scheuring/Steingen, aaO, SR 2 b Nr. 8 Erl. 2). Das folgt aus Satz 1 über die zeitliche Berechnung der Wachstunde als eine Arbeitsstunde, aber auch aus den Sätzen 2 und 3, die dem Wachgänger bestimmte Pflichten auferlegen und ein ausdrückliches Schlafverbot enthalten. Die Bewertung wird auch aus der Aufgabenstellung deutlich. Der für die Sicherheit des Schiffes verantwortliche, mit einer Waffe ausgerüstete Wachgänger kann sich nicht entspannen und daneben achtsam sein. Er muß vielmehr höchst angespannt seinen Dienst versehen.
Der Wachdienst nach Nr. 8 Abs. 5 Buchst. b SR 2 b MTB II ist der erweiterten Arbeitsbereitschaft nach § 18 Abs. 1 Satz 2 MTB II zuzuordnen. Das verdeutlicht insbesondere die Regelung über die Schlaferlaubnis, die über den Text des § 18 Abs. 1 Satz 2 MTB II hinaus ausdrücklich erwähnt ist und eine typische Gestaltungsmöglichkeit der erweiterten Arbeitsbereitschaft/des Bereitschaftsdienstes ist.
c) Arbeitnehmer während der Arbeitsbereitschaft und/oder des Bereitschaftsdienstes müssen bereit sein, aus dem Zustand der wachen Achtsamkeit bzw. aus der Ruhe zur Aufnahme der Arbeit gerufen zu werden. In diesem Fall leistet der Arbeitnehmer Vollarbeit, und er erhält für diese Zeiten einen Anspruch auf eine seiner Teilleistung entsprechende Vergütung, gegebenenfalls incl. Mehrarbeitsvergütung, sofern nicht individualrechtlich oder kollektivrechtlich etwas anderes vereinbart ist. So verhält es sich in den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes, die zur Abgeltung der während der Dienste entstehenden Vergütungsansprüche Pauschalen normiert haben. Diese Pauschalen werden unabhängig vom tatsächlichen Maß der Vollarbeitsleistung gewährt. Da sie auf Erfahrungswerten des Arbeitslebens beruhen, gleichen sie regelmäßig die Vergütungsansprüche der Arbeitnehmer in angemessener und billigenswerter Weise aus (vgl. insbesondere die differenzierten Stufenregelungen in den Sonderregelungen zum BAT).
d) Den Zeitpunkt der Vollarbeitsaufnahme während der Arbeitsbereitschaft/des Bereitschaftsdienstes kann der Arbeitnehmer regelmäßig nicht selbst bestimmen. Der Zeitpunkt wird aber ebensowenig konkret vom Arbeitgeber vorherbestimmt. Vielmehr regelt der Bedarf den Einsatz (BAG Urteil vom 27. Februar 1985 - 7 AZR 552/82 -, aaO; Meisel/Hiersemann, aaO, § 2 Rz 38). Zur näheren Bestimmung des Bedarfs bestehen im Regelfall vom Arbeitgeber einseitig erlassene oder von den Vertragspartnern gemeinsam vereinbarte oder von den Betriebs- oder Dienststellenpartnern oder Tarifvertragsparteien gesetzte Rahmenbedingungen, die im einzelnen abstrakt Lebenssachverhalte beschreiben, in denen der Arbeitnehmer verpflichtet ist, seine Arbeit aufzunehmen. Das gilt z.B. für Angestellte nach den Sonderregelungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) in Kranken-, Heil-, Pflege- und Entbindungsanstalten sowie in Anstalten und Heimen, für Ärzte und Zahnärzte in den vorgenannten Einrichtungen und in Bundeswehrkrankenhäusern. Auch die Tarifvertragsparteien des MTB II haben für den Wachdienst auf See- und Binnenfahrzeugen und schwimmenden Geräten im Bereich des Bundesministers der Verteidigung einige dieser Fälle im Klammerzusatz der Nr. 8 Abs. 5 Buchst. b Satz 4 SR 2 b MTB II beschrieben.
e) Daneben haben die Tarifvertragsparteien in dieser Bestimmung den Umfang der aus der Arbeitsbereitschaft/dem Bereitschaftsdienst aufzunehmenden Arbeiten begrenzt. Während der Arbeitnehmer grundsätzlich während der Arbeitsbereitschaft gehalten ist, im Bedarfsfall alle Arbeiten auszuführen, zu deren Erledigung er nach seinem Arbeitsvertrag verpflichtet ist, muß er nach der Nr. 8 Abs. 5 Buchst. b SR 2 b MTB II lediglich kleinere Dienstleistungen verrichten. Fallen dagegen größere Dienstleistungen an, weil äußere Ereignisse dazu zwingen oder weil sie dauernd oder im Einzelfall angeordnet werden, sind sie vergütungsmäßig von der Pauschale der Nr. 8 Abs. 5 Buchst. c in Verb. mit Buchst. b SR 2 b MTB II nicht mehr erfaßt. Die Ausklammerung größerer Dienstleistungen erklärt auch die im Vergleich zu den differenzierten Stufenregelungen in den Sonderregelungen des BAT unflexible einheitliche Berechnung von drei Stunden pro Wachdienst unabhängig von der Fülle der anfallenden Arbeitsleistungen.
f) Angesichts des vorstehend geschilderten tarifrechtlichen und arbeitszeitrechtlichen Gesamtzusammenhangs verbietet es sich, den Tarifbegriff der kleineren Dienstleistungen nur nach dem zeitlichen Aufwand, nach dem Maß der körperlichen oder geistigen Anstrengung oder der Bedeutung der Arbeit für den Dienstherrn zu bestimmen. Vielmehr ist auch maßgebend, ob es sich bei der Tätigkeit des Wachpostens um eine Arbeit handelt, die nur rahmenmäßig bestimmt ist und die durch das Hinzutreten äußerer Ereignisse konkretisiert wird, sich also als Bedarfsarbeit erweist. Das ist der Fall, wenn die Dunkelheit einbricht und Laternen gesetzt werden müssen. So verhält es sich ferner, wenn Tide oder Sturm ein Nachspannen oder Lockern der Leinen erfordert oder wenn Besatzungsmitglieder an Bord geholt werden müssen. Bedarfsarbeit liegt ferner vor, wenn auf Anordnung die Überprüfung eines Geräts oder eines Raums verlangt wird, also eine konkrete Arbeitgeberweisung im Einzelfall vorliegt. Sie ist nicht gegeben, wenn der Arbeitgeber von vornherein eine hinsichtlich des zeitlichen Umfangs und der zeitlichen Lage, örtlich und inhaltlich (Umfang und Art und Weise der Arbeit) genau festgelegte Dienstleistung verlangt. Die so abverlangte Arbeit, die dem Arbeitnehmer weder einen zeitlichen noch inhaltlichen Entscheidungsspielraum einräumt und die auch nicht von äußeren Umständen abhängt, kann nicht mehr als Bedarfsarbeit und daher nicht als Arbeitsaufnahme innerhalb der Arbeitsbereitschaft/des Bereitschaftsdienstes angesehen werden. Sie erweist sich vielmehr als von vornherein aufgrund arbeitgeberseitigen Direktionsrechts konkretisierte Vollarbeit.
g) Nach den ungerügt gebliebenen und daher den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bestimmt die Wachanweisung für Wachposten auf dem Schulschiff L vom 20. März 1986, wann der Wachposten seine Ronden zu machen hat und welche Aufgaben dabei zu erledigen sind. Die Beklagte hat sich nicht darauf beschränkt, weitere nicht im Klammerzusatz genannte Aufgaben rahmenmäßig zu beschreiben und deren Erledigung dem Wachposten dann zu überlassen, wann und wie er es für angebracht hält, oder äußere Ereignisse zur Erledigung zwingen. Sie hat vielmehr mit der Wachanweisung kraft ihres Direktionsrechts die Tätigkeit des Wachpostens zeitlich, örtlich und inhaltlich bestimmt, so daß konkretisierte Vollarbeit vorliegt. Deshalb können die vom Kläger erledigten Ronden nicht mehr als kleinere Dienstleistungen im Sinne der Nr. 8 Abs. 5 Buchst. b SR 2 b MTB II angesehen werden.
4. Dem steht die Senatsentscheidung vom 17. September 1987 (- 6 AZR 659/84 - n.v.), auf die sich das Landesarbeitsgericht und die Revision berufen haben, nicht entgegen. Der damalige Wachvorgesetzte, der die Aufgabe hatte, den Wachgänger nach der Nr. 8 Abs. 5 Buchst. a SR 2 b MTB II bzw. der Nr. 4 Abs. 7 SR 2 e II BAT in unregelmäßigen Abständen zu kontrollieren und freigewählte Kontrollgänge über das Schiff zu machen, leistete keine vorher zeitlich und inhaltlich konkret bestimmte Vollarbeit, sondern erbrachte bei seinen Gängen eine kleinere Dienstleistung. Lediglich soweit der Senat meinte, die Regelung der Nr. 4 Abs. 7 Buchst. b SR 2 e II BAT spreche dafür, ohne die ausdrückliche Erwähnung der kleineren Dienstleistungen sei der Wachposten zu keinerlei Tätigkeit während dieser Art des Wachdienstes verpflichtet, wird daran nicht festgehalten.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Dr. Jobs Bitter Dörner
Möller-Lücking Fohrmann
Fundstellen
BAGE 67, 8-19 (Leitsatz 1-4 und Gründe) |
BAGE, 8 |
DB 1991, 2671-2672 (Leitsatz 1-4) |
NZA 1991, 516-519 (Leitsatz 1-4 und Gründe) |
RdA 1991, 189 |
ZTR 1991, 289-292 (Leitsatz 1-4 und Gründe) |
AP, Nr 4 zu MTB II (Leitsatz 1-4 und Gründe) |
PersR 1991, 479-480 (Leitsatz) |
PersV 1996, 232-233 (Leitsatz) |