Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von Untertagedienstzeiten
Leitsatz (redaktionell)
Unverfallbarkeit durch Untertagezeiten bei vorangehendem Arbeitgeber; Vermeidung von Mehrfachanrechnung; Verfassungsmäßigkeit des BergmannsVersorgScheinG NRW
Normenkette
BergmannsVersorg-ScheinG NRW § 9 Abs. 3; GG Art. 3, 14; BetrAVG §§ 1-2
Verfahrensgang
LAG Hamm (Urteil vom 14.09.1982; Aktenzeichen 6 Sa 593/82) |
ArbG Bochum (Urteil vom 05.03.1982; Aktenzeichen 1 Ca 699/81) |
Tenor
1. Auf die Revisionen des Klägers und der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14. September 1982 – 6 Sa 593/82 – teilweise aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 5. März 1982 – 1 Ca 699/81 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
- Die Beklagte wird verurteilt, 3.485,30 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 5. März 1982 an den Kläger zu zahlen.
- Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger monatlich ein Ruhegeld in Höhe von 348,53 DM ab 1. März 1982 zu zahlen.
- Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
3. Im übrigen werden Berufung und Revisionen zurückgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 1/4 und die Beklagte 3/4 zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der im Jahre 1918 geborene Kläger ist von Beruf Bergmann und Inhaber eines Bergmannsversorgungsscheins. Er war vom 22. Oktober 1946 bis zum 17. Juli 1948 und vom 12. Juni 1950 bis zum 30. April 1972 im Bergbau unter Tage tätig. Vom 1. Februar 1973 bis zum 20. Januar 1976 arbeitete er bei dem Bier-Markt K.. Dieses Unternehmen gewährt seinen Mitarbeitern keine Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Am 2. Februar 1976 trat er als Lagerarbeiter in die Dienste des Schuhhauses H. V. KG. Das Arbeitsverhältnis wurde zum 30. April 1981 beendet. Seit dieser Zeit bezieht der Kläger vorgezogenes Altersruhegeld aus der Knappschaftsversicherung.
Das Schuhhaus H. V. ist Träger der Beklagten, die als Unterstützungskasse freiwillige Unterstützungen an deren ehemalige oder gegenwärtige Betriebsangehörige erbringt. Voraussetzung der Gewährung von Versorgungsleistungen ist eine anrechnungsfähige Dienstzeit von mindestens zehn Jahren, der Eintritt eines Versorgungsfalles während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses und dessen Beendigung nach Eintritt des Versorgungsfalles. Versorgungsfall ist bei Männern das 65., bei Frauen das 60. Lebensjahr. Die Höhe der Versorgungsleistungen richtet sich nach der anrechnungsfähigen Dienstzeit und dem rentenfähigen Einkommen. Die Renten setzen sich aus einem Grundbetrag und aus Steigerungsbeträgen zusammen. Der Grundbetrag ist mit 15 v.H., der Steigerungsbetrag mit 0,5 v.H. für jedes nach der Wartezeit zurückgelegte anrechnungsfähige Dienstjahr bemessen. Die Höchstrente beträgt 30 v.H. des rentenfähigen Einkommens. Wegen der anrechnungsfähigen Dienstzelt heißt es in § 3 des Leistungsplans:
Als anrechnungsfähige Dienstzeit gilt die Zelt, die der Betriebsangehörige in den Diensten der Firma verbracht hat. Als Dienstzeit gilt auch ein Teilzeit- oder Aushilfsarbeitsverhältnis. Nach dem vollendeten 65. Lebensjahr werden Dienstjahre nicht mehr angerechnet.
Die Beklagte weigerte sich, dem Kläger Versorgungsleistungen zu zahlen, weil die Voraussetzungen nach dem Leistungsplan dafür nicht vorlägen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß die Beklagte Ruhegelder zahlen müsse. Sie habe auf die Wartezeit die im Bergbau unter Tage verbrachten Dienstjahre anzurechnen. Für die Ruhegeldberechnung sei mithin von 29 Dienstjahren auszugehen. Sein rentenfähiges Einkommen habe 1.516,87 DM betragen, so daß ihm bei einem Steigerungssatz von 24,5 v.H. ein monatliches Ruhegeld von 371,63 DM zustehe. Dieses verlange er ab 1. Mai 1981.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
die Beklagte zu verurteilen, 371,63 DM monatlich nebst 4 % Zinsen seit dem jeweiligen Fälligkeitstag zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei nicht versorgungsberechtigt, weil er die Wartezeit nicht zurückgelegt habe. Nach ihrer Versorgungsordnung seien bei anderen Arbeitgebern zurückgelegte Dienstjahre nicht zu berücksichtigen. § 9 Abs. 3 des Gesetzes über den Bergmannsversorgungsschein in Nordrhein-Westfalen vom 14. April 1971 (GVBl, 125) i.d.Änd. vom 3. Dezember 1974 (GVBl, 1504) sei verfassungswidrig, wenn dessen Auslegung ergebe, daß Vordienstzeiten bei Grund und Höhe der Ruhegeldberechnung zugrundegelegt werden müssen. Der Kläger habe keine hinreichende Betriebstreue erbracht, so daß sie aus seiner Arbeitsleistung die Ruhegelder nicht habe erwirtschaften können. Diese müßten daher aus ihrem Eigentum erbracht werden. Im übrigen sei der Versorgungsfall noch nicht eingetreten, weil Versorgungsleistungen erst ab dem 65. Lebensjahr gewährt würden. Wenn der Kläger bereits zuvor Leistungen beanspruche, müsse er eine Abzinsung von 15,4 v.H. hinnehmen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil teilweise abgeändert. Es hat die Auffassung vertreten, daß die Beklagte Vordienstzeiten berücksichtigen müsse. Indes brauche sie die Bergbauzeiten nur anteilig anzurechnen. Gegen dieses Urteil haben sowohl der Kläger als auch die Beklagte Revision eingelegt, mit der sie die ursprünglichen Anträge weiter verfolgen.
Entscheidungsgründe
Beide Revisionen sind teilweise begründet. Der Kläger kann verlangen, daß die Beklagte die im Bergbau unter Tage verbrachten Vordienstzeiten auf die Wartezeit anrechnet und bei der Berechnung des Ruhegeldes berücksichtigt. Die Beklagte kann das Ruhegeld kürzen, weil der Kläger vor Erreichen des 65. Lebensjahres in den Ruhestand getreten ist.
I. Der Kläger hat nach dem Leistungsplan der Beklagten Anspruch auf Altersruhegeld.
1. Nach der Versorgungsordnung der Beklagten werden Ruhegelder gewährt, wenn ein Arbeitnehmer nach einer 10-jährigen Wartezeit mit Vollendung des 65. Lebensjahres aus den Diensten des Schuhhauses V. ausscheidet.
Der Kläger war zwar bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses erst 63 Jahre alt, dies steht jedoch seinem Anspruch nicht entgegen. Nach § 6 Satz 1 BetrAVG sind einem Arbeitnehmer, der das Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch nimmt, auf sein Verlangen nach Erfüllung der Wartezelt und sonstiger Leistungsvoraussetzungen die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu gewähren. Der Kläger bezieht nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts seit Beendigung des Arbeitsverhältnisses Rentenleistungen aus der für Bergleute vorgesehenen gesetzlichen Rentenversicherung.
2. Auch die übrigen Voraussetzungen des Leistungsplans sind erfüllt. Allerdings stand der Kläger nur etwas mehr als fünf Jahre in den Diensten des Schuhhauses V.. Die Beklagte ist jedoch verpflichtet, die im Bergbau unter Tage verbrachten Dienstzeiten des Klägers zu berücksichtigen, so daß der Kläger die 10-jährige Wartezeit erfüllt hat.
a) Nach § 9 Abs. 3 des Gesetzes über den Bergmannsversorgungsschein im Lande Nordrhein-Westfalen sind den Inhabern eines Bergmannsversorgungsscheines im neuen Beschäftigungsbetrieb bei der Bemessung des Urlaubs, des Tariflohnes und sonstiger Leistungen die im Bergbau unter Tage verbrachten Beschäftigungszeiten als gleichwertige Berufsjahre oder als gleichwertige Zeiten der Betriebszugehörigkeit anzurechnen.
Auf das Rechtsverhältnis der Parteien ist für die Zeit vom 1. Mai 1981 bis zum 31. Dezember 1983 das Gesetz über den Bergmannsversorgungsschein im Lande Nordrhein-Westfalen (BergmannsVersorgScheinG NRW) i.d.F. vom 14. April 1971 (GVBl, 125) und vom 3. Dezember 1974 (GVBl, 1504) anzuwenden. Am 20. Dezember 1983 ist eine Neufassung des Gesetzes (BVSG NW) verkündet worden. Diese Neufassung ist nach § 20 BVSG NW am 1. Januar 1984 in Kraft getreten, so daß die mit der Klage auf zukünftige Leistung verfolgten Ansprüche ab 1. Januar 1984 nach der Neufassung des Gesetzes zu beurteilen sind. Denn auch nach Erlaß des Berufungsurteils eingetretene Gesetzesänderungen sind im Revisionsverfahren zu berücksichtigen (BGHZ 36, 348; BAG 2, 226 = AP Nr. 4 zu § 52 RegelungsG = NJW 1956, 39).
b) Die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung gehören zu den sonstigen Leistungen im Sinne von § 9 Abs. 3 BergmannsVersorgScheinG NRW a.F. und n.F. Sonstige Leistungen sind alle geldwerten Leistungen, die dem Arbeitnehmer als Vergütung im weitesten Sinne gewährt werden (vgl. Schmidt, DB 1968, 2217, 2218; Warda, Der Kompaß 1973, 163, 165). Hiervon ist auch das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung ausgegangen (BAG vom 8. November 1968 – 3 AZR 209/67 – AP Nr. 6 zu § 9 BergmannsVersorgScheinG NRW, zu 1 der Gründe; Urteil vom 26. Oktober 1978 – 3 AZR 604/77 – AP Nr. 15, aaO, zu I 1 der Gründe). Die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung gehören zum Entgelt im Sinne dieser Vorschrift.
Demgegenüber wendet die Beklagte ein, der Gesetzgeber könne nicht gewollt haben, daß sich schon nach kurzer Betriebszugehörigkeit im nachbergbaulichen Arbeitsverhältnis hohe Steigerungssätze für die betriebliche Altersversorgung ergäben. Deshalb sei eine teleologische Reduktion geboten, wonach § 9 Abs. 3 BergmanngsVersorgScheinG NRW die betriebliche Altersversorgung nicht erfaßt. Aber eine solche Einschränkung des Gesetzes widerspricht nicht nur dessen Wortlaut, sondern auch dessen Zweck. Im übrigen können dem Gesetzgeber die weitreichenden Folgen einer Anrechnung von Bergbauzeiten nicht verborgen geblieben sein. Sie waren aus der gefestigten Rechtsprechung zur Anrechnung von Kriegsdienstzeiten geläufig (vgl. die Entwicklung in AP Nr. 1 ff. zu § 611 BGB Kriegsdienstzeiten). Die betriebliche Altersversorgung wird in § 9 Abs. 3 BVSG NW n.F. ausdrücklich erwähnt.
Ein so weitreichender Schutz von gesundheitsgeschädigten Bergleuten stellt auch keine verfassungswidrige „Sondersteuer” dar. Richtig ist allerdings, daß der Grund des Sonderschutzes für die Bergleute nicht in dem nachbergbaulichen Arbeitsverhältnis zu finden ist, sondern bereits vorher bestand. Aber das ist ein Sachverhalt, der viele besonders geschützte Arbeitnehmergruppen kennzeichnet. Schwerbehinderte und werdende Mütter, Heimkehrer und politisch Verfolgte, Jugendliche und Wehrpflichtige, sie alle haben aus Gründen in ihrer Person Anspruch auf zusätzlichen Schutz, der ihre jeweiligen Arbeitgeber belastet. Ein solcher Sonderschutz verstößt nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze.
Ebensowenig kann der Beklagten darin gefolgt werden, die kraft Gesetzes begründete Anrechnungspflicht führe zu einer rechtswidrigen Enteignung oder zu einem Eingriff in ihren Gewerbebetrieb, weil sie zur Übernahme von Sozialleistungen zwinge, die ihren Rechtsgrund in der früheren Zugehörigkeit zu einem Bergbaubetrieb hätten. Art. 14 GG schützt nicht gegen Auferlegung von Geldleistungspflichten; diese lassen die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes grundsätzlich unberührt (BVerfGE 4, 7, 17; 8, 274, 330; 10, 89, 116; 340, 371; 11, 105, 126; 14, 197, 241). Ein Verstoß gegen Art. 14 GG kann erst dann in Betracht kommen, wenn die Geldleistungspflichten übermäßig belasten und die Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen (BVerfGE 14, 197, 241). Dies ist aber bei der erzwungenen Anrechnung von Vordienstzeiten nicht der Fall. Hier werden die freiwillig gegenüber der Belegschaft übernommenen Verpflichtungen nur in der Weise erstreckt, daß im Bergbau unter Tage verbrachte Vordienstzeiten so behandelt werden müssen, als ob sie bei der Beklagten zurückgelegt worden seien.
Auch ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt nicht vor. Im Lande Nordrhein-Westfalen werden von dem Gesetz über den Bergmannsversorgungsschein alle Arbeitgeber mit einer Mindestbeschäftigtenzahl von 100 Arbeitnehmern betroffen.
c) Anrechnungspflichtig ist der Arbeitgeber des neuen Beschäftigungsbetriebes. Insoweit ist seit langem streitig, ob die Anrechnungspflicht nur in dem Betrieb des ersten Arbeitgebers nach dem Ausscheiden aus dem Bergbau oder auch in jedem Folgebetrieb besteht. Der Senat hat in eingehend begründeten Urteilen entschieden, daß jeder Folgearbeitgeber anrechnungspflichtig ist (BAG Urteil vom 26. Oktober 1978 – 3 AZR 604/77 – AP Nr. 15 zu § 9 BergmannsVersorgScheinG NRW mit Anmerkung von Boldt; vom 15. Mai 1984 – 3 AZR 400/82 –, zu II 1 c der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen). Daran ist sowohl für § 9 Abs. 3 BergmannsVersorgScheinG NRW a.F. als auch für die Neufassung von § 9 Abs. 3 BVSG NW festzuhalten.
(1) Zur Altfassung wurde die Auffassung geäußert, die Rechtsprechung des Senats führe im Arbeitsleben zu praktisch unüberwindlichen Schwierigkeiten. Ein Arbeitnehmer, der nach 24-jähriger Tätigkeit unter Tage aus dem Bergbau ausscheide, erhalte bereits nach jeweils einjähriger Tätigkeit außerhalb des Bergbaus eine Jubiläumszuwendung. Die Zuwendungen mehrerer nachbergbaulicher Arbeitgeber ließen sich wegen ihrer vielfältigen Ausgestaltung nicht aufeinander anrechnen. Überdies sei eine solche Mehrfachanrechnung von bergmännischen Vordienstzeiten nach dem Zweck des Gesetzes nicht geboten; dem Bergmann solle zwar die Beschäftigungszeit im Bergbau unter Tage gutgebracht, dagegen seine Mobilität außerhalb des Bergbaus verbessert werden. Der Senat hält diese Kritik seiner Rechtsprechung zu § 9 Abs. 3 BergmannsVersorgScheinG NRW a.F. für nicht überzeugend.
Nach der Präambel des Gesetzes sollen Bergleute besondere soziale Fürsorge erhalten, wenn sie nach längerer bergmännischer Tätigkeit mit Gesundheitsschäden aus dem Bergbau ausscheiden. Der Bergmann soll durch Anrechnung der Untertagedienstzeiten eine Berufshilfe erhalten. Wegen der regelmäßig bestehenden Dauerschäden ist die Berücksichtigung in jedem Folgearbeitsverhältnis notwendig. Auch die Hinweise auf praktische Schwierigkeiten sind nicht überzeugend. Die Vordienstzeiten im Bergbau sind anhand des Bergmannsbuches leicht zu ermitteln. Bereits in seiner Entscheidung vom 26. Oktober 1978 (aaO) hat der Senat darauf hingewiesen, daß der Bergmann aufgrund seiner Betriebszugehörigkeit gewährte Sozialleistungen nur einmal verlangen kann. Die daraufhin entwickelten Anrechnungsmodelle (vgl. Boldt in Anm. zur Entscheidung vom 26. Oktober 1978 – AP Nr. 15 zu § 9 BergmannsVersorgScheinG NRW) zeigen, daß zwar rechtliche Probleme, aber keine unüberwindlichen praktischen Schwierigkeiten bestehen.
(2) Auch für die Neufassung von § 9 Abs. 3 BVSG NW gilt, daß in jedem Folgearbeitsverhältnis die Bergbauzeiten zu berücksichtigen sind. Nur diese Auffassung kann richtig sein; der Gesetzgeber hat in § 9 Abs. 3 BVSG NW ein Modell für die Berücksichtigung von Vordienstzeiten durch verschiedene Folgearbeitgeber geschaffen.
d) Die im Bergbau unter Tage verbrachten Beschäftigungszeiten sind als gleichwertige Zeiten der Betriebszugehörigkeit anzurechnen. Die Gleichwertigkeit soll nach dem erkennbaren Ziel des Gesetzes am neuen Arbeitsplatz außerhalb des Bergbaus hergestellt werden. Der Arbeitnehmer soll so behandelt werden, als hätte er die Betriebszugehörigkeit, die tatsächlich im Bergbau verbracht wurde, in Wahrheit bei seinem neuen Arbeitgeber zurückgelegt (BAG vom 15. Mai 1984 – 3 AZR 520/81 – zu II 3 c der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Von dieser Anrechnungsverpflichtung kann zum Nachteil des ehemaligen Bergmannes in einer Versorgungsordnung nicht abgewichen werden. Hiervon ist der Senat in seiner Entscheidung vom 15. Mai 1984 ausgegangen (BAG vom 15. Mai 1984 – 3 AZR 520/81 –, zu II der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen). Soweit die Versorgungsordnung der Beklagten überhaupt einen Ausschluß der Berücksichtigung von unter Tage verbrachten Vordienstzeiten des Klägers enthält, ist sie unwirksam. Bei zutreffender Auslegung der Versorgungsordnung ist jedoch davon auszugehen, daß sie keine Regelungen für solche Fälle enthält, in denen Vordienstzeiten bei Grund und Höhe der zu gewährenden Versorgung berücksichtigt werden.
Damit hat das Landesarbeitsgericht zu Recht erkannt, daß sowohl nach der alten wie der neuen Fassung von § 9 Abs. 3 des Gesetzes über den Bergmannsversorgungsschein die Vordienstzeiten zu berücksichtigen sind.
II. Im Gegensatz zur Ansicht des Landesarbeitsgerichts kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, daß ein Teil der anrechnungspflichtigen Bergbauzeit nicht von ihr, sondern von anderen nachbergbaulichen Arbeitgebern übernommen werden müsse. Die Beklagte hat vielmehr die gesamte im Bergbau unter Tage verbrachte Vordienstzeit zu berücksichtigen. Eine Mehrfachanrechnung, wie sie das Landesarbeitsgericht vermeiden will, ist nicht zu befürchten.
1.a) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend für die Zeit bis zum 31. Dezember 1983 davon ausgegangen, daß der Inhaber eines Bergmannsversorgungsscheines nur einmal die Berücksichtigung derselben Vordienstzeiten verlangen kann. Das entspricht der Rechtsprechung des Senats (BAG Urteile vom 26. Oktober 1978 – 3 AZR 604/77 – AP Nr. 15 zu § 9 BergmannsVersorgScheinG NRW mit zustimmender Anmerkung von Boldt; vom 15. Mai 1984 – 3 AZR 400/82 –, zu III der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen). Die im Bergbau unter Tage verbrachten Dienstzeiten sollen zwar nicht verloren sein; das bedeutet jedoch nicht, daß der Inhaber eines Bergmannsversorgungsscheines mehrere Versorgungsansprüche aufgrund ein und derselben Beschäftigungszeit erwerben kann. § 9 Abs. 3 BergmannsVersorgScheinG NRW a.F. enthält eine Regelungslücke für den Fall, daß mehrere Arbeitgeber Vordienstzeiten anrechnen müssen. Wie diese Regelungslücke zu schließen ist, hat der Senat am 15. Mai 1984 entschieden.
b) Das Problem der Mehrfachanrechnung kann sich nur ergeben, wenn ein Arbeitnehmer nach der Abkehr aus dem Bergbau bei mehreren Arbeitgebern nacheinander beschäftigt war und wiederholt unverfallbare Versorgungsanwartschaften erwerben konnte. Bei der Berechnung der Unverfallbarkeitsfristen sind die anrechnungspflichtigen Untertagedienstzeiten bei jedem Arbeitgeber erneut zu berücksichtigen (BAG vom 15. Mai 1984 – 3 AZR 207/82 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Jeder Folgearbeitgeber ist bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verpflichtet, den Wert der Versorgungsanwartschaft nach den Berechnungsgrundsätzen von § 2 BetrAVG zu ermitteln.
Doppelversorgungen sind dadurch vermeidbar, daß die verschiedenen Arbeitgeber bei der Berechnung der unverfallbaren Versorgungsanwartschaften jeweils früher erworbene Versorgungsrechte teilweise anrechnen. Das Gesetz läßt das zu, soweit die Versorgungsrechte aus früheren Arbeitsverhältnissen zeitanteilig auf dieselben anrechnungspflichtigen Untertagezeiten entfallen. Das bedeutet, daß sich eine Mehrfachanrechnung auf die Versorgungshöhe nur dann auswirken kann, wenn ein späterer Arbeitgeber über frühere Versorgungszusagen hinausgeht. Im Ergebnis ist gewährleistet, daß sich die jeweils günstigere Versorgungsordnung voll auswirkt. Allerdings verteilt sich die Versorgungslast unter den verschiedenen Arbeitgebern ausschließlich nach der zeitlichen Reihenfolge der Arbeitsverhältnisse. Je länger die Abkehr des Arbeitnehmers vom Bergbau zurückliegt, desto geringer wirkt sich die Bergbauzeit versorgungssteigernd aus.
c) Dagegen vermag der Senat den im Schrifttum entwickelten Modellen zur Vermeidung einer Mehrfachanrechnung nicht zu folgen.
(1) Boldt ist der Ansicht, daß schon nach einer einzigen Anrechnung von Untertagedienstzeiten die Anrechnungsmöglichkeit für alle folgenden Arbeitsverhältnisse verbraucht sei (Boldt in Anm. zu BAG AP Nr. 15 zu § 9 BergmannsVersorgScheinG NRW). Das läuft in etwas abgemilderter Form auf die These hinaus, daß nur der erste Arbeitgeber nach der Abkehr des Arbeitnehmers aus dem Bergbau Untertagezeiten anrechnen muß. Der Schutzzweck des § 9 Abs. 3 BergmannsVersorgScheinG NRW reicht jedoch weiter, wie bereits ausgeführt wurde (vgl. vorstehend unter I 2 c).
(2) Auch dem von Schumann (DB 1983, 118) entwickelten Anrechnungsmodell, dem sich das Landesarbeitsgericht angeschlossen hat, kann nicht gefolgt werden. Danach soll jeder Nachbergbauarbeitgeber, der Ruhegeldleistungen erbringt, eine der bei ihm verbrachten Beschäftigungszeit entsprechende Quote der Untertagedienstzeit berücksichtigen. Dieses Lösungsmodell hat zur Folge, daß bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, in dem der Arbeitnehmer eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erworben hat, eine Berechnung der Versorgungsanwartschaft unmöglich ist. Der Arbeitgeber kann regelmäßig nicht voraussagen, in welchem Umfang der Arbeitnehmer noch Versorgungsrechte erwerben wird. Diese Unklarheit widerspricht den Zielen des Betriebsrentengesetzes, das eine Abklärung der versorgungsrechtlichen Lage bei der Beendigung eines jeden Arbeitsverhältnisses sicherstellen will. Deshalb hat der ausscheidende Arbeitnehmer Anspruch auf Auskunft über den Wert seiner unverfallbaren Anwartschaft (§ 2 Abs. 6 BetrAVG). Nach § 2 Abs. 5 BetrAVG müssen bei der Berechnung des Wertes der unverfallbaren Versorgungsanwartschaft Veränderungen der Versorgungsregelungen und der Bemessungsgrundlagen unberücksichtigt bleiben.
(3) Soweit vertreten worden ist, die Mehrfachanrechnung sei zu vermeiden, wenn jeder Folgearbeitgeber die Bergbauzeit nur mit dem Bruchteil berücksichtige, der der bei ihm verbrachten Beschäftigungszeit im Verhältnis zu der gesamtmöglichen Beschäftigungszeit des Arbeitnehmers entspreche, läßt diese Auffassung außer acht, daß jeder nachbergbauliche Arbeitgeber des Bergmannsversorgungsscheininhabers anrechnungspflichtig ist. Außerdem führt sie zu erheblicher Rechtsunsicherheit, wenn der Inhaber des Bergmannsversorgungsscheines wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit vorzeitig aus dem Arbeitsleben ausscheiden muß.
(4) Soweit schließlich die Beklagte vertreten hat, die Vordienstzeit könne lediglich auf die Wartezeit, nicht aber bei der Berechnung der Höhe berücksichtigt werden, läßt sie das erklärte Ziel des Gesetzes außer acht, daß der Bergmann im neuen Beschäftigungsbetrieb so gestellt werden soll, als ob er dort von vornherein beschäftigt worden wäre.
d) Unter Anwendung der vorstehend entwickelten Rechtsgrundsätze hat der Kläger für die Zeit vom 1. Mai 1981 bis zum 31. Dezember 1983 Anspruch auf ein monatliches Ruhegeld in Höhe von 371,63 DM, sofern die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem 63. Lebensjahr zunächst außer Betracht bleibt. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß der Kläger allein Versorgungsansprüche gegen die Beklagte hat, so daß die Berücksichtigung weiterer Renten nicht in Betracht kommt. Aus seinen Feststellungen ergibt sich ferner, daß das rentenfähige Einkommen 1.516,87 DM beträgt. Anrechnungsfähig ist eine Dienstzeit von 29 Jahren, so daß sich ein Rentenbetrag von 24,5 v.H. von 1.516,87 DM = 371,63 DM ergibt.
2. Auch für die Zeit ab 1. Januar 1984, also seit der Geltung der neuen Fassung des § 9 BVSG NW, hat der Kläger Anspruch auf den Betrag in Höhe von 371,63 DM, wenn wiederum zunächst die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem 63. Lebensjahr außer Betracht bleibt.
Nach § 9 Abs. 3 Satz 2 BVSG NW n.F. darf sich die Anrechnung von Untertagezeiten bei Betriebsrenten zwar mehrfach auswirken; indes dürfen die Betriebsrenten, soweit die Anrechnung zu mehreren Betriebsrenten führt oder sich auf deren Höhe auswirkt, soweit gekürzt werden, daß sie zusammen den günstigsten Einzelbetrag nicht übersteigen. Der Senat braucht nicht der Frage nachzugehen, ob § 9 Abs. 3 Satz 2 BVSG NW gegen § 2 Abs. 5 BetrAVG verstößt. Nach § 2 Abs. 5 BetrAVG bleiben bei der Berechnung des Teilanspruchs einer aufrecht zu erhaltenden Anwartschaft Veränderungen der Versorgungsregelung und der Bemessungsgrundlagen für die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung außer Betracht, soweit sie nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers eintreten. Dasselbe gilt auch für die Bemessungsgrundlagen anderer Versorgungsbezüge, die bei der Berechnung der Leistung der betrieblichen Altersversorgung zu berücksichtigen sind. Das läßt sich nicht ohne weiteres mit der Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 2 BVSG NW in Einklang bringen. Hierauf kommt es aber für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht an.
Der Kläger bezieht nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nur aus seinem Arbeitsverhältnis zum Schuhhaus V. eine betriebliche Altersversorgung, so daß die tatsächlichen Voraussetzungen eines Mehrfachbezuges und damit auch für die gesetzliche Maximierungsklausel nicht vorliegen.
III. Die Beklagte darf die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung jedoch ratierlich kürzen im Verhältnis der erreichten zur erreichbaren Betriebszugehörigkeit.
1. Das Betriebsrentengesetz ermöglicht dem Arbeitnehmer, der das Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch nimmt, auch die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu verlangen, wenn die Voraussetzungen des Leistungsplanes erfüllt sind (§ 6 Satz 1 BetrAVG). Das Gesetz enthält dagegen keine Regelungen, in welcher Weise das betriebliche Ruhegeld wegen seiner vorzeitigen Gewährung zu kürzen ist. Diese Regelungslücke kann der Arbeitgeber unter Wahrung der Rechte des Betriebsrates in seiner Versorgungsordnung schließen, indem er nach billigem Ermessen Abschläge für den vorzeitigen Ruhegeldbezug vorsieht. Trifft er insoweit keine Regelungen, so kann das zu gewährende Ruhegeld wenigstens nach dem Maßstab des § 2 BetrAVG gekürzt werden. Hiervon ist der Senat beständig ausgegangen (BAG 30, 333, 337 f. = AP Nr. 1 zu § 6 BetrAVG, zu 2 b der Gründe; Urteil vom 11. September 1980 – 3 AZR 185/80 – AP Nr. 3 zu § 6 BetrAVG; BAG 38, 277, 280 = AP Nr. 4 zu § 6 BetrAVG, zu 1 a der Gründe). Diese Kürzung führt zu einem monatlichen Rentenbetrag von 348,53 DM.
2. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht eine Kürzung in der Weise genügen lassen, daß nur die Steigerungsraten nach dem Leistungsplan, die dem Kläger durch sein vorzeitiges Ausscheiden entgangen sind, vorenthalten werden. Demgegenüber ist der Senat davon ausgegangen, daß die ratierliche Berechnung des Gesetzes ohne Rücksicht auf einen möglicherweise günstigeren Leistungsplan stets dann anzuwenden ist, wenn eine günstigere Berechnung für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens nicht ausdrücklich festgelegt ist (BAG Urteil vom 21. Juni 1979 – 3 AZR 806/78 – AP Nr. 1 zu § 2 BetrAVG; zuletzt BAG Urteil vom 12. März 1985 – 3 AZR 450/82 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Dieser Auffassung hat sich das Schrifttum angeschlossen (Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 2 Rz 19; Heubeck/Höhne u. a., BetrAVG, 2. Aufl., § 2 Rz 107 ff.; Höfer/Abt, BetrAVG, 2. Aufl., § 2 Rz 9, alle m.w.N.). Hierbei ist zu verbleiben, da nur so eine Quotierung des Versorgungsanspruches entsprechend der zurückgelegten Dienstzeit zu erreichen ist. Unter Anwendung der ratierlichen Berechnungsmethode des § 2 BetrAVG ergeben sich die ausgeurteilten Beträge.
Unterschriften
Dr. Dieterich, Schaub, Dr. Peifer, Heimann, Falkenstein
Fundstellen