Entscheidungsstichwort (Thema)
Stufenklage. Auskunftsverlangen bei Überstundenbezahlung
Orientierungssatz
Der Arbeitnehmer, der im Prozeß von seinem Arbeitgeber die Bezahlung von Überstunden fordert, muß, zumal wenn zwischen der Geltendmachung und der behaupteten Leistung ein längerer Zeitraum liegt, beim Bestreiten der Überstunden im einzelnen darlegen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus tätig geworden ist. Er muß ferner eindeutig vortragen, ob die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet oder zur Erledigung der ihm obliegenden Arbeit notwendig oder vom Arbeitgeber gebilligt oder geduldet worden sind (vergleiche BAG Urteil vom 15.6.1961 2 AZR 436/60 = AP Nr 7 zu § 253 ZPO).
Normenkette
TVG §§ 1, 4; ZPO § 254; GewO §§ 134, 133h; BetrVG § 82 Abs. 2
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 16.10.1985; Aktenzeichen 12 Sa 898/85) |
ArbG Hamm (Entscheidung vom 06.03.1985; Aktenzeichen 3 Ca 1750/84) |
Tatbestand
Die Parteien streiten im Rahmen einer Stufenklage über das Verlangen des Klägers auf Auskunft über die nach seiner Behauptung geleisteten Überstunden und auf deren Bezahlung.
Der Kläger war vom 28. Oktober 1983 bis zum 15. Februar 1984 bei der Beklagten als Kellner mit einem monatlichen Bruttogehalt von 1.900,-- DM bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 42,5 Stunden an sechs Wochentagen beschäftigt. Im Anstellungsvertrag vom 16. August 1983 (Ziff. 22) haben die Parteien eine - tarifliche - Ausschlußfrist vereinbart, wonach alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag erlöschen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten geltend gemacht werden. Bei Ablehnung oder Nichterklärung des anderen Teils erlischt der Anspruch, wenn er nicht innerhalb weiterer zwei Monate gerichtlich geltend gemacht wird.
Der Kläger verlangte erstmals mit Schreiben vom 29. März 1984 von der Beklagten, die von ihm geleisteten Überstunden zu berechnen und zu vergüten. Mit Schreiben vom 10. April 1984 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß sie berechtigte Überstunden bezahlen werde und dem Kläger "die entsprechende Summe" in der 16. Woche übermitteln werde. Die Beklagte übersandte mit einem weiteren Schreiben vom 27. Juli 1984 dem Kläger einen Verrechnungsscheck über 151,32 DM als Überstundenabgeltung und teilte ihm mit, daß er den Direktor Sch ab 22. August 1984 erreichen könne, falls er dazu noch Fragen habe. Daraufhin bat der Kläger mit Schreiben vom 6. August 1984, den Betrag von 151,32 DM "der Höhe nach aufzuschlüsseln". Danach hat er am 12. November 1984 Klage erhoben.
Der Kläger hat behauptet, er habe wegen des Arbeitskräftemangels bei der Beklagten von Anfang an erhebliche Überstunden leisten müssen. Diese hätten die Oberkellner N und B ausdrücklich angeordnet. In der Zeit vom 28. Oktober bis zum 21. November 1983 habe er insgesamt 155,5 Überstunden geleistet, wie sich aus seinen Aufzeichnungen ergebe. Für den restlichen Zeitraum vom 22. November 1983 bis zum 15. Februar 1984 könne er die Überstunden nicht selbst ermitteln, weil sie aus dem Dienstplan und aus seiner Stempelkarte zu ersehen seien, die sich beide nicht in seinem Besitz befänden.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1. Auskunft zu erteilen über die vom Kläger
im Zeitraum vom 22. November 1983 bis zum
15. Februar 1984 geleisteten Überstunden,
2. nach Erledigung von Ziff. 1 dem Kläger
die im Zeitraum vom 28. Oktober 1983 bis
zum 15. Februar 1984 geleisteten Überstunden
zu bezahlen, abzüglich am 1. August
1984 gezahlter 151,32 DM nebst 10 % Zinsen
ab dem 16. Februar 1984.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und bestritten, daß der Kläger über die durch die abgegoltenen 151,32 DM weitere Überstunden geleistet habe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I. Der Kläger verlangt mit der Stufenklage in erster Linie Auskunft über die nach seiner Behauptung geleisteten Überstunden, um diese Forderung dann mit seinem weiteren Hauptantrag auf Zahlung der Überstunden beziffern zu können (§ 254 ZP0). Das Landesarbeitsgericht hat den Anspruch auf Auskunft für unbegründet gehalten und zugleich den Hauptanspruch auf Bezahlung der Überstunden abgewiesen. Die Abweisung des Hauptantrages ist lediglich hilfsweise damit begründet worden, daß der Kläger die im Arbeitsvertrag vereinbarte Ausschlußfrist für die Geltendmachung der Überstunden nicht eingehalten habe.
Allerdings hat die Abweisung der Klage auf Abrechnung nicht zwangsläufig die Abweisung des Hauptantrags auf Zahlung der Überstunden zur Folge, vielmehr sind der Hauptanspruch auf Zahlung und der Hilfsanspruch auf Abrechnung prozessual selbständige, im Wege der objektiven Klagenhäufung (§ 260 ZP0) nebeneinander geltend gemachte Ansprüche. Zunächst ist über den Antrag auf Abrechnung und danach erst über den Antrag auf Zahlung zu entscheiden, den der Kläger erst nach Abrechnung beziffern kann (vgl. Stein/Jonas/Schumann/Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 254 Rz 3).
Ist aber der Hauptantrag auf Bezahlung der Überstunden nicht begründet, dann ist der Rechnungslegungsanspruch als Nebenanspruch gleichfalls als unbegründet abzuweisen (BGH Urteil vom 8. Mai 1985 - IV a ZR 138/83 - NJW 1985, 2405, 2407 zu IV 3 der Gründe). Das gilt ebenso dann, wenn der Hauptanspruch durch Ablauf von Ausschlußfristen verwirkt ist (BAG Urteil vom 26. Februar 1969 - 4 AZR 267/68 - AP Nr. 3 zu § 87 c HGB). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Daher war die Klage insgesamt abzuweisen.
II. Grundsätzlich muß der Arbeitnehmer, der im Prozeß die Bezahlung von Überstunden fordert, zumal wenn zwischen der Geltendmachung und der behaupteten Leistung ein längerer Zeitraum liegt, beim Bestreiten der Überstunden im einzelnen darlegen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er sie über die übliche Arbeitszeit hinaus geleistet hat. Er muß ferner vortragen, ob die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet oder zur Erledigung der ihm obliegenden Arbeiten notwendig oder vom Arbeitgeber gebilligt oder geduldet worden sind (BAG Urteil vom 15. Juni 1961 - 2 AZR 436/60 - AP Nr. 7 zu § 253 ZPO). Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger dazu nicht in der Lage war, wie er geltend macht.
Der Kläger hat nämlich außerdem die im Arbeitsvertrag vereinbarte Ausschlußfrist zur Geltendmachung seiner Überstundenforderung nicht eingehalten. In einem Arbeitsvertrag kann rechtswirksam eine tarifliche Ausschlußfrist für die Geltendmachung einzelvertraglicher Ansprüche vereinbart werden (BAG Urteil vom 5. November 1963 - 5 AZR 136/63 - AP Nr. 1 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag, zu 3 der Gründe). Das ist ausnahmsweise nur dann nicht möglich, wenn das Gesetz eine Vereinbarung von Ausschlußfristen ausdrücklich verbietet oder wenn tarifgebundene Parteien außerhalb des Tarifvertrages Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte vereinbaren (§ 4 Abs. 4 Satz 3 TVG). Solche Ausnahmeregelungen sind hier aber nicht gegeben.
Nach Ziff. 22 der als Bestandteil des Arbeitsvertrags vom 16. August 1983 aufgenommenen "Allgemeinen Vertragsbedingungen" erlöschen alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten geltend gemacht werden. Bei Ablehnung oder Nichterklärung des anderen Teils erlischt der Anspruch, wenn er nicht innerhalb weiterer zwei Monate gerichtlich geltend gemacht wird. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, daß es zumindest an der rechtzeitigen gerichtlichen Geltendmachung der Überstundenforderung fehle. Nach Zahlung von 151,32 DM zur Abgeltung der Überstundenforderung hat die Beklagte auf Schreiben des Prozeßbevollmächtigten des Klägers vom 6. August 1984 nicht mehr reagiert. Danach hat der Kläger aber erst am 12. November 1984 - und damit nach Ablauf der Ausschlußfrist zur Erhebung der Klage - in diesem Rechtsstreit Abrechnung und Zahlung der von ihm geltend gemachten Überstunden im Wege der Stufenklage verlangt.
Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger nicht angegriffen. Zwar macht er geltend, daß die Beklagte ihre Zahlung von 151,32 DM dem Kläger gegenüber hätte aufschlüsseln müssen. Das hat er aber bereits mit Schreiben vom 6. August 1984 vor diesem Rechtsstreit verlangt. Nachdem die Beklagte darauf nicht eingegangen ist, hätte der Kläger nunmehr seine Klage innerhalb von zwei Monaten nach der Nichterklärung der Beklagten und nicht erst am 12. November 1984 erheben müssen.
Allerdings hat ein gewerblicher Arbeitnehmer in Betrieben mit mindestens 20 Arbeitnehmern Anspruch auf eine Lohnabrechnung (§§ 133 h, 134 Abs. 2 Gew0). Außerdem können alle Arbeitnehmer verlangen, daß ihnen die Berechnung und Zusammensetzung ihres Arbeitsentgelts erläutert wird (§ 82 Abs. 2 BetrVG 1972). Der Lauf einer Verfallfrist wird durch die Nichterteilung der Abrechnung solange gehemmt, wie die fehlende Abrechnung noch verlangt werden kann (BAG Urteil vom 27. November 1984 - 3 AZR 596/82 - AP Nr. 89 zu § 4 TVG Ausschlußfristen, unter II 3 b der Gründe). Der Lauf der Verfallfrist für den Zahlungsanspruch beginnt aber schließlich doch, wenn der Anspruch auf Erteilung einer Abrechnung erloschen ist, weil er seinerseits nicht innerhalb der tariflichen Ausschlußfrist erhoben wurde. Auch Hilfsansprüche unterliegen tariflichen Verfallfristen (BAG, aa0). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, denn der Kläger hat seinen Abrechnungsanspruch nicht innerhalb der tariflichen Ausschlußfrist eingeklagt.
Dr. Gehring Schneider Dr. Olderog
Werner Dr. Hirt
Fundstellen