Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von Tariferhöhung auf Zulage
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
Verfahrensgang
Tenor
- Auf die Revisionen der Parteien wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 28. Januar 1998 – 8 Sa 2225/96 – im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, als es in Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Offenbach vom 2. September 1996 – 6 Ca 19/96 – der Klage mit einem Teilbetrag stattgegeben und die Klage hinsichtlich eines weiteren Teilbetrages von jeweils 60,00 DM für die Monate Juni bis Oktober 1994 und Dezember 1994 bis Oktober 1995 sowie von jeweils 120,00 DM für die Monate November 1994 und November 1995 abgewiesen hat.
- Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte Tariferhöhungen wirksam auf eine dem Kläger gezahlte übertarifliche Zulage angerechnet hat.
Der Kläger ist in einem Betrieb beschäftigt, der ursprünglich zur T… H… GmbH gehörte, einer Tochtergesellschaft der T… Ha… AG. Der Betrieb wird jetzt von der Beklagten gemeinsam mit anderen Konzernunternehmen geführt. Die Belegschaft umfaßte 1994 etwa 130 Arbeitnehmer.
Der Kläger erhält, ebenso wie zahlreiche andere in dem Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer, zu seinem Tarifgehalt eine übertarifliche Zulage, die im Arbeitsvertrag als freiwillig und anrechnungsfähig bezeichnet ist. Unter dem 26. Mai 1993 richtete die T… H… GmbH ein Schreiben an die Belegschaft, in dem es u.a. hieß:
“der Vorstand der T… Ha… AG sowie die Geschäftsführung der T… H… GmbH hatten vor dem Hintergrund der aktuellen Ergebnislage und gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen beschlossen, 100 % der ab 1.03.1993 gültigen jeweiligen Tarifabschlüsse gegen freiwillige übertarifliche Zulagen zu verrechnen.
Nach Verhandlungen mit der Betriebsrätearbeitsgemeinschaft der T… Ha… AG sowie mit dem Gesamtbetriebsrat der T… H… GmbH wurde folgender Kompromiß geschlossen:
1. In den Betrieben, in denen der örtliche Betriebsrat gemäß § 87 BetrVG der generellen teilweisen Verrechnung der Tarifrunde mit freiwilligen übertariflichen Zulagen schriftlich zugestimmt hat, werden 50 % des jeweiligen Tarifabschlusses gegen übertarifliche Zulagen aufgerechnet.
2. In den Betrieben, in denen der örtliche Betriebsrat nicht gemäß § 87 BetrVG der generellen teilweisen Verrechnung der Tarifrunde mit freiwilligen übertariflichen Zulagen zugestimmt hat, werden aus rechtlichen Gründen 100 % des jeweiligen Tarifabschlusses gegen übertarifliche Zulagen aufgerechnet.
3. In den Betrieben, in denen die schriftlichen Rückäußerungen der örtlichen Betriebsräte noch ausstehen, muß aus rechtlichen Gründen zunächst gemäß o.g. Ziffer 2 verfahren werden. Nach Eingang der Rückäußerungen bis spätestens 30.06.1993 wird entweder rückwirkend das Prozedere gemäß Ziffer 1 angewandt oder es verbleibt bei dem Prozedere gemäß Ziffer 2.
In den Betrieben, in denen kein örtlicher Betriebsrat existiert, wird gemäß Ziffer 1 verfahren.”
Der Betriebsrat des vom vorliegenden Verfahren betroffenen Betriebs in D… stimmte der vorgesehenen hälftigen Anrechnung nicht zu. Daraufhin rechnete die Arbeitgeberin die Tariferhöhung zum 1. Juli 1993 in diesem Betrieb bei allen Arbeitnehmern voll auf die übertarifliche Zulage an. Beim Kläger machte die Tariferhöhung 99,00 DM brutto monatlich aus. In gleicher Weise verfuhr die Arbeitgeberin bei der Tariferhöhung zum 1. Juni 1994, die beim Kläger 60,00 DM brutto monatlich betrug.
Von verschiedenen Zeitpunkten in den Jahren 1993 und 1994 an gewährte die Arbeitgeberin insgesamt 33 Arbeitnehmern neue übertarifliche Zahlungen, die sie mit veränderten Aufgaben, besonderen Leistungen oder der nach einjährigem Bestehen des Angestelltenverhältnisses üblichen Gehaltsanpassung begründete. Der Betriebsrat wurde hierbei nicht beteiligt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Anrechnung der Tariferhöhungen von 1993 und 1994 auf die übertarifliche Zulage sei unwirksam. Die Arbeitgeberin habe nicht ohne Zustimmung des Betriebsrats handeln können. Die Anrechnungen seien nicht vollständig gewesen, da ein Teil des eingesparten Zulagenvolumens neu verteilt worden sei. Selbst wenn man dies außer Betracht lasse und von vollständigen Anrechnungen ausgehe, seien diese unter den besonderen Bedingungen des vorliegenden Falles nicht mitbestimmungsfrei gewesen. Die Arbeitgeberin habe sich nämlich nur deshalb nicht mit einer lediglich teilweisen und daher mitbestimmungspflichtigen Anrechnung begnügt, weil der Betriebsrat nicht bereit gewesen sei, sich insoweit ihrer Entscheidung zu unterwerfen. Ein solches Vorgehen sei rechtsmißbräuchlich und sittenwidrig. Überdies liege hierin eine verbotene Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer des Betriebs in D… gegenüber denjenigen anderer Betriebe des Unternehmens.
Mit seiner Klage verfolgt der Kläger, soweit für die Revision noch von Interesse, Gehaltsansprüche in Höhe der Anrechnungsbeträge für die Monate Januar 1994 bis November 1995 einschließlich der in diesem Zeitraum fällig gewordenen Sonderzahlungen.
Der Kläger hat insoweit beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn
1. 495,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich jeweils ergebenden Nettobetrag aus je 99,00 DM seit dem 1. Februar, 1. März, 1. April, 1. Mai und 1. Juni 1994,
2. 3.180,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich jeweils ergebenden Nettobetrag aus je 159,00 DM seit dem 1. Juli, 1. August, 1. September, 1. Oktober und 1. November 1994 sowie 1. Januar, 1. Februar, 1. März, 1. April, 1. Mai, 1. Juni, 1. Juli, 1. August, 1. September, 1. Oktober und 1. November 1995 sowie aus je 318,00 DM seit dem 1. Dezember 1994 und 1. Dezember 1995
zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach ihrer Meinung waren die Anrechnungen wirksam. Sie seien im Umfang der Tariferhöhungen vollständig erfolgt und damit mitbestimmungsfrei gewesen. Die neuen Zulagen seien unabhängig von den Anrechnungen vergeben worden. Die Entscheidung, im Betrieb in D… die Tariferhöhung vollständig mit der freiwilligen Zulage zu verrechnen, sei auch nicht rechtsmißbräuchlich gewesen. Eine unzulässige Ungleichbehandlung liege nicht vor, denn der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gelte nur betriebsbezogen; hier gehe es aber um Differenzierungen zwischen verschiedenen Betrieben.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich der Tariferhöhung 1993 in Höhe von monatlich 99,00 DM brutto für die Zeit von Januar 1994 bis einschließlich November 1995 stattgegeben und die Berufung des Klägers hinsichtlich der Zeit vor dem 1. Januar 1994 sowie der Tariferhöhung 1994 (monatlich weitere 60,00 DM brutto von Juni 1994 bis einschließlich November 1995) zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren noch hinsichtlich der Anrechnung der Tariferhöhung 1994 weiter. Die Beklagte begehrt mit ihrer Revision, die Klage insgesamt abzuweisen. Beide Parteien beantragen Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
Auf die Revisionen der Parteien ist das angefochtene Urteil teilweise aufzuheben. Allerdings kann der Senat nicht abschließend über die vom Kläger geltend gemachten Zahlungsansprüche entscheiden. Hierzu bedarf es noch weiterer tatsächlicher Feststellungen.
A. Die Revision der Beklagten ist begründet. Die vom Landesarbeitsgericht angestellten Erwägungen tragen den der Klage teilweise stattgebenden Ausspruch nicht. Allerdings läßt sich anhand des bisher festgestellten Sachverhalts noch nicht abschließend beurteilen, ob der Kläger, wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat, von der Beklagten die mit der Tariferhöhung 1993 verrechneten Zulagenbeträge in Höhe von 99,00 DM monatlich verlangen kann.
I. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts war die Beklagte individualrechtlich zur Anrechnung befugt. Das ergibt sich aus der ausdrücklichen Bestimmung im Arbeitsvertrag.
1. Die Anrechnung entsprach billigem Ermessen.
Allerdings kann der Arbeitgeber nach § 315 Abs. 1 BGB die Verpflichtung zur Leistung von Vergütungsbestandteilen nur im Rahmen billigen Ermessens widerrufen. Voraussetzung hierfür ist, daß er die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat (BAG Urteil vom 7. September 1994 – 10 AZR 716/93 – AP Nr. 11 zu § 611 BGB Lohnzuschläge, zu II 2a der Gründe; Urteil vom 13. Mai 1987 – 5 AZR 125/86 – AP Nr. 4 zu § 305 BGB Billigkeitskontrolle, zu II 2 bis 4 der Gründe). Dies ist regelmäßig zu bejahen, wenn eine Tariferhöhung auf eine allgemeine übertarifliche Zulage angerechnet wird. In diesem Fall bleibt das Arbeitsentgelt nominal unverändert. Die Absenkung der Zulage findet ihre Rechtfertigung darin, daß die Tariferhöhung den vorher mit der Zulage verfolgten Zweck erfüllt, das für den Arbeitnehmer verfügbare Einkommen ohne Bindung an besondere Voraussetzungen zu erhöhen, und insoweit die Zulage ersetzen kann (Senatsurteil vom 26. Mai 1998 – 1 AZR 704/97 – AP Nr. 98 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu I 1 der Gründe). Diese Wertung liegt auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde, nach der eine allgemeine übertarifliche Zulage regelmäßig unter einem entsprechenden Anrechnungsvorbehalt steht, selbst wenn das nicht ausdrücklich geregelt war.
Der Kläger hat keine Gesichtspunkte dafür vorgetragen, daß die Anrechnung seine Interessen hier ausnahmsweise unbillig beeinträchtigen würde. Auch das Anrechnungsvolumen von 99,00 DM monatlich bietet keinen Anhalt für eine solche Annahme. Das angefochtene Urteil beruht insoweit auf unzutreffenden Erwägungen. Es sieht die Unbilligkeit allein darin, daß die Arbeitgeberin das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats durch die vollständige Anrechnung habe umgehen wollen. Eine Anrechnung mit Zustimmung des Betriebsrats, die bei einem Teil der Arbeitnehmer, z. B. beim Kläger, die Tariferhöhung ebenfalls in vollem Umfang hätte erfassen können, soll dagegen nicht zu beanstanden sein. Eine derartige Verbindung der individualrechtlichen mit der kollektiven Ebene besteht jedoch nicht. Das Landesarbeitsgericht hat verkannt, daß sich die Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB auf den Inhalt einer Maßnahme des Arbeitgebers bezieht und dabei ausschließlich dem Interessenausgleich zwischen diesem und dem betroffenen Arbeitnehmer dient. Verfahrensmängel im kollektivrechtlichen Bereich, die sich aus der Mißachtung eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats ergeben, sind insoweit unbeachtlich. Sie haben andere Rechtsfolgen (dazu unten II 2 b).
2. Die Beklagte hat auch nicht, wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat, gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB verstoßen. Die Arbeitgeberin hat nämlich nicht, wie § 612a BGB fordert, darauf reagiert, daß Arbeitnehmer Rechte wahrgenommen hätten. Soweit im angefochtenen Urteil in diesem Zusammenhang darauf verwiesen wird, daß Rechte des Betriebsrats mißachtet worden seien, wird erneut in unzulässiger Weise die individualrechtliche mit der kollektiven Ebene verbunden (dazu oben 1).
3. Schließlich war die Beklagte auch nicht durch den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz daran gehindert, die Tariferhöhung im Betrieb in D… vollständig auf die Zulage anzurechnen, obwohl sich die Anrechnung in anderen Betrieben des Unternehmens auf die Hälfte der Tariferhöhung beschränkte.
Allerdings spricht vieles dafür, daß dem Arbeitgeber nicht nur verboten ist, zwischen Arbeitnehmern desselben Betriebs, sondern auch zwischen Arbeitnehmern verschiedener Betriebe des Unternehmens sachwidrig zu unterscheiden (Senatsurteil vom 17. November 1998 – 1 AZR 147/98 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, zu III 1 der Gründe). Die Frage bedarf hier indessen keiner abschließenden Festlegung. Eine Differenzierung zwischen den Belegschaften verschiedener Betriebe ist nämlich jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn sie darauf beruht, daß der Arbeitgeber nicht allein für alle Betriebe eine einheitliche Regelung schaffen kann, sondern die unterschiedlichen Positionen der jeweiligen Betriebsräte berücksichtigen muß (z.B. Senatsurteil vom 26. Mai 1998 – 1 AZR 704/97 – AP Nr. 98 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu I 2 der Gründe).
So verhält es sich hier. Die Beklagte strebte eine für alle Betriebe einheitliche und mitbestimmungspflichtige Regelung der Anrechnung an, der sich jedoch der Betriebsrat in D… widersetzte. Damit war eine Gleichbehandlung der Belegschaft dieses Betriebs mit den Arbeitnehmern anderer Betriebe, in denen die Betriebsräte der vorgeschlagenen Anrechnung zustimmten, nur noch mit Hilfe eines entsprechenden Einigungsstellenspruchs erreichbar. Die daraufhin vorgenommene Differenzierung war durch den Widerspruch des Betriebsrats bedingt. Zwar entschied die Arbeitgeberin dabei allein. Insoweit geht es aber nicht um ein Problem der Gleichbehandlung, sondern erneut um die betriebsverfassungsrechtliche Frage, ob es der Arbeitgeberin erlaubt war, auf diese Weise vorzugehen.
II. Das Landesarbeitsgericht hat diese Frage aufgrund unzutreffender Erwägungen verneint. Allerdings läßt sich noch nicht abschließend beurteilen, ob das Vorgehen der Arbeitgeberin kollektivrechtlich zulässig war, oder ob die Anrechnung der Tariferhöhung auf die Zulage wegen Mißachtung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unwirksam ist.
1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß ein möglicher Mitbestimmungsverstoß nicht bereits deshalb ausscheidet, weil das Vorgehen der Arbeitgeberin im Einklang mit einer Abrede stand, die sie mit der Arbeitsgemeinschaft der Betriebsräte der T… Ha… AG und dem Gesamtbetriebsrat der T… H… GmbH getroffen hatte. Diese Abrede ist mitbestimmungsrechtlich bedeutungslos.
Soweit die Arbeitsgemeinschaft der Betriebsräte beteiligt war, folgt das schon daraus, daß sie kein Organ ist, das anstelle der einzelnen Betriebsräte gesetzliche Mitbestimmungsrechte ausüben könnte. Ein derartiges Gremium ist im Betriebsverfassungsgesetz nicht vorgesehen und kann daher die einzelnen Betriebsräte nicht binden.
Auch aus der Beteiligung des Gesamtbetriebsrats an der Absprache ergibt sich nichts anderes, denn er war für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts nicht zuständig. Für eine Beauftragung nach § 50 Abs. 2 BetrVG durch den Betriebsrat des Betriebs D… ist nichts vorgetragen. Die für eine originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erforderliche Notwendigkeit einer betriebsübergreifenden Regelung ist nicht erkennbar. Insbesondere konnte ein entsprechender Wunsch der Arbeitgeberin diese Zuständigkeit hier nicht begründen (BAGE 80, 366, 372 = AP Nr. 29 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, zu B I 2b der Gründe). Im übrigen ist die Absprache auch nicht so zu verstehen, daß die an ihr Beteiligten eine mitbestimmte Regelung hätten treffen wollen. Vielmehr wird darin wiederholt auf das gesetzliche Mitbestimmungsrecht verwiesen, das von den örtlichen Betriebsräten noch auszuüben sei.
2. Ob aus mitbestimmungsrechtlicher Sicht von einer vollständigen (und damit mitbestimmungsfreien) oder teilweisen (und damit mitbestimmungspflichtigen) Anrechnung auszugehen ist, bedarf noch der Klärung.
a) Nach den vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgestellten Grundsätzen besteht ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Anrechnung einer Tariferhöhung auf übertarifliche Zulagen nur dann, wenn sich durch die Anrechnung die bisherigen Verteilungsrelationen ändern. Das ist der Fall, wenn sich das Verhältnis der Zulagenbeträge zueinander verschiebt. Weiter ist das Mitbestimmungsrecht davon abhängig, ob für eine anderweitige Regelung innerhalb des vom Arbeitgeber mitbestimmungsfrei vorgegebenen Dotierungsrahmens ein Gestaltungsspielraum verbleibt. Deshalb ist die Anrechnung mitbestimmungsfrei, wenn die Tariferhöhung im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Möglichen vollständig und gleichmäßig auf die übertariflichen Zulagen angerechnet wird (BAGE 69, 134, 164 ff. = AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu C III 4 bis 6 der Gründe).
b) Der bisher festgestellte Sachverhalt läßt nicht den Schluß zu, die Arbeitgeberin habe die Zulage in mitbestimmungspflichtiger Weise nur teilweise auf die Tariferhöhung angerechnet. Zu Unrecht hat es das Landesarbeitsgericht insoweit als unerheblich angesehen, daß die Arbeitgeberin ihre individualrechtliche Anrechnungsbefugnis schließlich doch noch voll ausgeschöpft hat. Das Berufungsurteil enthält deshalb keine Feststellungen darüber, warum es nach dem ursprünglichen Beschluß der Arbeitgeberin, die Tariferhöhung nur zu 50 % anzurechnen, später doch zu einer vollständigen Anrechnung gekommen ist. Von den erklärten Zielen der beiden Betriebspartner hängt es aber ab, ob der Arbeitgeberin vorzuwerfen ist, sie habe das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verletzt, so daß die Anrechnungen deshalb unwirksam wären.
aa) Nach den dargestellten Grundsätzen war allerdings die Entscheidung über den Umfang der Anrechnung mitbestimmungsfrei, denn sie betraf die Kürzung der insgesamt für die übertarifliche Zulage zur Verfügung stehenden Mittel. Mitbestimmungspflichtig war dagegen die auf dieser Grundlage zu treffende Festlegung, in welchem Maß die Arbeitnehmer jeweils von der Kürzung betroffen werden sollten, ob also die Tariferhöhung im Einzelfall entsprechend dem betrieblichen Durchschnitt, zu einem höheren oder zu einem niedrigeren Prozentsatz verrechnet werden sollte. Insoweit bestanden bei der in erster Linie geplanten teilweisen Anrechnung Gestaltungsspielräume. Wie sich aus dem Schreiben vom 26. Mai 1993 ergibt, ging auch die Arbeitgeberin ursprünglich davon aus, daß die hälftigen Anrechnungen mitbestimmungspflichtig waren. Unbegründet ist ihre spätere Annahme, auch eine hälftige Anrechnung sei deshalb mitbestimmungsfrei gewesen, weil sie gleichmäßig gewirkt hätte. Da die Zulagen bei den einzelnen Arbeitnehmern unterschiedlich hoch waren, mußten sich durch ihre Kürzung um jeweils denselben Teil der Tariferhöhung die Größenverhältnisse zwischen den einzelnen Zulagen verschieben. In einem solchen Vorgehen liegt keine mitbestimmungsfreie gleichmäßige Anrechnung im Sinne der Rechtsprechung des Großen Senats (BAGE 69, 134, 166 = AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu C III 5b aa der Gründe).
Mitbestimmungsfrei wäre die Maßnahme der Arbeitgeberin dann gewesen, wenn sie das Ziel verfolgt hätte, die Tariferhöhung vollständig auf die übertariflichen Zulagen anzurechnen. Eine Entscheidung über die Verteilung des Anrechnungsvolumens, bei welcher der Betriebsrat mitzubestimmen hätte, wäre dann nicht mehr zu treffen gewesen, weil insoweit kein individualrechtlicher Gestaltungsspielraum bestanden hätte. Da die Arbeitgeberin aber hier zunächst nicht diesen, sondern den Weg einer teilweisen Anrechnung einschlug, war sie auch verpflichtet, das dabei nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bestehende Mitbestimmungsrecht zu respektieren und die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen. Aufgrund des Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 BetrVG) war es ihr verwehrt, dem Betriebsrat Verhandlungen über eine andere Verteilung des Anrechnungsvolumens zu verweigern und auf entsprechende Änderungsvorschläge mit einem Junktim zu reagieren, also jede Abweichung von den eigenen Verteilungsvorstellungen schon von vornherein mit einer vollständigen Anrechnung zu beantworten. Mit einem solchen Vorgehen wird dem Betriebsrat angesonnen, sich der einseitigen Entscheidung der Arbeitgeberin bedingungslos zu unterwerfen und damit auf sein gesetzliches Mitgestaltungsrecht zu verzichten. Diese Befugnis hat er indessen nicht (Senatsurteil vom 26. Mai 1998 – 1 AZR 704/97 – AP Nr. 98 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu II 2b aa der Gründe). Vielmehr waren nach § 87 BetrVG Meinungsverschiedenheiten über die Höhe der Anrechnung bei den einzelnen Arbeitnehmern im Rahmen des von der Arbeitgeberin vorgegebenen Einsparvolumens im Verhandlungswege oder erforderlichenfalls durch Spruch der Einigungsstelle zu überwinden. Nur wenn die Arbeitgeberin ihre danach bestehenden Pflichten verletzt haben sollte, wäre die Anrechnung unwirksam gewesen.
bb) Insoweit bedarf es noch weiterer tatsächlicher Ermittlungen. In den Vorinstanzen blieb nämlich ungeklärt, worin die Meinungsverschiedenheit der Betriebspartner bestand. Sollte sich der Betriebsrat den von der Arbeitgeberin vorgeschlagenen Anrechnungen nicht mit dem Ziel einer anderen Verteilung widersetzt, sondern lediglich eine insgesamt niedrigere Anrechnung gefordert haben, so wäre sein Widerspruch mitbestimmungsrechtlich unbeachtlich gewesen. Er hätte sich dann allein gegen die Festlegung des Zulagenvolumens gerichtet, bei der kein Mitbestimmungsrecht besteht. In diesem Fall hätte es der Arbeitgeberin freigestanden, die unzulässige Blockade dadurch zu vermeiden, daß sie in eine mitbestimmungsfreie Anrechnungsform auswich. Nach dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit war sie nämlich nur gehalten, hinsichtlich mitbestimmungspflichtiger Entscheidungen eine Einigung mit dem Betriebsrat zu suchen. Dem steht nicht entgegen, daß ein derartiges Ausweichen die Einflußmöglichkeiten des Betriebsrats beschränkt. Es handelt sich hierbei um eine Folge der Entscheidung des Gesetzes, die Festlegung des Dotierungsrahmens dem Arbeitgeber alleine zu überlassen und ihm für die Anrechnung von Tariferhöhungen neben mitbestimmungspflichtigen auch mitbestimmungsfreie Gestaltungsformen zur Verfügung zu stellen.
Tatsächlich hat die Arbeitgeberin versucht, in der beschriebenen Weise auszuweichen. Die schließlich vorgenommene Anrechnung war vollständig. Dem steht nicht entgegen, daß die Arbeitgeberin im Verlauf der Jahre 1993 und 1994 verschiedentlich neue Zulagen gewährt hat. Allerdings kann sich aus dem Zusammenhang der – bei isolierter Betrachtung vollständigen – Anrechnung einer Tariferhöhung mit der Gewährung zusätzlicher Leistungen ergeben, daß der Arbeitgeber nur scheinbar seine Anrechnungsmöglichkeit voll ausgeschöpft, in Wirklichkeit aber einen Teil des Zulagenvolumens umverteilt hat. Ein solcher Vorgang ist mitbestimmungspflichtig, weil er Gestaltungsspielräume läßt. Bei der mitbestimmungsrechtlichen Beurteilung sind neue Zulagen indessen nur dann zu berücksichtigen, wenn sie zusammen mit der umstrittenen Anrechnung auf einer einheitlichen Konzeption des Arbeitgebers beruhen. Zwischen Anrechnung und Neuvergabe muß ein unmittelbarer Zusammenhang in dem Sinne bestehen, daß der Arbeitgeber durch die Anrechnung Spielräume schaffen und für neue Leistungen nutzen will (BAGE 79, 96, 101 f. = AP Nr. 71 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu B II 3a und b der Gründe). Für eine derartige Konzeption gibt es hier indessen keine Anhaltspunkte. Gegen sie spricht überdies, daß die neuen übertariflichen Leistungen, auf die sich der Kläger stützt, zwischen dem 1. März 1993 und dem 1. Dezember 1994 weit gestreut gewährt wurden. Angesichts dessen ist der Vortrag der Beklagten plausibel, die Zulagen hätten sich – gewissermaßen routinemäßig – aus Entwicklungen in den Arbeitsverhältnissen der betroffenen Arbeitnehmer ergeben. Soweit der Kläger diesen Begründungen im einzelnen entgegengetreten ist, hat er im wesentlichen nur die Berechtigung der Zulagen in Frage gestellt. Auf diese Bewertung kommt es aber im vorliegenden Zusammenhang nicht an.
cc) Das Landesarbeitsgericht muß danach bei der erneuten Verhandlung der Frage nachgehen, wie es dazu gekommen ist, daß die Beklagte das Ziel einer hälftigen Anrechnung aufgab, nachdem sie auf den Widerstand des Betriebsrats gestoßen war. Wenn es ihr nur darum gegangen sein sollte, eigene Verteilungsgrundsätze ohne Abstriche durchzusetzen und die Alternative der vollständigen Anrechnung dabei als Druckmittel einzusetzen, hätte sie das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verletzt. Dafür könnten sich immerhin Anhaltspunkte in ihrem Schreiben an die Belegschaft vom 26. Mai 1993 finden, das keinerlei Verhandlungsspielräume vorzusehen scheint.
B. Die Revision des Klägers ist ebenfalls begründet. Die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil, welche die Abweisung der Klage bezüglich der Verrechnung eines Teils der Zulage des Klägers mit der Tariferhöhung 1994 in Höhe von 60,00 DM monatlich betreffen, sind nicht geeignet, die Entscheidung zu tragen.
Zu Unrecht ist das Landesarbeitsgericht insoweit ohne weiteres von einer vollständigen Anrechnung ausgegangen. Die einzigen tatsächlichen Feststellungen, auf die es sich hinsichtlich des Vorgehens der Beklagten stützen kann, sind außer im tatsächlichen Vollzug der Anrechnung in dem Schreiben vom 26. Mai 1993 enthalten, mit dem die Belegschaft über das geplante Vorgehen unterrichtet worden war. In diesem Schreiben wurde indessen die – je nach Verhalten des örtlichen Betriebsrats teilweise oder vollständige – Anrechnung für die “ab 1. März 1993 gültigen jeweiligen Tarifabschlüsse” angekündigt. Die Verwendung des Plurals legt die Annahme nahe, die Regelung habe, beginnend mit dem Abschluß für 1993, bis auf weiteres alle Tariferhöhungen erfassen sollen. Allerdings ist dies nicht zwingend. Die Formulierung kann auch so verstanden werden, daß eine Mehrzahl von Tarifabschlüssen im Jahr 1993 gemeint war, etwa für Arbeiter und Angestellte oder in verschiedenen Tarifgebieten. Es sind indessen keine Tatsachen vorgetragen oder festgestellt, aus denen sich ergeben würde, daß die Arbeitgeberin hinsichtlich der Tariferhöhung 1994 anders vorgegangen wäre als bei der Anrechnung derjenigen von 1993. Insoweit wird das Landesarbeitsgericht den Parteien noch Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben.
Sollte die Beklagte bei der Anrechnung der Tariferhöhung 1994 in gleicher Weise verfahren sein wie 1993, so wären hinsichtlich möglicher Ansprüche des Klägers dieselben individual- und betriebsverfassungsrechtlichen Erwägungen maßgeblich wie für die Anrechnung aus Anlaß der Tariferhöhung 1993 (oben A). Sollte die Beklagte dagegen die Tariferhöhung von 1994 von vornherein vollständig angerechnet haben, so wäre sie wirksam gewesen und ein Zahlungsanspruch des Klägers bezüglich der hiervon betroffenen 60,00 DM monatlich ohne weiteres zu verneinen.
Unterschriften
Rost, Müller-Glöge, Wißmann, Schneider, Wisskirchen
Fundstellen