Leitsatz (redaktionell)
Regelmäßig eingesetzte Sprecher und Übersetzer von Nachrichten- und Kommentartexten im fremdsprachlichen Dienst von Rundfunkanstalten können auch dann Arbeitnehmer sein, wenn ihre wöchentliche Arbeitszeit nur vier Stunden beträgt.
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
Der Kläger ist seit 1978 für die Beklagte im afghanischen Programm als Sprecher und Übersetzer tätig. In den letzten acht Jahren kam er regelmäßig sonntags zum Einsatz. Dabei hatte er in der Sonntagssendung die Nachrichten und den Kommentar zu übersetzen und zu sprechen. Die Sendezeit für die Nachrichten betrug jeweils sechs Minuten, der Kommentar nahm fünf Sendeminuten in Anspruch. Außerdem gab der Kläger die Programmhinweise, was weitere zwei Minuten dauerte. Der gesamte Arbeitsaufwand pro Woche betrug rund vier Stunden. Der Einsatz des Klägers erfolgte durch Dienstpläne. Er erhielt die Texte, die er für seine Sendungen verwenden mußte, vom Dienstleiter. Übersetzer- und Sprecherleistungen erbrachte der Kläger in den Diensträumen. Zuletzt erhielt er für seine Tätigkeit Honorare von insgesamt ca. 60.000,-- DM pro Jahr.
Die Beklagte behandelte den Kläger als freien Mitarbeiter. Mit Schreiben vom 21. Oktober 1993 teilte sie ihm unter Hinweis auf Ziff. 5.2 des auf das Vertragsverhältnis der Parteien angewandten Tarifvertrags für arbeitnehmerähnliche Personen der Deutschen Welle vom 1. Januar 1978 mit, daß sie nicht mehr in der Lage sei, ihn nach dem 31. Oktober 1994 im bisherigen Umfang als freien Mitarbeiter zu beschäftigen.
Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, zwischen den Parteien bestehe ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Er sei bei seiner Arbeit weisungsgebunden und in den Betrieb der Beklagten integriert. Er habe die in den Dienstplänen festgelegten Sonntagsdienste nur während seines Urlaubs und in Krankheitsfällen nicht geleistet.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestehe.
Hilfsweise hat er beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihn in einem Umfang von durchschnittlich ca. 5.000,-- DM Honoraraufkommen pro Monat beginnend mit dem 1. Januar 1994 zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hält den Kläger für einen freien Mitarbeiter. Er habe sein Einverständnis mit der sonntäglichen Dienstleistung im voraus erklärt, weil er den regelmäßigen wöchentlichen Einsatz aus wirtschaftlichen Gründen gewünscht habe. Die Einsatzpläne, in die auch der Kläger eingetragen worden sei, seien jeweils nur vorläufig erstellt worden. Sie seien immer erst dann in Kraft getreten, wenn die eingeplanten Mitarbeiter nicht widersprochen hätten. Im Falle eines Widerspruchs habe die Redaktion regelmäßig ohne Schwierigkeiten umdisponieren können. Der Kläger habe einen Einsatz jederzeit ablehnen können. Von dieser Möglichkeit habe er in der Vergangenheit auch Gebrauch gemacht.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben nach dem Hauptantrag des Klägers erkannt. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Der Kläger steht als Sprecher und Übersetzer in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
I. Das Landesarbeitsgericht ist von den Grundsätzen ausgegangen, die der Senat zur Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters aufgestellt hat. Beide unterscheiden sich durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet.
Arbeitnehmer ist derjenige, der seine vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere daran, daß der Beschäftigte einem Weisungsrecht seines Vertragspartners (Arbeitgebers) unterliegt. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Für die Abgrenzung von Bedeutung sind demnach in erster Linie die Umstände, unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist, nicht die Bezeichnung, die die Parteien ihrem Rechtsverhältnis gegeben haben oder eine von ihnen gewünschte Rechtsfolge. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Dieser wiederum folgt aus den getroffenen Vereinbarungen und aus der tatsächlichen Durchführung des Vertrages. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, so ist letztere maßgebend. Aus der praktischen Handhabung lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien in Wirklichkeit ausgegangen sind (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. Urteil vom 30. November 1994 - 5 AZR 704/93 - BAGE 78, 343, 347 = AP Nr. 74 zu § 611 BGB Abhängigkeit).
Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Kriterien lassen sich nicht aufstellen. Es gibt eine Reihe von Tätigkeiten, die sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Mitarbeiterverhältnisses erbracht werden können. Umgekehrt gibt es Tätigkeiten, die nach ihrer Art oder Organisation nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt werden können. Das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses kann also aus Art oder Organisation der Tätigkeit folgen. Letztlich kommt es für die Beantwortung der Frage, welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls an.
II. Diese Grundsätze sind auch im Bereich Funk und Fernsehen maßgebend. In diesem Bereich ist zu unterscheiden zwischen programmgestaltenden Tätigkeiten und solchen, bei denen der Zusammenhang mit der Programmgestaltung fehlt. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann programmgestaltende Mitarbeit sowohl im Rahmen von Arbeitsverhältnissen als auch im Rahmen von freien Mitarbeiterverhältnissen erbracht werden. Programmgestaltende Mitarbeiter sind nicht schon deshalb Arbeitnehmer, weil sie in ihrer Arbeit auf den Apparat der Anstalt und das Mitarbeiterteam angewiesen sind. Auch bei programmgestaltenden Mitarbeitern ist aber ein Arbeitsverhältnis zu bejahen, wenn der Sender innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens über die Arbeitsleistung verfügen kann. Das ist etwa dann der Fall, wenn ständige Dienstbereitschaft erwartet wird oder wenn der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang auch ohne entsprechende Vereinbarung herangezogen wird, ihm also die Arbeiten letztlich "zugewiesen" werden. Wird der programmgestaltende Mitarbeiter in Dienstplänen aufgeführt, ohne daß die einzelnen Einsätze im Voraus abgesprochen werden, ist dies ein starkes Indiz für die Arbeitnehmereigenschaft (vgl. BAG Urteil vom 30. November 1994, aaO).
Hinsichtlich der nicht programmgestaltenden, aber rundfunkund fernsehtypischen Mitarbeit an Sendungen, insbesondere für die Tätigkeit an fremdsprachlichen Diensten mit routinemäßigen Arbeiten als Sprecher, Aufnahmeleiter und Übersetzer hat der Senat mehrfach ausgesprochen, daß sich diese in der Regel nur im Rahmen von Arbeitsverhältnisses durchführen läßt. Unabhängig davon spricht auch bei nicht programmgestaltenden Mitarbeitern die Aufstellung von Dienstplänen für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses.
Damit hat die Aufstellung von Dienstplänen für die Arbeitnehmereigenschaft von programmgestaltenden und nicht programmgestaltenden Mitarbeitern verschiedene Bedeutung. Bei den programmgestaltenden Mitarbeitern handelt es sich um ein wesentliches Indiz. Das heißt, die Arbeitnehmereigenschaft dieses Personenkreises ist gerade dann zu bejahen, wenn der Sender durch einseitige Aufstellung von Dienstplänen ein Weisungsrecht hinsichtlich der Arbeitszeit ausübt. Bei der nicht programmgestaltenden Mitarbeit handelt es sich dagegen nur um ein zusätzliches Indiz von geringerer Bedeutung. Wesentlich ist hier in erster Linie die Art der zu verrichtenden Tätigkeit.
III. Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Kläger Arbeitnehmer. Dafür spricht bereits die von ihm ausgeübte Tätigkeit.
1. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, gehörte der Kläger als Rundfunksprecher und Übersetzer nicht zu den programmgestaltenden Mitarbeitern. Er verliest vorgegebene Texte, die er zuvor aus dem Deutschen übersetzt. Er hatte keine Möglichkeit, die Sendung oder die zu verlesenden Texte nach seinen Vorstellungen zu gestalten. Das Übersetzen ist zwar - anders als das Sprechen vorgegebener Texte - keine rundfunktypische Tätigkeit. Beide Tätigkeiten, die des Sprechers und die des Übersetzers, stehen aber vorliegend in einem engen sachlichen, örtlichen und zeitlichen Zusammenhang. Es handelt sich um aktuelle Nachrichtenund Kommentartexte. Der Kläger erhält sie vom Dienstleiter und übersetzt und spricht sie in den Diensträumen. Von einer im wesentlichen freien Gestaltung seiner Tätigkeit kann daher nicht die Rede sein.
Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, der Kläger habe die jeweiligen Dienste ablehnen können. Die tatsächliche Durchführung der Vertragsbeziehungen zeigt, daß diesem Ablehnungsrecht faktisch keine Bedeutung zukommt. Der Kläger hat die Sonntagssendungen in den acht Jahren vor der Verringerung der Sendefolge nur dann nicht übernommen, wenn er krank war oder Urlaub hatte. Entsprechend hat die Beklagte eine jeweilige Anfrage beim Kläger, ob er die Sendung übernehmen wolle, als unnötig angesehen und den Kläger ohne Nachfrage in die jeweiligen Dienstpläne eingetragen.
Der Revision ist zuzugeben, daß die Nennung des Klägers in Dienstplänen hier keine (zusätzliche) Indizwirkung entfaltet, da der Kläger nur sonntags eingesetzt werden wollte und im wesentlichen auch nur sonntags eingesetzt wurde. Der Kläger hat keinen Fall genannt, in dem er ohne Einzelabsprache an einem Wochentag außer Sonntag eingesetzt wurde. Darauf kommt es jedoch nicht entscheidend an, da der Kläger nicht zu den programmgestaltenden Mitarbeitern gehört.
3. Besondere Umstände, die es möglich erscheinen lassen, daß die Tätigkeit des Klägers als Sprecher und Übersetzer im Rahmen eines freien Mitarbeiterverhältnisses erfolgte, liegen nicht vor. Sie sind insbesondere nicht schon darin zu sehen, daß der Kläger jeweils nur sonntags für vier Stunden eingesetzt war. Denn er war fest in das Programmschema der Beklagten eingebunden und nicht etwa nur vereinzelt und unregelmäßig tätig.
IV. Aus dem vorstehenden folgt zugleich, daß die Parteien in einem Dauerarbeitsverhältnis stehen und nicht etwa auf die einzelnen Einsätze oder die jeweiligen Dienstplanperioden befristete Rechtsverhältnisse zustandekommen. Die Beklagte hat selbst keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich der Abschluß befristeter Verträge ergeben könnte. Sie geht vielmehr selbst davon aus, daß der Kläger auch in den folgenden Dienstplanperioden zur Verfügung steht.
Die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Rundfunkfreiheit steht der Annahme eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses nicht entgegen. Denn der Kläger gehört als Sprecher und Übersetzer nicht zu den programmgestaltenden Mitarbeitern.
Fundstellen
Haufe-Index 440256 |
BB 1998, 1265 |
DB 1998, 2276 |
FA 1998, 225 |
NZA 1998, 705 |
RdA 1998, 256 |
ZTR 1998, 517 |
AfP 1998, 651 |
ArbuR 1998, 248 |
ZUM 1998, 683 |