Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsregelung. Betriebliche Übung im öffentlichen Dienst. Weisungsrecht
Leitsatz (redaktionell)
Parallelverfahren zu dem Verfahren – 5 AZR 802/94 –
Normenkette
BGB §§ 242, 315, 611
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Urteil vom 26.01.1994; Aktenzeichen 5 Sa 78/93) |
ArbG Hamburg (Urteil vom 23.06.1993; Aktenzeichen 19 Ca 182/92) |
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 26. Januar 1994 – 5 Sa 78/93 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin einen Teil ihrer Arbeitszeit außerhalb des Dienstgebäudes ableisten darf.
Aufgrund Vertrages vom 16. November 1982 wurde die Klägerin von der Rechtsvorgängerin des Beklagten, der Landesversicherungsanstalt Freie und Hansestadt Hamburg (LVA Hamburg) zum 1. April 1983 als Fachärztin eingestellt. Nach dessen § 2 sind Bestandteil dieses Arbeitsvertrages „der Tarifvertrag betreffend Übernahme des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) für Angestellte der Landesversicherungsanstalten vom 10. Oktober 1961 sowie sämtliche von der Landesversicherungsanstalt Freie und Hansestadt Hamburg oder mit deren Zustimmung vom verband Deutscher Rentenversicherungsträger abgeschlossenen und Künftig abzuschließenden, den Vertrag vom 10. Oktober 1961 ergänzenden oder ändernden Tarifverträge”. Die Klägerin wurde im Vertrauensärztlichen Dienst eingesetzt.
Aufgrund einer Verfügung der LVA Hamburg aus dem Jahre 1962 war die Zeit für Untersuchungen auf 8.00 Uhr bis 14.45 Uhr festgesetzt worden. Durch Rundschreiben vom 16. November 1984 wurde die Untersuchungszeit teilweise neu festgesetzt. Das Schreiben lautet auszugsweise:
„aus gegebener Veranlassung und im wohlverstandenen Interesse aller Mitarbeiter möchte ich zunächst an Sie appellieren, sich an die interne Regelung zur Untersuchungszeit strikt zu halten. In der Anlage finden Sie eine diesbezügliche Verfügung mit der Bitte um Kenntnisnahme und Beachtung.
Die Untersuchungszeit ist von
Montag bis Donnerstag |
jeweils 8 Uhr s.t.–14.45 Uhr. |
Aus Rücksicht auf die nichtärztlichen Mitarbeiter ist die Untersuchungszeit am Freitag von
8 Uhr s.t. – 14 Uhr
anzusetzen.
Beginnend ab Montag, den 17.12.1984, wird die Vorladung von Patienten zur Vertrauensärztlichen Begutachtung
Montag bis Donnerstag in der Zeit von |
8 Uhr – 14.15 Uhr |
sowie Freitag von |
8 Uhr – 13.15 Uhr |
erfolgen.
Bis zu diesem Zeitpunkt sollte es meines Erachtens möglich sein, gegebenfalls Ihre Nebentätigkeit zeitlich neu zu disponieren.”
Die darüber hinausgehende Arbeitszeit konnte die Klägerin außerhalb des Dienstgebäudes ableisten.
Der Beklagte wurde gemäß Art. 73 Abs. 1 des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2477, 2594) Rechtsnachfolger der Landesversicherungsanstalten, „soweit es sich um die Durchführung von Aufgaben des Vertrauensärztlichen Dienstes handelt”.
Am 19. April 1990 schlossen der Beklagte und der bei ihm bestehende Personalrat eine „Dienstvereinbarung über die gleitende Arbeitszeit für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Hamburg” ab, die am 1. Mai 1990 in Kraft trat. Nach Ziff. 22 dieser Dienstvereinbarung sind die Kernarbeitszeit, innerhalb derer die Mitarbeiter anwesend sein müssen, und die Gleitzeit wie folgt geregelt:
„Gleitzeit
Gleitzeitspanne morgens
montags bis freitags von 6.30 Uhr bis 8.00 Uhr
Gleitzeitspanne nachmittags
montags bis donnerstags von 14.45 Uhr bis 17.00 Uhr
freitags von 13.20 Uhr bis 16.00 Uhr
Kernarbeitszeit
montags bis donnerstags von 8.00 Uhr bis 14.45 Uhr
freitags von 8.00 Uhr bis 13.20 Uhr”
In einer „Niederschriftserklärung” zu dieser Dienstvereinbarung vom selben Tage heißt es unter Ziff. 1:
„Diese Arbeitszeitregelung ist auch für die Ärzte maßgebend. Für eine Übergangszeit von drei Jahren wird jedoch gestattet, die Fort- und Weiterbildung bis zu 5 Stunden wöchentlich außerhalb des Dienstgebäudes durchzuführen.”
Der Beklagte verlangte von seinen Ärzten, daß sie ab 1. Mai 1993 ihre gesamte tarifliche Arbeitszeit entsprechend der Dienstvereinbarung vom 19. April 1990 im Dienstgebäude des Beklagten erbringen.
Die Klägerin hält sich für berechtigt, auch künftig die über die festgelegten Untersuchungszeiten hinausgehende Arbeitszeit außerhalb des Dienstgebäudes des Beklagten örtlich und zeitlich nach ihrem Belieben abzuleisten. Die Aufteilung der Dienstzeit in Untersuchungszeiten und restliche Dienstzeit, die nicht im Dientsgebäude abgeleistet werden müsse, sei sowohl mit ihr als auch mit allen früher und später eingestellten Ärzten ausdrücklich besprochen worden. Die leitenden Ärzte, die seinerzeit die Einführungsgespräche geführt hätten, hätten ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Ärzte die restliche Dienstzeit dafür nützen könnten, sich in ihrem ärztlichen Fachgebiet und in sozialmedizinischen und versicherungsrechtlichen Bereichen fort- und weiterzubilden. Auch sollte diese Zeit genutzt werden, ggf. schwierige Fallakten zu bearbeiten. Dies sei sowohl für sie selbst, als auch für ihre Kollegen von einschneidender Bedeutung gewesen. Die LVA habe bis 1989 ständig mit dieser Dienstzeitregelung geworben, da es jahrelang schwierig gewesen sei, klinisch erfahrene und wissenschaftlich qualifizierte Ärzte als Sachverständige zu gewinnen. Die in Betracht kommenden Fachärzte hätten Sorge gehabt, durch rein diagnostische Gutachtertätigkeit ihre praktischen Fähigkeiten zur Behandlung von Patienten zu verlieren. Zumindest sei ein Anspruch aus betrieblicher Übung entstanden, da die LVA Hamburg den Arbeitsort über einen erheblichen Zeitraum immer in gleicher Weise bestimmt habe.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß sie berechtigt ist, ihre dienstlichen Pflichten an den Werktagen Montag bis Donnerstag von 8.00 Uhr bis 14.45 Uhr sowie Freitag von 8.00 Uhr bis 14.00 Uhr in dem Dienstgebäude des Beklagten zu erfüllen und die restliche Dienstzeit außerhalb des Dienstgebäudes abzuleisten.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, eine individuelle Vereinbarung über das Wo und Wann der Arbeitszeit sei nicht geschlossen worden. In den mit der Klägerin geführten Einstellungsgesprächen sei die seinerzeit bei der LVA geltende Dienstzeitregelung lediglich erläutert worden. Zu einer solchen Vereinbarung seien die Ärzte, die für die LVA die Einstellungsgespräche geführt hätten, auch nicht befugt gewesen. Ebensowenig sei eine betriebliche Übung entstanden. Die Entscheidung des Beklagten sei auch nicht unbillig (§ 315 BGB), wenn man die großzügige Übergangsregelung berücksichtige und das mit der Regelung verfolgte Ziel, nicht nur eine Sonderstellung der Ärzte gegenüber anderen Mitarbeitern des Beklagten abzubauen, sondern auch die Gleichbehandlung aller bei dem Beklagten tätigen Ärzte zu ermöglichen. Der überwiegende Teil der Ärzte müsse während der gesamten Arbeitszeit anwesend sein, so daß es gerechtfertigt sei, diese Anwesenheitsverpflichtung auch auf einige wenige „Altfälle” zu übertragen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision möchte die Klägerin erreichen, daß die Berufung gegen das klagestattgebende Urteil zurückgewiesen wird.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, einen Teil ihrer Arbeitszeit wie bisher außerhalb des Dienstgebäudes und wann sie will abzuleisten.
Die Weisung des Beklagten an die bei ihm beschäftigten Ärzte, ab 1. Mai 1993 die gesamte tarifliche Arbeitszeit entsprechend der Dienstvereinbarung vom 19. April 1990 im Dienstgebäude abzuleisten, ist rechtmäßig.
I. Das Weisungsrecht ermöglicht dem Arbeitgeber, die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht im einzelnen nach Zeit, Art und Ort zu bestimmen. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers kann durch Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Einzelarbeitsvertrag eingeschränkt sein. Auch soweit es danach besteht, darf es nur nach billigem Ermessen im Sinne des § 315 Abs. 3 BGB ausgeübt werden (BAGE 33, 71, 75 = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Direktionsrecht; BAG Urteile vom 25. Oktober 1989 – 2 AZR 633/88 – und vom 23. Juni 1993 – 5 AZR 337/92 – AP Nr. 36, 42 zu § 611 BGB Direktionsrecht).
II. Im Streitfall ist das Direktionsrecht des Beklagten weder durch einzelvertragliche Vereinbarung noch durch betriebliche Übung eingeschränkt.
1. Die Aufteilung der Arbeitszeit in Untersuchungszeiten mit und sonstige Arbeitszeiten ohne Anwesenheitsverpflichtung haben die Klägerin und die LVA Hamburg, die Rechtsvorgängerin des Beklagten, bei Abschluß des schriftlichen Arbeitsvertrags am 29. Dezember 1980 weder schriftlich noch mündlich vereinbart. Dabei kann der gesamte Vortrag der Klägerin zum Hergang des Einstellungsgesprächs als zutreffend unterstellt werden. Danach ist zwar über die Aufteilung der Dienstzeit gesprochen worden. Die Klägerin hat aber nicht behauptet, einer der leitenden Ärzte habe erklärt, die LVA Hamburg verpflichte sich, diese oder eine ähnliche Aufteilung der Arbeitszeit auch in Zukunft beizubehalten.
Auch für die Klägerin war ersichtlich, daß es sich bei der Verteilung der Arbeitszeit um eine Sonderregelung zugunsten der Ärzte handele, auf deren Beibehaltung kein Anspruch bestand. Hätte die Klägerin den Abschluß des Arbeitsvertrags davon abhängig gemacht, daß diese Verteilung der Arbeitszeit festgeschrieben würde, wäre es nicht zu einem Vertragsschluß gekommen. Es ging nicht etwa – wie die Revision meint – vorrangig um das Interesse der LVA Hamburg daran, daß die Ärzte durch Nebentätigkeiten an Nachmittagen ihre praktischen medizinischen Kenntnisse und Fähigkeiten erhalten und fortentwickeln. Wäre dies der Fall gewesen, hätte es nahegelegen. Entsprechendes zu vereinbaren. Das ist nicht geschehen.
Damit kommt es auf die Frage, ob die leitenden Ärzte, die das Einstellungsgespräch führten, bevollmächtigt waren, und ob ggf. die Grundsätze der Anscheins- oder Duldungsvollmacht zugunsten der Klägerin eingreifen, nicht mehr an. Ebensowenig bedarf es einer Entscheidung darüber, ob eine etwaige Vereinbarung mangels Einhaltung der tarifvertraglichen Schriftform des § 4 Abs. 2 BAT gem. § 126 BGB nichtig war.
2. Ein Anspruch der Klägerin auf Beibehaltung der Aufteilung ihrer Arbeitszeit in Untersuchungszeiten mit und sonstige Zeiten ohne Anwesenheitsverpflichtung ergibt sich auch nicht aus betrieblicher Übung.
a) Unter einer betrieblichen Übung versteht man die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen seine Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aus dem Verhalten des Arbeitgebers, das als seine Willenserklärung zu werten ist, die von den Arbeitnehmern stillschweigend (§ 151 BGB) angenommen worden ist, erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordene Leistung oder Vergünstigung. Dabei kommt es für die Begründung eines solchen Anspruchs durch betriebliche Übung nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit Verpflichtungswillen gehandelt hat oder ob ihm ein solcher Wille gerade fehlte. Denn die Wirkung einer Willenserklärung oder eines bestimmten Verhaltens tritt im Rechtsverkehr nicht lediglich deshalb ein, weil der Erklärende einen bestimmten Willen gehabt, sondern weil er einen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen gegenüber dem Erklärungsempfänger geäußert hat. Ob sich der Arbeitgeber binden wollte oder nicht, ist danach zu beurteilen, inwieweit Arbeitnehmer dies aus dem Erklärungsverhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§ 242 BGB) sowie aller Begleitumstände gemäß den §§ 133, 157 BGB schließen dürfen (BAG in ständiger Rechtsprechung, vgl. statt vieler: Urteil vom 24. März 1993 – 5 AZR 16/92 – AP Nr. 38 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zur Veröffentlichung auch in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen, unter I 1 der Gründe; ausführlicher: Urteil vom 23. Juni 1988 – 6 AZR 137/86 – BAGE 59, 73, 84 f. = AP Nr. 33 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, unter II 2 a der Gründe, m.w.N.).
b) Für Arbeitsverhältnisse des öffentlichen Dienstes gelten diese Grundsätze allerdings nicht uneingeschränkt. Die durch Anweisungen vorgesetzter Dienststellen, Verwaltungsrichtlinien, Verordnungen und gesetzliche Regelungen, vor allem aber durch die Festlegungen des Haushaltsplans gebundenen öffentlichen Arbeitgeber sind anders als private Arbeitgeber gehalten, die Mindestbedingungen des Tarifrechts und die Haushaltsvorgaben bei der Gestaltung von Arbeitsverhältnissen zu beachten. Im Zweifel gilt Normvollzug (BAG Urteil vom 16. Januar 1985 – 7 AZR 270/82 – AP Nr. 9 zu § 44 BAT; BAG Urteil vom 10. April 1985 – 7 AZR 36/83 – BAGE 49, 31 = AP Nr. 19 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAG Urteil vom 14. September 1994 – 5 AZR 679/93 – AP Nr. 46 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, jeweils m.w.N.). Ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes muß grundsätzlich davon ausgehen, daß ihm sein Arbeitgeber nur die Leistungen gewähren will, zu denen er rechtlich verpflichtet ist. Ohne besondere Anhaltspunkte darf der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst deshalb auch bei langjähriger Gewährung von Vergünstigungen, die den Rahmen rechtlicher Verpflichtungen überschreiten, nicht darauf vertrauen, die Übung sei Vertragsinhalt geworden und werde unbefristet weitergewährt. Der Arbeitnehmer muß damit rechnen, daß eine fehlerhafte Rechtsanwendung korrigiert wird (so schon BAG Urteil vom 29. November 1983 – 3 AZR 491/81 – AP Nr. 15 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; ferner BAG Urteil vom 10. April 1985 – 7 AZR 36/83 –, a.a.O.; BAG Urteil vom 23. Juni 1988 – 6 AZR 137/86 –, a.a.O.; BAG Urteil vom 14. September 1994 – 5 AZR 679/93 –, a.a.O., jeweils m.w.N.). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.
c) Diese Grundsätze gelten auch im Streitfall. Wie das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, kann der Arbeitnehmer – insbesondere der des öffentlichen Dienstes – regelmäßig nicht damit rechnen, daß der Arbeitgeber hinsichtlich eines nicht unerheblichen Teils der Arbeitszeit dauerhaft auf sein Weisungsrecht verzichtet, und zwar auch dann nicht, wenn er es – wie hier – viele Jahre nicht ausgeübt hat. Der Erste Senat hat dies in seinem Urteil vom 23. Juni 1992 (– 1 AZR 57/92 – AP Nr. 1 zu § 611 BGB Arbeitszeit) hinsichtlich der zeitlichen Lage der Arbeitszeit ausgesprochen. Im Streitfall, in dem es in erster Linie um den Arbeitsort und nur in zweiter Linie um die Lage der Arbeitszeit geht, gilt nichts anderes. Ohne besondere Anhaltspunkte darf der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes auch bei langjährigem Verzicht des Arbeitgebers auf Ausübung seines Direktionsrechts nicht darauf vertrauen, die Übung sei Vertragsinhalt geworden und bestehe unbefristet weiter.
Auf die Frage, ob dem Entstehen einer betrieblichen Übung das Schriftformerfordernis des § 4 Abs. 2 BAT entgegenstehen würde, kommt es daher nicht mehr an.
III. Die Ausübung des Direktionsrechts entsprach billigem Ermessen (§ 315 Abs. 1 BGB).
Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (BAGE 47, 238, 249 = AP Nr. 1 zu § 4 TVG Bestimmungsrecht, zu A II 2 der Gründe; BAGE 47, 363 = AP Nr. 27 zu § 611 BGB Direktionsrecht; BAG Urteil vom 25. Oktober 1989 – 2 AZR 633/88 – AP Nr. 36 zu § 611 BGB Direktionsrecht, zu II 2 b aa der Gründe).
Das Interesse des Beklagten geht dahin, sämtliche Ärzte in bezug auf Anwesenheitsverpflichtung gleichzustellen und nicht einen Teil der Ärzte besser zu behandeln als alle übrigen Arbeitnehmer. Das Interesse der Klägerin geht dahin, die bisherige Aufteilung der Arbeitszeit in Zeiten mit und ohne Anwesenheitsverpflichtung beizubehalten. Sie konnte in bezug auf Teile ihrer Arbeitszeit Ort und Lage sowie in Grenzen auch Inhalt der Tätigkeit selbst bestimmen. Dies ermöglichte ihr z.B. die Ausübung von Nebentätigkeiten.
Die Weisung des Beklagten, nunmehr die gesamte Arbeitszeit im Dienstgebäude abzuleisten, läßt aber hierfür weiterhin den erforderlichen Spielraum. Die Klägerin hat nicht starre Arbeitszeiten einzuhalten, die weit in den Nachmittag hineinreichen. Die Dienstvereinbarung vom 19. April 1990 entspricht hinsichtlich der Kernarbeitszeit montags bis donnerstags genau den bisher für die Klägerin geltenden „Untersuchungszeiten” und ist hinsichtlich des Endes der Kernzeit an Freitagen sogar noch günstiger als die bisher für sie geltende Regelung. Denn nunmehr braucht sich die Klägerin an Freitagen nur noch bis 13.20 Uhr im Dienstgebäude aufzuhalten, während sie zuvor bis 14.00 Uhr dort zu arbeiten hatte.
Das Interesse der Klägerin daran, ihrer restliche Arbeitszeit außerhalb des Dienstgebäudes und außerhalb der Gleitzeiten abzuleisten, muß daher gegenüber den Interessen des Beklagten an einer Gleichbehandlung aller Ärzte und Bediensteten zurücktreten, zumal der Beklagte und der Personalrat der Klägerin und ihren Kollegen eine mit drei Jahren nicht zu knapp bemessene Übergangsfrist eingeräumt haben.
Nach alledem entspricht die Anordnung des Beklagten, die gesamte Arbeitszeit im Dienstgebäude entsprechend der Dienstvereinbarung abzuleisten, billigem Ermessen.
Unterschriften
Schliemann, Reinecke, Bepler, Heel, Buschmann
Fundstellen