Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialplanabfindung. Zweckzuwendung der Treubandanstalt
Leitsatz (amtlich)
In einem Sozialplan kann der Anspruch auf eine Abfindung von einer entsprechenden Zweckzuwendung der Treuhandanstalt abhängig gemacht werden.
Normenkette
BetrVG § 112
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Urteil vom 02.07.1992; Aktenzeichen 2 Sa 46/92) |
KreisG Glauchau (Urteil vom 05.02.1992; Aktenzeichen Ca 59/91) |
Tenor
- Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 2. Juli 1992 – 2 Sa 46/92 – wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin trägt die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Sozialplanabfindung.
Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem Jahre 1979 als Produktionsarbeiterin beschäftigt. Ihr Monatsverdienst betrug zuletzt ca. 650,-- DM brutto. Ende April/Anfang Mai 1990 stellte die Beklagte den Produktionsbetrieb ein und kündigte der Klägerin, wie dem größten Teil der Belegschaft, mit Schreiben vom 15. Mai 1990 zum 15. August 1990. 18 Arbeitnehmer, die zur sog. Abwicklungsgruppe gehörten, wurden weiterbeschäftigt.
Für die Mitglieder der Abwicklungsgruppe wurde am 19. November 1990 ein “Sozialplan/Rationalisierungsschutzabkommen” abgeschlossen, in dem die Zahlung von Abfindungen vorgesehen war.
Am 15. Mai 1991 wurde für alle von der Betriebsstillegung betroffenen Arbeitnehmer ein Interessenausgleich und ein Sozialplan vereinbart. Der Interessenausgleich hat, soweit hier von Bedeutung, folgenden Wortlaut:
Ҥ 1 Gegenstand
Die Geschäftsleitung und die Arbeitnehmervertretung sind sich darüber einig, daß der Betrieb aus Gründen der Reprivatisierung und der damit verbundenen Einstellung der Produktion stillgelegt werden mußte.
§ 2 Durchführung
Die Stillegung und der Personalabbau erfolgt bis zum 01. Juli 1990 mit der Folge, daß bis zu diesem Zeitpunkt 114 Mitarbeiter entlassen werden.
Die Abwicklungsarbeiten werden bis zum 31.12.1990 andauern; zu diesem Zeitpunkt werden weitere 31 Mitarbeiter entlassen. Durch Verzögerung bei den Abwicklungsarbeiten werden zum 30. Juni 1991 nochmals 8 Mitarbeiter entlassen.
…”
Der Sozialplan lautet:
Ҥ 1 Gegenstand
Gegenstand des Sozialplanes sind Regelungen zur Milderung der wirtschaftlichen und sozialen Nachteile aus Anlaß der Reprivatisierung und der damit verbundenen Einstellung der Produktion gemäß Interessenausgleich vom 15. Mai 1991.
§ 2 Abfindung
- Arbeitnehmer, die aus Anlaß der gegenständlichen Betriebsänderung entlassen werden … erhalten eine Abfindung.
- Die Abfindung berechnet sich nach folgender Formel: …
§ 4 Fälligkeit und Auszahlung
Die Abfindung wird mit dem Ausscheiden fällig.
Für die bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmer ist die Auszahlung innerhalb von zwei Wochen, nach Eingang der Zweckzuwendung auf das Sonderkonto, vorzunehmen.
§ 5 Inkrafttreten
Dieser Sozialplan tritt mit Unterzeichnung in Kraft.
…”
Die von der Beklagten bei der Treuhandanstalt beantragte Zweckzuwendung zur Erfüllung der Leistungen aus dem Sozialplan wurde von der Treuhandanstalt mit Schreiben vom 29. Juli und 14. November 1991 abgelehnt. Zur Begründung verwies die Treuhandanstalt darauf, daß der größte Teil der Belegschaft vor dem 1. Juli 1990 entlassen worden sei und für die nur aus 18 Arbeitnehmern bestehende Abwicklungsgruppe die gesetzlichen Voraussetzungen zum Abschluß eines Sozialplans nicht vorlägen.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Beklagte sei verpflichtet, ihr eine ihrer Betriebszugehörigkeit entsprechende Abfindung in Höhe von 7.359,-- DM brutto aus dem Sozialplan vom 15. Mai 1991 zu zahlen. Die Abfindung sei fällig, da die Verknüpfung der Zahlung mit der Zweckzuwendung der Treuhandanstalt in § 4 Nr. 1 Satz 2 des Sozialplans lediglich als Vollstreckungshemmnis anzusehen sei.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.359,-- DM als Abfindung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie vertritt die Auffassung, der Klägerin stehe ein Anspruch auf die Sozialplanabfindung nicht zu. Der Sozialplan sei im Mai 1991 abgeschlossen worden, um den von der Betriebsstillegung betroffenen Arbeitnehmern eine Abfindung zukommen zu lassen, wenn die Treuhandanstalt eine entsprechende Zweckzuwendung zur Verfügung stellen sollte. Deshalb sei die Zahlung von Abfindungen in § 4 Nr. 1 Satz 2 nur unter der aufschiebenden Bedingung der Mittelbewilligung zugesagt worden. Da die Treuhandanstalt eine entsprechende Zweckzuwendung mit Schreiben vom 14. November 1991 endgültig abgelehnt habe, stehe nunmehr fest, daß ein Anspruch auf Abfindung aus dem Sozialplan nicht begründet sei.
Das Kreisgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht erkannt, daß der Klägerin ein Anspruch auf eine Abfindung aus dem Sozialplan vom 15. Mai 1991 nicht zusteht.
I. Das Landesarbeitsgericht nimmt an, der Klägerin stehe ein Abfindungsanspruch jedenfalls derzeit nicht zu. Aus § 4 Nr. 1 Satz 2 des Sozialplans folge, daß Ansprüche aus dem Sozialplan nur unter der aufschiebenden Bedingung gewährt werden sollten, daß die Treuhandanstalt eine entsprechende Zweckzuwendung leiste. Diese Bedingung sei bisher nicht eingetreten. Vielmehr habe die Treuhandanstalt eine Zweckzuwendung mit Schreiben vom 29. Juli 1991 und mit Schreiben vom 14. November 1991 abgelehnt.
II. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
1. Nach dem Wortlaut des § 4 Nr. 1 Satz 2 des Sozialplans vom 15. Mai 1991 ist die Auszahlung der im Sozialplan vorgesehenen Abfindungen davon abhängig, daß die Treuhandanstalt der Beklagten eine sog. Zweckzuwendung zahlt. Die Zweckzuwendung soll die Beklagte in die Lage versetzen, die Ansprüche aus dem Sozialplan erfüllen zu können. Ein Abfindungsanspruch sollte damit erst entstehen, wenn die Zweckzuwendung durch die Treuhandanstalt ausgezahlt war.
Diesem Verständnis steht nicht entgegen, daß die Auszahlung der Abfindung “nach Eingang der Zweckzuwendung” dem Wortlaut nach nur für die bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmer vorgesehen ist, während es für die noch beschäftigten Arbeitnehmer in Satz 1 heißt, daß die Abfindung mit dem Ausscheiden fällig wird. Als die Betriebspartner den Sozialplan am 15. Mai 1991 abschlossen waren nur noch wenige Arbeitnehmer – nach dem Interessenausgleich nur noch acht – beschäftigt. Diese sollten zum 30. Juni 1991 ausscheiden. Die Betriebspartner haben offenbar damit gerechnet, daß die Zweckzuwendung der Treuhandanstalt bis zu diesem Zeitpunkt überwiesen sein werde. Dafür, daß die noch beschäftigten Arbeitnehmer beim Ausscheiden auf jeden Fall eine Abfindung erhalten sollten – oder gar erhalten haben –, ist nichts ersichtlich und von den Parteien auch nichts vorgetragen worden. Die Zahlung von Abfindungen war daher für alle Arbeitnehmer davon abhängig, daß die Treuhandanstalt eine Zweckzuwendung gewährte.
2. Die Bindung der Sozialplanansprüche an eine Zweckzuwendung durch die Treuhandanstalt begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Sozialplans befand sich die Beklagte bereits in Liquidation und verfügte, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, über keine finanziellen Mittel, um die Sozialplanleistungen zu erfüllen. Der Sozialplan wurde deshalb überhaupt nur mit dem Ziel abgeschlossen, auf seiner Grundlage eine entsprechende Zweckzuwendung bei der Treuhandanstalt beantragen und für den Fall der Gewährung der Zweckzuwendung diese an die von der Betriebsstillegung betroffenen Arbeitnehmer ausschütten zu können. Damit wurde der wirtschaftlichen Lage der Beklagten im Rahmen des § 112 BetrVG Rechnung getragen.
3. Da die Treuhandanstalt eine Zweckzuwendung nicht gewährt hat, ist ein Anspruch der Klägerin auf eine Sozialplanabfindung nicht entstanden. Die Ablehnung der Zweckzuwendung durch die Treuhandanstalt mit Schreiben vom 14. November 1991 war auch endgültig. Es bestehen keine Anhaltspunkte, aus denen zu schließen sein könnte, daß die Gewährung der Zweckzuwendung noch zu einem späteren Zeitpunkt in Betracht käme. Deshalb lagen auch die Voraussetzungen für eine mögliche Verurteilung zu einer zukünftigen Leistung nach § 259 ZPO (vgl. BAG Urteil vom 10. Dezember 1992 – 8 AZR 20/92 – zur Veröffentlichung bestimmt) nicht vor.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Matthes, Dr. Freitag, Hauck, Femppel, Holze
Fundstellen
Haufe-Index 848117 |
NZA 1994, 94 |
ZIP 1993, 1824 |
AuA 1994, 60 |