Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmißbrauch, Urlaubsübertragung
Orientierungssatz
1. Der Urlaubsanspruch aus einem fortbestehenden Arbeitsverhältnis entsteht unabhängig vom Umfang der im Urlaubsjahr erbrachten Arbeitsleistung (§ 10 Nr 2 Satz 2 und § 10 Nr 3 Abs 2 des Manteltarifvertrages für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens vom 30.04.1980).
2. Nach § 10 Nr 8 dieses Manteltarifvertrages erlischt der Urlaubsanspruch drei Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, es sei denn, daß er erfolglos geltend gemacht wurde oder wegen Krankheit nicht genommen werden konnte.
Normenkette
TVG § 1
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 22.01.1985; Aktenzeichen 11 Sa 1626/84) |
ArbG Herne (Entscheidung vom 28.08.1984; Aktenzeichen 3 Ca 735/84) |
Tatbestand
Der Kläger ist seit dem 31. März 1969 bei der Beklagten als Arbeiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens vom 30. April 1980 (MTV) Anwendung. Darin ist u.a. geregelt:
"§ 10
Allgemeine Urlaubsbestimmungen
.....
2. Der Zeitpunkt des Urlaubs richtet sich
nach dem aufgestellten Urlaubsplan. Soweit
kein Urlaubsplan besteht, kann der
Urlaubsanspruch, abgesehen vom Eintrittsjahr,
ab 1. April in voller Höhe geltend
gemacht werden.
3. Im Ein- und Austrittsjahr hat der Arbeitnehmer/Auszubildende
gegen den alten und neuen
Arbeitgeber/Ausbildungsbetrieb auf so viele
Zwölftel des ihm zustehenden Urlaubs Anspruch,
als er Monate bei ihnen gearbeitet hat (Beschäftigungsmonate)
ausgebildet wurde (Ausbildungsmonate).
Ein angefangener Monat wird
voll gerechnet, wenn die Beschäftigung/Ausbildung
mindestens zehn Kalendertage bestanden
hat. Für eine Beschäftigung/Ausbildung
bis zu zwei Wochen besteht kein Urlaubsanspruch.
Dieser Anspruch kann bei Eintritt bis zum
31. Mai nach sechsmonatiger Betriebszugehörigkeit,
bei Eintritt nach dem 31. Mai ab
1. Dezember geltend gemacht werden.
4. In den auf das Eintrittsjahr folgenden Kalenderjahren
ist der volle Jahresurlaub zu
gewähren, wenn das Arbeitsverhältnis durch
ordentliche Kündigung des Arbeitgebers
nach dem 1. April beendet wird.
Arbeitnehmer, die wegen Erhalts einer Rente
aus der gesetzlichen Rentenversicherung
aus dem Betrieb ausscheiden, haben unabhängig
vom Termin ihres Ausscheidens Anspruch
auf den vollen Jahresurlaub, wenn
sie im Austrittsjahr bis zum 31. Januar
tatsächlich gearbeitet haben.
.....
8. Der Urlaubsanspruch erlischt drei Monate
nach Ablauf des Kalenderjahres, es sei
denn, daß er erfolglos geltend gemacht
wurde oder daß Urlaub aus betrieblichen
Gründen oder wegen Krankheit nicht genommen
werden konnte."
Vom 16. November 1982 bis zum 22. Januar 1984 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Am 23. Januar 1984 bat er, ihm den Jahresurlaub für 1983 in Höhe von 30 Arbeitstagen zu gewähren. Die Beklagte lehnte dies ab. Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm seinen
Jahresurlaub 1983 in Höhe von 30 Arbeitstagen
im Jahre 1984 zu gewähren.
Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte den Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
A. Die Klage ist zulässig. Der Klageantrag ist darauf gerichtet, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Urlaub in Höhe von 30 Arbeitstagen zu gewähren.
Der Kläger hat mit dem vor dem Landesarbeitsgericht gestellten Antrag begehrt, ihm den Jahresurlaub 1983 im Jahre 1984 zu gewähren. Nachdem das Jahr 1984 im Zeitpunkt der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts abgelaufen war, war diese Leistung nicht mehr möglich. Die Klage ist dadurch aber nicht unzulässig geworden. Zwar hat das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und damit die dem Antrag des Klägers entsprechende erstinstanzliche Verurteilung der Beklagten bestätigt. Dem Berufungsurteil ist aber zu entnehmen, daß das Landesarbeitsgericht den Antrag des Klägers richtig ausgelegt hat. Er ist auf Nachgewährung des Urlaubs aus dem Jahre 1983 gerichtet, ohne daß es dem Kläger darauf ankommt, daß der Anspruch im Jahr 1984 erfüllt wird.
B. Zu Recht haben die Vorinstanzen der Klage stattgegeben. Dem Kläger steht der Anspruch auf den Jahresurlaub 1983 in Höhe von unstreitig 30 Arbeitstagen zu.
I. Dem Anspruch steht nicht entgegen, daß der Kläger im Jahre 1983 keine Arbeitsleistung im Betrieb der Beklagten erbracht hat. Dies hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen.
1. Der Senat hat sich bereits im Urteil vom 14. Mai 1986 - 8 AZR 604/84 - (zu I 2 der Gründe, zur Veröffentlichung bestimmt) der Rechtsprechung des Sechsten Senats angeschlossen, nach der der Urlaubsanspruch nur den Bestand des Arbeitsverhältnisses und die Erfüllung der sechsmonatigen Wartezeit nach § 4 BUrlG, nicht aber die Erbringung von Arbeitsleistungen im Urlaubsjahr voraussetzt. Der Anspruch ist entgegen der Auffassung der Revision deshalb auch nicht wegen Rechtsmißbrauchs ausgeschlossen, wenn ein Arbeitnehmer im Urlaubsjahr wegen Krankheit nicht gearbeitet hat.
2. Dies gilt entgegen der Auffassung der Revision auch für den Teil des Tarifurlaubs, der den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigt.
§ 10 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 MTV, der Urlaubskürzungen im Eintritts- und Austrittsjahr vorsieht, § 10 Nr. 3 Abs. 1 Satz 3 MTV, der den Urlaubsanspruch für eine Beschäftigung bis zu zwei Wochen regelt und § 10 Nr. 4 Abs. 2 MTV, der beim Ausscheiden wegen Eintritts des Versorgungsfalls den Anspruch auf den vollen Urlaub an bestimmte Voraussetzungen knüpft, gelten nicht für den Urlaubsanspruch aus einem fortbestehenden Arbeitsverhältnis. Dieser entsteht unabhängig vom Umfang der im Urlaubsjahr erbrachten Arbeitsleistung, wie sich aus § 10 Nr. 2 Satz 2 und § 10 Nr. 3 Abs. 2 MTV ergibt (vgl. BAG Urteil vom 7. November 1985 - 6 AZR 62/84 - AP Nr. 8 zu § 7 BUrlG Übertragung, zu 3 a der Gründe).
II. Der Urlaubsanspruch des Klägers für 1983 ist auch nicht verfallen.
Nach § 10 Nr. 8 MTV erlischt der Urlaubsanspruch drei Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, es sei denn, daß er erfolglos geltend gemacht wurde oder daß Urlaub aus betrieblichen Gründen oder wegen Krankheit nicht genommen werden konnte.
Der Kläger hat den Urlaub von der Beklagten unmittelbar nach seiner Rückkehr in den Betrieb am 23. Januar 1984 gefordert. Dadurch hat er ihn wirksam geltend gemacht. Wie der Senat im Urteil vom 13. November 1986 - 8 AZR 212/84 - (zu I 2 der Gründe, zur Veröffentlichung bestimmt) entschieden hat, setzt eine wirksame Geltendmachung voraus, daß der Urlaubsanspruch vor Fristablauf erfüllt werden kann. Dadurch, daß der Kläger den Urlaub bereits am 23. Januar 1984 gefordert hat, hat er ihn so rechtzeitig geltend gemacht, daß die Beklagte ihm die unstreitigen 30 Urlaubstage noch bis zum Ablauf des am 31. März 1984 endenden Übertragungszeitraums (§ 10 Nr. 8 MTV) hätte erteilen können.
Dadurch, daß die Beklagte dem Urlaubsverlangen des Klägers nicht nachkam, blieb die Geltendmachung erfolglos im Sinne des § 10 Nr. 8 MTV. Der Anspruch auf den Jahresurlaub 1983 erlosch somit nicht am 31. März 1984. Der noch nicht gewährte Urlaub aus dem Urlaubsjahr 1983 trat somit zu dem Urlaub 1984 hinzu (BAG Urteil vom 7. November 1985, aaO, zu 2 c der Gründe).
C. Der Urteilsausspruch der durch die Zurückweisung der Revision rechtskräftig gewordenen erstinstanzlichen Entscheidung war im Hinblick auf die obigen Ausführungen (A) klarzustellen.
Dr. Leinemann Dr. Peifer Griebeling
Harnack Brückmann
Fundstellen