Entscheidungsstichwort (Thema)
Feiertagsvergütung im Arbeitskampf. Tarifliche Ausschlußfrist
Leitsatz (redaktionell)
Beruht der Anspruch auf Vergütung für die wegen eines Feiertages ausgefallene Arbeit auf § 1 Feiertagslohnzahlungsgesetz, so handelt es sich auch dann um einen gesetzlichen und nicht um einen tariflichen Anspruch, wenn die Vergütung selbst tariflich geregelt ist. Er unterliegt nicht einer tariflichen Verfallklausel, die nur tarifliche Ansprüche erfaßt (Abgrenzung zu BAG Urteil vom 20. August 1980, 5 AZR 955/78 = AP Nr 12 zu § 6 LohnFG).
Normenkette
TVG §§ 1, 4; FeiertLohnzG § 1
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 26.06.1985; Aktenzeichen 2 Sa 417/85) |
ArbG Köln (Entscheidung vom 22.01.1985; Aktenzeichen 15 Ca 10062/84) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin Feiertagsvergütung für den 21. Juni 1984 (Fronleichnam) beanspruchen kann und ob diese Forderung unter eine tarifliche Ausschlußfrist fällt.
Die Klägerin ist als Texterfasserin bei der Beklagten angestellt. Die Beklagte stellt Tageszeitungen her und druckt für das Bundesjustizministerium den Bundesanzeiger.
In der Zeit vom 12. April 1984 bis zum 6. Juli 1984 wurde der Betrieb der Beklagten an 34 Arbeitstagen bestreikt. Hiervon ausgenommen war die Herstellung des Bundesanzeigers (Vereinbarung zwischen dem Bundesjustizminister und dem Hauptvorstand der IG-Druck und Papier vom 10. Februar 1978 sowie Vereinbarung zwischen der Beklagten und dem Landesbezirksvorstand der IG-Druck und Papier vom 27. Februar 1978).
Entsprechend einer betrieblichen Sonderregelung über den Arbeitseinsatz der Mitarbeiter in der zentralen Texterfassung während des Arbeitskampfes wurde die Klägerin am 18., 19. und 20. Juni 1984 in der Frühschicht zur Arbeit am Bundesanzeiger herangezogen. Am Donnerstag, dem 21. Juni 1984 (Fronleichnam), einem gesetzlichen Feiertag (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 FeiertagsG NW), ruhte die Arbeit im Betrieb der Beklagten vollständig. Am folgenden 22. Juni 1984 wurde die Klägerin nach dem Schichtplan nicht zur Mitarbeit an der Herstellung des Bundesanzeigers herangezogen und hat sich am Arbeitskampf beteiligt.
Die Klägerin hat behauptet, sie hätte am 21. Juni 1984 während des Arbeitskampfes gearbeitet, wenn kein Feiertag gewesen wäre, und verlangt hierfür Feiertagsvergütung in rechnerisch unstreitiger Höhe von 138,56 DM. Die Klägerin hat ferner die Ansicht vertreten, der Einwand der Beklagten, ihr Anspruch sei jedenfalls nach der einschlägigen tariflichen Ausschlußklausel verfallen, sei nicht begründet. Die Feiertagsvergütung unterliege nicht der tariflichen Verfallfrist, denn hierbei handele es sich um einen gesetzlichen und nicht einen tariflichen Anspruch. Außerdem habe der Betriebsrat ihre Forderung innerhalb der Verfallfristen ebenso wie für alle anderen Arbeitnehmer mit Schreiben vom 27. Juni 1984 und vom 26. September 1984 rechtzeitig geltend gemacht.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die
Klägerin 138,56 DM brutto nebst 4 %
Zinsen seit dem 4. Dezember 1984 zu
zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Klägerin sei am 21. Juni 1984 nicht zur Arbeit am Bundesanzeiger eingeteilt gewesen und hätte deshalb wie alle anderen Arbeitnehmer an diesem Tage gestreikt.
Darüber hinaus sei die Klageforderung nach § 33 Abs. 1 b des Manteltarifvertrages für die kaufmännischen Angestellten in den Verlagen von Tageszeitungen im Lande Nordrhein-Westfalen vom 1. April 1980 verfallen.
Der § 33 des vorgenannten Tarifvertrages - an den die Parteien durch beiderseitige Organisationszugehörigkeit gebunden sind - lautet wie folgt:
"(1) Für die Geltendmachung von tariflichen An-
sprüchen gelten folgende Fristen:
a) Ansprüche auf Zuschläge für Mehr-, Nacht-,
Sonntags- und Feiertagsarbeit sind inner-
halb von drei Monaten nach Vorliegen der
Gehaltsabrechnung, in der sie zu berück-
sichtigen gewesen wären, geltend zu machen.
b) Für die Geltendmachung sonstiger tariflicher
Ansprüche beträgt diese Frist drei Monate
nach ihrer Fälligkeit.
(2) Im Falle des Ausscheidens eines Angestellten
müssen alle gegenseitigen Ansprüche spätestens
einen Monat nach Beendigung des Anstellungsver-
hältnisses schriftlich geltend gemacht werden.
Eine eventuelle Ablehnung muß schriftlich er-
folgen.
(3) Wird die Erfüllung von Ansprüchen gemäß Abs. 1
und 2 abgelehnt, müssen diese innerhalb einer
Frist von drei Monaten gerichtlich geltend ge-
macht werden.
(4) Eine Geltendmachung nach Ablauf der vorstehenden
Fristen ist ausgeschlossen."
Nach Auffassung der Beklagten hätte die Klägerin ihren Anspruch auf Feiertagsvergütung hiernach bis spätestens Ende September 1984 geltend machen müssen. Die Klägerin habe aber ihre Forderung erst mit der Klage erhoben, die der Beklagten am 4. Dezember 1984 zugestellt wurde.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Die Klägerin verfolgt mit der Revision ihr Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Landesarbeitsgericht hat offengelassen, ob der Klägerin ein Anspruch auf Feiertagsvergütung für den 21. Juni 1984 zustand. Es hat die Klage deshalb für unbegründet angesehen, weil ein etwaiger Anspruch der Klägerin nach § 33 Abs. 1 Buchst. b des Manteltarifvertrages für die kaufmännischen Angestellten in den Verlagen von Tageszeitungen im Lande Nordrhein-Westfalen vom 1. April 1980 verfallen sei. Hierin kann dem Berufungsgericht nicht gefolgt werden.
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, daß § 33 Abs. 1 MTV nach Wortlaut und Aufbau nur tarifliche Ansprüche der Verfallfrist unterwirft. Nach § 33 Abs. 1 Buchst. a) MTV sind Ansprüche auf die dort genannten Zuschläge innerhalb von drei Monaten nach Vorliegen der Gehaltsabrechnung, in der sie zu berücksichtigen gewesen wären, geltend zu machen. Weiter bestimmt § 33 Abs. 1 Buchst. b) MTV, daß sonstige tarifliche Ansprüche in einer Frist von drei Monaten geltend gemacht werden müssen. Dagegen sind nach § 33 Abs. 2 MTV "alle gegenseitigen Ansprüche" spätestens einen Monat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich geltend zu machen. Der Tarifvertrag unterscheidet deutlich zwischen der Geltendmachung von Ansprüchen während der Zusammenarbeit und in der Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Während § 33 Abs. 1 MTV sich auf tarifliche Ansprüche beschränkt, erstreckt sich die Regelung des § 33 Abs. 2 MTV auf alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Damit werden erkennbar zwei Gruppen von Ansprüchen gegenübergestellt und verschiedenen Fristen unterworfen. Außerdem können die tariflichen Forderungen während des Arbeitsverhältnisses formlos geltend gemacht werden, hingegen sind alle Ansprüche nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses während eines Monats schriftlich zu erheben. Aus dieser unterschiedlichen Regelung für Ansprüche während und nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses muß zwangsläufig entnommen werden, daß die Tarifvertragsparteien - dem Wortlaut entsprechend - die Verfallklausel des § 33 Abs. 1 MTV nur auf tarifliche Ansprüche beschränken und im Gegensatz zu § 33 Abs. 2 MTV nicht auf alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis ausdehnen wollten. Die Beschränkung auf tarifliche Ansprüche in § 33 Abs. 1 MTV hat zur Folge, daß vertragliche und gesetzliche Ansprüche der Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht erfaßt werden.
2. Bei der Forderung der Klägerin auf Feiertagsvergütung handelt es sich im Gegensatz zur Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht um einen tariflichen, sondern um einen gesetzlichen Anspruch. Zwar bestimmt sich die Höhe dieser Forderung nach dem Gehaltstarifvertrag, weil die Klägerin Tarifgehalt bezieht. Aber deswegen handelt es sich bei der Feiertagsvergütung noch nicht um einen tariflichen Anspruch, denn hierfür ist die Rechtsgrundlage entscheidend. Aus dem Tarifvertrag kann der Anspruch nicht hergeleitet werden. In ihm sind nur die Zuschläge für an Feiertagen geleistete Arbeit geregelt (§ 27 Abs. 2 und 3 MTV). Mit der Fortzahlung des Gehalts befaßt sich § 31 MTV. Er sieht für die in § 7 geregelten Fälle der Arbeitsverhinderung, für freie Tage wegen Schichtarbeit, für Sonderurlaub nach § 8 MTV sowie für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit die Fortzahlung des Gehalts vor, das nach bestimmten Berechnungsmethoden zu ermitteln ist. Der Wegfall der Arbeit an einem Feiertag gehört nicht zu den in § 31 MTV angeführten Tatbeständen. In bezug auf die Feiertagsarbeit findet sich in § 14 Abs. 1 Satz 2 MTV nur eine arbeitszeitrechtliche Regelung: Wenn auf einen Arbeitstag einer Woche ein gesetzlicher Feiertag fällt, vermindert sich die Wochenarbeit um die auf diesen Feiertag entfallenden Arbeitsstunden. Als Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin kommt danach nur § 1 FeiertagslohnzahlungsG in Betracht. Deshalb geht es um einen gesetzlichen Anspruch, der nicht von der Verfallklausel des § 33 Abs. 1 MTV erfaßt wird.
Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in älteren Entscheidungen den Lohnfortzahlungsanspruch als durch zwingende gesetzliche Regelung aufrecht erhaltenen Lohnanspruch angesehen, ohne daß der Lohnfortzahlungsanspruch hierdurch zum gesetzlichen Anspruch werde (BAG 24, 1, 6 = AP Nr. 1 zu § 6 LohnFG, zu 2 der Gründe; BAG Urteil vom 15. November 1973 - 5 AZR 226/73 - AP Nr. 53 zu § 4 TVG Ausschlußfristen, zu 2 der Gründe; BAG Urteil vom 20. August 1980 - 5 AZR 955/78 - AP Nr. 12 zu § 6 LohnFG, zu II 3 a der Gründe). Das Bundesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang auch auf den Wortlaut des Lohnfortzahlungsgesetzes abgestellt, wonach der erkrankte Arbeitnehmer seinen Lohnanspruch nicht "verliert". Da § 1 FeiertagslohnzahlungsG einen Anspruch auf Feiertagsvergütung erst begründet, kann dahingestellt bleiben, ob an der vorgenannten Rechtsprechung zur Rechtsnatur des Lohnfortzahlungsanspruches festgehalten werden kann.
II. Das angefochtene Urteil, das die Klage wegen Versäumung der Ausschlußfrist für unbegründet angesehen hat, mußte danach aufgehoben werden. Zugleich war die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da dem Senat eine abschließende Entscheidung nicht möglich ist.
Die Begründetheit der Klage hängt davon ab, ob die Klägerin sich am 21. Juni 1984 am Streik beteiligt hätte oder ob sie, wie sie behauptet hat, für diesen Tag wie für die vorausgegangenen Tage des 18. bis 20. Juni 1984 zur Arbeit herangezogen worden wäre. Im letzteren Falle steht ihr die Feiertagsbezahlung zu, da die Arbeit dann wegen des Feiertages als entscheidender Ursache ausgefallen ist. War die Klägerin dagegen nicht zur Arbeit am 21. Juni 1984 eingeteilt, dann wird davon auszugehen sein, daß sie sich an diesem Tage wie am folgenden 22. Juni 1984 am Arbeitskampf beteiligt hätte. Dann stünde ihr keine Feiertagsvergütung zu. Das tatsächliche Geschehen aufzuklären, muß dem Berufungsgericht überlassen bleiben.
Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog
Liebsch Wengeler
Fundstellen
Haufe-Index 440235 |
BAGE 54, 25-30 (LT1) |
BAGE, 25 |
BB 1987, 1254 |
DB 1987, 1155-1156 (LT) |
NZA 1987, 461-462 (LT) |
RdA 1987, 189 |
AP § 1 FeiertagslohnzahlungsG (LT), Nr 51 |
AR-Blattei, Ausschlußfristen Entsch 121 (LT1) |
AR-Blattei, ES 350 Nr 121 (LT1) |
EzA § 4 TVG Ausschlußfristen, Nr 71 (LT) |