Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung. Aussetzung. Geltungsbereich des VTV. Darlegungs- und Beweislast
Leitsatz (amtlich)
Eine Aussetzung nach § 98 Abs. 6 ArbGG hat nur dann zu erfolgen, wenn eine Partei ernsthafte Zweifel an der Wirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung oder Rechtsverordnung iSv. § 2a Abs. 1 Nr. 5 ArbGG vorbringt oder solche gerichtsbekannt sind und die Entscheidung des Rechtsstreits ausschließlich noch von dieser Frage abhängt.
Orientierungssatz
1. Eine Pflicht zur Aussetzung eines Rechtsstreits nach § 98 Abs. 6 ArbGG in der seit dem 16. August 2014 geltenden Fassung besteht auch in bereits anhängigen Verfahren, wenn deren Entscheidung von der Wirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 TVG (oder einer Rechtsverordnung nach § 7 oder § 7a AEntG oder nach § 3a AÜG) abhängt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Streitgegenstand des anhängigen Rechtsstreits nicht mit dem Gegenstand des Verfahrens nach § 98 ArbGG identisch ist.
2. Die Pflicht zur Aussetzung besteht unabhängig davon, in welcher Instanz das Verfahren anhängig ist. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen hat die Aussetzung deshalb auch noch in der Revisionsinstanz zu erfolgen.
3. Die Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags oder einer Rechtsverordnung iSv. § 2a Abs. 1 Nr. 5 ArbGG ist durch die Gerichte für Arbeitssachen grundsätzlich von Amts wegen zu prüfen. Voraussetzung dafür ist aber, dass eine Partei ernsthafte Zweifel an deren Wirksamkeit vorbringt oder solche gerichtsbekannt sind. Ein pauschales Bestreiten ohne nachvollziehbare Begründung genügt dafür nicht.
4. Eine Aussetzung nach § 98 Abs. 6 ArbGG darf nur erfolgen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ausschließlich von der Frage der Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung oder Rechtsverordnung abhängt; andernfalls fehlt es an ihrer Entscheidungserheblichkeit. Dies setzt die vorherige Prüfung der Schlüssigkeit und Erheblichkeit des Parteivorbringens in Bezug auf die Klageforderung und ggf. die Durchführung einer Beweisaufnahme voraus.
5. Ein Betrieb wird nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV nur dann nicht vom Geltungsbereich des VTV erfasst, wenn in ihm arbeitszeitlich zu mehr als 50 % Tätigkeiten verrichtet werden, die als solche dem jeweiligen Handwerks- oder Gewerbezweig zuzuordnen sind. Die unter verschiedene Ausnahmetatbestände des § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV fallenden Tätigkeiten können auch im Mischbetrieb nicht zusammengerechnet werden.
Normenkette
ArbGG § 98 Abs. 6, § 97 Abs. 5, § 2a Abs. 1 Nr. 5; TVG § 5; Bekanntmachung über die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifvertragswerken für das Baugewerbe vom 24. Februar 2006 Erster Teil Abschn. III Ziff. 5; Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 20. Dezember 1999 i.d.F. der Änderungstarifverträge vom 17. Dezember 2003 und vom 14. Dezember 2004 (VTV) § 1 Abs. 2 Abschn. II, Abschn. V Nrn. 9, 37, Abschn. VI, Abschn. VII Nrn. 6, 11-12
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 2. Oktober 2013 – 18 Sa 230/13 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, Beiträge nach dem Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 20. Dezember 1999 (VTV) in den von Januar 2004 bis Dezember 2005 geltenden Fassungen (Änderungs-TV vom 17. Dezember 2003, gültig ab 1. Januar 2004, und Änderungs-TV vom 14. Dezember 2004, gültig ab 1. Januar 2005) zu zahlen.
Die Klägerin ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes. Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tarifvertraglicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Sie nimmt die Beklagte auf Zahlung von Beiträgen für den Zeitraum von Dezember 2004 bis November 2005 in Anspruch.
Die Beklagte bietet Leistungen des gehobenen Innenausbaus einschließlich ihrer Planung und Projektierung an. Bis zumindest 2010 führte sie die Gewerke Innenausbau, Haustechnik sowie Maler und Lackierer durch eigene gewerbliche Arbeitnehmer aus und beschäftigte zeitweise zusätzlich einen Glaser und einen Arbeitnehmer im Bereich des Brandschutzes. Weitere im Innenausbau anfallende Gewerke, wie zB Elektroinstallationen, vergab sie an Subunternehmer. Im Jahr 2010 verschmolz sie mit einem Ingenieurbüro. Die Verhältnisse zwischen Planungs- und Projektierungsarbeiten einerseits sowie den selbst und durch Nachunternehmer ausgeführten Gewerken andererseits haben sich dadurch verändert.
Die Beklagte ist seit dem 20. November 1978 Mitglied der Tischlerinnung des Kreises Wesel, welche Mitglied des Fachverbands des Tischlerhandwerks Nordrhein-Westfalen und damit auch Mitglied des Bundesverbands Holz und Kunststoff ist. Die Handwerksrolle der Handwerkskammer Düsseldorf enthält Eintragungen der Beklagten bzw. der Rechtsvorgänger für das Tischlerhandwerk (seit 1978), das Glaserhandwerk (seit 2003), das Parkettlegerhandwerk (seit 2006), das Installateur- und Heizungsbauerhandwerk (seit 2005) und das Malerhandwerk (seit 2006).
Der VTV war im Streitzeitraum durch die Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) vom 23. März 2004 rückwirkend ab dem 1. Januar 2004 für allgemeinverbindlich erklärt und durch die AVE vom 24. Februar 2006 rückwirkend ab dem 1. Januar 2005. Die letztgenannte AVE enthält im Ersten Teil folgende Einschränkung:
„III. |
Die Allgemeinverbindlicherklärung erstreckt sich nicht auf Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen mit Sitz im Inland, |
… |
5. die unmittelbar oder mittelbar Mitglied des Bundesverbandes Holz und Kunststoff sind, von dem Rahmen- oder Manteltarifvertrag des Bundesverbandes Holz und Kunststoff oder eines seiner Mitgliedsverbände erfasst werden und überwiegend Tätigkeiten ausüben, die im fachlichen Geltungsbereich des am 1. Januar 2003 geltenden Manteltarifvertrages für das Holz- und Kunststoff verarbeitende Handwerk Saar (Anhang II) genannt sind, falls derjenige Tarifvertrag, von dem der Betrieb erfasst wird, gegenüber den Rahmen- und Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes spezieller ist; |
… |
Anhang II |
Die maßgebenden fachlichen Geltungsbereiche von Tarifverträgen sind nachstehend abgedruckt. Als Betriebe im Sinne dieses Anhangs gelten in jedem Fall auch selbständige Betriebsabteilungen. |
… |
Holz- und kunststoffverarbeitendes Handwerk |
Für alle Betriebe des holz- und kunststoffverarbeitenden Handwerks (Tischler-/Schreinerhandwerk) und den Betrieben der Handwerksordnung, Anlage B, Nr. 24 und 50 (Einbau von genormten Baufertigteilen und Bestattern). |
Darunter fallen insbesondere Betriebe, die mit einem der genannten Gewerbe in der Handwerksrolle A oder B eingetragen sind und folgende Tätigkeiten ausüben:
- Produkte und Objekte für den privaten, geschäftlichen, öffentlichen und kulturellen Bereich sowie für den Sport- und Freizeitbereich, insbesondere Möbel und Inneneinrichtungen für und Innenausbau von z. B. Läden, Gaststätten, Praxen, Büros, Hotels, Schulen, Sportstätten, Krankenhäusern, Kindergärten, Verwaltungen, Banken, sowie Spiel- und Sportgeräte, Gehäuse, Vorrichtungen und Modelle, Messebauten, Innen- und Außentüren, Fenster, Treppen, Böden, Trennwände, Wand- und Deckenverkleidungen, fassadenabschließende Bauelemente, Wintergärten, Trockenbauten, Fahrzeugein- und -ausbauten planen, konstruieren, rationell fertigen und montieren, einbauen und instand halten unter Verwendung unterschiedlicher Materialien, wie insbesondere von Holz, Holzwerkstoffen, Kunststoffen, Glas, Metall, Stein, Werkstoffen für den Trockenbau, Belag- und Verbundwerkstoffen,
- Produkte und Objekte einschließlich der Versorgungstechnik einbauen, montieren, instand halten, warten und restaurieren, Bauabläufe auch gewerkübergreifendend koordinieren,
|
…” |
Unter dem 28. November 2012 schlossen der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e. V., der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V., die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, der Bundesverband Holz und Kunststoff und die Industriegewerkschaft Metall eine „Vereinbarung vom 28. November 2012 zur Fortschreibung der Vereinbarung vom 19. Dezember 2005 zur Einschränkung der Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge des Baugewerbes” (Einschränkungsvereinbarung). Diese hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
„2. Die Einschränkungen der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) der Tarifverträge des Baugewerbes (Erster Teil der Bekanntmachung über die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifvertragswerken für das Baugewerbe) sollen in Absatz 4 Ziffer 5 zukünftig folgende Fassung erhalten:
‚(4) Die Allgemeinverbindlicherklärung erstreckt sich nicht auf Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen mit Sitz im Inland,
5. die unmittelbar oder mittelbar Mitglied des Bundesverbandes Holz und Kunststoff sind, von dem jeweils geltenden Rahmen- oder Manteltarifvertrag des Bundesverbandes Holz und Kunststoff oder eines seiner Mitgliedsverbände erfasst werden und überwiegend Tätigkeiten ausüben, die im fachlichen Geltungsbereich des am … (Stichtag) geltenden Manteltarifvertrages für das Tischlerhandwerk im nordwestdeutschen Raum der Bundesrepublik Deutschland vom … (Anhang 3) genannt sind, falls derjenige Tarifvertrag, von dem der Betrieb erfasst wird, gegenüber den Rahmen- und Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes spezieller ist;…’
3. Zukünftige Tarifverträge für das Tischler- bzw. Schreinerhandwerk sollen folgenden fachlichen Geltungsbereich erhalten:
‚Alle Betriebe und ihnen gleichstehende Betriebsabteilungen der Anlage A Nr. 27 (Tischler/Schreinerhandwerk), Anlage B Abschnitt 2 Nr. 24 (Einbau von genormten Baufertigteilen) und der Anlage B Abschnitt 2 Nr. 50 (Bestattungsgewerbe) der Handwerksordnung, soweit diese Tätigkeiten zu mindestens 20 v. H. der Arbeitszeit der gewerblichen Arbeitnehmer von einschlägig im Berufsfeld Holz fachlich qualifizierten Arbeitnehmern (Tischler-/Schreinergesellen, Holzmechaniker oder gleichwertige Qualifikation sowie Holzfachwerker) ausgeführt oder von einer in demselben Berufsfeld besonders qualifizierten Person (Tischler-/Schreinermeister, Holzingenieur oder gleichwertige Qualifikation sowie Tischler/Schreiner mit einer Ausübungsberechtigung nach §§ 7a, 7b HwO oder einer Ausnahmebewilligung nach § 8 HwO) geleitet oder überwacht werden. …
Darunter fallen insbesondere Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen, die folgende Tätigkeiten ausüben:
- Möbel und Inneneinrichtungen für und Innenausbau von z. B. Läden, Gaststätten, Büros, Hotels, Schulen, Krankenhäusern, Kindergärten, Banken, sowie Spiel- und Sportgeräte, Gehäuse, Vorrichtungen und Modelle, Messebauten, Innen- und Außentüren, Fenster, Treppen, Böden, Trennwände, Wand- und Deckenverkleidungen, Fassaden abschließende Bauelemente, Wintergärten, Trockenbauten, Fahrzeugein- und -ausbauten planen, konstruieren, rationell fertigen, montieren, einbauen oder instand halten unter Verwendung unterschiedlicher Materialien, wie insbesondere von Holz, Holzwerkstoffen, Kunststoffen, Glas, Metall, Stein, Werkstoffen für den Trockenbau, Belag- und Verbundwerkstoffen,
- Produkte und Objekte einbauen, montieren, instand halten, warten oder restaurieren,
…’
Dieser fachliche Geltungsbereich wird zugleich mit der oben zu Ziffer 2 aufgeführten Neufassung des Absatzes 4 Ziffer 5 der Einschränkungen der AVE der Tarifverträge des Baugewerbes als Anhang 3 (Holz und Kunststoff verarbeitendes Handwerk) in die Bekanntmachung über die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen für das Baugewerbe aufgenommen und ersetzt den dort bislang abgedruckten fachlichen Geltungsbereich. Die Parteien sind sich einig, dass damit das Erfordernis des spezielleren Tarifvertrages erfüllt ist.
4. Die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft und die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes AG werden für die Vergangenheit nur Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen zur Teilnahme an den Sozialkassenverfahren des Baugewerbes heranziehen, die nach den oben zu Ziffer 2 in Verbindung mit Ziffer 3 geltenden Voraussetzungen auch zukünftig tarifvertraglich zur Teilnahme an dem Sozialkassenverfahren verpflichtet sind bzw. wären.”
Bereits mit Schreiben vom 21. Februar 2012 hatten der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e. V., der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V. und die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt gegenüber dem Bundesverband Holz und Kunststoff folgende Erklärung abgeben:
„Hiermit bestätigen die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes dem Bundesverband Holz und Kunststoff, dass die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft und die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes AG mit Abschluss der ‚Vereinbarung zur Fortschreibung der Vereinbarung vom 19. Dezember 2005 zur Einschränkung der Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge des Baugewerbes’ die dort genannten Einschränkungen der Allgemeinverbindlicherklärung der Tarifverträge des Baugewerbes hinsichtlich der unmittelbaren oder mittelbaren Mitgliedsbetriebe des Bundesverbandes Holz und Kunststoff beachten werden.
Diese Zusage gilt bis zu der entsprechenden Neufassung der sogenannten ‚Großen Einschränkungsklausel’ durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.”
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Mindestbeiträge für sechs gewerbliche Arbeitnehmer für Dezember 2004 in Höhe von jeweils 493,00 Euro und von Januar bis November 2005 in Höhe von jeweils 477,00 Euro monatlich in Anspruch.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Betrieb der Beklagten unterfalle dem Geltungsbereich des VTV. Die Beschäftigten der Beklagten hätten in den Kalenderjahren 2004 und 2005 zu mehr als der Hälfte der persönlichen und der insgesamt im Betrieb anfallenden Arbeitszeit folgende Arbeiten ausgeführt:
Heizungs- und Sanitärarbeiten |
40 % |
Maler- und Lackierarbeiten |
30 % |
Innenausbau/Trockenbau |
15 % |
Akustikbau |
15 % |
Beim Betrieb der Beklagten handele es sich weder um ein reines Planungs- und Projektierungsunternehmen noch um einen Betrieb des Schreinerhandwerks.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 34.440,00 Euro zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die maßgeblichen AVE seien mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen unwirksam, so dass der VTV bereits keine Anwendung finde. Im Übrigen habe sie im Klagezeitraum keinen Baubetrieb iSd. VTV unterhalten. Etwa 60 % bis 70 % der Arbeitszeit sei auf Planungs- und Projektierungsarbeiten entfallen, die gewerblichen Arbeitnehmer hätten nur ca. 30 % bis 40 % der Gesamtarbeitszeit abgedeckt. Sie habe durchschnittlich 16 Angestellte in Vollzeit beschäftigt, davon zehn Projektleiter. Diesen habe die Akquise, die Anbahnung neuer Kundenkontakte, die Angebotskalkulation, die Erstellung von Zeichnungen, Entwürfen und Aufmaßen, die Arbeitsvorbereitung, die Auftragsvergabe an Nachunternehmer, die Koordination und Steuerung der projektbeteiligten Gewerke, die Terminüberwachung, die Rechnungslegung, das Beschwerdemanagement und die Kontrolle der Außenstände oblegen. Die übrigen Angestellten seien in der Verwaltung bzw. in der Büroorganisation tätig gewesen. Daneben habe sie in den Ferienzeiten Schüler geringfügig beschäftigt. Der Betrieb sei dem Tischler- und Schreinerhandwerk zugehörig, so dass die Ausnahmeregelung gemäß § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 11 VTV gelte. Auch die Teilbereiche „Maler- und Lackiererarbeiten” und „Haustechnik” seien jeweils nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 6 und Nr. 12 VTV ausgenommen.
Im Übrigen dürfe die Klägerin sie nach Ziffer 4 der Vereinbarung vom 28. November 2012 nicht auf Zahlung von Sozialkassenbeiträgen in Anspruch nehmen. Dabei komme es auf die betrieblichen Gegebenheiten zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung an. Soweit die Vereinbarung auf eine 20 %-Quote hinsichtlich des Anteils der Arbeitszeit gelernter Tischler/Schreiner abstelle, beziehe sich diese allein auf die Arbeitnehmer des Betriebsbereichs „Innenausbau”. Diese Quote habe die Beklagte erfüllt. Jedenfalls seien mögliche Ansprüche verjährt.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Beklagte ist gemäß §§ 18, 22 VTV zur Zahlung von Mindestbeiträgen für die Zeit von Dezember 2004 bis November 2005 in Höhe von 34.440,00 Euro verpflichtet.
I. Der Rechtsstreit ist nicht nach § 98 Abs. 6 ArbGG in der seit dem 16. August 2014 geltenden Fassung (Art. 2 Nr. 5 des Tarifautonomiestärkungsgesetzes vom 11. August 2014, BGBl. I S. 1348) auszusetzen. Zwar kommt es entscheidungserheblich auf die Wirksamkeit der AVE vom 23. März 2004 und vom 24. Februar 2006 an. Die Beklagte hat jedoch keine hinreichenden Zweifel an deren Wirksamkeit vorgebracht; solche sind auch nicht gerichtsbekannt.
1. Nach § 98 Abs. 6 ArbGG ist ein Rechtsstreit auszusetzen, wenn seine
Entscheidung davon abhängt, ob eine Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 TVG oder eine Rechtsverordnung nach § 7 oder § 7a AEntG oder nach § 3a AÜG wirksam ist. Die Norm ist § 97 Abs. 5 ArbGG nachgebildet (vgl. BT-Drs. 18/1558 S. 45). Die Entscheidung über die Wirksamkeit einer solchen AVE oder Rechtsverordnung darf ausschließlich im Rahmen eines gesonderten Beschlussverfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 5, § 98 ArbGG erfolgen.
a) Die Pflicht zur Aussetzung gilt seit ihrem Inkrafttreten mangels Übergangsregelung auch für bereits anhängige Verfahren, jedenfalls soweit deren Streitgegenstand – wie hier – nicht mit dem Gegenstand des Verfahrens nach § 98 ArbGG identisch ist (BAG 20. August 2014 – 10 AZN 573/14 – Rn. 2; vgl. BT-Drs. 18/1558 S. 46).
b) Für die Aussetzung spielt es keine Rolle, in welcher Instanz das Verfahren anhängig ist. Das Verfahren muss also auch noch in der Revisionsinstanz ausgesetzt werden, wenn es entscheidungserheblich auf die Frage der Wirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung ankommt. Aufgrund der Orientierung des Verfahrens der Überprüfung einer AVE oder Rechtsverordnung am Verfahren nach § 97 ArbGG kann hier nichts anderes gelten, als wenn die Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit einer Vereinigung im Streit steht. Auch in diesen Fällen ist noch in der Revisionsinstanz zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Aussetzung vorliegen (vgl. BAG 23. Oktober 1996 – 4 AZR 409/95 (A) – zu II 1 der Gründe mwN, BAGE 84, 238). Etwas anderes gilt nur in Verfahren, in denen nicht – auch nicht als Vorfrage – über die Wirksamkeit der AVE zu entscheiden ist, wie zB im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nach § 72a ArbGG (BAG 20. August 2014 – 10 AZN 573/14 – Rn. 2).
c) Bereits nach bisheriger ständiger Rechtsprechung ist die Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags durch die Gerichte für Arbeitssachen grundsätzlich von Amts wegen zu prüfen, soweit es entscheidungserheblich auf diese ankommt (zuletzt zB BAG 25. Juni 2002 – 9 AZR 405/00 – zu A II 2 b aa der Gründe mwN, BAGE 101, 357). Hieran hat sich durch das Tarifautonomiestärkungsgesetz nichts geändert. Durch dieses ist lediglich erstmals mit § 98 ArbGG ein Verfahren geschaffen worden, in dem in Anwendung des Amtsermittlungsgrundsatzes im Beschlussverfahren mit Inter-omnes-Wirkung die Wirksamkeit einer AVE oder entsprechenden Rechtsverordnung einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen wird. Deshalb ist es unschädlich, dass die Beklagte erstmals in der Revision gerügt hat, die tatsächlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 TVG lägen in Bezug auf die maßgeblichen AVE nicht vor.
d) Eine Überprüfung von Amts wegen bedeutet aber nicht, dass die Gerichte verpflichtet sind, von sich aus die Erfüllung aller Erfordernisse der AVE festzustellen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Bundesminister für Arbeit und Soziales und die obersten Arbeitsbehörden der Länder die AVE eines Tarifvertrags nur unter Beachtung der gesetzlichen Voraussetzungen aussprechen. Der erste Anschein spricht deshalb für die Rechtmäßigkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung. Es genügt daher nicht, wenn die Prozessparteien die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der AVE pauschal bestreiten. Erforderlich ist vielmehr ein substanziierter Parteivortrag, der geeignet ist, erhebliche Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 TVG aufkommen zu lassen, damit das Gericht die mögliche Unwirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung überprüft. Besteht hingegen zwischen den Parteien über die Wirksamkeit der AVE kein Streit und sind auch von Amts wegen keine ernsthaften Bedenken gerechtfertigt, besteht keine Veranlassung zu deren Überprüfung (vgl. insgesamt dazu BAG 25. Juni 2002 – 9 AZR 405/00 – zu A II 2 b aa der Gründe, BAGE 101, 357; 22. September 1993 – 10 AZR 371/92 – zu II 3 b der Gründe, BAGE 74, 226; Treber FS Bepler 2012 S. 557 ff., 563 f. jeweils mwN). Auch für § 97 Abs. 5 ArbGG – dem § 98 Abs. 6 ArbGG nachgebildet ist (vgl. BT-Drs. 18/1558 S. 45) – ist anerkannt, dass die Aussetzung eines Verfahrens nur dann erfolgen darf, wenn die Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit einer Vereinigung aufgrund vernünftiger Zweifel am Vorliegen dieser Eigenschaft streitig ist, wobei im Arbeitsleben geäußerte Vorbehalte zu berücksichtigen und vom Arbeitsgericht aufzugreifen sind. Ein Rechtsstreit ist nicht schon dann auszusetzen, wenn eine dieser Eigenschaften nur von einer Partei ohne Angabe von nachvollziehbaren Gründen in Frage gestellt wird (BAG 19. Dezember 2012 – 1 AZB 72/12 – Rn. 14; 24. Juli 2012 – 1 AZB 47/11 – Rn. 7, BAGE 142, 366; 14. Dezember 2010 – 1 ABR 19/10 – Rn. 59, BAGE 136, 302).
e) Eine Aussetzung nach § 98 Abs. 6 ArbGG darf auch bei Bestehen solcher Zweifel an der Wirksamkeit einer AVE oder einer der in § 2a Abs. 1 Nr. 5 ArbGG genannten Rechtsverordnungen aber nur dann erfolgen, wenn die Entscheidung des konkreten Rechtsstreits ausschließlich von der Frage der Wirksamkeit der Norm abhängt. Andernfalls fehlt es an ihrer Entscheidungserheblichkeit. Kann der Rechtsstreit ohne Klärung der Wirksamkeit der AVE oder Rechtsverordnung entschieden werden, kommt eine Aussetzung nicht in Betracht. Es bedarf daher einer vorherigen Prüfung der Schlüssigkeit und Erheblichkeit des Parteivorbringens in Bezug auf die Klageforderung und ggf. der Durchführung einer Beweisaufnahme. Nur wenn der prozessuale Anspruch danach alleine noch von der Geltung des VTV aufgrund einer bestimmten AVE abhängt, darf eine Aussetzung erfolgen. Dies ist im Aussetzungsbeschluss zu begründen (vgl. zu § 97 Abs. 5 ArbGG: BAG 24. Juli 2012 – 1 AZB 47/11 – Rn. 5 f., BAGE 142, 366). Dabei ist auch zu beachten, dass diese Prüfung – soweit die Wirksamkeit mehrerer AVE in Frage steht und/oder sich die tatsächlichen Verhältnisse verändert haben – für jeden Streitzeitraum gesondert zu erfolgen hat. Ggf. hat eine auf einzelne Streitgegenstände beschränkte Aussetzung zu erfolgen.
2. Nach diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen für eine Aussetzung nach § 98 Abs. 6 ArbGG nicht vor.
a) Allerdings hängt die Entscheidung des Rechtsstreits von der Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen des VTV vom 23. März 2004 und vom 24. Februar 2006 ab. Die Beklagte war im Streitzeitraum nicht kraft Verbandsmitgliedschaft an den VTV gebunden. Eine Geltung der Normen des VTV kann deshalb nur in dessen Allgemeinverbindlichkeit nach § 5 Abs. 4 TVG begründet sein. Da im Übrigen die Voraussetzungen für die Begründetheit des Klageanspruchs vorliegen – vgl. dazu II bis VI –, hängt die Entscheidung des Rechtsstreits von der Wirksamkeit der AVE ab.
b) Die Beklagte benennt aber keine konkreten Anhaltspunkte, die an der Wirksamkeit der maßgeblichen AVE zweifeln ließen. Es fehlt jeglicher konkrete Tatsachenvortrag zur Nichterfüllung der erforderlichen Beschäftigtenzahl bei tarifgebundenen Arbeitgebern nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG. Die Beklagte behauptet lediglich pauschal, das Bundesministerium für Arbeit und Soziales habe das Vorliegen dieser Voraussetzung mangels Erhebung belastbarer Daten nicht geprüft. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der AVE zu verursachen. Es sind hinsichtlich der AVE vom 23. März 2004 und vom 24. Februar 2006 auch keine ernsthaften Anhaltspunkte für deren Unwirksamkeit gerichtsbekannt. Die Beklagte hat auch nicht vorgetragen, dass hinsichtlich dieser AVE bereits ein Verfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 5, § 98 ArbGG eingeleitet worden wäre, in dem substanzielle Angriffe gegen deren Wirksamkeit vorgebracht werden.
II. Das Landesarbeitsgericht ist auf Grundlage der von ihm getroffenen und für den Senat nach § 559 ZPO bindenden Feststellungen zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte in den Kalenderjahren 2004 und 2005 dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV unterfiel und deshalb der Klägerin Beiträge nach den tariflichen Regelungen schuldet. Zulässige Verfahrensrügen hat die Beklagte nicht erhoben; ihre Sachrügen bleiben ohne Erfolg.
1. Die Beklagte ist an den VTV in den im Streitzeitraum geltenden Fassungen gemäß § 5 Abs. 4 TVG iVm. den AVE vom 23. März 2004 und vom 24. Februar 2006 gebunden. Beachtliche Rügen gegen die Wirksamkeit der AVE hat sie – wie unter I dargelegt – nicht erhoben. Gegen die Rückwirkung der AVE vom 24. Februar 2006 bestehen – wie der Senat bereits entschieden hat – in einem Fall wie diesem keine durchgreifenden Bedenken (BAG 20. März 2013 – 10 AZR 744/11 – Rn. 19 ff.). Soweit die Beklagte allgemeine verfassungsrechtliche Bedenken an der Allgemeinverbindlicherklärung äußert, berücksichtigt sie nicht, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen nach § 5 TVG mit dem Grundgesetz vereinbar ist (vgl. BVerfG 18. Juli 2000 – 1 BvR 948/00 – mwN; 15. Juli 1980 – 1 BvR 24/74, 1 BvR 439/79 – zu B II 2 bis 4 der Gründe mwN, BVerfGE 55, 7).
2. Der betriebliche Geltungsbereich des VTV hängt davon ab, ob in dem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die unter die Abschnitte I bis V des § 1 Abs. 2 VTV fallen. Werden baugewerbliche Tätigkeiten in diesem Sinne erbracht, sind ihnen diejenigen Nebenarbeiten ebenfalls zuzuordnen, die zu einer sachgerechten Ausführung der baulichen Leistungen notwendig sind und deshalb mit ihnen im Zusammenhang stehen. Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte, wie Umsatz und Verdienst, und auf handels- oder gewerberechtliche Kriterien kommt es dabei nicht an. Ebenfalls unerheblich ist, ob im Hinblick auf den Betrieb die gesetzlichen Vorschriften zur Teilnahme an der Winterbeschäftigungsumlage (jetzt: §§ 102, 354 SGB III) zur Anwendung kommen. Etwaige von der Bundesagentur für Arbeit in diesem Zusammenhang vorgenommene Einschätzungen sind für die Anwendbarkeit des VTV nicht maßgeblich. Für den Anwendungsbereich des VTV reicht es aus, wenn in dem Betrieb überwiegend eine oder mehrere der in den Beispielen des § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV genannten Tätigkeiten ausgeübt werden. Der Betrieb wird dann stets von dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst, ohne dass die allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III zusätzlich geprüft werden müssen. Nur wenn in dem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend nicht die in den Abschnitten IV und V genannten Beispielstätigkeiten ausgeführt werden, muss darüber hinaus festgestellt werden, ob die ausgeführten Tätigkeiten die allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III erfüllen (st. Rspr., zuletzt zB BAG 15. Januar 2014 – 10 AZR 669/13 – Rn. 12 f. mwN).
3. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass in einem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten verrichtet werden, obliegt der Klägerin. Ihr Sachvortrag ist schlüssig, wenn sie Tatsachen vorträgt, die den Schluss zulassen, der Betrieb des Arbeitgebers werde vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst. Dazu gehört neben der Darlegung von Arbeiten, die sich § 1 Abs. 2 VTV zuordnen lassen, auch die Darlegung, dass diese Tätigkeiten insgesamt arbeitszeitlich überwiegen. Nicht erforderlich ist, dass die Klägerin jede Einzelheit der behaupteten Tätigkeiten vorträgt. Dies kann sie in der Regel nicht. Da sie in ihrer Funktion als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien zumeist keine näheren Einblicke in die dem Gegner bekannten Arbeitsabläufe hat und ihr die Darlegung deshalb erschwert ist, kann sie, wenn Anhaltspunkte für einen Baubetrieb vorliegen, auch von ihr nur vermutete Tatsachen behaupten und unter Beweis stellen. Unzulässig ist dieses prozessuale Vorgehen erst dann, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen „ins Blaue hinein” aufstellt. Dies kann in der Regel nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte angenommen werden oder wenn sie selbst nicht an die Richtigkeit ihrer Behauptungen glaubt.
Liegt entsprechender Tatsachenvortrag vor, hat sich der Arbeitgeber hierzu nach § 138 Abs. 2 ZPO zu erklären. Regelmäßig obliegt ihm die Last des substanziierten Bestreitens, weil die Klägerin außerhalb des Geschehensablaufs steht und sie keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen hat, während der Arbeitgeber diese kennt und ihm die entsprechenden Angaben zuzumuten sind. Das substanziierte Bestreiten kann sich auf die Art und/oder den Umfang der verrichteten Arbeiten beziehen. Um feststellen zu können, welche Tätigkeiten in welchem Umfang ausgeübt wurden, muss der Arbeitgeber im Rahmen des substanziierten Bestreitens entsprechende Tatsachen vortragen. Dazu gehört die Darlegung der zeitlichen Anteile der verschiedenen Tätigkeiten (st. Rspr., zuletzt zB BAG 15. Januar 2014 – 10 AZR 415/13 – Rn. 20 mwN).
4. Nach diesen Maßstäben hat das Landesarbeitsgericht den Betrieb der Beklagten zutreffend dem Geltungsbereich des VTV zugeordnet.
a) Die von der Beklagten mit eigenen gewerblichen Arbeitnehmern ausgeführten Arbeiten des Innenausbaus werden von § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV erfasst, Akustikbauarbeiten von § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 9 VTV. Heizungs-, Sanitär-, Maler- und Lackierarbeiten unterfallen § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV. Sie dienen der Instandsetzung oder Instandhaltung eines Bauwerks und sind baulich geprägt.
aa) Die Klägerin hat schlüssig vorgetragen, dass im Betrieb der Beklagten arbeitszeitlich überwiegend solche Arbeiten durchgeführt werden. Soweit dem die Beklagte überhaupt mit Sachvortrag entgegengetreten ist, hat das Landesarbeitsgericht diesen Vortrag in vollem Umfang berücksichtigt und die Anteile der verschiedenen Gewerke ermittelt. Es kommt dabei in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis, dass die im Betrieb ausgeführten Arbeiten in ihrer Gesamtheit dem VTV unterfallen. Dabei nimmt das Landesarbeitsgericht hinsichtlich der von der Beklagten behaupteten Planungsund Projektierungsleistungen zutreffend an, dass nach dem eigenen Vortrag der Beklagten zu Anzahl und Tätigkeit der Beschäftigten der Anteil der baugewerblichen Tätigkeiten deutlich überwiegt. Im Übrigen werden die geplanten und projektierten Arbeiten mindestens teilweise durch eigene Arbeitnehmer ausgeführt, ohne dass die Beklagte zu dem Zeitanteil isolierter Projektierungsarbeiten für Dritte etwas vorgetragen hätte (vgl. allgemein zur Berücksichtigung von Vorarbeiten bei einer eigenen baulichen Haupttätigkeit: BAG 15. Januar 2014 – 10 AZR 669/13 – Rn. 18 ff.). Soweit in der Revision nunmehr erstmals – wenn auch ohne Bezug auf einzelne Streitzeiträume – zu wöchentlichen Arbeitsstunden der Projektleiter, der Mitarbeiter in der Verwaltung, der Haustechniker und der Maler/Lackierer vorgetragen wird, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der gemäß § 559 Abs. 1 ZPO keine Berücksichtigung finden kann.
bb) Betriebe fallen nach § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 1 VTV grundsätzlich insgesamt unter den VTV, wenn in ihnen – wie hier – die in § 1 Abs. 2 Abschn. I bis V VTV genannten Leistungen überwiegend erbracht werden. Eine Ausnahme besteht nach § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 2 VTV für selbständige Abteilungen eines Betriebs des Baugewerbes, wenn in ihnen andere Arbeiten ausgeführt und sie von einem spezielleren Tarifvertrag erfasst werden. Die Voraussetzungen für eine solche Ausnahme liegen entgegen der Auffassung der Revision auch für Teile des Betriebs der Beklagten nicht vor. Deshalb sind auch die dort erbrachten Arbeitszeitanteile zu berücksichtigen.
Die Beklagte hat schon nicht schlüssig vorgetragen, dass es sich bei den Betriebsbereichen Heizung/Sanitär, Maler/Lackierer und Tischler/Schreiner um selbständige Betriebsabteilungen iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. VI VTV handelt (zum Begriff der „selbständigen Betriebsabteilung” iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. VI VTV: BAG 21. November 2007 – 10 AZR 782/06 – Rn. 30). Darauf kommt es letztlich aber nicht an. Eine selbständige Betriebsabteilung in einem Betrieb des Baugewerbes wird ausschließlich unter den Voraussetzungen von § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 2 VTV nicht vom VTV erfasst. Dies setzt voraus, dass in der Abteilung „andere”, also baufremde Leistungen erbracht werden (BAG 25. November 2009 – 10 AZR 737/08 – Rn. 19 ff., BAGE 132, 283). § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 2 VTV findet keine Anwendung auf die Ausnahmen vom Geltungsbereich nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV. Eine selbständige Betriebsabteilung, in der bauliche Leistungen nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV erbracht werden, kann nicht aus dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV herausfallen. Das Landesarbeitsgericht geht zutreffend davon aus, dass in den von der Beklagten aufgeführten Bereichen keine baufremden Leistungen erbracht werden.
b) Der Betrieb der Beklagten ist nicht nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 6 (Maler- und Lackiererhandwerk), Nr. 11 (Tischler- und Schreinerhandwerk) oder Nr. 12 (Heizungsbauer- und Lüftungsbauergewerbe sowie Gas- und Wasserinstallationsgewerbe) aus dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV ausgenommen.
aa) Ein Betrieb wird nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV nur dann nicht vom Geltungsbereich des VTV erfasst, wenn in ihm arbeitszeitlich zu mehr als 50 % Tätigkeiten verrichtet werden, die als solche dem jeweiligen Handwerks- oder Gewerbezweig zuzuordnen sind. Die unter verschiedene Ausnahmetatbestände des § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV fallenden Tätigkeiten können auch im Mischbetrieb nicht zusammengerechnet werden (st. Rspr., vgl. BAG 27. Oktober 2010 – 10 AZR 362/09 – Rn. 18; 25. November 2009 – 10 AZR 737/08 – Rn. 14 ff., BAGE 132, 283).
bb) Diese Voraussetzungen liegen für keinen der von der Revision angeführten Handwerkszweige vor. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass auch nach dem Vortrag der Beklagten weder die Maler- und Lackierarbeiten noch die Heizungs- und Sanitärarbeiten oder die Tischler- und Schreinerarbeiten jeweils für sich genommen mehr als 50 % der betrieblichen Gesamttätigkeit ausmachen. Diese Feststellungen des Landesarbeitsgerichts werden von der Revision nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen.
III. Die AVE vom 23. März 2004 sieht keine für die vorliegende Fallgestaltung relevante Einschränkung vor. Die Voraussetzungen der Einschränkung nach Abschnitt III Ziffer 5 des Ersten Teils der AVE vom 24. Februar 2006 lagen im maßgeblichen Zeitraum ab dem 1. Januar 2005 ebenfalls nicht vor, da es – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat – mangels Tariffähigkeit der Gewerkschaft für Kunststoffgewerbe und Holzverarbeitung im CGB (LAG Hamm 23. September 2011 – 10 TaBV 14/11 –) an einem wirksamen Tarifvertrag, von dem der Betrieb der Beklagten im Sinne der Einschränkungsklausel hätte erfasst sein können, fehlt.
IV. Dem Zahlungsbegehren der Klägerin stehen weder die Einschränkungsvereinbarung vom 28. November 2012 noch die Erklärung der Tarifparteien der Bauwirtschaft vom 21. Februar 2012 entgegen. Es kann dahinstehen, welche Rechtsnatur die Vereinbarung vom 28. November 2012 bzw. die Erklärung vom 21. Februar 2012 haben und ob die Beklagte aus ihnen Rechte gegenüber der Klägerin ableiten könnte. Ebenso kann dahinstehen, ob überhaupt Beitragsforderungen für die Zeit vor dem 21. Februar 2012 bzw. 28. November 2012 von der Vereinbarung bzw. der Erklärung erfasst werden. Auch wenn man dies alles zugunsten der Beklagten unterstellt, liegen die Voraussetzungen für eine gegenüber den für den Streitzeitraum anwendbaren Bestimmungen des VTV eingeschränkte Beitragserhebung nicht vor.
1. Nach Ziffern 2 und 3 der Einschränkungsvereinbarung soll sich die Allgemeinverbindlichkeit des VTV zukünftig ua. nicht auf Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen des Tischler- und Schreinerhandwerks erstrecken, soweit deren Tätigkeiten zu mindestens 20 % der Arbeitszeit der gewerblichen Arbeitnehmer von einschlägig im Berufsfeld Holz fachlich qualifizierten Arbeitnehmern ausgeführt oder von einer in demselben Berufsfeld besonders qualifizierten Person geleitet oder überwacht werden. Ziffer 4 der Vereinbarung bestimmt darüber hinaus, dass von der Klägerin nur solche Betriebe und selbständigen Betriebsabteilungen für die Vergangenheit zur Teilnahme am Sozialkassenverfahren herangezogen werden, die nach Ziffern 2 und 3 auch zukünftig tarifvertraglich zur Teilnahme am Sozialkassenverfahren verpflichtet sind bzw. wären.
2. Das Landesarbeitsgericht geht rechtsfehlerfrei davon aus, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ziffern 2 und 3 für den Betrieb der Beklagten nach deren eigenem Vortrag nicht gegeben sind. Dabei kann dahinstehen, ob auf die Erklärung vom 21. Februar 2012 und die Ergänzungsvereinbarung vom 28. November 2012 die Grundsätze über die Auslegung von Verträgen (§§ 133, 157 BGB) anzuwenden sind oder ob – weil ggf. Dritte begünstigt werden – die Grundsätze über die Auslegung von Gesetzen heranzuziehen sind (vgl. für die Auslegung eines Koalitionsvertrags: BAG 5. November 1997 – 4 AZR 872/95 – zu II 2.2.2 der Gründe, BAGE 87, 45; vgl. für den schuldrechtlichen Teil eines Tarifvertrags: BAG 15. Februar 2005 – 9 AZR 52/04 – zu I 2 b der Gründe). Zu unterschiedlichen Ergebnissen führt dies nicht.
a) Es sprechen bereits deutliche Anhaltspunkte dafür, dass – soweit überhaupt eine Anwendung für Zeiträume vor 2012 in Betracht kommt – für die Prüfung, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ziffern 2 und 3 der Einschränkungsvereinbarung vorliegen, nicht auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Einschränkungsvereinbarung, sondern auf die betrieblichen Gegebenheiten in dem Zeitraum, für den die Beitragsforderung erhoben wird, abzustellen ist. Der Wortlaut der insoweit allein relevanten Ziffer 4 enthält allerdings keine ausdrückliche Regelung dazu, auf welchen Zeitraum abzustellen ist, wenn bei vergangenheitsbezogenen Sachverhalten das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Ziffern 2 und 3 festzustellen ist. Soweit nach Ziffer 4 maßgeblich ist, ob der Betrieb auch „zukünftig” zur Teilnahme am Sozialkassenverfahren verpflichtet ist bzw. wäre, bezieht sich dies allein auf den fachlichen Geltungsbereich zukünftiger Tarifverträge für das Tischler- bzw. Schreinerhandwerk und zukünftige Einschränkungen der AVE. Weder aus der Systematik der Einschränkungsvereinbarung noch aus ihrem Sinn und Zweck ergeben sich jedoch Anhaltspunkte dafür, dass durch diese von dem allgemeinen Grundsatz der Sozialkassentarifverträge abgewichen werden soll, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Beitragspflicht in dem Zeitraum vorliegen müssen, für den der Beitrag verlangt wird. Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich von der überwiegenden Arbeitszeit innerhalb eines Kalenderjahres auszugehen, sofern sich die Tätigkeit des Betriebs mindestens über ein Kalenderjahr erstreckt und sich seine Zweckbestimmung innerhalb des maßgebenden Kalenderjahres nicht geändert hat (zuletzt zB BAG 15. Januar 2014 – 10 AZR 669/13 – Rn. 14; grundlegend BAG 22. April 1987 – 4 AZR 496/86 – BAGE 55, 223). Das Abstellen auf einen bestimmten Stichtag wäre damit nicht in Einklang zu bringen. Letztlich kann diese Frage aber offenbleiben.
b) Das Landesarbeitsgericht geht bei der Anwendung der Ziffer 3 der Vereinbarung vom 28. November 2012 zutreffend davon aus, dass grundsätzlich alle gewerblichen Arbeitnehmer des Betriebs bei der Prüfung der 20 %-Quote einzubeziehen sind. Die Auffassung der Revision, wonach allein auf die Arbeitnehmer des Innenausbaus abzustellen ist, findet in der Einschränkungsvereinbarung keine Grundlage.
aa) Dies ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut der Ziffer 3, der auf die „Arbeitszeit der gewerblichen Arbeitnehmer” und nicht nur auf die Arbeitszeit der gewerblichen Arbeitnehmer eines bestimmten Bereichs abstellt. Außerdem wird in Ziffer 3 zwischen Betrieben und ihnen gleichgestellten Betriebsabteilungen unterschieden. Diese Differenzierung wäre überflüssig, wenn sich die Quote von 20 % generell nur auf eine bestimmte Abteilung oder einen bestimmten Bereich beziehen würde.
bb) Der grundsätzliche Bezug auf die Arbeitszeit aller gewerblichen Arbeitnehmer entspricht auch der Systematik des § 1 Abs. 2 Abschn. I bis VII VTV. Wie bereits unter II 4 a bb dargelegt, kommt es für die Frage, ob überwiegend bauliche Leistungen erbracht werden, grundsätzlich auf den Gesamtbetrieb an. Einzige und abschließende Ausnahme bilden die Regelungen in § 1 Abs. 2 Abschn. VI VTV. Auf diese nimmt Ziffer 3 der Einschränkungsvereinbarung Bezug, wenn neben Betrieben diesen „gleichstehende Betriebsabteilungen” erwähnt werden.
cc) Bestätigt wird dieses Ergebnis schließlich durch den Sinn und Zweck der Ziffer 3. Die AVE-Einschränkungen sollen eine überschneidungsfreie Abgrenzung der unterschiedlichen Tarifzuständigkeiten sicherstellen. Ausgehend davon nimmt Ziffer 3 nur die Betriebe aus dem Anwendungsbereich des VTV heraus, bei denen die Tätigkeiten des Schreiner- und Tischlerhandwerks prägend sind. Hierfür wird ersichtlich an die (frühere) Rechtsprechung zu sog. „Sowohl-als-auch-Tätigkeiten” angeknüpft (vgl. BAG 27. Oktober 2010 – 10 AZR 351/09 – Rn. 21).
c) Ausgehend davon ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte nach ihrem eigenen Sachvortrag weder im Streitzeitraum noch an einem Stichtag im Jahr 2012 die Tatbestandsvoraussetzungen der Ziffer 3 der Einschränkungsvereinbarung erfüllt hat. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat im Betrieb der Beklagten weder eine Überwachung und Anleitung der Beschäftigten durch einen Tischler- oder Schreinermeister stattgefunden noch wurde die 20 %-Quote erreicht. Soweit die Revision rügt, das Landesarbeitsgericht habe in Bezug auf die Tischler- und Schreinerarbeiten zu Unrecht eine Quote von 50 % der baubetrieblichen Gesamtarbeitszeit verlangt, verkennt sie, dass sich diese Urteilsausführungen nicht auf die Vereinbarung vom 28. November 2012, sondern auf den Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 11 VTV beziehen.
V. Die Einrede der Verjährung greift nicht durch. Verfall und Verjährung der Ansprüche richten sich nach § 25 VTV in der auf den Streitfall anwendbaren Fassung. Die Verjährungsfrist beträgt danach vier Jahre; § 199 BGB findet Anwendung. Diese Verlängerung der Frist gegenüber § 195 BGB ist gemäß § 202 BGB wirksam (BAG 15. Juni 2011 – 10 AZR 861/09 – Rn. 37 mwN). Durch die am 10. November 2009 beim Arbeitsgericht eingereichte und am 2. Dezember 2009 der Beklagten zugestellte Klage hat die Klägerin diese Frist gewahrt. Dies gilt auch hinsichtlich der für den Monat Dezember 2004 geforderten Beiträge, die nach § 22 Abs. 1 VTV erst am 15. Januar 2005 fällig wurden.
VI. Die Höhe der Forderung ist zutreffend berechnet, Einwendungen hiergegen hat die Beklagte nicht erhoben.
VII. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Linck, Brune, W. Reinfelder, D. Diener, Stefan Fluri
Fundstellen
BAGE 2015, 84 |
DB 2014, 7 |
EBE/BAG 2014 |
NZA 2014, 1282 |
ZTR 2014, 703 |
AP 2015 |
EzA-SD 2014, 16 |
EzA 2015 |
MDR 2015, 286 |
AUR 2014, 486 |
AUR 2015, 71 |
ArbRB 2015, 7 |
ArbR 2014, 599 |