Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung einer Lehrkraft an einer Berufsfach- und Fachschule. Diplomlebensmittelchemikerin

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Verhinderung der Durchführung einer beruflichen Qualifizierung ist keine nach dem BerRehaG auszugleichende Maßnahme

 

Normenkette

BAT §§ 22-23; BAT-O § 11 S. 2; Änderungstarifvertrag Nr. 1 zum BAT-O § 2 Nr. 3

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 21.06.1996; Aktenzeichen 3 Sa 717/95)

ArbG Dresden (Urteil vom 10.05.1995; Aktenzeichen 15 Ca 5565/94)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 21. Juni 1996 – 3 Sa 717/95 – aufgehoben.

2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 10. Mai 1995 – 15 Ca 5565/94 – wird zurückgewiesen.

3. Die Klägerin trägt auch die Kosten der Berufung und der Revision.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.

Die Klägerin besitzt eine abgeschlossene Hochschulausbildung als Diplomlebensmittelchemikerin. Über eine abgeschlossene pädagogische Hochschulausbildung verfügt sie nicht.

Auf Grund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 10. Januar 1984 wurde sie in der ehemaligen DDR seit dem 1. Februar 1984 als Fachschullehrerin an der Ingenieurschule für die Lebensmittelindustrie in D. eingesetzt. Ziffer 4 dieses Arbeitsvertrages enthält folgende Vereinbarung:

„Kollegin S. verpflichtet sich, die gem. § 2 Abs. 1 Buchst. b der Fachschullehrerverordnung vom 26. Oktober 1978 geforderte Qualifikation – Fachschulpädagogik – bis 1988 nachzuholen. Die Ingenieurschule verpflichtet sich, mit Kollegin S. auf der Grundlage des Arbeitsgesetzbuches der DDR einen Qualifizierungsvertrag abzuschließen.”

Zum Abschluß eines solchen Qualifizierungsvertrages und zur Durchführung der Qualifikationsmaßnahme kam es in der Folgezeit nicht.

Nachdem aus der beruflichen Schuleinrichtung in D. am 1. August 1992 das „Berufliche Schulzentrum D.”, bestehend aus Berufsschule, Berufsfachschule, Fachoberschule und Fachschule, gebildet worden war, wurde die Klägerin seit dem 1. Januar 1993 dort an der Berufsfachschule (Ausbildung von technischen Assistenten) und an der Fachschule (Ausbildung von staatlich geprüften Technikern) eingesetzt. Sie unterrichtete u.a. die Fächer Chemie, Lebensmittelchemie, Biologie, Mikrobiologie, Biochemie, Ökologie und Lebensmittelrecht.

Mit Änderungsvertrag vom 17. Dezember 1992 – in Kraft mit Wirkung vom 1. Januar 1993 – hatten die Klägerin und der Beklagte vereinbart, daß die bisherige VergGr. III durch die VergGr. IV a ersetzt wird. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der BAT-O Anwendung.

Mit Schreiben vom 28. März 1994 machte die Klägerin eine Eingruppierung in die VergGr. II a Fallgruppe 1 a BAT-O geltend. Bis zum 30. Juni 1995 erhielt sie aber lediglich Vergütung nach VergGr. IV a BAT-O. Ab dem 1. Juli 1995 gruppierte sie der Beklagte dann in die VergGr. III BAT-O ein.

Die Klägerin hat erstmals in der Berufungsinstanz vorgetragen, die in Ziff. 4 ihres Arbeitsvertrages vom 10. Januar 1984 vorgesehene Qualifizierung in Fachschulpädagogik, zu der sich ihr damaliger Arbeitgeber verpflichtet gehabt habe, sei deshalb unterblieben, weil sie mehrmals einen Antrag auf Besuchsreisen in die Bundesrepublik Deutschland gestellt habe. Dies habe ihr der damalige Schulleiter erklärt.

Im übrigen ist sie der Ansicht, die Eingruppierungsvorschriften enthielten eine Regelungslücke, da Lehrkräfte an beruflichen Schulen mit einer wissenschaftlichen Hochschulausbildung unberücksichtigt blieben. Sie sei analog zu den Lehrkräften an Ingenieurfachschulen nach den TdL-Richtlinien in VergGr. III BAT-O einzugruppieren. Auch sei es rechtsmißbräuchlich, wenn sich der Beklagte auf ihren fehlenden pädagogischen Abschluß berufe.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, sie ab dem 1. Oktober 1993 bis zum 30. Juni 1995 gemäß VergGr. III BAT-O zu vergüten.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Er trägt vor, daß die Klägerin die Möglichkeit gehabt hätte, an der Technischen Universität Dresden bis zum Jahre 1992 ein pädagogisches Zusatzstudium zu absolvieren. Da sie über keine abgeschlossene pädagogische Hochschulausbildung verfüge, sei sie im Klagezeitraum nach den einschlägigen Bestimmungen nicht in die VergGr. III BAT-O einzugruppieren gewesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter und rügt insbesondere, daß das Landesarbeitsgericht das Vorbringen der Klägerin über die Gründe für die Nichtdurchführung der Qualifizierungsmaßnahme durch ihren alten Arbeitgeber nicht als verspätet zurückgewiesen hat.

Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat für die Zeit vom 1. Oktober 1993 bis 30. Juni 1995 (Klagezeitraum) keinen Anspruch auf eine Vergütung nach VergGr. III BAT-O.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klagestattgebende Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet. Zwar erfülle die Klägerin wegen ihrer fehlenden pädagogischen Hochschulausbildung nicht die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die VergGr. III BAT-O, jedoch sei es dem Beklagten nach dem Rechtsgedanken des § 162 Abs. 1 BGB verwehrt, sich auf diese fehlende Zusatzqualifikation der Klägerin zu berufen. Da deren Arbeitsverhältnis auf ihn übergegangen sei, müsse er sich das Verhalten des früheren Arbeitgebers der Klägerin zurechnen lassen. Dieser habe aber der Klägerin die vertraglich vereinbarte Zusatzqualifikation, welche einer pädagogischen Hochschulausbildung entsprochen hätte, verwehrt. Der Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, die Klägerin hätte bis zum Jahre 1992 die Möglichkeit gehabt, ein pädagogisches Zusatzstudium an der technischen Universität Dresden nachzuholen. Er hätte der Klägerin nämlich nicht nur eine Beurlaubung zu diesem Zweck, sondern darüber hinaus Bedingungen anbieten müssen, welche einem Qualifizierungsvertrag nach dem AGB der DDR entsprochen hätten (insbesondere Vergütungsfortzahlung). Daß er dies getan habe, sei aber vom Beklagten nicht vorgetragen worden.

Die Klägerin habe ihren Anspruch auch innerhalb der Ausschlußfrist des § 70 BAT-O ordnungsgemäß geltend gemacht.

II. Dem Landesarbeitsgericht kann nicht gefolgt werden.

Die Klägerin hat im Klagezeitraum keinen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. III BAT-O.

1. Die Vergütung der Klägerin richtet sich kraft beiderseitiger Tarifbindung der Arbeitsvertragsparteien nach dem BAT-O und den diesen ändernden oder ergänzenden Tarifverträgen. § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O vom 8. Mai 1991 (im folgenden: ÄnderungsTV Nr. 1) bestimmt:

㤠2

Übernahme der Vergütungsordnung des BAT

Die Anlage 1 a – für die Bereiche des Bundes und der Tarifgemeinschaft deutscher Länder mit Ausnahme der Zulagenregelungen in Teil II Abschnitt N und der entsprechenden Regelungen in Teil III Abschnitt L Unterabschnitt VII – und die Anlage 1 b zum Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) sind mit folgenden Maßgaben anzuwenden:

3. Die Anlage 1 a ist, soweit sie keine besonderen Tätigkeitsmerkmale enthält, nicht auf Angestellte anzuwenden, die

als Lehrkräfte, auch wenn sie nicht unter die SR 2 II fallen, beschäftigt sind. Diese Angestellten sind – ggf. nach näherer Maßgabe von Richtlinien – in der Vergütungsgruppe eingruppiert, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher der Angestellte eingestuft wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde.

…”

Die SR 2 I I (Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte) zum BAT-O lauten u.a.:

„Nr. 1

Zu §§ 1 und 2 – Geltungsbereich –

Diese Sonderregelungen gelten für Angestellte als Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen und berufsbildenden Schulen (Berufs-, Berufsfach- und Fachschulen).

Protokollnotiz:

Lehrkräfte im Sinne dieser Sonderregelungen sind Personen, bei denen die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten im Rahmen eines Schulbetriebes der Tätigkeit das Gepräge gibt.

Nr. 3 a

Zu §§ 22 bis 25 – Eingruppierung –

Die Lehrkräfte werden nach § 11 Satz 2 in die Vergütungsgruppen eingruppiert, die sich bei Anwendung der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung ergeben.

Die Zweite Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands (Zweite Besoldungs-Überleitungsverordnung – 2. BesÜV) (im folgenden: 2. BesÜV) lautet – soweit hier einschlägig:

㤠7

Besoldungsordnungen

1. Für Beamte an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen sowie an Sonderschulen gilt ergänzend Anlage 1 dieser Verordnung. …

Anlage 1

Ämter für Beamte an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen sowie an Sonderschulen

Besoldungsgruppe A 12

Lehrer[1]

• Als Diplomingenieurpädagoge im berufstheoretischen Unterricht an einer beruflichen Schule

Die Klägerin unterfällt als Lehrkraft, die an einer Berufsfach- und einer Fachschule, die berufsbildende Schulen darstellen, unterrichtet, dem Geltungsbereich der SR 2 II Nr. 1 Abs. 1. Damit ist für sie die Nr. 3 a der SR 2 II anzuwenden, die festlegt, daß Lehrkräfte nach § 11 Satz 2 BAT-O in die Vergütungsgruppe eingruppiert werden, die sich bei Anwendung der 2. BesÜV ergibt.

Die von der Klägerin angestrebte VergGr. III BAT-O entspricht nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe A 12.

a) Mit dem Landesarbeitsgericht ist davon auszugehen, daß die Klägerin die Voraussetzungen für eine Einstufung in die Besoldungsgruppe A 12 der Anl. 1 zur 2. BesÜV nicht erfüllt. Für ihre Vergütung könnte lediglich die Alternative „Lehrer als Diplomingenieurpädagoge im berufstheoretischen Unterricht an einer beruflichen Schule” in Frage kommen. Sie unterrichtet nämlich mit den Fächern Chemie, Lebensmittelchemie, Biologie, Mikrobiologie, Biochemie, Ökologie und Lebensmittelrecht berufstheoretische Fächer an einer Fachschule bzw. Berufsfachschule und damit an einer beruflichen Schule im Sinne der Anl. 1 zur 2. BesÜV.

Unstreitig fehlt es der Klägerin aber an der abgeschlossenen pädagogischen Hochschulausbildung, welche nach Fußnote 1 zur Besoldungsgruppe A 12 der Anl. 1 zur 2. BesÜV für eine Einstufung in diese Besoldungsgruppe vorausgesetzt wird.

Ob die von der Klägerin auf Grund ihrer praktischen Berufserfahrung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten der für eine Einstufung in die Besoldungsgruppe A 12 geforderten abgeschlossenen pädagogischen Hochschulausbildung entsprechen, kann dahinstehen. Die beamtenrechtlichen Vorschriften sehen nämlich für Lehrer, die nicht über die geforderte Ausbildung verfügen, aber dennoch gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen besitzen, eine Einstufung in die Besoldungsgruppe A 12 nicht vor (vgl. BAG Urteil vom 25. September 1997 – 6 AZR 75/96 – n.v., zu I 4 b, c der Gründe).

b) Der Klägerin ist allerdings zuzugeben, daß die Anl. 1 zur 2. BesÜV für die Art ihrer Tätigkeit und ihrer Ausbildung eine bestimmte Besoldungsgruppe nicht enthält. In einem solchen Falle kann diese Lücke aber durch die Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) über die Eingruppierung der nicht von der Anlage 1 a zum BAT-O erfaßten Angestellten vom 24. Juni 1991 (im folgenden: TdL-Richtlinien) geschlossen werden. § 2 Nr. 3 Satz 2 des ÄnderungsTV Nr. 1 enthält durch die Verweisung auf die 2. BesÜV eine zwingende materielle Eingruppierungsregelung, die in den von der 2. BesÜV unmittelbar erfaßten Fällen abschließend ist. Aus dem Zusatz „ggf. nach näherer Maßgabe von Richtlinien” in § 2 Nr. 3 Satz 2 des ÄnderungsTV Nr. 1 ergibt sich, daß wegen der Unvollständigkeit der für Beamte geltenden Bestimmungen die TdL-Richtlinien diese Regelungen ergänzen oder präzisieren können (ständige Rechtsprechung des BAG; vgl. BAGE 80, 61 = AP Nr. 7 zu § 11 BAT-O, m.w.N.).

Nach den TdL-Richtlinien hat die Klägerin aber lediglich Anspruch auf Eingruppierung nach VergGr. IV a und nicht nach VergGr. III.

Die TdL-Richtlinien lauten bezüglich der Eingruppierung in die VergGr. IV a und III – soweit vorliegend von Interesse:

„E. Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis

I. Eingruppierung

b) Berufliche Schulen

1. Berufliche Schulen ohne Berufsfachschulen bzw. Fachschulen für medizinisch technische Berufe, für medizinische Hilfsberufe, für technische Assistenzberufe und für Krankenpflegeberufe.

VergGr. IV a

1. Lehrer mit abgeschlossener Hochschulausbildung[2] die allgemeinbildenden oder berufstheoretischen Unterricht an einer beruflichen Schule erteilen.

2. Lehrer mit abgeschlossener pädagogischer Fachschulausbildung als Lehrer für untere Klassen sowie anschließend abgeschlossener Hochschulausbildung als Diplompädagoge, die in ihrem Fach berufstheoretischen Unterricht an einer beruflichen Schule erteilen.

VergGr. III

1. Lehrer mit abgeschlossener pädagogischer Hochschulausbildung als Diplomlehrer, die allgemeinbildenden Unterricht an einer beruflichen Schule erteilen.

2. Lehrer mit abgeschlossener pädagogischer Hochschulausbildung als Diplom-Ingenieur-Pädagoge[3]die berufstheoretischen Unterricht an einer beruflichen Schule erteilen

c) Ingenieurfachschulen

VergGr. III

Fachlehrer mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulausbildung an Ingenieurfachschule.”

Die Klägerin unterfällt danach der VergGr. IV a Fallgruppe 1 BAT-O. Die von ihr angestrebte VergGr. III Fallgruppe 2 setzt nach den TdL-Richtlinien für Lehrer, die an beruflichen Schulen berufstheoretischen Unterricht erteilen, eine abgeschlossene pädagogische Hochschulausbildung voraus, über welche die Klägerin aber nicht verfügt.

Da die Klägerin unstreitig nicht an einer Ingenieurfachschule unterrichtet, scheidet die Anwendung der VergGr. III des Abschnitts E I c der TdL-Richtlinien für Fachlehrer mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulausbildung an Ingenieurfachschulen aus. Auch eine analoge Anwendung dieser Bestimmung zugunsten der Klägerin kommt nicht in Frage, weil deren Eingruppierung durch den Abschnitt E I b 1 der TdL-Richtlinien – VergGr. IV a Fallgruppe 1 – abschließend geregelt ist.

Demnach war die Klägerin im Klagezeitraum zutreffend in die VergGr. IV a BAT-O eingruppiert.

2. Dem Landesarbeitsgericht kann nicht darin gefolgt werden, daß der Beklagte sich nicht auf die fehlende abgeschlossene pädagogische Hochschulausbildung der Klägerin berufen kann, weil dieser durch ihren ehemaligen Dienstherrn in der DDR entgegen der arbeitsvertraglichen Verpflichtung eine Qualifikation im Bereich „Fachschulpädagogik”, welche nach Meinung des Landesarbeitsgerichts einer abgeschlossenen pädagogischen Hochschulausbildung entsprochen hätte, verwehrt worden ist.

a) Entgegen der Rüge des Beklagten ist die Zulassung dieses erstmals in der Berufungsinstanz vorgebrachten Sachvortrages der Klägerin durch das Landesarbeitsgericht bindend. Grundsätzlich kann nämlich die Zulassung verspäteten Vorbringens durch das Berufungsgericht nicht mit der Revision angegriffen werden (BAG Urteil vom 31. Oktober 1984 – 4 AZR 604/82 – AP Nr. 3 zu § 42 TVAL II; BGH Urteil vom 21. Januar 1981 – VIII ZR 10/80 – NJW 1981, 928; BGH Urteil vom 26. Februar 1991 – XI ZR 163/90 – NJW 1991, 1896).

b) Für die Entscheidung des Rechtsstreits kann es dahinstehen, ob die in Ziff. 4 des Arbeitsvertrages vorgesehene Qualifikationsmaßnahme zugunsten der Klägerin im Fachgebiet „Fachschulpädagogik” entsprechend § 2 Abs. 1 Buchst. b der Fachschullehrerverordnung vom 26. Oktober 1978 für die ehemalige DDR einer für die Eingruppierung in die VergGr. III erforderlichen „abgeschlossenen pädagogischen Hochschulausbildung” entsprochen hätte.

Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, könnte sich die Klägerin nicht darauf berufen, daß ihr ehemaliger Arbeitgeber diese Qualifizierungsmaßnahme vertragswidrig nur deshalb nicht durchgeführt habe, weil sie mehrmals Anträge „auf besuchsweise Ausreise in die BRD” bei ihrer Schulleitung gestellt habe. Wäre dieses Vorbringen zutreffend, wäre die Klägerin im Beitrittsgebiet durch eine Maßnahme aus politischen Gründen in ihrem Beruf benachteiligt worden. Der Ausgleich solcher Benachteiligung wird durch das Gesetz über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet vom 23. Juni 1994 (Berufliches Rehabilitierungsgesetz – BerRehaG, BGBl. I S. 1314) geregelt. Eine Verfolgung der Klägerin im Sinne des § 1 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 BerRehaG ist in der Nichtzulassung zur Qualifizierungsmaßnahme durch ihren ehemaligen Schulleiter nicht zu sehen. Demnach hat sie keiner der im BerRehaG geregelten Ausgleichsansprüche.

§ 5 BerRehaG bestimmt, daß „andere” Ansprüche wegen einer aus politischen Gründen erfolgten Benachteiligung im Beruf oder in der Ausbildung ausgeschlossen sind, wenn sie Verbindlichkeiten im Sinne des Art. 135 a des Grundgesetzes betreffen.

Wenn die Klägerin geltend macht, der Beklagte dürfe sich nicht auf die fehlende abgeschlossene Hochschulausbildung berufen, weil ihr diese auf Grund einer rechtswidrigen Maßnahme durch ihren bisherigen Arbeitgeber verweigert worden sei, macht sie einen „anderen Anspruch” im Sinne des § 5 BerRehaG gegenüber dem Beklagten geltend.

„Anspruch” ist in § 194 Abs. 1 BGB als das Recht definiert, „von einem anderen ein Tun oder ein Unterlassen zu verlangen”. Dabei kommt als Tun jede denkbare Handlung und als Unterlassen jedes denkbare Nichthandeln in Betracht (Palandt, BGB, 56. Aufl., § 194 Rz 1)

Die Klägerin verlangt, daß der Beklagte sie mit Lehrern gleichbehandelt, die eine abgeschlossene pädagogische Hochschulausbildung aufweisen und daß er es unterläßt, sich auf ihre fehlende Qualifikation zu berufen. Damit macht sie einen auf den Rechtsgedanken des § 242 BGB bzw. des § 162 Abs. 1 BGB gestützten Anspruch gegenüber dem Beklagten geltend.

Der Wortlaut des § 5 BerRehaG, der den Ausschluß nicht auf bestimmte, im BerRehaG nicht geregelte Ansprüche beschränkt, spricht gegen eine einschränkende Auslegung dieser Norm dahingehend, daß durch sie „normale” arbeitsrechtliche Ansprüche nicht erfaßt werden. Auch die Entstehungsgeschichte sowie der Sinn und Zweck der Vorschrift belegen, daß ein umfassender Anspruchsausschluß vom Gesetzgeber gewollt war. So heißt es auch in der Gesetzesbegründung:

„Erfaßt werden sämtliche Ansprüche auf Erfüllung oder Schadensersatz, gleich auf welcher Anspruchsgrundlage sie beruhen …” (BT-Drucks. 12/4994 S. 46). (vgl. BAG Urteil vom 23. Januar 1997 – 8 AZR 13/96 – n.v.). Das BerRehaG enthält auch keine Restitutionsansprüche, die auf eine vollständige oder teilweise berufliche Rehabilitierung in arbeitsrechtlicher Hinsicht zielen (BAGE 78, 244 = AP Nr. 33 zu Art. 33 Abs. 2 GG). Vielmehr geht das BerRehaG davon aus, daß rechtswidrige Maßnahmen im beruflichen Bereich als solche nicht rückgängig gemacht werden (BAG Urteil vom 18. April 1996 – 8 AZR 867/93BAGE 83, 11 = AP Nr. 36 zu Art. 33 Abs. 2 GG).

Da die Benachteiligung der Klägerin durch einen Rechtsträger der ehemaligen DDR, nämlich die Schulleitung, erfolgt ist, handelt es sich vorliegend auch um eine Verbindlichkeit im Sinne des Art. 135 a Abs. 2 GG, was Voraussetzung für eine Anwendung des § 5 BerRehaG ist.

c) Die Berufung des Beklagten auf die fehlende pädagogische Hochschulausbildung der Klägerin ist auch nicht deshalb treuwidrig, weil er ihr bis 1992 nicht die Möglichkeit eingeräumt hat, unter Fortzahlung der Vergütung bei Freistellung von der Arbeit ein pädagogisches Zusatzstudium an der Technischen Universität Dresden nachzuholen.

Abgesehen davon, ob der Beklagte auf Grund seiner arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht überhaupt verpflichtet gewesen wäre, einem entsprechenden Begehren der Klägerin nachzukommen, scheidet ein treuwidriges Verhalten des Beklagten schon deshalb aus, weil die Klägerin die Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung zwecks Aufnahme eines pädagogischen Zusatzstudiums vom Beklagten überhaupt nicht verlangt hatte. Eine allgemeine Verpflichtung des Arbeitgebers, einem Arbeitnehmer von sich aus die Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung anzubieten, damit dieser sich weiterbilden kann, besteht aber nicht.

3. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, daß während des Klagezeitraums Lehrer mit vergleichbarer Tätigkeit, die ebenso wie sie keine abgeschlossene pädagogische Hochschulausbildung besaßen und auch keine entsprechende Zusatzausbildung nachgeholt hatten, vom Beklagten in die VergGr. III BAT-O eingruppiert worden sind. Deshalb ist auch kein Verstoß des Beklagten gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz dargelegt.

Somit hat die Klägerin für den Klagezeitraum keinen Anspruch auf Eingruppierung in die VergGr. III BAT-O, so daß das klagestattgebende Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen die klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts zurückzuweisen war.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Freitag, Hauck, Böck, Lindemann, Großmann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1126993

[1] Mit abgeschlossener pädagogischer Hochschulausbildung”
[2] hierzu gehören z.B. … Dipl.-Chemiker
[3] hierzu gehören auch z.B. Dipl.-Ökonompädagogen, Dipl.-Agrarpädagogen, Dipl.-Gewerbe-/Handelslehrer.

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