Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Sonderzuwendung. Berechnungsmonat
Leitsatz (amtlich)
Ist eine tarifliche Sonderzuwendung, die jeweils zur Hälfte im Juni bzw. November auszuzahlen ist, nach dem tariflichen Monatsgrundlohn zu berechnen, so ist ohne anderweitige Bestimmung der Tarifvertragsparteien in der Regel vom tariflichen Monatsgrundlohn des jeweiligen Auszahlungsmonats auszugehen.
Normenkette
BGB § 611; Lohntarifvertrag Nr. 15 für alle arbeiterrentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer des privaten Omnibusgewerbes in Bayern vom 25. Mai 1992 § 5
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen !
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der tariflichen Sonderzuwendung für das Jahr 1992
Der Kläger war im Jahre 1992 bereits seit mehr als sieben Jahren als Omnibusfahrer bei dem Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft Tarifbindung die Tarifverträge des privaten Omnibusgewerbes in Bayern Anwendung, u.a. der Lohntarifvertrag Nr. 15 für alle rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer des privaten Omnibusgewerbes in Bayern vom 25. Mai 1992, gültig ab 1. Mai 1992 (im folgenden: LTV Nr. 15). Der LTV Nr. 15 regelt in § 5 die Zahlung einer Sonderzuwendung wie folgt:
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SONDERZUWENDUNG
Die Arbeitnehmer erhalten in jedem Kalenderjahr eine Sonderzuwendung. Diese Sonderzuwendung ist je zur Hälfte mit der Juni- bzw. Novemberlohnzahlung auszubezahlen.
Sie beträgt:
a) |
nach einer ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit von 6 Monaten |
20 % |
b) |
nach einer ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit von 2 Jahren |
40 % |
c) |
nach einer ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit von 3 Jahren |
60 % |
d) |
nach einer ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit von 5 Jahren |
80 % |
e) |
nach einer ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit von 7 Jahren |
100 % |
des tariflichen Monatsgrundlohnes. |
Maßgebend für die prozentuale Höhe der Sonderzuwendung ist die ununterbrochene Betriebszugehörigkeit bei Beginn eines Kalenderjahres. Neueingestellte Arbeitnehmer erhalten die Sonderzuwendung im Juni bzw. November nur dann, wenn sie
- für die Junizuwendung bereits am 1. Januar
- für die Novemberzuwendung bereits am 1. Juli
eines Jahres dem Betrieb angehören.
- Teilzeitbeschäftigte erhalten die Sonderzuwendung anteilig gemäß der im Arbeitsvertrag vereinbarten Monatsstunden. (Sonderzuwendung eines Vollzeitbeschäftigten: 160 Stunden monatliche vereinbarte Stundenzahl.)
Die während eines Kalenderjahres ausscheidenden Arbeitnehmer haben auf soviele Zwölftel Anspruch, als sie volle Kalendermonate beschäftigt sind, es sei denn, der Arbeitnehmer hat dem Betrieb nicht mindestens sechs Monate angehört.
Wird das Arbeitsverhältnis bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gemäß § 626 BGB aufgelöst, so besteht kein Anspruch auf diese Sonderzuwendung.”
Der Beklagte zahlte an den Kläger Ende Juni als erste Hälfte der Sonderzuwendung des Jahres 1992 1.311,33 DM. Zur Berechnung legte er den durchschnittlichen tariflichen Monatsgrundlohn der Monate Januar bis Juni 1992 zugrunde. Der tarifliche Monatsgrundlohn war – wie im bayerischen Omnibusgewerbe üblich – ab 1. Mai 1992 erhöht worden. Bis zum Jahre 1991 hatte der Beklagte die Ende Juni fällig werdende Sonderzahlung nach dem tariflichen Monatsgrundlohn im Auszahlungsmonat (Juni) berechnet. Ab 1992 vertritt er den Standpunkt, für die Höhe der tariflichen Sonderzahlung sei der durchschnittliche tarifliche Grundlohn des Arbeitnehmers zugrunde zu legen.
Der Kläger macht mit der Klage die Differenz der im Juni fälligen tariflichen Sonderzuwendung für das Jahr 1992 geltend, die sich daraus ergibt, daß nach seiner Auffassung die tarifliche Sonderzahlung auf der Grundlage des – höheren – tariflichen Monatsgrundlohns des Monats Juni zu errechnen ist. Nachdem der Beklagte die Zahlung abgelehnt hat, hat er mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund eine Musterprozeßvereinbarung getroffen, wonach im Falle des Obsiegens des Klägers auch die übrigen Arbeitnehmer des Beklagten die Differenz ausbezahlt bekommen sollen.
Ab dem 1. Mai 1992 ist der tarifliche Monatsgrundlohn für den Kläger unstreitig auf 2.720,00 DM festgesetzt. Die Hälfte der Sonderzuwendung, die mit der Abrechnung für Juni auszubezahlen war, beträgt daher nach Auffassung des Klägers 1.360,00 DM; es ergibt sich somit eine Differenz von 48,67 DM brutto.
Der Kläger hat beantragt:
Der Beklagte wird verurteilt, an ihn 48,67 DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen seit Klageerhebung zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er meint, § 5 des LTV Nr. 15 sei so auszulegen, daß im Hinblick auf die Erhöhung der Monatslöhne ab 1. Mai Berechnungsgrundlage für die im Juni auszuzahlende erste Hälfte der tariflichen Sonderzuwendung nicht der Monatsgrundlohn im Auszahlungsmonat, sondern der durchschnittliche Monatslohn in den Monaten Januar bis Juni sei.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die vom Arbeitsgericht zugelassene Berufung des Beklagten blieb ohne Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist nicht begründet. Der Berechnung der Sonderzuwendung nach § 5 des LTV Nr. 15 ist der tarifliche Monatsgrundlohn im Auszahlungsmonat – hier Juni 1992 – zugrunde zu legen. Zu Recht haben daher die Vorinstanzen der Klage stattgegeben.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, § 5 Ziff. 1 des LTV Nr. 15 sei dahin auszulegen, daß unter “Tariflohn” der im Fälligkeitszeitpunkt der Sonderzahlung maßgebende Tariflohn zu verstehen sei; das sei der aus § 2 des LTV Nr. 15 folgende monatliche Grundlohn von 2.720,00 DM brutto. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß in einer tariflichen Vorschrift, die sich auf den monatlichen tariflichen Grundlohn bezieht, nicht oder nicht nur der tarifliche monatliche Grundlohn gemeint sein soll, der in diesem Tarifvertrag festgelegt ist. Daher könne für die Monate Januar bis April 1992 nicht der aus dem Lohntarifvertrag Nr. 14 folgende – niedrigere – Monatsgrundlohn herangezogen werden. Somit beurteile sich auch die vom Beklagten aufgeworfene Frage, welcher Monatsgrundlohn zugrunde zu legen sei, wenn der Arbeitnehmer vorzeitig, d. h. vor dem 1. Mai, ausscheide, dahingehend, daß dieser Arbeitnehmer nicht vom LTV Nr. 15 erfaßt werde und daher nicht der – erhöhte – Monatsgrundlohn Grundlage für die Berechnung der tariflichen Sonderzuwendung sein könne. Im übrigen gelte der Grundsatz, daß sich die Höhe der Arbeitsvergütung nach den Verhältnissen im Fälligkeitszeitpunkt bestimme, wenn keine andere Regelung getroffen sei. Solle die Sonderzahlung an einem Durchschnittslohn ausgerichtet werden, so müßte das vom Gesetzgeber oder den Tarifvertragsparteien ausdrücklich geregelt werden, wie z. B. in § 11 BUrlG oder im Tarifabkommen über die Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens für die gewerblichen Arbeitnehmer in der bayerischen Metallindustrie.
Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist im Ergebnis und in der Begründung zu folgen.
II. Der Kläger hat nach § 5 LTV Nr. 15 einen Anspruch auf die mit dem Junilohn auszuzahlende Hälfte der Sonderzuwendung in Höhe von 1.360,00 DM brutto. Die Sonderzahlung ist auf der Grundlage des dem Kläger im Juni 1992 zustehenden tariflichen Monatsgrundlohnes zu berechnen; dem Kläger steht daher der mit der Klage geltend gemachte Betrag von 48,67 DM brutto zu, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben.
Der LTV Nr. 15 regelt in § 5, daß die Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr eine Sonderzuwendung, auszuzahlen je zur Hälfte mit der Juni – bzw. Novemberlohnzahlung, in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes – gestaffelt nach der Betriebszugehörigkeit – des tariflichen Monatsgrundlohnes erhalten; für den Kläger beträgt die Sonderzahlung aufgrund seiner mehr als siebenjährigen ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit 100 % des tariflichen Monatsgrundlohns.
Der LTV Nr. 15 bestimmt nicht ausdrücklich, nach welchem Monat sich der tarifliche Monatsgrundlohn richten soll. Aufgrund der im bayerischen Omnibusgewerbe üblicherweise zum 1. Mai des Kalenderjahres erfolgenden Tariflohnerhöhung ist der tarifliche Monatsgrundlohn nicht während des ganzen Kalenderjahres gleich.
Aus der Auslegung der tariflichen Bestimmungen entsprechend den Grundsätzen der Gesetzesauslegung nach dem Tarifwortlaut, dem Sinn und Zweck der Tarifnormen (BAG Urteil vom 23. Februar 1994 – 4 AZR 224/93 – AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Kirchen) und dem tariflichen Gesamtzusammenhang (BAG Urteil vom 23. September 1992 – 4 AZR 66/92 – AP Nr. 8 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel) folgt, daß – wie die Vorinstanzen zutreffend angenommen haben – der Berechnung des jeweiligen hälftigen Betrages der Sonderzuwendung, die mit der Juni- bzw. Novemberlohnzahlung auszuzahlen ist, der tarifliche Monatsgrundlohn des jeweiligen Auszahlungsmonats zugrunde zu legen ist.
Im Wortlaut des § 5 LTV Nr. 15 findet das insoweit Anklang, als dort zunächst die Auszahlung der Sonderzuwendung mit der Juni- bzw. Novemberlohnzahlung geregelt ist und sich diese Sonderzuwendung dann nach einem bestimmten Prozentsatz des tariflichen Monatsgrundlohnes errechnet. Das legt es nahe, daß die Tarifvertragsparteien den Monatsgrundlohn des Auszahlungsmonats gemeint haben.
Sinn und Zweck sowie Gesamtzusammenhang der Tarifvorschriften belegen das dadurch, daß sich die tarifliche Sonderzuwendung nach dem tariflichen Monatsgrundlohn errechnet und nicht ein irgendwie bezifferter Betrag des Jahresgrundlohnes als Sonderzuwendung zu zahlen ist. Bestätigt wird dieses Auslegungsergebnis insoweit, als die Sonderzuwendung nach § 5 LTV Nr. 15 eine jährliche Leistung darstellt, die lediglich in zwei Beträgen im Juni und November auszuzahlen ist. Dabei ist auch das Argument des Landesarbeitsgerichts heranzuziehen, daß dann, wenn ein Tarifvertrag eine Sonderzuwendung, berechnet nach dem tariflichen Monatsgrundlohn, vorsieht, der sich aus eben diesem Tarifvertrag ergebende Monatsgrundlohn zugrunde zu legen ist. Hätten die Tarifvertragsparteien, die wissen, daß im Laufe des Kalenderjahres eine Erhöhung des tariflichen Monatsgrundlohnes eintritt, eine Berechnung der tariflichen Sonderzuwendung nach dem durchschnittlichen Monatsgrundlohn im Kalenderjahr vorsehen wollen, hätten sie dies ausdrücklich regeln müssen. Es ist in Tarifverträgen weitgehend üblich, der Berechnung von tariflichen Sonderzahlungen die Monatsvergütung im Auszahlungsmonat zugrunde zu legen. Es steht den Tarifvertragsparteien aber frei, die Berechnung nach Monatsdurchschnittsverdiensten vorzusehen. Haben sie das jedoch nicht getan, kann nicht aus allgemeinen Erwägungen eine Durchschnittsberechnung eingeführt werden.
Dieses Auslegungsergebnis, wonach der tarifliche Monatsgrundlohn im Auszahlungsmonat der Berechnung der tariflichen Sonderzuwendung zugrunde zu legen ist, führt auch zu einer praktikablen Regelung (BAGE 60, 219, 224 = AP Nr. 127 zu § 611 BGB Gratifikation, m.w.N.). Die Feststellung des Betrages der auszuzahlenden tariflichen Sonderzuwendung erfordert keine weiteren Durchschnittsberechnungen.
Ist somit bei der Berechnung der tariflichen Sonderzuwendung auf den Auszahlungsmonat abzustellen, ergeben sich auch keine Schwierigkeiten bei einem vorzeitigen Ausscheiden des Arbeitnehmers im Kalenderjahr, für den in Ziff. 4 des § 5 LTV Nr. 15 ein Anspruch auf jeweils 1/12 der Sonderzuwendung für jeden vollen Kalendermonat vorgesehen ist. Der Berechnung dieser anteiligen Sonderzuwendung ist das tarifliche Monatsgrundgehalt im Auszahlungsmonat zugrunde zu legen; das von dem Beklagten angesprochene Problem eines Arbeitnehmers, der im Monat März ausscheidet und dessen tarifliche Sonderzuwendung sich nach einem fiktiven Monatsgrundlohn des Monats Juni berechnen soll, ist daher nicht gegeben.
Die Revision des Beklagten ist somit zurückzuweisen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Matthes, Hauck, Böck, Lindemann, Wolf
Fundstellen