Entscheidungsstichwort (Thema)
Tariflicher Abfindungsanspruch bei Weiterbeschäftigung
Leitsatz (redaktionell)
vgl. Senatsurteil vom 11. Juli 1995 (– 3 AZR 154/95 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen)
Normenkette
TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel, § 4; BGB §§ 242, 134, 613a, 164; AGB-DDR 1990 §§ 59a, 60, 16a; Tarifvertrag über die Milderung wirtschaftlicher Nachteile im Zusammenhang mit der Privatisierung vom 14. August 1991 (GPH-TV II) §§ 2-3
Verfahrensgang
Thüringer LAG (Urteil vom 16.06.1994; Aktenzeichen 4 Sa 440/93) |
ArbG Jena (Urteil vom 18.02.1993; Aktenzeichen 2 Ca 16/92 a) |
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 16. Juni 1994 – 4 Sa 440/93 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Jena vom 18. Februar 1993 – 2 Ca 16/92 a – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob die Klägerin einen Abfindungsanspruch aus dem Tarifvertrag über die Milderung wirtschaftlicher Nachteile im Zusammenhang mit der Privatisierung (GPH- TV II) hat, den die Gesellschaften des Geschäftsbereichs der Gesellschaft zur Privatisierung des Handels mbH am 14. August 1991 mit der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft abgeschlossen haben.
Zu den Tarifvertragsparteien auf Arbeitgeberseite gehörte die H GmbH i.A., J, in der die H J aufgegangen und deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist. In diesem Unternehmen war die am 8. Juli 1936 geborene Klägerin seit dem 1. März 1979 tätig. Sie arbeitete zuletzt arbeitstäglich sechs Stunden als Verkäuferin im Modehaus E am E -Platz in J für einen Monatslohn von 802,28 DM brutto.
Seit Anfang/Mitte 1990 fanden Gespräche zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und der N -Gruppe statt, die an der Übernahme des E -Kaufhauses interessiert war. Sie wollte es als Textilkaufhaus weiterführen, teilweise aber auch als „Technikwelt” und als Reisebüro betreiben. Die Gespräche mündeten in einen Mietvertrag zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und der N -AG über das Gewerbeobjekt E – -Platz. Mietbeginn war der 1. September 1990. Die Mieterin erwarb zugleich den Warenbestand des Kaufhauses und das gesamte Inventar. Vor Abschluß des Mietvertrages sagte die N -AG zugleich zu, sie werde 30 Mitarbeiter der Rechtsvorgängerin der Beklagten übernehmen.
Die Klägerin bewarb sich auf eine dieser Stellen und wurde ab dem 1. Oktober 1990 als Verkäuferin in der F J der N -AG beschäftigt. Am gleichen Tag unterzeichnete die Klägerin einen Aufhebungsvertrag zum 30. September 1990 mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, deren Geschäftsführer den Aufhebungsvertrag bereits am 21. September 1990 unterschrieben hatte. In dem Aufhebungsvertrag wird als Grund für die Auflösung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses genannt: „Übernahme der Filiale durch die Firma N „.
Am 6. November 1990 schloß die Klägerin mit der N -AG einen Arbeitsvertrag, demzufolge sie mit Wirkung zum 1. Oktober 1990 in deren Unternehmen eintrat. Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Stunden wurde zunächst ein Monatsgehalt von 669,– DM versprochen, das ab dem 1. November 1990 auf 803,– DM erhöht wurde. Dabei wurde ein Teilbetrag von 244,– DM als widerrufliche und anrechenbare freiwillige Ausgleichszulage bezeichnet. Im Arbeitsvertrag ist eine Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende vorgesehen.
Die Klägerin, die Mitglied der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft ist, hat die Auffassung vertreten, aufgrund des Aufhebungsvertrages vom 1. Oktober 1990 und der daran anschließenden Neueinstellung durch die N -AG stehe ihr ein Abfindungsanspruch nach dem GPH-TV II vom 14. August 1991 zu.
In diesem Tarifvertrag heißt es u.a.:
„§ 1
Zielsetzung
Die Tarifvertragsparteien haben am 06.02.1991 einen Tarifvertrag abgeschlossen, die für die ab dem 15.10.1990 bzw. nach dem 01.01.1991 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Arbeitnehmer Leistungen vorsehen. Sie schließen nunmehr auch für die vor diesen Terminen entlassenen Arbeitnehmer insoweit eine ergänzende Regelung ab, als die Entlassung auf der gleichen Betriebsänderung beruht. Der für die Regelung erforderliche Zusammenhang wird für die in der Anlage angeführten Unternehmen bejaht.
§ 2
Geltungsbereich
1. Der Tarifvertrag gilt für alle Arbeitnehmer, die durch Arbeitgeberkündigung oder einvernehmlich durch Aufhebungsvertrag auf Veranlassung des Arbeitgebers vom 01.07.1990 bis 31.12.1990 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind und auf die der Tarifvertrag vom 06.02.1991 nicht anwendbar ist.
…
§ 3
Regelabfindung
Alle Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis gemäß § 2 beendet worden ist …, erhalten eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes in Höhe von 25 % des Bruttomonatseinkommens pro anrechnungsfähigem Beschäftigungsjahr. Maßgebend ist das Einkommen, das der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezogen hat.”
Im Tarifvertrag über die Qualifizierung und Milderung wirtschaftlicher Nachteile im Zusammenhang mit der Privatisierung vom 6. Februar 1991 (GPH-TV I), auf den der GPH-TV II in § 1 und § 2 Bezug nimmt, heißt es u.a.:
„§ 2
Geltungsbereich
1. Der Tarifvertrag gilt
- für alle Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis durch eine nach dem 31.12.1990 zugegangene Arbeitgeberkündigung oder einvernehmlich durch Aufhebungsvertrag auf Veranlassung des Arbeitgebers beendet wird,
- für alle Arbeitnehmer gem. § 4.
2. § 8 Abs. 1 und 2 des Tarifvertrages gilt auch für Arbeitnehmer, die
- nach dem 15.10.1990 gekündigt worden sind und deren Arbeitsverhältnis nach dem 31.12.1990 endet,
- am 15.10.1990 das 55. Lebensjahr vollendet haben und nach dem 15.10.1990 ausgeschieden sind.
…
§ 8
Abfindung
1. Alle Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nicht auf einen neuen Arbeitgeber übergeht und gekündigt oder auf Veranlassung des Arbeitgebers durch Aufhebungsvertrag beendet wird, erhalten eine Abfindung in Höhe von 25 % ihres tariflichen Bruttomonatseinkommens pro anrechnungsfähigem Beschäftigungsjahr.
…”
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe den tarifvertraglichen Abfindungsanspruch in der rechnerisch unstreitigen Höhe von 2.206,– DM, weil es nicht zu einer Übernahme ihres Arbeitsverhältnisses nach § 613 a BGB gekommen sei. Weder der Aufhebungsvertrag vom 1. Oktober 1990 noch der neue Arbeitsvertrag habe lediglich deklaratorische Bedeutung gehabt. Sie habe vielmehr tatsächliche Einbußen im neuen Arbeitsverhältnis hinnehmen müssen.
Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.206,– DM zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, ein Abfindungsanspruch nach dem GPH-TV II stehe nur solchen Mitarbeitern zu, die auf betriebliche Veranlassung ihren Arbeitsplatz verloren hätten. Arbeitnehmer, deren Beschäftigungsverhältnisse von einem Erwerber des Betriebes übernommen worden seien, hätten keinen Anspruch. Hierzu zähle auch die Klägerin. Daß vor der Übernahme des Arbeitsverhältnisses ein Aufhebungsvertrag abgeschlossen worden sei, stehe dem nicht entgegen. Man habe diese Vorgehensweise gewählt, weil sich die N -AG damit schwergetan habe, die aus § 613 a BGB sich ergebenden Rechtsfolgen anzuerkennen. Im Verhältnis zur Klägerin komme es hierauf aber nicht an, weil die Klägerin tatsächlich, was auch bereits bei Abschluß des Aufhebungsvertrages festgestanden habe, von der N -AG weiterbeschäftigt worden sei. Dem Aufhebungsvertrag, der offenbar in Unkenntnis des § 59 a AGB-DDR in der geänderten Fassung vom 22. Juni 1990 abgeschlossen worden sei, komme angesichts dessen nur deklaratorische Bedeutung zu. Es sei darum gegangen, die Beendigung des Vertragsverhältnisses mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu dokumentieren, nachdem festgestanden habe, daß die Klägerin ohne erhebliche Verschlechterungen von der Betriebsübernehmerin weiterbeschäftigt werde.
Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Mit ihrer Revision strebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage an.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen hat die Klägerin keinen Abfindungsanspruch nach dem GPH-TV II.
I. Der GPH-TV II ist allerdings rechtswirksam zustande gekommen.
1. Die Gesellschaften, in denen die früheren Handelsorganisations-Betriebe aufgegangen sind, darunter auch die Rechtsvorgängerin der Beklagten, haben die zulässige Konstruktion eines mehrgliedrigen Firmentarifvertrages gewählt und sich beim Tarifabschluß von den Geschäftsführern der Gesellschaft zur Privatisierung des Handels wirksam vertreten lassen (§ 2 Abs. 3 GPH-TV II). Mehrere tariffähige Parteien, also auch mehrere einzelne Arbeitgeber, können mit einer Gewerkschaft gleichlautende Tarifverträge abschließen. Sie können diese Tarifverträge aber auch in einem Tarifwerk zusammenfassen, indem sie auf der Arbeitgeberseite gemeinschaftlich auftreten. Beim Abschluß eines solchen mehrgliedrigen Tarifvertrages können sie sich nach den allgemeinen Vertretungsregeln (§§ 164 ff. BGB) durch einen Dritten vertreten lassen (BAG Urteil vom 10. November 1993 – 4 AZR 184/93 – AP Nr. 43 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel, unter A I der Gründe; Däubler, Tarifvertragsrecht, 3. Aufl., Rz 107; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rz 341 f.; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl., S. 1495; Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 2 Rz 64).
2. Auch der Inhalt des GPH-TV II begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Der Tarifvertrag verstößt insbesondere nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.
Der Tarifvertrag knüpft zwar an Beendigungstatbestände an, die zum Zeitpunkt des Tarifabschlusses schon mehrere Monate abgeschlossen waren. Dies ist aber jedenfalls bei einem Firmentarifvertrag von vornherein nicht zu beanstanden. Ein einzelner Arbeitgeber, der sich bereit erklärt, im Hinblick auf abgeschlossene Lebenssachverhalte eine zusätzliche Leistung an frühere Arbeitnehmer zu erbringen, kann sich hierzu in einem Tarifvertrag ebenso verpflichten, wie er mit einem früheren Arbeitnehmer eine entsprechende Vereinbarung treffen könnte. Ein schützenswertes Vertrauen, wegen abgeschlossener Sachverhalte nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, kann sich für einen Arbeitgeber allenfalls gegenüber einem Verbandstarifvertrag ergeben, an dessen Zustandekommen er nicht unmittelbar beteiligt war.
II. Für die tarifgebundene Klägerin kommen an sich auch eigene Rechte aus dem GPH-TV II in Betracht. Der Tarifvertrag wirkt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht lediglich schuldrechtlich zwischen den Tarifvertragsparteien.
Der GPH-TV II bestimmt Rechtsfolgen aus der Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Er enthält damit typische tarifliche Inhaltsnormen i.S. von § 1 TVG, die nach § 4 Abs. 1 TVG im Geltungsbereich des Tarifvertrages unmittelbar und zwingend zu Gunsten und zu Lasten der Tarifgebundenen wirken. Dem steht nicht entgegen, daß die Arbeitsverhältnisse der betreffenden Arbeitnehmer bei Abschluß des Tarifvertrages bereits längere Zeit beendet waren. In seinem Urteil vom 10. Oktober 1989 (– 3 AZR 200/88 – AP Nr. 3 zu § 1 TVG Vorruhestand) hat der Senat die andersgelagerte Frage offengelassen, ob die Tarifvertragsparteien auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses das sich anschließende Rechtsverhältnis regeln können (vgl. hierzu Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, S. 234; Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 1 Rz 143).
Im vorliegenden Fall ist nicht ein sich an das beendete Arbeitsverhältnis anschließendes Rechtsverhältnis, sondern die Beendigung des Arbeitsverhältnis selbst geregelt worden. Die Tarifvertragsparteien haben an eine bestimmte, für eine tarifvertragliche Regelung typische Konstellation, die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, bestimmte Rechtsfolgen geknüpft. Daß sie dies zu einem Zeitpunkt getan hat, als die betreffenden Arbeitnehmer nicht mehr Arbeitnehmer des im Tarifvertrag verpflichteten Arbeitgebers waren, ist eine Frage zulässiger Rückwirkung, nicht der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien.
Die Beklagte beruft sich in diesem Zusammenhang zu Unrecht auf das Senatsurteil vom 13. September 1994 (– 3 AZR 148/94 – n.v.). Es ging dort um die ganz andere, bei § 613 a BGB angesiedelte Problematik, ob ein Firmentarifvertrag, der nach der Veräußerung eines Betriebsteils abgeschlossen worden ist, den Erwerber des Betriebsteils noch verpflichten kann.
III. Der von der Klägerin geltend gemachte Abfindungsanspruch aus § 2 Abs. 1, § 3 GPH-TV II besteht aber deshalb nicht, weil die Klägerin die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt. Sie ist nicht zwischen dem 1. Juli und dem 31. Dezember 1990 einvernehmlich durch Aufhebungsvertrag auf Veranlassung des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden.
1. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten und die Klägerin haben am 1. Oktober 1990 einen Aufhebungsvertrag geschlossen.
Der Wortlaut des schriftlich abgeschlossenen Vertrages ist eindeutig. Mit „Aufhebungsvertrag” überschrieben bestimmt er, daß die Rechtsvorgängerin der Beklagten und die Klägerin den zwischen ihnen bestehenden Arbeitsvertrag einvernehmlich auflösen, weil der Betrieb, in dem die Klägerin zuletzt beschäftigt worden war, übernommen wird. Es kann sein, daß die für die Rechtsvorgängerin der Beklagten handelnden Personen die Rechtsfolgen des § 59 a AGB-DDR 1990 nicht kannten, wie die Beklagte meint. Dieser Vortrag steht allerdings im einem gewissen Widerspruch zu dem Vorbringen der Beklagten, der Aufhebungsvertrag sei abgeschlossen worden, weil die N -AG sich damit schwergetan habe, die sich aus § 613 a BGB ergebenden Rechtsfolgen anzuerkennen. Einer Sachaufklärung in diesem Punkt bedarf es nicht. Beide von der Beklagten genannten Gründe für den Abschluß des Aufhebungsvertrages deuten darauf hin, daß die Parteien am 1. Oktober 1990 ihre Arbeitsrechtsbeziehungen durch rechtsgestaltenden Vertrag beenden und nicht lediglich den Arbeitgeberwechsel dokumentieren wollten.
2. Der Aufhebungsvertrag vom 1. Oktober 1990 ist jedoch wegen Umgehung des § 59 a Abs. 1 AGB-DDR 1990 nach § 16 a AGB-DDR 1990 nichtig. Die Klägerin ist deshalb auch nicht aufgrund des Aufhebungsvertrages aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden.
a) Bei der Anwendung des § 59 a AGB-DDR 1990 sind die Rechtsgrundsätze maßgebend, die zu § 613 a BGB entwickelt worden sind. § 59 a AGB-DDR 1990 hat § 613 a BGB zum 1. Juli 1990 im wesentlichen wörtlich in das Arbeitsrecht der Deutschen Demokratischen Republik übernommen. Der Gesetzgeber der Deutschen Demokratischen Republik hat sich damit entsprechend Art. 17 des Vertrages über die Schaffung der Währungs-, Wirtschaftsund Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. Mai 1990 (BGBl. II S. 537) verhalten, wonach die Grundsätze der Arbeitsrechtsordnung entsprechend dem Recht der Bundesrepublik Deutschland gelten.
b) Die N -AG hat das Modehaus E am E – -Platz in J im Sinne des bis zum 2. Oktober 1990 in der damaligen Deutschen Demokratischen Republik geltenden § 59 a AGB- DDR mit Wirkung vom 1. September 1990 durch Rechtsgeschäft von der Rechtsvorgängerin der Beklagten erworben. Sie hat durch Mietvertrag den Besitz an dem Objekt übernommen, dessen Warenbestand und Inventar angekauft und das am Markt eingeführte Geschäft auch in seiner bisherigen Funktion als Textilkaufhaus weitergeführt (vgl. BAGE 53, 267 = AP Nr. 58 zu § 613 a BGB).
c) Der Aufhebungsvertrag vom 1. Oktober 1990 diente objektiv der Umgehung der zwingenden Rechtsfolgen des § 59 a Abs. 1 Satz 1 AGB-DDR 1990 und ist deshalb nach § 16 a AGB-DDR 1990 nichtig.
aa) Es ist grundsätzlich von Rechts wegen nicht zu beanstanden, wenn ein Arbeitnehmer, der weder beim Betriebsveräußerer noch beim Betriebserwerber weiterarbeiten will, mit dem Betriebsveräußerer einen Aufhebungsvertrag abschließt. Der Arbeitnehmer eines durch Betriebsveräußerung übertragenen Betriebsteils kann durch Widerspruch verhindern, daß sein Arbeitsverhältnis auf den Betriebserwerber übergeht (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 22. April 1993 – 2 AZR 313/92 – AP Nr. 102 zu § 613 a BGB, unter B III und IV der Gründe, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Er muß auch die Möglichkeit haben, sein Arbeitsverhältnis einvernehmlich mit dem Betriebsveräußerer aufzuheben, wenn er an seinem bisherigen Arbeitsplatz in keinem Falle mehr weiterarbeiten will.
bb) Etwas anderes gilt aber dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, zwischen den Parteien des Aufhebungsvertrages feststeht, daß der Arbeitnehmer beim Betriebserwerber weiterbeschäftigt werden soll. In einem solchen Fall kann es beim Abschluß eines Aufhebungsvertrages nur darum gehen, die Kontinuität des Arbeitsverhältnisses zu unterbrechen, wodurch der Arbeitnehmer die bisher erdienten Besitzstände verlieren soll. Einen solchen Verlust will die zwingende Schutznorm des § 59 a Abs. 1 AGB-DDR 1990 ebenso wie § 613 a BGB verhindern. Ein Aufhebungsvertrag, der nach seiner Funktion diesen Schutz umgeht, ist nach § 16 a ABG-DDR 1990, der eine Abweichung von gesetzlichen Schutzvorschriften zu Ungunsten des Arbeitnehmers verbot, nichtig (vgl. zum inhaltsgleichen § 613 a BGB: BAGE 70, 209, 213 = AP Nr. 14 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung, unter II 1 der Gründe, im Anschluß an BAGE 55, 229 = AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung; im Ergebnis ebenso schon BAG Urteil vom 28. April 1988 – 2 AZR 623/87 – AP Nr. 74 zu § 613 a BGB, zu IV 1 c der Gründe = NZA 1989, 265, 268).
3. Da der Aufhebungsvertrag vom 1. Oktober 1990 nichtig ist, endete das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund dieses Aufhebungsvertrages.
Darauf, daß die Klägerin sich nicht innerhalb der Einspruchsfrist des § 60 AGB-DDR 1990 auf die Nichtigkeit des Aufhebungsvertrages berufen hat, kommt es nicht an.
Es ist schon zweifelhaft, ob diese Vorschrift in der vorliegenden Fallkonstellation überhaupt anwendbar ist. Einer am Sinn und Zweck orientierten Auslegung des § 60 AGB-DDR 1990 könnte man entnehmen, daß es hier eines Einspruchs innerhalb von drei Wochen nicht bedurfte; es ging nicht darum, daß ein Arbeitgeber binnen kurzer Zeit Gewißheit haben mußte, ob das durch Aufhebungsvertrag förmlich beendete Arbeitsverhältnis tatsächlich geendet hat; wenn die tatsächliche Weiterbeschäftigung beim Betriebserwerber feststeht, ist in der Sache nur der Inhalt des neuen Arbeitsverhältnisses umstritten. Die Frage kann letztlich offen bleiben.
Die Pflicht, Einwände gegen die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses innerhalb von drei Wochen nach § 60 AGB-DDR 1990 gegenüber den Schiedsstellen für Arbeitsrecht oder den Kreisgerichten geltend zu machen, endete mit dem 3. Oktober 1990. Zu diesem Zeitpunkt war die Einspruchsfrist für die Klägerin nicht abgelaufen. Damit konnte die Klägerin nach Außerkrafttreten des § 60 AGB-DDR 1990 innerhalb der für das Recht der Bundesrepublik Deutschland geltenden Grenzen jederzeit die Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages geltend machen.
IV. Der Beklagten ist es nicht nach § 242 BGB verwehrt, sich auf die Nichtigkeit des Aufhebungsvertrages zu berufen.
1. Auch die Berufung auf eine absolute Nichtigkeit nach § 134 BGB kann eine unzulässige Rechtsausübung sein. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn sich eine Partei zu ihrem Vorteil auf einen eigenen Verstoß gegen eine zugunsten des Vertragspartners bestehende Schutznorm beruft. Dabei muß aber beachtet werden, in welchem Verhältnis der mit dem nichtigen Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu der Rechtsfolge steht, die durch die Berufung auf die Nichtigkeit vermieden werden soll: Wer Kündigungen ausspricht, um einen Betrieb stillzulegen, kann sich gegenüber der daraus von Gesetzes wegen folgenden Sozialplanpflichtigkeit nicht darauf berufen, die Kündigungen seien wegen Verstoßes gegen § 613 a Abs. 4 BGB rechtsunwirksam, weil sein Betrieb durch Rechtsgeschäft übernommen worden sei (BAG Beschluß vom 27. Juni 1995 – 1 ABR 62/94 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
2. Grundsätzlich anders verhält es sich im vorliegenden Fall: Mit dem von der Rechtsvorgängerin der Beklagten veranlaßten Aufhebungsvertrag war nicht bezweckt, daß die Klägerin ihren Arbeitsplatz verlor. Die Weiterbeschäftigung der Klägerin im privatisierten Betrieb war vielmehr Geschäftsgrundlage des Aufhebungsvertrages. Der Vertrag ist erst abgeschlossen worden, nachdem die Weiterbeschäftigung der Klägerin durch die N -AG feststand, und im Hinblick auf diese Weiterbeschäftigung. Er diente nach seiner objektiven Funktion allein dazu, die Kontinuität des Arbeitsverhältnisses zu beseitigen bei gleichzeitiger Erhaltung des Arbeitsplatzes. Selbst wenn die Rechtsvorgängerin der Beklagten diesen Zweck durch einen wirksamen Aufhebungsvertrag erreicht hätte, hätte sie nicht den Zustand herbeigeführt, um dessentwillen §§ 2 und 3 GPH-TV II einen Abfindungsanspruch eingeräumt haben. Sie ist damit auch nicht gehindert, sich im Rahmen dieser Anspruchsgrundlage auf die Nichtigkeit des Aufhebungsvertrags zu berufen. Im GPH-TV II geht es ebensowenig wie im GPH- TV I darum, inhaltliche Einbußen durch Besitzstandsverluste im Arbeitsverhältnis auszugleichen. Der Gesellschaft zur Privatisierung des Handels als Vertreterin der HO-Nachfolgegesellschaften und den zuständigen Gewerkschaften ging es vorrangig darum, bei der Privatisierung der HO-Betriebe die Arbeitsplätze als solche soweit als möglich zu erhalten. Nur wenn dieses Ziel verfehlt wird, entsteht nach dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien des GPH-TV I, dessen zeitlichen Geltungsbereich der GPH- TV II lediglich erweitert hat, der Abfindungsanspruch (vgl. Senatsurteil vom 13. April 1994 – 3 AZR 936/93 – AP Nr. 45 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel, zu A I 2 b der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
Ob etwas anderes gilt, wenn der betreffende Arbeitnehmer im übernommenen Betrieb grundsätzlich anders als zuvor beschäftigt wird, so daß nicht von einem Erhalt des ursprünglichen Arbeitsplatzes gesprochen werden kann, kann dahinstehen. Die Klägerin ist von der N -AG im übernommenen Betrieb im wesentlichen unverändert als Verkäuferin weiterbeschäftigt worden.
Unterschriften
Kremhelmer, Mikosch, Bepler, Schwarze, Schoden
Fundstellen