Entscheidungsstichwort (Thema)
Provisionsanspruch gegen Betriebserwerber
Leitsatz (redaktionell)
Der Erwerber eines Betriebes wird nach § 613a BGB nicht Schuldner der Provisionsansprüche von Arbeitnehmern, die zur Zeit des Betriebsüberganges bereits ausgeschieden waren. Das gilt auch dann, wenn das provisionspflichtige Geschäft erst von dem Betriebserwerber ausgeführt wird.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 242, 613a
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 30.01.1985; Aktenzeichen 7 Sa 85/84) |
ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Entscheidung vom 15.05.1984; Aktenzeichen 1 Ca 396/84) |
Tatbestand
Der Ehemann der Klägerin, der am 13. Februar 1985 verstorben und von der Klägerin allein beerbt worden ist, war bis zum 31. Dezember 1979 als angestellter Verkäufer bei dem Autohaus D jun. in V tätig. Die Firma D war Repräsentantin der D AG. Zwischen ihr und der D AG kam es zu Differenzen, die dazu führten, daß im Jahre 1982 das Vertragsverhältnis gekündigt wurde. Durch Vertrag vom 25. Juni 1982 übernahm die Beklagte den Betrieb der Firma D mit Wirkung vom 28. Juni 1982. Sie trat in sämtliche Rechte und Pflichten aus den bestehenden Arbeitsverhältnissen ein und übernahm die Abwicklung der von der Firma D vermittelten, aber noch nicht ausgeführten Geschäfte. Dafür sollte die Firma D eine Provision erhalten, die nach dem Auftragswert und dem Liefertermin gestaffelt war. Ein Teil der Provision wurde der Beklagten für die Abwicklung der Geschäfte zugestanden. Dazu heißt es in dem Vertrag:
"Sollten die Zugeständnisse einschließlich berech-
tigter Provisionsansprüche Dritter (nicht ange-
stellte Verkäufer) im Einzelfall mehr als 2 % des
Listenpreises des Neuwagens ohne Mehrwertsteuer
betragen, wird der Mehrbetrag mit der Provision
für D zu dessen Lasten verrechnet."
Der Erblasser erhielt von der Firma D ein monatliches Fixum von 600,-- DM sowie Provision mit einem garantierten Betrag von 1.400,-- DM monatlich. Der Provisionsanspruch sollte mit der Lieferung des verkauften Fahrzeugs entstehen und am Ende des auf die Entstehung folgenden Monats mit dem Gehalt beglichen werden.
Der Erblasser hat von der Beklagten im Wege der Stufenklage Auskunft über die Ausführung von ihm vermittelter Kaufverträge und Zahlung der sich daraus zu seinen Gunsten ergebenden Provision verlangt. Er hat vorgetragen, die Erledigung der von ihm vermittelten Aufträge habe sich durch lange Lieferzeiten und weit voraus vereinbarte Liefertermine verzögert. Ihm stünden noch erhebliche Provisionsansprüche zu. Die Auskunfts- und Zahlungspflicht der Beklagten folge aus einer entsprechenden Anwendung des § 613 a BGB sowie aus dem mit der Firma D geschlossenen Vertrag.
Der Erblasser hat beantragt,
1. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet
sei, ihm Provision nach Maßgabe des zwischen
ihm und der früheren Firma W D jun.,
V , geschlossenen Anstellungsvertrag vom
10. Febr. 1977 für die Ausführung von Kaufver-
trägen über Kraftfahrzeuge der Marke D -
zu zahlen, die auf die Verkaufstätigkeit
des Klägers zurückzuführen sind,
2. Auskunft darüber zu erteilen, welche dieser
Verträge die Beklagte bereits ausgeführt habe,
3. ihm Abrechnung nach Maßgabe des Anstellungs-
vertrages und der diesem Anstellungsvertrag
zugehörenden Provisionsbestimmungen vom
10. Febr. 1977 für ausgelieferte Fahrzeuge nach
Ziff. 2 zu erteilen,
4. die sich daraus ergebende Provision auszu-
zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, sie sei dem Erblasser unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt auskunfts- und zahlungspflichtig geworden. Die Regelungen im Vertrag mit der Firma D bezüglich der Abwicklung von laufenden Verträgen sei abschließend. Sie müsse danach nur an die Firma D zahlen, die Klägerin möge sich an diese halten. Zudem habe sich der Erblasser Unredlichkeiten zuschulden kommen lassen. Hieraus sei ihr ein erheblicher Schaden entstanden. Mit dem entsprechenden Schadenersatzanspruch rechne sie hilfsweise auf.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin, die den Rechtsstreit aufgenommen hat, das Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, aus § 613 a BGB lasse sich ein Anspruch nicht herleiten, da der Erblasser zur Zeit des Betriebsübergangs bereits seit mehr als zwei Jahren aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden gewesen sei. Daß die behaupteten Ansprüche, die aus dem früheren Arbeitsverhältnis stammten, erst nach dem Betriebsübergang fällig würden, sei unerheblich. Diese Auffassung ist nicht zu beanstanden. Nach seinem insoweit eindeutigen Wortlaut gilt § 613 a BGB nur für Arbeitsverhältnisse, die zur Zeit des Betriebsübergangs noch bestehen.
II. Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe außer acht gelassen, daß § 613 a BGB im Streitfall analog anzuwenden sei. Dieser Auffassung kann sich der Senat nicht anschließen.
1. Die Revision führt aus, es bestehe eine Regelungslücke im Gesetz für solche Ansprüche eines Arbeitnehmers aus einem beendeten Arbeitsverhältnis, die im Zeitpunkt des Betriebsübergangs schon entstanden, aber noch nicht fällig gewesen seien. Der wirtschaftliche Wert der Arbeitsleistung, die diesen Ansprüchen zugrundeliege, konkretisiere sich erst beim Betriebsübernehmer. Die Forderung des Arbeitnehmers werde auch erst durch betriebliche Tätigkeit des Betriebsübernehmers fällig. Da das Gesetz diesen Tatbestand nicht regele, sei eine analoge Anwendung des § 613 a BGB geboten. § 613 a BGB diene zwar in erster Linie der Erhaltung von Arbeitsplätzen, da aber der Betriebserwerber in die bestehenden Austauschverhältnisse und damit in die bestehenden Verbindlichkeiten eintrete, umfasse der Schutzzweck der Norm die gesamte soziale Absicherung der Arbeitnehmer. Soweit der beendete Arbeitsvertrag Nachwirkungen entfalte und das wirtschaftliche Ergebnis der Arbeitsleistung erst nach dem Betriebsübergang eintrete, müsse der Betriebserwerber für die Gegenleistung einstehen. Diese Argumentation überzeugt nicht.
Eine Gesetzeslücke, die eine analoge Anwendung des § 613 a BGB rechtfertigen könnte, ist nicht zu erkennen. Die Revision übersieht, daß die Vorschrift nicht nur bestimmte Zwecke zum Schutz der Arbeitnehmer verfolgt, nämlich Sicherung der Arbeitsplätze und Kontinuität der Betriebsratstätigkeit, sondern daß sie zugleich die Haftung des Betriebsveräußerers und des Betriebserwerbers gegeneinander abgrenzt (BAGE 32, 326, 331 = AP Nr. 18 zu § 613 a BGB, zu II 2 der Gründe sowie Anmerkung von Blomeyer zu BAG AP Nr. 35 zu § 613 a BGB, zu III 4). § 613 a BGB betrifft eindeutig nur die zur Zeit des Betriebsübergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse. Das Gesetz geht davon aus, daß die zu diesem Zeitpunkt bereits ausgeschiedenen Mitarbeiter ihre Rechte dort geltend machen müssen, wo sie entstanden sind, nämlich beim Betriebsveräußerer. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (für Betriebsrenten BAGE 29, 94, 98 = AP Nr. 6 zu § 613 a BGB, zu 1 der Gründe und Urteil vom 22. Juni 1978 - 3 AZR 832/76 - AP Nr. 12 zu § 613 a BGB, mit Anmerkung von Seiter). Die von der Revision hervorgehobenen Unterschiede zwischen den bisher beurteilten Ruhegeldansprüchen einerseits und Lohnansprüchen andererseits lassen keine unterschiedliche Beurteilung zu. Auch wenn der Anspruch auf Auskunft und Vergütung "aktueller" als der Anspruch auf Ruhegeld ist, ergibt sich daraus noch keine Gesetzeslücke, die durch eine Ausdehnung der Regelung gegen den Wortlaut und den Zweck des Gesetzes zu schließen wäre.
Auch die Interessenlage gebietet es nicht, den Betriebserwerber für Ansprüche aus Arbeitsverhältnissen haften zu lassen, die beim Betriebsübergang bereits geendet hatten. Es gibt keinen Erfahrungssatz, der für eine bessere Zahlungsfähigkeit des Übernehmers spräche. Die Übernahme von Betrieben würde zusätzlich erschwert und mit Unsicherheiten belastet, wenn entgegen der scharfen Zäsur des Gesetzes darauf abgestellt würde, wann Ansprüche von Arbeitnehmern des veräußerten Betriebes entstanden oder fällig geworden sind.
2. Der Revision kann schließlich nicht darin gefolgt werden, daß im Streitfall das frühere Arbeitsverhältnis als "Austauschverhältnis" fortbestehe, soweit vom Erblasser vermittelte Aufträge noch nicht erfüllt seien. Dieses Rechtsverhältnis hat am 31. Dezember 1979 sein Ende gefunden. Nur einzelne Ansprüche sind noch nicht vollständig abgewickelt. Das ist bei Ansprüchen auf betriebliche Altersversorgung nicht anders: Auch der Betriebsrentner, der vor der Betriebsveräußerung aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, muß sich an den Betriebsveräußerer halten (siehe die Nachweise oben zu II 1).
III. Die Revision rügt ferner, das Berufungsgericht habe den Übernahmevertrag zwischen der Firma D und der Beklagten vom 25. Juni 1982 nicht gewürdigt und damit gegen die Grundsätze der §§ 133, 157 BGB verstoßen. Aus Abschnitt XIII des Vertrags ergebe sich, daß die Beklagte die Erfüllung der "berechtigten Provisionsansprüche Dritter" übernommen habe und deshalb die hierauf entfallende Provision der Firma D bei preislichen Zugeständnissen zu kürzen sei. Auch diese Rüge führt nicht zum Erfolg.
Richtig ist, daß das Berufungsgericht den Übernahmevertrag nicht näher geprüft hat. Der Senat kann aber selbst feststellen, daß sich aus diesem keine Rechte der Klägerin auf Auskunft und Zahlung ableiten lassen: Rechte Dritter sind durch diesen Vertrag nicht begründet worden (§ 328 Abs. 1 BGB). Der Vertrag regelt auch nicht, wann und unter welchen Voraussetzungen Provisionsansprüche Dritter entstehen. Er legt nur fest, daß die Provision der Firma D in bestimmter Weise berechnet wird, wenn Dritte mit berechtigten Provisionsansprüchen an die Beklagte herantreten. Als Dritte im Sinne dieser Klausel sind die "nicht angestellten Verkäufer" genannt, also die Gruppe der selbständigen Handelsvertreter, zu denen der Erblasser nicht gehörte.
Eine Vertragslücke hinsichtlich der angestellten Verkäufer ist damit nicht entstanden. Für fortbestehende Ansprüche dieser Personengruppe muß es bei der gesetzlichen Regelung bleiben, die eine Haftung des Vertragspartners, also der Firma D, nicht aber der Beklagten als Betriebsübernehmerin vorsieht. Sollten die Parteien des Übernahmevertrags vom 25. Juni 1982 nicht bedacht haben, daß der damals schon längere Zeit ausgeschiedene Erblasser noch Provisionsforderungen haben könnte, so ließe sich hieraus keine Haftung der beklagten Betriebsübernehmerin herleiten. Die Vertragsparteien waren nicht verpflichtet, offene Provisionsansprüche gegen den Betriebsveräußerer auf den Betriebserwerber überzuleiten.
Dr. Dieterich Schaub Griebeling
Hoechst Weinmann
Fundstellen
BB 1987, 1603 |
BB 1987, 1603-1603 (LT) |
DB 1987, 2047-2047 (LT) |
NJW 1987, 3031 |
NZA 1987, 597-598 (LT) |
ZIP 1987, 874 |
ZIP 1987, 874-875 (LT) |
AP § 613a BGB (LT1), Nr 60 |
EzA § 613a BGB, Nr 60 (LT) |