Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung. Betriebsstilllegung durch Landesgesetz. Ordentliche betriebsbedingte Kündigung nach Auflösung des Arbeitgebers (öffentlich-rechtliche Körperschaft) durch Gesetz (Verwaltungsstruktur-Reformgesetz Baden-Württemberg 2004). Unwirksamkeit der Kündigung wegen nicht ordnungsgemäßer Erfüllung einer gesetzlichen Übernahmeverpflichtung (kein automatischer Übergang des Arbeitsverhältnisses) durch neuen Funktionsträger (öffentlich-rechtliche Körperschaft). selbstständiger Anspruch auf Übernahme. unterbliebene Beteiligung des Personalrats: Auflösung des Personalrats mit Auflösung des Arbeitgebers/öffentlich-rechtlicher Körperschaft und Ausscheiden sämtlicher Personalratsmitglieder durch Wechsel zu anderen Arbeitgebern. Schicksal einer Dienstvereinbarung bei Auflösung des Personalrats
Orientierungssatz
1. Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen iSd. § 1 Abs. 2 KSchG gehört die Stilllegung des gesamten Betriebs durch den Arbeitgeber. Unter Betriebsstilllegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen.
2. Eine solche Betriebsstilllegung kann auch in der durch Gesetz angeordneten Auflösung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts und der damit verbundenen Einstellung jeglicher Tätigkeit liegen.
3. Eine solche vom Gesetzgeber verantwortlich getroffene Entscheidung kann von den Gerichten nicht nachgeprüft werden; sie ist vielmehr als gegeben hinzunehmen.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2-3; VRG Baden-Württemberg Art. 177; LPersVG BW § 79 Abs. 3 Nr. 7
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg – Kammern Mannheim – vom 24. Januar 2006 – 14 Sa 105/05 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer vom Beklagten auf betriebliche Gründe gestützten ordentlichen Kündigung.
Die 1967 geborene Klägerin, die einem Kind zum Unterhalt verpflichtet ist, war seit 1999 als Verwaltungsangestellte beim beklagten Landeswohlfahrtsverband Baden in Karlsruhe beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrags und der diesen ändernden, ergänzenden und ersetzenden Tarifverträge Anwendung. Die Klägerin war in VergGr. VII Anlage 1a BAT eingruppiert.
Auf Grund des Gesetzes zur Reform der Verwaltungsstruktur, zur Justizreform und zur Erweiterung des kommunalen Handlungsspielraums (Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes – VRG) vom 1. Juli 2004 (GBl. BW S. 469 ff.) wurden die in Baden-Württemberg bestehenden beiden Landeswohlfahrtsverbände Baden und Württemberg-Hohenzollern zum 31. Dezember 2004 aufgelöst. Ferner wurde der Kommunalverband Jugend und Soziales Baden-Württemberg errichtet, der einen Teil der Aufgaben des Beklagten übernahm. Das Verwaltungsstruktur-Reformgesetz enthält hierzu ua. folgende Regelungen:
“Artikel 177
Gesetz zur Auflösung der Landeswohlfahrtsverbände
§ 1
Auflösung
Die Landeswohlfahrtsverbände Baden und Württemberg-Hohenzollern werden mit Ablauf des 31. Dezember 2004 aufgelöst.
§ 2
Aufgabenübergang
Die bis zum 31. Dezember 2004 von den Landeswohlfahrtsverbänden wahrgenommenen Aufgaben gehen auf die Stadt- und Landkreise und den Kommunalverband für Jugend und Soziales über.
§ 3
Abwicklung
(1) Die Landeswohlfahrtsverbände gelten nach ihrer Auflösung, längstens bis zur Abwicklung der Jahresrechnung 2007, als fortbestehend, soweit der Zweck der Abwicklung es erfordert. …
§ 4
Personal
(1) …
(2) Die Stadt- und Landkreise sowie der Kommunalverband für Jugend und Soziales sind verpflichtet, anteilig die Angestellten und Arbeiter der Landeswohlfahrtsverbände zum 1. Januar 2005 zu übernehmen. Die Beteiligten regeln die anteilige Übernahme der Angestellten und Arbeiter durch Vereinbarung. Die Stadt- und Landkreise sowie der Kommunalverband für Jugend und Soziales haben ihre Verpflichtung nach Satz 1 in der Weise zu erfüllen, dass sie dem jeweiligen Arbeitnehmer rechtzeitig vor der Aufgabenübertragung ein Arbeitsvertragsangebot mindestens auf der Grundlage der nachfolgenden Absätze unterbreiten oder ein entsprechendes Arbeitsvertragsangebot des Arbeitnehmers annehmen.
(3) Für das Beschäftigungsverhältnis der übernommenen Angestellten gilt Folgendes:
1. Die Übernahme erfolgt mindestens in der Vergütungsgruppe, in die der Angestellte am Tag vor seiner Übernahme eingruppiert war, und im Umfang der arbeitsvertraglich vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit am Tage vor der Übernahme.
2. … Als Grundvergütung ist die Lebensaltersstufe oder Stufe zu gewähren, die mindestens den Betrag erreicht, der dem Angestellten am Tage der Übernahme beim Verbleiben beim jeweiligen Landeswohlfahrtsverband zustehen würde; sind dem Angestellten beim jeweiligen Landeswohlfahrtsverband Lebensaltersstufen oder Stufen vorweggewährt worden, gilt § 27 Satz 2 Abschnitt C des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) entsprechend. Tariflich gewährte Leistungszulagen werden für die Dauer der Bewilligung weiter gewährt.
…”
Der Beklagte und der bei ihm gebildete Gesamtpersonalrat schlossen am 4. Mai 2004 eine Dienstvereinbarung über die Durchführung der personellen Auswahl im Rahmen der Durchführung des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes ab. Darin sind Auswahlkriterien sowie ein Punktekatalog enthalten, zu denen es einleitend heißt:
“Die Dienstvereinbarung geht davon aus, dass die Mitglieder des Landeswohlfahrtsverbandes Baden und der Kommunalverband für Soziales und Jugend Baden-Württemberg diejenigen Mitarbeiter auf die bei ihnen im Rahmen der Verwaltungsstruktur-Reform eingerichteten Arbeitsplätze übernehmen, die gemäss den nachfolgend vereinbarten Auswahlrichtlinien unter den für die Stellen in Betracht kommenden Arbeitnehmern am schutzwürdigsten sind.”
Die Klägerin erhielt im Dezember 2004 ein Übernahmeangebot der Stadt F…. Dieses Angebot hat sie nicht angenommen.
Mit Schreiben vom 1. März 2005 und 10. März 2005 kündigte der Beklagte das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis jeweils zum 30. Juni 2005, hilfsweise nochmals mit Schreiben vom 17. Juni 2005 zum 30. September 2005. Aus der Kündigung vom 1. März 2005 leitet der Beklagte keine Rechte mehr her.
Die Klägerin hat geltend gemacht, die Kündigungen seien sozialwidrig. Die von der Stadt F… angebotene Beschäftigung habe nicht den gesetzlichen Voraussetzungen entsprochen und sei ihr wegen der Entfernung zu ihrem Wohnsitz K… nicht zumutbar. Außerdem hat die Klägerin die unterbliebene Beteiligung des Personalrats gerügt.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 10. März 2005 beendet wurde.
2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 17. Juni 2005 beendet wurde.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hält die Kündigungen für sozial gerechtfertigt. Nach seiner Auflösung zum 31. Dezember 2004 hätten keine Beschäftigungsmöglichkeiten für die Klägerin mehr bestanden. Die Frage, ob der Klägerin von der Stadt F… ein den Erfordernissen des Art. 177 § 4 VRG entsprechendes Übernahmeangebot gemacht worden sei, habe keine Bedeutung für die Wirksamkeit der Kündigung. Der Personalrat sei mit der Auflösung der Beklagten und dem Ausscheiden sämtlicher Personalratsmitglieder aufgelöst worden. Ein Übergangspersonalrat beim Kommunalverband für Jugend und Soziales habe nicht bestanden.
Das Arbeitsgericht hat – soweit von Interesse – nach dem Klageantrag erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage der Klägerin zu Recht abgewiesen. Die Kündigung vom 10. März 2005 hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zum 30. Juni 2005 rechtswirksam beendet.
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung des Beklagten sei sozial gerechtfertigt, da der Beklagte nach seiner Auflösung über keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten verfügt habe. § 613a BGB komme nicht zur Anwendung. Ob der Klägerin ein hinreichendes Angebot gem. Art. 177 § 4 VRG gemacht worden sei, bleibe ohne Einfluss auf die Wirksamkeit der Kündigung. Die Klägerin müsse gegebenenfalls einen der neuen Funktionsträger in Anspruch nehmen. Auf die Dienstvereinbarung könne sie sich schon deshalb nicht berufen, weil diese nicht gegenüber den neuen Funktionsträgern wirke und weil sie mit der Auflösung des Personalrats ihre Wirkung verloren habe. Eine Beteiligung des Personalrats sei nicht mehr möglich gewesen, weil sämtliche Personalratsmitglieder mit dem 1. Januar 2005 in andere Arbeitsverhältnisse mit einem der neuen Funktionsträger gewechselt seien.
B. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts stimmt der Senat im Ergebnis und in Teilen der Begründung zu.
I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Beklagte parteifähig iSv. § 50 ZPO. Das ergibt sich schon daraus, dass der Beklagte gem. Art. 177 § 3 Abs. 1 VRG auch nach seiner zum 31. Dezember 2004 erfolgten Auflösung, längstens bis zur Abwicklung der Jahresrechnung 2007, als fortbestehend anzusehen ist, soweit der Zweck der Abwicklung dies erfordert. Der vorliegende Kündigungsrechtsstreit dient der Abwicklung des Beklagten und ist deshalb von dieser Fiktion erfasst.
II. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen, denn das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 10. März 2005 mit Ablauf des 30. Juni 2005 beendet worden. Die Kündigung beruht auf dringenden betrieblichen Erfordernissen, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin entgegenstehen (dazu unten 1). Sie verstößt nicht gegen eine Auswahlrichtlinie und eine Weiterbeschäftigung der Klägerin an einem anderen Arbeitsplatz ist nicht möglich (dazu unten 2). Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG liegen nicht vor (dazu unten 3) und der Kündigung steht das Verwaltungsstruktur-Reformgesetz (VRG) nicht entgegen (dazu unten 4).
1. Die Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt, die der Weiterbeschäftigung der Klägerin beim Beklagten entgegenstehen.
a) Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen gehört die Stilllegung des gesamten Betriebs durch den Arbeitgeber. Unter Betriebsstilllegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen (st. Rspr. Senat 18. Januar 2001 – 2 AZR 514/99 – BAGE 97, 10, zu 2 der Gründe; 27. November 2003 – 2 AZR 48/03 – BAGE 109, 40, zu B I 1 der Gründe).
b) Eine solche Betriebsstilllegung lag hier in der durch Art. 177 § 1 VRG angeordneten Auflösung des Beklagten zum 31. Dezember 2004 und der damit verbundenen Einstellung jeglicher Tätigkeit mit Ablauf dieses Tages. Die bis dahin vom Beklagten wahrgenommenen Aufgaben gingen gem. Art. 177 § 2 VRG auf die neun Stadt- und 35 Landkreise sowie den Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg über.
aa) Die im VRG vom Landtag des Landes Baden-Württemberg verantwortlich getroffene Entscheidung kann von den Gerichten nicht nachgeprüft werden; sie ist vielmehr als gegeben hinzunehmen (vgl. Senat 24. Juni 2004 – 2 AZR 208/03 – ZTR 2005, 160, zu B II 7b aa der Gründe für den Fall der Auflösung des Instituts für Erdöl- und Erdgasforschung [IfE] des Landes Niedersachsen). Nach Art. 177 § 1 VRG ist die Auflösung des Beklagten mit Ablauf des 31. Dezember 2004 erfolgt. Die auch noch nach diesem Tag anfallenden Aufgaben der Landeswohlfahrtsverbände wurden mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 auf die Stadt- und Landkreise und den neu errichteten Kommunalverband für Jugend und Soziales übertragen.
bb) Das Landesarbeitsgericht hat, ohne dass seitens der Revision hierzu durchgreifende Rügen erhoben wären, zu Recht ausgesprochen, dass der Betrieb des Beklagten entsprechend den Vorgaben von Art. 177 § 1 VRG tatsächlich zum 31. Dezember 2004 eingestellt wurde und lediglich noch Abwicklungsaufgaben angefallen sind. Die Revision macht insoweit lediglich geltend, dass es (entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts) gerade nicht darauf ankomme, ob tatsächlich noch eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bestehe oder nicht. Damit wendet sich die Revision aber nicht gegen die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die gesetzlich angeordnete Auflösung des Beklagten habe zur Stilllegung des Betriebs des Beklagten spätestens mit Ablauf der Übergangsfrist zum 30. Juni 2005 und damit zum Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses der Klägerin geführt.
2. Die Kündigung vom 10. März 2005 verstößt nicht gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2a KSchG.
a) Die Dienstvereinbarung über die Durchführung der personellen Auswahl im Rahmen der Durchführung des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes vom 4. Mai 2004 stellt keine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2a KSchG dar.
b) Nach § 79 Abs. 3 Nr. 7 LPersVG BW hat der Personalrat beim Erlass von Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen mitzubestimmen, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
c) Die Dienstvereinbarung hat ihre Wirkungen nicht mit der Auflösung des Beklagten zum 31. Dezember 2004 verloren. Die streitgegenständliche Kündigung betrifft das Arbeitsverhältnis zwischen dem beklagten Landeswohlfahrtsverband Baden und der Klägerin. Einer Überleitungsvorschrift auf den künftigen Aufgabennachfolger bedurfte es nicht, denn das Arbeitsverhältnis der Klägerin bestand trotz seiner Auflösung noch mit dem Beklagten. Für das mit ihm noch bestehende Arbeitsverhältnis blieben deshalb auch die beim Beklagten abgeschlossenen Dienstvereinbarungen maßgeblich. Dies zeigt sich auch in der Überleitungsvorschrift des Art. 177 § 3 VRG, die den rechtlichen Fortbestand des Beklagten für Abwicklungszwecke anordnet, wozu auch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin ggf. durch Kündigung zählt.
d) Die Dienstvereinbarung vom 4. Mai 2004 enthält indes kein eigenständiges Kündigungsverbot oder eine sonstige Kündigungsbeschränkung. Die Dienstvereinbarung vom 4. Mai 2004 regelt das Verfahren über die Durchführung der personellen Auswahl im Rahmen der Durchführung des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes. Die Dienstvereinbarung hat keine Regelungen für die Kündigung von Arbeitsverhältnissen zum Gegenstand. Die Dienstvereinbarung wurde ausweislich ihrer Einleitung aus Anlass der bevorstehenden Auflösung des Beklagten in Ansehung der in Art. 177 § 4 Abs. 2 VRG gesetzlich bestimmten Übernahme der Beamten, Angestellten und Arbeiter des Beklagten durch die Stadt- und Landkreise sowie den KVJS geschlossen. Dabei gehen die Parteien der Dienstvereinbarung ersichtlich davon aus, dass die Mitglieder des Landeswohlfahrtsverbandes Baden (dies sind die Stadt- und Landkreise der Regierungsbezirke Karlsruhe und Freiburg, vgl. § 9 und § 10 Landesverwaltungsgesetz) und der KVJS diejenigen Mitarbeiter übernehmen, die gemäß den in der Dienstvereinbarung enthaltenen an § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG angelehnten Auswahlrichtlinien am schutzwürdigsten sind. Zugleich zeigt die gewählte Formulierung, dass die Parteien der Dienstvereinbarung insoweit keine Pflichten des Beklagten begründen, sondern einen Appell an die Übernehmer richten wollten. Aussagen über etwaige Kündigungen sind damit nicht verbunden. Sie sollen – gerade im Gegenteil – vermieden werden.
e) Die Kündigung verstößt nicht gegen § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2b KSchG.
aa) Die aus Anlass einer Betriebsstilllegung bzw. Auflösung einer Dienststelle ausgesprochene Kündigung ist nur dann durch ein dringendes betriebliches Erfordernis “bedingt”, wenn der Arbeitgeber keine Möglichkeit hat, den Arbeitnehmer anderweitig zu beschäftigen. Dies folgt aus dem “ultima-ratio-Grundsatz”, dem vor allem bei der betriebsbedingten Kündigung maßgebliche Bedeutung zukommt (Senat 27. September 1984 – 2 AZR 62/83 – BAGE 47, 26, zu B II der Gründe).
bb) Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht jedoch nicht. Dies liegt – was den Beklagten selbst betrifft – auf der Hand. In Betracht zu ziehen wäre die der Klägerin bei der Stadt F… angebotene Stelle. Diese hatte die Klägerin aber abgelehnt. Sie hat sich auch nicht darauf berufen, dass diese Stelle bei Ausspruch der Kündigung nach wie vor frei gewesen wäre und von ihr hätte eingenommen werden können. Sie hat aber auch im gesamten Rechtsstreit keine freie Stelle aufgezeigt, auf der sie weiterbeschäftigt werden könnte. Solche sind auch sonst nicht ersichtlich.
cc) Der Beklagte war vor Ausspruch der Kündigung nicht verpflichtet, weiterreichende Unterbringungsversuche beim Kommunalverband für Jugend und Soziales oder den Stadt- und Landkreisen zugunsten der Klägerin zu unternehmen. Eine solche Pflicht ergibt sich insbesondere nicht aus einer Anwendung des TV Rat. Eine direkte Anwendung des TV Rat scheidet aus. Die Stilllegung des Betriebs des Beklagten durch seine Auflösung zum 31. Dezember 2004 stellt keine Rationalisierungsmaßnahme iSd. § 1 Abs. 1 Satz 1 TV Rat dar. Lediglich für außerordentliche betriebsbedingte Kündigungen hat der Senat in seinem Urteil vom 27. Juni 2002 (– 2 AZR 367/01 – BAGE 102, 40, zu II 5c der Gründe) bei einem nach § 55 BAT unkündbaren Arbeitnehmer den öffentlichen Arbeitgeber für verpflichtet gehalten, vor Ausspruch einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung die in § 3 Abs. 2 bis 5 TV Rat genannten Maßnahmen zu prüfen und ggf. zu ergreifen. Diese Erwägungen sind auf den vorliegenden Fall einer ordentlich kündbaren Arbeitnehmerin nicht übertragbar.
3. Die Kündigung ist auch nicht deshalb sozial ungerechtfertigt, weil der Beklagte bei der Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmerin soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt hätte (§ 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG). Die Klägerin hat im Klageschriftsatz die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl dahingehend gerügt, dass keine Sozialauswahl stattgefunden habe. Nachfolgend hat die Beklagte im Schriftsatz vom 31. März 2005 darauf hingewiesen, dass im Zeitpunkt der Kündigung kein Personal mehr vorhanden war. Die Klägerin hat daraufhin ihre pauschale Rüge wiederholt. Soweit sie dort namentlich drei Arbeitnehmer benennt, handelt es sich um solche, die zum Jahreswechsel 2004/2005 zum Kommunalverband für Jugend und Soziales übergewechselt und damit bei der Sozialauswahl anlässlich der Kündigung vom 10. März 2005 nicht mehr zu berücksichtigen waren. In der Berufungserwiderung befasst sich die Klägerin nur mit der Auswahl der zu übernehmenden Arbeitnehmer, nicht aber mit der Sozialauswahl der noch im März 2005 beim Beklagten verbliebenen. Die Klägerin hat keinen Arbeitnehmer benannt, der nicht gekündigt wurde und der weniger sozial schutzwürdig wäre.
4. Der Wirksamkeit der Kündigung steht auch Art. 177 § 4 Abs. 2 und 3 VRG nicht entgegen. Diese Vorschriften enthalten, entgegen der Auffassung der Revision, weder ein eigenständiges Kündigungsverbot noch folgt aus ihnen unter Berücksichtigung der Wertungen des § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB ein solches. Dies ergibt eine Auslegung des Art. 177 § 4 Abs. 2 und 3 VRG.
a) Das Gesetz verpflichtet die Kommunen (Stadt- und Landkreise) sowie den durch Art. 178 VRG neu errichteten Kommunalverband für Jugend und Soziales die Angestellten und Arbeiter der Landeswohlfahrtsverbände zum 1. Januar 2005 zu übernehmen. Die genannten Körperschaften haben gem. Art. 177 § 2 VRG die von den Landeswohlfahrtsverbänden wahrgenommenen Aufgaben mit Ablauf des Jahres 2004 von diesen übernommen. Damit ist aber keine Anordnung des Übergangs des Arbeitsverhältnisses verbunden. Vielmehr hat das Gesetz in Art. 177 § 4 Abs. 2 VRG eine selbstständige Übernahmeverpflichtung der Aufgaben und damit eine Funktionsnachfolge angeordnet. Dies ist eine Wertung und Entscheidung des Gesetzgebers des Landes Baden-Württemberg, die hinzunehmen ist. Der Gesetzgeber des VRG hat sich dazu entschlossen, nicht die Arbeitsverhältnisse kraft Gesetzes überzuleiten, sondern ist den Weg der Neubegründung der Arbeitsverhältnisse gegangen. Dies ist auch rechtlich geboten gewesen, denn die Aufgabenübertragung fand neben der Übertragung auf den neu gegründeten Kommunalverband für Jugend und Soziales auch auf die Stadt- und Landkreise statt, die als Selbstverwaltungskörperschaften gem. Art. 28 GG ein Selbstverwaltungsrecht haben.
b) Gegen die Annahme eines Kündigungsverbots spricht auch die weitere Regelung des Art. 177 § 4 VRG. Die Beteiligten sollten nach dieser gesetzlichen Anordnung untereinander durch Vereinbarung die anteilige Übernahme regeln. Für die Ausgestaltung des Arbeitsvertragsangebots, welches die Stadt- und Landkreise bzw. der Kommunalverband für Jugend und Soziales betroffenen Arbeitnehmern machen sollten, regelt Art. 177 § 4 Abs. 3 VRG Einzelheiten. Danach muss das Arbeitsvertragsangebot Mindestanforderungen genügen. Die Übernahme hat in die Vergütungsgruppe zu erfolgen, in die der Angestellte am Tag vor seiner Übernahme eingruppiert war und im Umfang der arbeitsvertraglich vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit am Tag vor der Übernahme. Darüber hinaus wird geregelt, dass die bisherigen Beschäftigungsdienstzeiten zu berücksichtigen sind und im Falle vertraglich begründeter Ansprüche auf Beihilfe auch diese weiter gewährt werden. Das alles spricht dafür, dass eine Neubegründung des Vertragsverhältnisses beabsichtigt war. Eine Neubegründung setzt indes die Beendigung des vorherigen Arbeitsverhältnisses voraus. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, inwiefern das der Klägerin von der Stadt F… unterbreitete Angebot den gesetzlichen Vorgaben nicht genügt haben sollte.
5. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Anwendungsvoraussetzungen des § 613a BGB verneint. Insoweit erhebt die Revision auch keine Rügen.
6. Die Kündigung vom 10. März 2004 ist, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat, nicht wegen unterbliebener Beteiligung des Personalrats unwirksam. Die entsprechenden Ausführungen des Landesarbeitsgerichts hat die Revision nicht mehr angegriffen.
7. Auf die Wirksamkeit der mit Schreiben vom 17. Juni 2005 hilfsweise für den Fall der Unwirksamkeit der Kündigung vom 10. März 2005 ausgesprochenen Kündigung kommt es deshalb nicht mehr an.
III. Gem. § 97 Abs. 1 ZPO hat die Klägerin die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Rost, Bröhl, Schmitz-Scholemann, Thelen, Heise
Fundstellen