Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung des Personalrats bei befristeten Arbeitsverträgen von Tontechnikern

 

Normenkette

LPVG NW § 72 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 3; Bühnentechnikertarifvertrag vom 25. Mai 1961 § 2 Abs. 1, § 4

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 18.11.1997; Aktenzeichen 13 (12) Sa 772/96)

ArbG Köln (Urteil vom 06.03.1996; Aktenzeichen 15 Ca 8635/95)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 18. November 1997 – 13 (12) Sa 772/96 – aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wege der Aufhebungsklage über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger ist Elektroinstallationsmeister und Radio- und Fernsehtechniker. Er war aufgrund befristeten Dienstvertrags vom 18. September 1975 zuletzt als Leiter der Abteilung Tontechnik Oper bei den Bühnen der beklagten Stadt beschäftigt. Der Arbeitsvertrag wurde mehrfach verlängert, zuletzt im Mai 1992 bis zum 15. August 1995. Im letzten ausformulierten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 6. August 1991 bis 15. August 1993 haben die Parteien bestimmt, daß der Kläger überwiegend eine künstlerische Tätigkeit ausübe. Darüber hinaus sollte sich das Dienstverhältnis nach dem Bühnentechnikertarifvertrag (BTT) vom 25. Mai 1961 und den nach § 4 BTT anzuwendenden Vorschriften des Normalvertrags Solo in den jeweils geltenden Fassungen bestimmen.

Bei der Verlängerung des letzten befristeten Vertrags wurde der Personalrat der Beklagten nicht beteiligt. Der Kläger hatte die Beteiligung nicht beantragt.

Die Beklagte teilte dem Kläger nach Anhörung im Mai 1994 mit, das Arbeitsverhältnis über den 15. August 1995 hinaus nicht verlängern zu wollen. Sie bot ihm an, als Tonassistent weiterzuarbeiten. Dieses Angebot hat der Kläger unter Vorbehalt angenommen und ein bühnenschiedsgerichtliches Verfahren eingeleitet mit dem Ziel, den Bestand eines Dauerarbeitsverhältnisses als Tontechniker feststellen zu lassen. Das Bezirksbühnenschiedsgericht Köln und das Bühnenoberschiedsgericht Frankfurt am Main haben den Feststellungsantrag des Klägers abgewiesen. Das Bühnenoberschiedsgericht hat ausgeführt, der Kläger gehöre als technischer Leiter zu den “geborenen Künstlern” nach § 2 Abs. 1 BTT, für die eine künstlerische Tätigkeit unterstellt werde. Ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats bestehe nicht, weil für die technischen Angestellten an den Bühnen der BTT als Bühnennormalvertrag im Sinne von § 72 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LPVG NW anzusehen sei.

Mit seiner arbeitsgerichtlichen Klage hat der Kläger die Aufhebung der Schiedssprüche verlangt. Er hat die Befristung seines Arbeitsverhältnisses wegen Fehlens eines sachlichen Grundes und wegen der unterbliebenen Mitwirkung des Personalrats für unwirksam gehalten. Er habe keineswegs überwiegend eine künstlerische Tätigkeit ausgeübt. Diese habe im wesentlichen in der Organisation und der technischen Abwicklung im Tonstudio und in der Abwicklung der bei Gastspielen anfallenden Aufgaben bestanden. Die Anweisungen des Regisseurs habe er nur technisch umsetzen müssen.

Der Kläger hat beantragt,

unter Aufhebung des am 16. Mai 1995 verkündeten Schiedsspruchs des Bühnenoberschiedsgerichts – BOSchG 82/94 – und Abänderung des am 12. Oktober 1994 verkündeten Schiedsspruchs des Bezirksschiedsgerichts Köln – BSchG 10/94 – festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger über den 15. August 1995 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, der Kläger sei überwiegend künstlerisch tätig gewesen. Einer Beteiligung des Personalrats habe es nicht bedurft, weil der Kläger wegen vereinbarter Geltung des BTT Beschäftigter nach einem Bühnennormalvertrag gewesen sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Der Senat kann wegen nicht ausreichender Tatsachenfeststellungen weder über die Notwendigkeit einer Beteiligung des Personalrats noch über das Vorliegen eines die Befristung rechtfertigenden Sachgrunds abschließend entscheiden.

I. Die letzte Befristung des Arbeitsvertrags der Parteien könnte unwirksam sein, weil der Personalrat der Beklagten nicht beteiligt worden ist. Nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 LPVG NW hat der Personalrat bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen mitzubestimmen. Das Mitbestimmungsrecht ist nicht nur beim erstmaligen Abschluß, sondern auch bei der befristeten Verlängerung eines Arbeitsvertrags gegeben. Die Verletzung des Mitbestimmungsrechts führt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zur Unwirksamkeit der Befristung. Auf das Fehlen eines sachlichen Grundes kommt es nicht mehr an (BAG Urteil vom 13. April 1994 – 7 AZR 651/93 – BAGE 76, 234, 241 = AP Nr. 9 zu § 72 LPVG NW, zu B II 2c der Gründe; BAG Urteil vom 6. August 1997 – 7 AZR 156/96 – AP Nr. 5 zu § 101 ArbGG 1979, zu II 1 der Gründe; BAG Urteil vom 8. Juli 1998 – 7 AZR 308/97 – AP Nr. 18 zu § 72 LPVG NW = EzA § 620 BGB Nr. 150). Allerdings hat der Personalrat nicht bei jeder Befristung mitzubestimmen. So gilt § 72 Abs. 1 Satz 1 LPVG NW nicht für Beschäftigte an Theatern, die nach dem Bühnennormalvertrag beschäftigt werden, § 72 Abs. 1 Satz 2 zweiter Halbsatz Nr. 3 LPVG NW. Der Personalrat hat ferner für Beschäftigte mit überwiegend künstlerischer Tätigkeit nur ein Mitbestimmungsrecht, wenn der Arbeitnehmer die Mitbestimmung beantragt, § 72 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz LPVG NW.

1. Das Mitbestimmungsrecht des Personalrats ist nicht nach § 72 Abs. 1 Satz 2 zweiter Halbsatz Nr. 3 LPVG NW ausgeschlossen, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht erkannt hat. Die gegenteilige Auffassung des Bühnenoberschiedsgerichts ist unzutreffend. Der Kläger ist nicht nach einem Bühnennormalvertrag im Sinne von § 72 Abs. 1 Satz 2 zweiter Halbsatz Nr. 3 LPVG NW beschäftigt worden. Das ergibt die Auslegung der Bestimmung.

Das Bühnentarifrecht kennt den Begriff des Bühnennormalvertrags im Bühnentarifrecht nicht. Es gibt vielmehr nur die Normalverträge Solo, Chor und Tanz, nicht aber einen Normalvertrag Bühnentechnik oder Technik. Wenn der Gesetzgeber auch diesen Tarifvertrag in den Ausnahmetatbestand hätte aufnehmen wollen, so hätte er eine andere Bezeichnung gewählt oder den Technikertarifvertrag zusätzlich genannt.

Die umfassende Verweisung im BTT auf den Normalvertrag Solo genügt für die Einordnung als Bühnennormalvertrag nicht. Die Verweisungsregelung dient lediglich der Vereinfachung, indem sie Bestimmungen eines anderen Vertragswerks übernimmt und nicht selbst inhaltlich wiederholt. Dadurch wird jedoch der rechtliche und tarifliche Charakter des Vertrags nicht geändert (BVerwG Beschluß vom 18. März 1981 – 6 P 26.79 – NJW 1982, 900, 901).

Das Auslegungsergebnis wird von der Systematik des Tarifvertrags bestätigt. Es gäbe für die Regelung des § 72 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz LPVG NW keinen Anwendungsbereich, wenn alle künstlerischen Mitarbeiter in Theatern bereits unter die Nr. 3 des zweiten Halbsatzes der Bestimmung fielen (BVerwG Beschluß vom 18. März 1981, aaO).

2. Der Personalrat hat mangels Antrags nicht mitzubestimmen, wenn der Kläger Beschäftigter mit überwiegend künstlerischer Tätigkeit war, § 72 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz LPVG NW. Dazu hat das Landesarbeitsgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen, weil es die Bedeutung der durch Tarifvertrag und vertragliche Vereinbarung bestehenden Indizien und die sich daraus ergebende Darlegungspflicht des Klägers verkannt hat.

a) Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht zunächst davon ausgegangen, daß eine Prüfung der konkreten Tätigkeit des Klägers auch dann nicht entfällt, wenn er unter den Geltungsbereich des BTT fallen sollte (BVerwG Beschluß vom 18. März 1981, aaO; Beschluß vom 7. Dezember 1994 – 6 P 29.92 – PersR 1995, 293). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich die überwiegend künstlerische Tätigkeit eines Beschäftigten im Sinne des Personalvertretungsrechts nicht aus dem Tarifrecht, das ähnliche Begriffe verwendet. Denn Tarifvertragsparteien können ebensowenig wie Vertragspartner verbindlich regeln, ob die Voraussetzungen eines gesetzlichen Tatbestands über den Ausschluß eines Mitbestimmungsrechts gegeben sind oder nicht. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn die personalvertretungsrechtlichen Regelungen selbst an tarifvertragliche Begriffe anknüpfen (BVerwG Beschluß vom 7. Dezember 1994, aaO).

b) Bei der Feststellung, ob der Kläger im Sinne des Personalvertretungsrechts überwiegend künstlerisch tätig war, kommt der Bewertung der Tarifvertragsparteien und der Vertragsparteien allerdings eine indizielle Bedeutung zu. Das hat das Landesarbeitsgericht verkannt.

Der Kläger ist als Leiter der Abteilung Tontechnik technischer Leiter im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 BTT und fällt damit unter den persönlichen Geltungsbereich des BTT. Er ist sogenannter “geborener Künstler”. Das folgt aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 1 BTT und dem Vergleich mit den anderen Bestimmungen des § 2 Abs. 1 BTT. “Geborener Künstler” ist danach nicht nur der für den gesamten technischen Betrieb zuständige Direktor, sondern auch der Leiter einer selbständigen technischen Abteilung wie der Abteilung Tontechnik Oper. Davon gehen die Tarifvertragsparteien auch bei den Leitern anderer Bereiche aus, z.B. bei den Leitern des Beleuchtungswesens, der Kaschierwerkstätten und der Ausstattungswerkstätten, § 2 Abs. 1 Nr. 3, 5 und 8 BTT, sowie bei den Vorständen der Malsäle und dem Chef der Maskenbildner, § 2 Abs. 1 Nr. 4 und 6 BTT.

Auch die Vereinbarung der Parteien im letzten ausformulierten Arbeitsvertrag, wonach der Kläger überwiegend eine künstlerische Tätigkeit auszuüben hatte, ist ebenfalls als Indiz dafür zu bewerten, daß der Kläger Beschäftigter mit überwiegend künstlerischer Tätigkeit im Sinne des LPVG NW war. Die Tatsache, daß sich der Kläger seit Beginn der Auseinandersetzung der Parteien nicht mehr an diese Abrede gebunden sieht, vermindert den Wert der Abrede als Indiz nicht.

c) Die sich aus der Bewertung der Tätigkeit des Klägers durch die Tarifvertragsparteien und aus der Vereinbarung der Parteien ergebenden Indizien lassen den Schluß zu, daß der Kläger auch Beschäftigter mit überwiegend künstlerischer Tätigkeit im Sinne des § 72 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz LPVG NW war, es sei denn, der Kläger könnte für den Zeitpunkt des Vertragsschlusses einen Sachverhalt darlegen, der den Schluß aufgrund der Indizien durch entsprechenden Tatsachenvortrag erschüttert. Dann wäre die Beklagte gefordert, ihrerseits weitere Tatsachen darzulegen und gegebenenfalls nachzuweisen, woraus sich die Erfüllung des gesetzlichen Tatbestands des § 72 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz LPVG NW ergibt.

Diese Abstufung hat das Landesarbeitsgericht verkannt und es deshalb versäumt, das Vorbringen des Klägers auch aus dem schiedsgerichtlichen Verfahren zu bewerten und aufzuklären. Das wird es – gegebenenfalls nach konkreten Hinweisen und Auflagen an die Parteien – nachzuholen haben. Der bisherige Vortrag der Parteien über die konkrete Beschäftigung erscheint dem Senat weitgehend substanzlos, so daß er sich zu weiteren Hinweisen nicht in der Lage sieht. Gleiches gilt für die Überlegung des Landesarbeitsgerichts, ob es aufgrund eigener Sachkunde die Bewertung der Tätigkeit des Klägers als überwiegend künstlerisch oder nicht überwiegend künstlerisch vornehmen kann oder ob es sich dazu sachverständiger Hilfe bedienen sollte.

II. Der Senat kann nach dem jetzigen Sachstand keine Hinweise für die Beurteilung geben, ob es für die Befristung des Arbeitsvertrags einen Sachgrund im Sinne der Senatsrechtsprechung zur Befristungskontrolle bei künstlerischen Tätigkeiten des Arbeitnehmers gegeben hat oder nicht. Auch für die Beantwortung dieser Rechtsfrage bedarf es konkreter Feststellungen zur Tätigkeit des Klägers als Leiter der technischen Abteilung Tontechnik.

 

Unterschriften

Dörner, Schmidt, Mikosch, Haeusgen, Meyer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2628981

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