Leitsatz (redaktionell)
(Kündigungsfrist bei Fortsetzung nach § 625 BGB)
Für die ordentliche Kündigung eines über die vorgesehene Vertragszeit hinaus nach § 625 BGB auf unbestimmte Zeit fortgesetzten Arbeitsverhältnisses gelten die vertraglich vereinbarten und nicht die gesetzlichen Fristen zumindest dann, wenn die vereinbarte Kündigungsregelung aufgrund der Auslegung des ursprünglichen Vertrages auch auf den Fall der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu beziehen ist oder die Parteien bei Fortsetzung der Arbeit eine entsprechende - konkludente - Vereinbarung getroffen haben.
Orientierungssatz
Die Fortsetzung des Dienst- und Arbeitsverhältnisses nach § 625 BGB ist nach herrschender Meinung ein Tatbestand des schlüssigen Verhaltens kraft gesetzlicher Fiktion.
Normenkette
BGB § 625
Verfahrensgang
LAG Berlin (Entscheidung vom 09.12.1987; Aktenzeichen 6 Sa 77/87) |
ArbG Berlin (Entscheidung vom 15.07.1987; Aktenzeichen 8 Ca 141/87) |
Tatbestand
Der nicht kraft Verbandszugehörigkeit tarifgebundene Kläger trat am 26. Januar 1987 zunächst für eine befristete Probezeit als gewerblicher Arbeitnehmer in die Dienste der Beklagten. Der schriftliche "Arbeitsvertrag für die Dauer der Probezeit" vom 3. Februar 1987 regelt u.a. folgendes:
".....
3. Die Probezeit (tatsächliche Beschäftigung)
beträgt 5 Wochen, d.h. voraussichtlich bis
zum 27.02.87.
.....
4. Die Kündigungsfrist während der Probezeit
beträgt 1 Arbeitstag zum Schichtschluß.
.....
Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf der Be-
fristung gemäß Ziffer 3, sofern die Fortsetzung
des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der Probe-
zeit nicht gesondert schriftlich vereinbart
wird.
Das Arbeitsverhältnis endet spätestens mit Ab-
lauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer das
65. Lebensjahr vollendet.
5. Gelten für einen Vertragspartner durch Gesetz
oder Tarifvertrag längere Kündigungsfristen,
gelten sie in gleicher Weise für den anderen
Vertragspartner, ohne daß es einer weiteren Ver-
einbarung bedarf.
.....
17. Im übrigen gelten für das Arbeitsverhältnis die
jeweiligen Tarifbestimmungen für die Berliner
Metallindustrie, die innerbetrieblichen Arbeits-
und Dienstvorschriften sowie die Betriebsordnung.
....."
Der Manteltarifvertrag für die Arbeiter in der Berliner Metallindustrie (MTV 1984) vom 4. Juli 1984 (in Kraft getreten am 1. April 1985) enthält bezüglich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgende Bestimmungen:
"§ 11
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
I. Kündigungsfristen
1. Das Arbeitsverhältnis kann beiderseits
gelöst werden
a) während der ersten 5 Wochen mit ein-
tägiger Kündigungsfrist zum Schicht-
schluß;
b) von der 6. bis zur 10. Woche der
Beschäftigung mit einer Kündigungs-
frist von 3 Arbeitstagen zum Schicht-
schluß;
c) von der 11. Woche der Beschäftigung
an bis zum Ablauf des 4. Jahres der
Beschäftigung mit einer Kündigungs-
frist von 2 Wochen jeweils zum Wochen-
schluß;
d) vom 5. Jahr der Beschäftigung an mit
einer Kündigungsfrist von einem Monat
jeweils zum Monatsschluß.
2. Nach mindestens zehnjähriger ununterbro-
chener Unternehmens- oder Betriebszuge-
hörigkeit - gerechnet ab dem vollendeten
45. Lebensjahr - kann das Arbeitsverhält-
nis durch den Arbeitgeber nur aus wich-
tigem Grunde gekündigt werden.
Dies gilt nicht nach Eintritt der Erwerbs-
unfähigkeit sowie nach Erreichung der
Altersgrenze in der gesetzlichen Renten-
versicherung. Dies gilt ferner nicht für
eine Änderungskündigung gegenüber Bezie-
hern von Rente wegen Berufsunfähigkeit,
auch wenn diese Änderungskündigung zur
Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt.
Bei Betriebsstillegung ist die Kündigung
zum Zeitpunkt der endgültigen Betriebs-
schließung zulässig.
3. Im übrigen gelten die längeren gesetzli-
chen Kündigungsfristen (§ 622 Abs. 2
Satz 2 BGB).
....."
Die Beklagte gehört dem Arbeitgeberverband der Berliner Metallindustrie an und vereinbart grundsätzlich in sämtlichen Arbeitsverträgen mit den von ihr eingestellten Arbeitnehmern die Geltung der tariflichen Bestimmungen für die Berliner Metallindustrie.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde nach Ablauf der Probezeit über den 27. Februar 1987 hinaus unverändert fortgesetzt. Ein neuer Arbeitsvertrag wurde nicht abgeschlossen.
Am Freitag, den 13. März 1987, wurde dem Kläger von dem Betriebsleiter der Beklagten mitgeteilt, er solle am folgenden Samstag, den 14. März 1987, dringende Reparaturarbeiten ausführen. Nachdem der Kläger diese Anordnung nicht befolgte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis am 16. März 1987 mündlich zum 20. März 1987. Sie bestätigte die mündlich ausgesprochene Kündigung mit Schreiben vom 17. März 1987. Dabei legte die Beklagte eine tarifliche Kündigungsfrist von drei Arbeitstagen zum Schichtschluß nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 b MTV 1984 zugrunde.
Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen die in der ordentlichen Kündigung vorgesehenen Kündigungsfrist und verlangt die Einhaltung einer Frist von zwei Wochen.
Er hat vorgetragen, das Arbeitsverhältnis habe nur mit einer Frist von zwei Wochen zum 30. März 1987 gekündigt werden können. Aufgrund der widerspruchslosen Weiterbeschäftigung nach Ablauf der Probezeit gelte das Arbeitsverhältnis nach § 625 BGB als auf unbestimmte Zeit verlängert. Demgemäß seien nunmehr die vertraglich für die Probezeit vereinbarten Kündigungsfristen durch die gesetzlichen Fristen nach § 620 Abs. 2 BGB in Verb. mit § 622 BGB abgelöst worden. Da das Arbeitsverhältnis mithin erst zum 30. März 1987 geendet habe, könne er bis dahin noch Lohn aus Annahmeverzug verlangen.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, daß sein Arbeitsverhält-
nis bis zum 30. März 1987 fortbestanden
hat,
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn
720,-- DM brutto zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, die Kündigung sei nach § 11 Abs. 1 MTV 1984 fristgerecht ausgesprochen worden. Das Arbeitsverhältnis sei mit sämtlichen bisherigen Vereinbarungen, also auch bezüglich seiner Beendigung, über den 27. Februar 1987 hinaus auf unbestimmte Zeit fortgesetzt worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen eingelegte Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klageziel weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, die Beklagte habe die wirksam vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist von drei Tagen zum Schichtschluß nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 b MTV 1984 gewahrt, im wesentlichen wie folgt begründet:
Nach § 625 BGB gelte das nach dem Ablauf der Dienstzeit vom Verpflichteten mit Wissen des anderen Teiles fortgesetzte Dienstverhältnis als auf unbestimmte Zeit verlängert, sofern nicht der andere Teil unverzüglich widerspreche. Das bedeute für ein Arbeitsverhältnis mit Rücksicht auf die dem Arbeitnehmer erkennbare Interessenlage des Arbeitgebers, die Beziehungen zu sämtlichen Arbeitnehmern seines Betriebs nach einheitlichen Regelungen abzuwickeln, daß ein Arbeitsverhältnis zu den betrieblichen Bedingungen fingiert werde. Bei einer umfassenden Bezugnahme auf die einschlägigen Tarifverträge liege dann insoweit eine konkludente Vereinbarung vor, die auch die entsprechenden tariflichen Kündigungsfristen umfasse, aus denen sich zumeist bereits nach kurzer Zeit eine Verlängerung der jeweils zu beachtenden Fristen ergebe. Gegen die Anwendung des § 622 BGB auf das über die vorgesehene Vertragsdauer fortgesetzte Arbeitsverhältnis spreche weiterhin, daß die Parteien die Geltung der jeweiligen Tarifbestimmungen für die Berliner Metallindustrie bereits im Arbeitsvertrag vom 3. Februar 1987 vereinbart hatten. Die in der Rechtsprechung und im Schrifttum vertretene gegenteilige Auffassung, die Vereinbarungen würden nunmehr durch die gesetzlichen Kündigungsfristen ersetzt, treffe nur dann zu, wenn eine lediglich für das zunächst befristete Arbeitsverhältnis getroffene Vereinbarung über die Kündigungsfrist mit der Weiterbeschäftigung hinfällig werde. Eine von vornherein weiterreichende Vereinbarung sei hingegen weiterhin anzuwenden. So verhalte es sich insbesondere dann, wenn im Rahmen des Arbeitsvertrages, der dem zunächst befristeten Arbeitsverhältnis zugrundeliege, auf einen Tarifvertrag verwiesen werde, der je nach Beschäftigungsdauer kürzere bzw. längere Kündigungsfristen als das Gesetz vorsehe. Mit der Bezugnahme auf einen solchen Tarifvertrag werde bereits für den Fall der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses eine vertragliche Regelung über die dann geltenden Kündigungsfristen getroffen.
II. Dieser Würdigung ist zumindest insoweit zu folgen, als das Berufungsgericht auf eine konkludente Vereinbarung der Parteien über die bei einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach § 625 BGB geltenden Kündigungsfristen abgestellt hat.
1. Bei Dauerschuldverhältnissen werden die Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien häufig über das zunächst vorgesehene Vertragsende hinaus tatsächlich fortgesetzt. Daraus ergibt sich ein besonderes Regelungsbedürfnis, das § 625 BGB für Dienst- und Arbeitsverhältnisse erfüllt (MünchKomm-Schwerdtner, BGB, 2. Aufl., § 625 Rz 2; Staudinger/Neumann, BGB, 12. Aufl., § 625 Rz 1, 2; KR-Hillebrecht, 2. Aufl., § 625 BGB Rz 1). Danach gilt ein Dienstverhältnis als auf unbestimmte Zeit verlängert, wenn es nach dem Ablauf der Dienstzeit von dem Verpflichteten mit Wissen des Vertragspartners fortgesetzt wird, sofern ihm dieser nicht unverzüglich widerspricht. Die Fortsetzung des Dienst- und Arbeitsverhältnisses nach § 625 BGB ist nach der herrschenden Meinung (vgl. die Nachweise bei KR-Hillebrecht, aaO, § 625 Rz 4 ff.; a.A.: MünchKomm-Schwerdtner, aaO, § 625 Rz 9 ff.) ein Tatbestand des schlüssigen Verhaltens kraft gesetzlicher Fiktion. Die gesetzlich vorgesehene Rechtsfolge der Verlängerung auf unbestimmte Zeit greift auch dann ein, wenn ein befristetes Probearbeitsverhältnis über die Probezeit hinaus fortgesetzt wird (vgl. Schimana, AR-Blattei (D) Kündigung X, Kündigung und Weiterbeschäftigung nach § 625 BGB, I Vorbemerkung), weil § 625 BGB alle Befristungen in Dienst- und Arbeitsverträgen erfaßt, die unverändert fortgesetzt werden (vgl. KR-Hillebrecht, aaO, § 625 BGB Rz 22).
Die Vorschrift enthält insoweit parteidispositives Recht, als die Parteien sich nicht nur darüber einigen können, das Arbeitsverhältnis nach der vorgesehenen Vertragszeit zu anderen Bedingungen oder zumindest nicht auf unbestimmte Zeit zu verlängern, sondern auch die Rechtsfolgen des § 625 BGB nachträglich wieder einverständlich aufheben zu können (MünchKomm-Schwerdtner, aaO, § 625 Rz 11, 12; KR-Hillebrecht, aaO, § 625 BGB Rz 11, 12).
2. Im vorliegenden Fall hat zwischen den Parteien zunächst ein bis zum 27. Februar 1987 befristetes Probearbeitsverhältnis bestanden, das sie über das Fristende hinaus unverändert fortgesetzt haben. Nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag und dem Vortrag der Parteien sprechen keine Anhaltspunkte für die Annahme, die Parteien hätten die Anwendung des § 625 BGB völlig ausschließen wollen. Die Vertragsklausel, nach der das Arbeitsverhältnis dann nicht mit Ablauf der Befristung enden sollte, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses schriftlich vereinbart werde, reicht allein für eine solche Auslegung nicht aus. Die Parteien haben nämlich nicht insgesamt bestimmt, mit welchem vertraglichen Inhalt das Arbeitsverhältnis weiter abgewickelt werden sollte, wenn es zwar ohne schriftliche Vereinbarung aber tatsächlich über den Ablauf der Probezeit hinaus fortgesetzt werden sollte.
3. Das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis ist damit nach § 625 BGB über den 27. Februar 1987 hinaus auf unbestimmte Zeit verlängert worden, und zwar mit dem bisherigen Inhalt auch hinsichtlich der bei einer ordentlichen Kündigung einzuhaltenden Fristen.
a) Nach der im Schrifttum und in der Rechtsprechung überwiegend vertretenen Ansicht gelten für das auf unbestimmte Zeit fortgesetzte Arbeitsverhältnis grundsätzlich die bisherigen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien unverändert weiter. Ein Vorbehalt wird nur für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemacht. Da das nach § 625 BGB fortgesetzte Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes in ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit nach § 620 Abs. 2 BGB umgewandelt werde, wird daraus überwiegend gefolgert, die für die zunächst vorgesehene Vertragszeit vereinbarten Kündigungsfristen würden nunmehr durch die gesetzlichen Kündigungsregelungen ersetzt (RG JW 1908, 138, 139; RAG ARS 25, 59, 61; RAG ARS 36, 7; MünchKomm-Schwerdtner, aaO, § 625 Rz 16; Staudinger/Neumann, aaO, § 625 Rz 13; Erman/Küchenhoff, BGB, 7. Aufl., § 625 Rz 10; Soergel/Kraft, BGB, 11. Aufl., § 625 Rz 9; KR-Hillebrecht, aaO, § 625 BGB Rz 41; ebenso für die vergleichbare Regelung in § 568 BGB: MünchKomm-Voelskow, 2. Aufl., § 568 Rz 15; Palandt/Putzo, BGB, 48. Aufl., § 568 Anm. 3; Oertmann, Recht der Schuldverhältnisse, 1899, § 568 BGB Anm. 4).
b) Entgegen der vom Reichsgericht (aaO) und vom Reichsarbeitsgericht (aaO) vertretenen Auffassung hält der Senat die Auslegung des § 625 BGB hinsichtlich der für die Beendigung des fortgesetzten Arbeitsverhältnisses geltenden Kündigungsfristen weder für zwingend noch für überzeugend.
aa) Der Hinweis auf den Wortlaut des § 625 BGB, nach dem das fortgesetzte Arbeitsverhältnis nunmehr ein "auf unbestimmte Zeit" eingegangenes Arbeitsverhältnis im Sinne von § 620 Abs. 2 BGB geworden sei, ist nicht ausreichend. Die Regelung des § 622 BGB in der bis zum Inkrafttreten des Ersten Arbeitsrechtsbereinigungsgesetzes vom 14. August 1969 (BGBl I S. 1106 ff.) geltenden Fassung war für Arbeitsverhältnisse nicht abschließend, sondern hatte nur geringe praktische Bedeutung, weil sie von zahlreichen Sondervorschriften (z.B.: § 66 HGB, § 122 GewO) verdrängt wurde. Es handelte sich zudem bei § 622 a.F. BGB um eine dispositive Norm, die ebenso wie § 621 BGB vertraglich abbedungen werden konnte (BGH NJW 1964, 350; KR-Hillebrecht, aaO, § 622 BGB Rz 2). Aus § 620 Abs. 2 BGB ergibt sich deswegen nicht, ob für ein auf unbestimmte Zeit fortgesetztes Arbeitsverhältnis die gesetzlichen oder tariflichen oder die vertraglich vereinbarten Kündigungsfristen anzuwenden sind. Das gilt auch nach der Neufassung des § 622 BGB, der nach Abs. 3 nur Mindestfristen vorschreibt, die zudem nach Satz 2 durch Bezugnahme auf Tarifverträge und nach Abs. 4 bei der Einstellung zur vorübergehenden Aushilfe auch einzelvertraglich zu Ungunsten der Arbeitnehmer abgekürzt werden können.
bb) Die Rechtsprechung des Reichsgerichts (aaO) und des Reichsarbeitsgerichts (aaO) kann auch nicht mit dem Bestreben erklärt werden, den Arbeitnehmern wegen des früheren Fehlens zwingender Mindestfristen im Rahmen des § 625 BGB zumindest die Einhaltung der gesetzlichen Regelfristen zu sichern. Im Urteil vom 21. September 1935 (RAG ARS 25, 59) hat das Reichsarbeitsgericht auch eine für die Dauer der Befristung vereinbarte längere Kündigungsfrist von zwei Wochen für das fortgesetzte Arbeitsverhältnis auf eine Frist von einem Tag verkürzt.
cc) Die vom Reichsarbeitsgericht befürwortete Auslegung ist auch nicht in der Entstehungsgeschichte des § 625 BGB deutlich zum Ausdruck gekommen. Nach den Motiven zum Entwurf des § 565 BGB (= § 625 des Gesetzes) über die stillschweigende Verlängerung ging es insbes. darum, ob der Vertrag auf die frühere oder eine andere bestimmte Dienstzeit als erneuert anzusehen sein sollte oder auf unbestimmte Zeit (Mugdan, Motive zum Entwurf des BGB, § 565, S. 468). Die umfassende Regelung der Fortsetzung des befristeten wie des gekündigten Vertrages besagt nichts darüber, ob für das fortgesetzte Dienstverhältnis die gesetzlichen oder die vereinbarten Fristen gelten.
Auch die Motive zu § 568 BGB (§ 524 des Entwurfes) sind nicht aufschlußreich. Auch insoweit stand für den Gesetzgeber die Frage im Vordergrund, ob der stillschweigend verlängerte Mietvertrag um eine bestimmte oder auf eine unbestimmte Zeit als verlängert gelten sollte (vgl. Mugdan, aaO, §§ 524 ff., S. 413 bis 415).
dd) Entgegen der herrschenden Meinung sprechen die besseren Argumente für die Ansicht des Landesarbeitsgerichts, daß die vereinbarten Kündigungsfristen nur dann durch die gesetzlichen Fristen ersetzt werden, wenn die ursprüngliche Vereinbarung insoweit eindeutig nur auf eine vorübergehende Beschäftigung abgestellt ist und mit der unbefristeten Fortsetzung des Vertrages hinfällig wird. Dem entspricht auch die zutreffende Auslegung, das Vertragsverhältnis werde mit Ausnahme der Bestimmungen, die der Fortsetzung auf unbestimmte Zeit entgegenstehen, mit demselben Inhalt fortgesetzt (vgl. Soergel/Kummer, BGB, 11. Aufl., § 568 Rz 16).
c) Die vorliegende Fallgestaltung macht es allerdings nicht erforderlich, diese Rechtsfrage abschließend zu beantworten. Auch ohne Divergenz zur bisherigen Rechtsprechung gelangt der Senat zum gleichen Ergebnis, indem er nach der weiteren Begründung des Landesarbeitsgerichts darauf abstellt, ob die Parteien konkludent bereits mit dem Vertragsabschluß oder bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses eine Vereinbarung darüber getroffen haben, welche Kündigungsfristen nunmehr gelten sollen.
aa) Die Parteien können die Fortgeltung der bisherigen vertraglichen Kündigungsfristen jedenfalls im konkreten Einzelfall vereinbaren (RAG ARS 25, 59; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl., Bd. I, S. 534 Fn. 30; Staudinger/Neumann, aaO, § 625 Rz 14; Soergel/Kraft, aaO, § 625 Rz 9; A. Hueck, Anm. zu RAG ARS 25, 59, 63; KR-Hillebrecht, aaO, § 625 BGB Rz 41; vgl. auch Schimana, aaO, III Rechtswirkungen). Entgegen der Auffassung des Reichsarbeitsgerichts (aaO) braucht eine derartige Vereinbarung zwischen den Parteien nicht ausdrücklich getroffen zu werden, sondern sie kann sich auch aus der Auslegung des Arbeitsvertrages oder aus konkludenten Handlungen der Parteien ergeben (A. Hueck, aaO; Hueck/Nipperdey, aaO; KR-Hillebrecht, aaO).
bb) Vorliegend ist von einer derartigen vertraglichen Abrede aufgrund der zutreffenden Auslegung des Landesarbeitsgerichts zur Bedeutung der vertraglichen Regelung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits im Arbeitsvertrag selbst auszugehen.
Ein gewichtiges Anzeichen für den übereinstimmenden Willen der Parteien, die ordentliche Kündigung nicht nur für die Dauer der Probezeit, sondern auch bei einer etwaigen Verlängerung des Arbeitsverhältnisses nicht den gesetzlichen, sondern den in Bezug genommenen tariflichen Bestimmungen zu unterstellen, ist bereits die uneingeschränkte Verweisung auf den fachlich einschlägigen Tarifvertrag, der je nach Beschäftigungsdauer kürzere oder längere Kündigungsfristen als das Gesetz vorsieht. Die für die Probezeit vereinbarte tägliche Kündigungsfrist haben die Parteien ersichtlich aus § 11 Abs. I Nr. 1 a MTV 1984 übernommen. Den Parteien kann - auch im Interesse des Klägers - nicht hinsichtlich der Kündigungsregelung unterstellt werden, nur für die Dauer der Probezeit die gegenüber § 622 Abs. 2 BGB für den Kläger zunächst ungünstigere tarifliche Regelung übernehmen zu wollen. Die Interessenlage spricht vielmehr für ihre Vorstellung, bei einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über die Probezeit hinaus weiter an den tariflichen Kündigungsvorschriften festzuhalten, die von der elften Woche der Beschäftigung an der gesetzlichen Regelung entsprechen und vom fünften Jahr der Beschäftigung an unabhängig vom Alter des Arbeitnehmers eine Kündigungsfrist von einem Monat jeweils zum Monatsschluß vorsehen. Dieser Geschäftswille der Parteien wird nach der zutreffenden Auslegung durch das Landesarbeitsgericht dadurch deutlich, daß sie von vornherein im Arbeitsvertrag ergänzend die Anwendung der Bestimmungen des MTV 1984 vereinbart haben.
Die Parteien wollten erkennbar im Arbeitsvertrag die Tatbestände der Beendigung zudem auch deswegen nicht nur für die Dauer der Probezeit regeln und es im übrigen bei den gesetzlichen Vorschriften belassen, weil sie unter Abschnitt 4 des Vertrages ausdrücklich - einschlägig nur für den Fall der Fortsetzung des Vertrages - bestimmt haben, das Arbeitsverhältnis ende spätestens mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer das 65. Lebensjahr vollende.
cc) Wie sich damit bereits aus der sach- und interessengerechten Auslegung des Arbeitsvertrages ergibt, ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Parteien hätten auch für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über die Probezeit hinaus die Anwendung der in Bezug genommenen tariflichen Regelungen vereinbart, frei von Rechtsfehlern. Diese Würdigung des Senates beruht nicht auf der Auslegung eines konkludenten Verhaltens der Parteien nach dem Ablauf der Probezeit, sondern auf Ermittlung des erkennbaren Parteiwillens beim Vertragsabschluß. Das verkennt die Revision, die im übrigen rechtsirrig annimmt, die Vereinbarung tariflicher Fristen nach § 622 Abs. 3 Satz 2 BGB sei nicht allein durch konkludentes Verhalten möglich. Die Bezugnahme auf tarifliche Kündigungsvorschriften ist nicht formbedürftig, sie braucht nicht ausdrücklich in den Arbeitsvertrag aufgenommen zu werden, sondern kann auch stillschweigend erfolgen (KR-Hillebrecht, aaO, § 622 BGB Rz 159). Deswegen bestehen um so weniger Bedenken, die Verweisung auf tarifliche Kündigungsvorschriften für das fortgesetzte Arbeitsverhältnis aus einem schriftlich fixierten Zeitvertrag herzuleiten, der Bestimmungen enthält, die über die vorgesehene Vertragszeit hinaus Bedeutung haben.
III. Die Revision war demgemäß mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Hillebrecht Triebfürst Dr. Weller
Timpe Wisskirchen
Fundstellen
BB 1989, 1484-1486 (LT1) |
DB 1989, 1474-1475 (LT1) |
NJW 1989, 2415 |
NJW 1989, 2415-2417 (LT1) |
SteuerBriefe 1989, 304-304 (K) |
NZA 1989, 595-597 (LT1) |
RdA 1989, 194 |
ZAP Fach 17 R, 1-2 (LT) |
ZAP, EN-Nr 135/89 (S) |
AP § 625 BGB (LT1), Nr 5 |
AR-Blattei, ES 1010.10 Nr 1 (LT1) |
AR-Blattei, Kündigung X Entsch 1 (LT1) |
EzA § 625 BGB, Nr 3 (LT1) |
EzBAT § 53 BAT Fristen, Nr 5 (LT1) |