Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustimmung zur Kündigung nach § 19 SchwbG unter einer Bedingung
Leitsatz (redaktionell)
1. Wenn die Hauptfürsorgestelle der beabsichtigten Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmer mit der "Bedingung" zugestimmt hat, daß zwischen dem Tage der Kündigung und dem Tag, bis zu dem Gehalt oder Lohn gezahlt wird, mindestens drei Monate liegen, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob es sich bei der "Bedingung" sachlich um eine Bedingung oder um eine Auflage im Sinne des § 32 SGB X handelt.
2. Wenn die Zustimmung nicht unter der aufschiebenden Bedingung der Fortzahlung der Vergütung erteilt worden ist, kann der Arbeitgeber wirksam kündigen, solange die Zustimmung nicht nach § 47 SGB X widerrufen worden ist.
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 06.09.1989; Aktenzeichen 11 Sa 782/89) |
ArbG Essen (Entscheidung vom 13.04.1989; Aktenzeichen 3 (2) Ca 328/89) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob eine von dem Beklagten ausgesprochene ordentliche Kündigung des schwerbehinderten Klägers wegen Betriebsstillegung nach § 19 SchwbG unwirksam ist, weil eine Bedingung, unter der die Hauptfürsorgestelle die Zustimmung erteilt haben könnte (Gehaltsfortzahlung für drei Monate über den Tag der Kündigung hinaus) nach der Meinung des Klägers nicht eingetreten ist.
Der Kläger war bei der W. G GmbH & Co. KG ab 1. April 1970 als Personalleiter beschäftigt. Im Anstellungsvertrag vom 20. Februar/17. März 1978 hat er mit seiner Arbeitgeberin im § 6 folgende Vereinbarung getroffen:
"Im Krankheitsfalle zahlen wir Ihnen die Dif-
ferenz zwischen Ihrem Krankengeld (einschließ-
lich sozialer Gemeinschaftskasse) und Ihren
monatlichen Nettobezügen nach Ablauf von 6
Wochen für weitere 20 Wochen."
Am 4. Juli 1988 ist über das Vermögen der Arbeitgeberin des Klägers das Konkursverfahren eröffnet worden und Rechtsanwalt Dr. S - der Beklagte - zum Konkursverwalter bestellt worden. Der Beklagte hat am 8. Juli 1988 wegen der beschlossenen Stillegung und der beabsichtigten Versteigerung der Betriebseinrichtungen der Gemeinschuldnerin bei der Hauptfürsorgestelle des Landschaftsverbandes Rheinland die Zustimmung zur Kündigung des Klägers beantragt, die ihm durch Bescheid vom 20. September 1988 mit folgender Maßgabe erteilt worden ist (63.10 - 637 214):
"Der Kündigung wird gem. § 19 Abs. 1 Satz 1
des Schwerbehindertengesetzes ... unter der
Bedingung zugestimmt, daß zwischen dem Tage
der Kündigung und dem Tag bis zu dem Gehalt
oder Lohn gezahlt wird, mindestens 3 Monate
liegen."
In der Begründung dieses Bescheides wird darauf hingewiesen, die Kündigung könne nach § 15 in Verbindung mit § 18 Abs. 3 SchwbG erst nach Zustellung des Bescheides und nur innerhalb eines Monats nach Zustellung erklärt werden. Die vorgenannte 3-Monats-Frist für die Fortzahlung des Gehaltes oder Lohnes sei nicht identisch mit der Kündigungsfrist, die gemäß § 16 SchwbG mindestens vier Wochen betrage. Unberührt blieben andere günstigere gesetzliche, tarifliche oder vertragliche Kündigungsfristen.
Mit Schreiben vom 23. September 1988 hat der Beklagte dem Kläger gemäß § 22 KO das Arbeitsverhältnis zum Ablauf des 31. März 1989 gekündigt. Nachdem der Kläger ab 19. September 1988 arbeitsunfähig erkrankt war, hat der Beklagte ihm zunächst nur noch das Gehalt bis zum 31. Oktober 1988 weitergezahlt.
Der Kläger hat mit einem am 31. Januar 1989 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Klage auf Feststellung erhoben, daß die Kündigung des Klägers durch den Beklagten mit Schreiben vom 23. September 1988 zum 31. März 1989 unwirksam sei und das Anstellungsverhältnis über den 31. März 1989 hinaus fortbestehe. Hilfsweise hat er die Feststellung begehrt, daß der Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger über den 31. Oktober 1988 hinaus Gehaltsfortzahlungen zu gewähren und ihm denjenigen Betrag zu zahlen habe, der sich nach Abzug des Krankengeldes nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung ergebe. Seinen Hilfsantrag hat er damit begründet, der Beklagte sei unabhängig von der Kündigung verpflichtet, ihm jedenfalls die in § 6 des Anstellungsvertrages festgelegten Leistungen zu gewähren. Er sei nicht in der Lage, die sich daraus ergebenden Ansprüche zu berechnen. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hat am 1. Februar 1989 eine Abschrift der Klage beim Landschaftsverband Rheinland eingereicht und darauf hingewiesen, die im Bescheid vom 20. September genannte Bedingung sei nicht eingetreten und deswegen die ausgesprochene Kündigung unwirksam. Der Landschaftsverband hat darauf unter dem 22. Februar 1989 geantwortet, mit der Entscheidung der Hauptfürsorgestelle vom 20. September 1988 sei das Kündigungsschutzverfahren abgeschlossen. Dieser Bescheid sei rechtskräftig. Alle weiteren Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung seien über das Arbeitsgericht weiterzuverfolgen.
Diese Stellungnahme hat den Prozeßbevollmächtigten des Klägers zu folgender weiterer Anfrage veranlaßt:
"Ihr Schreiben vom 21.02.89 läßt wesentliche
rechtliche Fragen zu § 19 Abs. 1 des Schwerbe-
hindertengesetzes offen. Unabhängig von dem
konkreten Fall bitte ich Sie, mir mitzuteilen,
wie Sie die Gesetzesbestimmung "... bis zu dem
Gehalt oder Lohn gezahlt wird ..." auslegen.
Diese wesentliche Frage kann nicht mit der
Rechtskraft eines Zustimmungsbescheides vom
Tisch gefegt werden. Auch ist es nicht an-
gängig, daß sich der Schwerbeschädigte auf die
Geltendmachung seiner Rechte in einem arbeits-
gerichtlichen Rechtsstreit verweisen lassen
muß. Nach diesseitigem Verständnis ist es Auf-
gabe der Hauptfürsorgestelle, gerade unab-
hängig von der Frage der Rechtskraft es er-
teilten Bescheides zur Frage der Bestandskraft
des Bescheides im Falle der Nichtzahlung von
Lohn oder Gehalt in der Dreimonatsfrist Stel-
lung zu beziehen. ..."
Der Landschaftsverband hat unter dem 17. März 1989 abschließend folgende Angaben gemacht:
"...
gem. jahrelanger übereinstimmender Praxis,
welche auch von den meisten Hauptfürsorgestel-
len geteilt wird, macht die Hauptfürsorgestel-
le Rheinland die Zustimmung nach § 19 Abs. 1
Satz 1 SchwbG nicht davon abhängig, daß der
Arbeitgeber zuvor ausdrücklich seine Bereit-
schaft erklärt, Gehalt und Lohn für drei Mona-
te weiter zu zahlen. Es wird vielmehr die Auf-
fassung vertreten, daß beim Tatbestand der Be-
triebsstillegung stets die Zustimmung zur Kün-
digung mit der Maßgabe der dreimonatigen Lohn-
fortzahlung zu erteilen ist, wobei der Schwer-
behinderte diesen Anspruch auf Lohnzahlung
ggf. gerichtlich geltend machen muß. Letzteres
ist im vorliegenden Fall ja wohl geschehen.
Insoweit wird von hier aus nach wie vor die
Bestandskraft des Bescheides der Hauptfür-
sorgestelle nicht in Frage gestellt.
..."
Nachdem der Beklagte zunächst beanstandet hatte, der Hilfsantrag sei unzulässig, weil der Kläger in der Lage sei den von ihm geltend gemachten Anspruch zu beziffern, haben die Parteien insoweit im Termin vor dem Arbeitsgericht am 13. April 1989 folgenden Teilvergleich geschlossen:
"Der Beklagte erkennt an, dem Kläger als Dif-
ferenz zwischen Krankengeld und monatlichen
Nettobezügen für 20 Wochen nach Ablauf der
6-Wochen-Frist (beginnend am 1.11.1988)
8.104,60 DM ... netto zu schulden als Masse-
schuld gem. § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO."
Der Kläger hat daraufhin nur noch seinen Hauptantrag weiter verfolgt. Er hat zur Begründung vorgetragen, die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zu seiner Kündigung sei an die Bedingung geknüpft, daß zwischen dem Tage der Kündigung und dem Tag bis zu dem Gehalt oder Lohn gezahlt werde, mindestens drei Monate liegen. Diese Bedingung sei nicht eingetreten, weil mit der Gehaltszahlung des Beklagten bis zum 31. Oktober 1988 nur noch für einen Monat das Gehalt gewährt worden sei. Die Bedingung sei nicht nur dahingehend zu verstehen, daß ihm dem Grunde nach ein Anspruch auf Gehaltsfortzahlung zustehe, sondern auch tatsächlich drei Monate nach der Kündigung noch das volle Gehalt weiter gewährt werde. Wenn nur auf das Bestehen eines Anspruches nicht aber auf die tatsächliche Erfüllung durch den Arbeitgeber abgestellt werde, würde das dem gesetzgeberischen Sinn und Zweck des § 19 Abs. 2 SchwbG zuwiderlaufen. Er diene dazu, die Einstellungs- und Beschäftigungschancen der Schwerbehinderten auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Eine Verpflichtung der Hauptfürsorgestelle zur Erteilung einer Zustimmung nach § 19 SchwbG sei nur gerechtfertigt, wenn die Lohnfortzahlung an den Schwerbehinderten für weitere drei Monate auch gesichert sei. Mit der Einstellung der Gehaltsfortzahlung ab 1. November 1988 sei der Zustimmungsbescheid und die Kündigung mit ex-tunc-Wirkung unwirksam geworden.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, die Auffassung des Klägers sei weder vom Wortlaut des § 19 SchwbG her zwingend noch sei sie am Sinn und Zweck dieser Vorschrift orientiert. Der Gesetzestext bringe als Voraussetzung für die Erteilung der Zustimmung durch die Hauptfürsorgestelle nur die notwendige Konsequenz des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses für den Zeitraum von drei Monaten zum Ausdruck. Das Gesetz stelle damit auf das Bestehen eines Anspruches auf Lohn oder Gehaltszahlung für diesen Zeitraum ab. Der Fall der Insolvenz des Arbeitgebers mit der Konsequenz, daß dieser nicht in der Lage sei, den an sich bestehenden Gehaltszahlungsanspruch zu befriedigen, regele das SchwbG nicht. Dies richte sich nach den dann einschlägigen Vorschriften der KO. Das sei keine Besonderheit des SchwbG, weil dieser Grundsatz auch im allgemeinen Arbeitsrecht gelte, indem z.B. § 611 BGB nicht den Fall regele, was mit dem Vergütungsanspruch geschehe, wenn der Arbeitgeber insolvent werde. Jede andere Auslegung würde auch den Interessen des Schwerbehinderten zuwiderlaufen. Sie hätte nämlich die Konsequenz, daß in einer Situation, in der es den Schwerbehinderten wegen der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers schlicht nicht mehr zuzumuten sei, an den Arbeitgeber gebunden zu sein, sich dieser gleichwohl nicht vom Schwerbehinderten trennen könne, weil die Voraussetzungen einer erfolgten Fortzahlung der Vergütung nicht erfüllt werden könnten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen vom Kläger eingelegte Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung weiter, während der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, die vom Kläger angegriffene Kündigung sei im Rahmen der von der Hauptfürsorgestelle erteilten Zustimmung wirksam, weil der Beklagte die ihm gesetzte Bedingung der Gehaltsfortzahlung für drei Monate über den Ausspruch der Kündigung hinaus, nicht nur dem Grunde nach, sondern auch tatsächlich erfüllt habe. Diese Würdigung hat es insbes. wie folgt begründet:
Der Beklagte habe an den seit dem 19. September 1988 arbeitsunfähigen Kläger zunächst für 6 Wochen bis zum 31. Oktober 1988 das Gehalt fortgezahlt. Ab 1. November 1988 habe der Kläger Krankengeld von der Krankenkasse bezogen und der Beklagte habe durch Teilvergleich vom 13. April 1989 anerkannt, dem Kläger aufgrund § 6 des Anstellungsvertrages für 20 Wochen nach Ablauf der 6-Wochen-Frist , also ab 1. November 1988, die Differenz zwischen dem Krankengeld und seinen monatlichen Nettobezügen als Masseschuld zu schulden. Damit habe der Beklagte die Bedingung im Bescheid der Hauptfürsorgestelle erfüllt.
Der Sinn und Zweck des § 19 Abs. 1 Satz 1 SchwbG bestehe darin, dem Schwerbehinderten durch die Fortzahlung des Lohnes für eine begrenzte Übergangszeit die im Regelfall schwere Suche nach einem neuen Arbeitsplatz zu erleichtern. Dem Schwerbehinderten solle für diese Zeit der bisherige Lebensstandard gesichert werden. Im übrigen sei der Schwerbeschädigte während dieser Zeit so zu behandeln, wie die anderen Arbeitnehmer des Betriebes und müsse deshalb auch Lohnkürzungen, z.B. infolge von wirksam eingeführter Kurzarbeit, hinnehmen.
Der Gesetzgeber wolle demnach nur gewährleisten, daß der Schwerbehinderte während einer Mindestzeit von drei Monaten nach der Kündigung, unabhängig davon, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund einer kürzeren Kündigungsfrist vorher ende, so gestellt werde, wie er bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gestanden hätte. Demgemäß seien im Falle der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit auch nur die für diesen Fall im Gesetz oder Arbeitsvertrag vorgesehenen Leistungen zu erbringen. Das nach Ablauf der Lohnfortzahlungsdauer von sechs Wochen von der Krankenkasse zu zahlende Krankengeld habe Lohnersatzfunktion. Ob deswegen dem gesetzlichen Zweck des § 19 Abs. 1 Satz 1 SchwbG schon dann entsprochen sei, wenn der Schwerbehinderte nach der Lohnfortzahlung für sechs Wochen nur einen Anspruch auf Krankengeld habe, könne vorliegend dahingestellt bleiben. Da der Kläger nach § 6 des Anstellungsvertrages einen Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen Krankengeld und Nettolohn für die Dauer von weiteren sechs Wochen habe, stehe er sich während des nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SchwbG maßgeblichen Zeitraumes so, als wenn er einen Gehaltsanspruch gehabt hätte. Es wäre reiner Formalismus, wenn man wegen des Wortlautes des § 19 Abs. 1 Satz 1 SchwbG verlangen wolle, daß der Beklagte das volle Gehalt hätte zahlen müssen, was nicht dem Kläger, sondern nur der Krankenkasse Vorteile gebracht hätte.
Der Beklagte sei zudem als Konkursverwalter verpflichtet, die Abwicklung der Zahlungsansprüche des Klägers nach den einschlägigen konkursrechtlichen Vorschriften vorzunehmen. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung könne aus § 19 Abs. 1 Satz 1 SchwbG nicht hergeleitet werden. Insbesondere könne der Umstand, daß die Konkursmasse möglicherweise nicht ausreiche, um alle Masseschulden zu erfüllen, nicht zur Unwirksamkeit der Zustimmung führen. Anderenfalls wäre nämlich in allen Insolvenzfällen, in denen keine oder nur eine unzulängliche Konkursmasse vorhanden sei, die Kündigung der Schwerbehinderten nicht möglich.
II. Dieser Würdigung ist schon deswegen im Ergebnis zuzustimmen, weil die Hauptfürsorgestelle der Kündigung des Klägers bei zutreffender Auslegung des Bescheides vom 20. September 1988 und seiner entscheidungserheblichen Begleitumstände nicht unter der Bedingung, sondern mit der Auflage einer entsprechenden Gehaltsfortzahlung erteilt hat. Die vom Kläger angenommene fehlende Erfüllung der Auflage führt deswegen nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, sondern könnte allenfalls die Hauptfürsorgestelle berechtigen, die Zustimmung zur Kündigung nach § 47 SGB X zu widerrufen.
1. Wenn die beabsichtigte Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers - wie vorliegend - mit einer nicht nur vorübergehenden Betriebsstillegung begründet wird, hat die Hauptfürsorgestelle nach § 19 SchwbG aufgrund eines insoweit eingeschränkten Ermessens (vgl. Wilrodt/Neumann, SchwbG, 7. Aufl., § 19 Rz 1) die Zustimmung zu erteilen, wenn zwischen dem Tage der Kündigung (d.h. deren Zustellung: Wilrodt/Neumann, aaO, § 19 Rz 15) und dem Tag, bis zu dem Gehalt oder Lohn gezahlt wird, mindestens drei Monate liegen.
Im § 19 SchwbG wird nicht vorgeschrieben, ob die Erfüllung der gesetzlich vorgesehenen "Voraussetzung" (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 2 SchwbG) für die Erteilung der Zustimmung durch eine Bedingung oder durch eine Auflage sicherzustellen ist.
a) Da die Zustimmung nach § 19 SchwbG für den Arbeitgeber ein begünstigender oder für den Arbeitnehmer ein belastender Verwaltungsakt ist (Wilrodt/Neumann, aaO, § 15 Rz 77), kommt nach den deswegen anwendbaren Vorschriften für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit von Sozialbehörden gemäß § 32 SGB X nach pflichtgemäßem Ermessen der Behörde sowohl eine dem Arbeitgeber zu setzende Bedingung als auch eine Auflage in Betracht.
b) Um eine Bedingung im Rechtssinne handelt es sich, wenn die Zustimmung (Vergünstigung) von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängig gemacht wird (§ 32 Abs. 2 Nr. 2 SGB X), während eine Auflage dann vorliegt, wenn dem Begünstigten (Arbeitgeber) von der Behörde ein "Tun, Dulden oder Unterlassen" vorgeschrieben wird (§ 32 Abs. 2 Nr. 4 SGB X).
c) Zwischen diesen beiden Arten der zulässigen Nebenbestimmungen bestehen insbesondere folgende wesentliche sachliche Unterschiede: Wenn der Begünstigte eine ihm erteilte Auflage nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt, dann wirkt sich das nicht unmittelbar auf die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes (der Zustimmung) aus. Die Behörde hat vielmehr nur die Möglichkeit, den begünstigenden Verwaltungsakt nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 SGB X mit Wirkung für die Zukunft zu widerrufen (Hauck/Haines, SGB X, § 32 Rz 10).
Bei einer aufschiebenden Bedingung hängt demgegenüber die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes (der Zustimmung) von dem Eintritt des ungewissen Ereignisses ab (Hauck/Haines, aaO, § 32 Rz 7), d.h. eine Kündigung, die vom Arbeitgeber vor Erfüllung einer von der Hauptfürsorgestelle gesetzten aufschiebenden Bedingung ausgesprochen wird, ist nichtig, weil es noch an einer rechtswirksamen Zustimmung fehlt (im Ergebnis überwiegende Meinung: Gröninger/ Thomas, SchwbG, Stand Dezember 1986, § 19 Rz 10; Jung/Cramer, SchwbG, 3. Aufl., § 19 Rz 5; Dörner, SchwbG, § 19 Anm. II 2 b; Wiegand, SchwbG, Stand April 1988, § 19 Rz 16; a.A.: Wilrodt/ Neumann, aaO, § 19 Rz 16: Widerruf der Zustimmung bei Nichterfüllung der Bedingung).
In diesem Fall fehlt für einen Widerruf der noch nicht rechtswirksam erteilten Zustimmung nicht nur der Bedarf, sondern bereits die gesetzliche Grundlage.
d) Mit dieser unterschiedlichen gesetzlichen Ausgestaltung von Bedingungen und Auflagen ist die Auffassung von Neumann (Wilrodt/ Neumann, aaO) nicht zu vereinbaren, auch wenn die Zustimmung zur Kündigung unter der Bedingung der Lohnfortzahlung für drei Monate erteilt werde, sei der Bescheid nach § 47 SGB X widerruflich, wenn die Bedingung nicht erfüllt werde. Diese Rechtsfolge tritt vielmehr nur dann ein, wenn dem Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Zustimmung die Auflage erteilt worden ist, die Vergütung für einen Zeitraum von mindestens drei Monaten fortzuzahlen.
2. Von einer derartigen Auflage ist im Streitfall aus folgenden Gründen auszugehen:
a) Nach dem Wortlaut des Zustimmungsbescheides hat die Hauptfürsorgestelle die Zustimmung zwar mit der Bedingung der Fortzahlung von Gehalt oder Lohn verbunden. Wie bei der Auslegung privatrechtlicher Erklärungen ist jedoch auch bei einem Verwaltungsakt nicht allein der sprachliche Ausdruck maßgebend. Es ist vielmehr auch bei einem Beschluß nach § 19 SchwbG zu prüfen, ob erkennbar eine falsa demonstratio vorliegt und sachlich die gesetzte Bedingung nur eine Auflage im Rechtssinne enthält (vgl. Walz, Anm. zum Urteil des ArbG Augsburg vom 18. Dezember 1954 - Pr.R. I B 61/54 - SAE 1955, 62, 63 ff.; mit dieser Einschränkung ist auch der Auffassung von Wilrodt/Neumann, aaO, § 19 zuzustimmen).
b) Für die Bestimmung einer Auflage spricht zunächst schon die Belehrung über den zulässigen Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung im Bescheid vom 20. September 1988. Sie verweist ausschließlich auf § 18 Abs. 3 SchwbG und enthält nicht den bei einer Bedingung zwangsläufigen Vorbehalt, die Kündigung sei erst dann zulässig, wenn der Beklagte sich verpflichtet habe, die Arbeitsvergütung für drei Monate nach Zustellung der Kündigung fortzuzahlen oder nachdem diese Zahlung tatsächlich erfolgt sei.
c) Wenn die Hauptfürsorgestelle nach ihrer Vorstellung und der Zweckbestimmung ihres Bescheides die Wirksamkeit der Zustimmung von einer echten Bedingungen hätte abhängig machen wollen, hätte es nahegelegen, zunächst zu überprüfen, ob es zur Erfüllung der Voraussetzung der Fortzahlung der Vergütung überhaupt noch der Setzung einer Bedingung bedurfte, oder ob die Zahlungspflicht des Beklagten nicht bereits durch die vertragliche Regelung in § 6 des Anstellungsvertrages gesichert war (vgl. Gröninger/Thomas, aaO, § 19 Rz 10). Diese Prüfung hat die Hauptfürsorgestelle offensichtlich unterlassen, weil sie sich nach dem Inhalt ihrer Akten den Arbeitsvertrag des Klägers nicht hat vorlegen lassen.
Das spricht dafür, daß die Hauptfürsorgestelle mit der von ihr gesetzten "Bedingung" nur vorsorglich eine besondere Rechtsgrundlage für die Fortzahlung der Vergütung schaffen wollte. Das war durch eine mit der Zustimmung verbundene Bedingung, die Vergütung für drei Monate fortzuzahlen, nicht zu erreichen (so zutreffend Wilrodt/Neumann, aaO, § 19 Rz 16 gegen RAG, Urteil vom 30. April 1930 - RAG 562/29 - ARS 10, 322), weil eine Bedingung allein noch keine selbständige Zahlungsverpflichtung für den Arbeitgeber begründet, sondern nur für die Wirksamkeit der Zustimmung von Bedeutung ist.
Eine vorsorgliche Verpflichtung der Beklagten zur Fortzahlung der Vergütung für einen Zeitraum von mindestens drei Monaten konnte die Hauptfürsorgestelle nur durch eine Nebenbestimmung in Form einer Auflage erreichen, die eine zusätzlich mit dem Verwaltungsakt verbundene, selbständig erzwingbare hoheitliche Anordnung ist (vgl. Hauck/Haines, aaO, § 32 Rz 10).
d) Wenn die Hauptfürsorgestelle nicht nur die Rechte des Klägers aus § 19 SchwbG zusätzlich hätte sichern, sondern die Wirksamkeit der Zustimmung hätte aufschieben wollen, wäre sie zudem gehalten gewesen, die Voraussetzungen der "Zahlung" der Vergütung näher zu bestimmen.
Nicht nur für Kündigungen, sondern auch für Zustimmungen der Hauptfürsorgestelle einschließlich gesetzlich zulässiger Nebenbestimmungen gilt der Grundsatz der Rechtsklarheit (Wilrodt/Neumann, aaO, § 15 Rz 78), d.h., der Zustimmungsbescheid muß eindeutig erkennen lassen, ob und unter welcher Voraussetzung die Zustimmung erlaubt ist. Auch nach § 33 SGB X muß ein Verwaltungsakt hinreichend inhaltlich bestimmt sein.
Daran würde es bei der Annahme einer aufschiebend bedingten Zustimmung fehlen, weil es streitig und höchstrichterlich noch nicht geklärt ist, ob die nach § 19 SchwbG erforderliche "Zahlung" der Vergütung einer entsprechenden vertraglichen Verpflichtung des Arbeitgebers gleichzusetzen ist (so RAG, Urteil vom 17. Februar 1932 - RAG 429/31 - ARS 15, 213; Wiegand, EWiR 1990, § 19 SchwbG 1/90, S. 285 ff.), ob auf die tatsächliche Fortgewährung der Vergütung abzustellen ist (so wohl Gröninger/Thomas, aaO, § 19 Rz 10), ob die Voraussetzung der Fortzahlung der Vergütung zwar an sich gegeben ist, wenn die einzuhaltende individuelle Kündigungsfrist die Dreimonatsfrist umspannt oder eine entsprechende vertragliche Zusage des Arbeitgebers vorliegt, die Zustimmung aber gleichwohl ihre Wirksamkeit verliert, wenn feststeht, daß der Arbeitgeber nicht zahlen kann oder will (so Dörner, aaO, § 19 Anm. II 2 b) oder ob es für die Erfüllung der Bedingung genügt, wenn die Verpflichtung des Arbeitgebers, das Arbeitsentgelt für drei Monate fortzuzahlen erst im Klagewege durchgesetzt wird (so OVG NW Urteil vom 3. Oktober 1989 - 13 A 74/88 - Behindertenrecht 1990, 89).
Solange diese Streitfragen nicht höchstrichterlich geklärt sind (Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts stehen insoweit noch aus) kann einem Zustimmungsbescheid der Hauptfürsorgestelle, die diese Problematik nicht aufgreift und die Erfüllung der Voraussetzung nicht konkretisiert, nicht unterstellt werden, das Risiko der gesetzesgemäßen Lösung dem Arbeitgeber nicht nur für die Erfüllung einer Auflage, sondern unmittelbar auch für die Wirksamkeit einer bedingten Zustimmung aufbürden zu wollen.
e) Diese gegen die Annahme einer Bedingung anzuführenden Erwägungen werden durch die Stellungnahmen der Hauptfürsorgestelle vom 21. Februar und 17. März 1989 an den Prozeßbevollmächtigten des Klägers verdeutlicht und bestätigt. Sie können ergänzend bei der Auslegung des Bescheides vom 20. September 1988 berücksichtigt werden, weil sie sich nicht auf spätere, den Parteien vorher nicht erkennbare neue Umstände beziehen, sondern nur den auslegungsbedürftigen Inhalt des Zustimmungsbescheides klarstellen.
Wie sich insbesondere aus dem zweiten Schreiben vom 17. März 1989 eindeutig ergibt, entspricht es nicht der Praxis der Hauptfürsorgestelle des Landesverbandes Rheinland und der meisten übrigen Hauptfürsorgestellen, die Zustimmung im Falle der Betriebsstillegung von einer Zahlungsverpflichtung des Arbeitgebers abhängig zu machen, sondern die Bestandskraft der erteilten Zustimmung insoweit nicht "in Frage" zu stellen. Die Zustimmung mit der "Maßgabe" der dreimonatigen Gehalts- oder Lohnfortzahlung ist sachlich als die Erteilung einer entsprechenden Auflage zu werten.
f) Da die Hauptfürsorgestelle vorliegend keinen Anlaß gesehen hat, die Zustimmung wegen der vom Kläger angenommenen unvollständigen Erfüllung der Zahlungsverpflichtung durch den Beklagten zu widerrufen, leidet die streitige Kündigung nicht an dem ausschließlich gerügten Mangel einer wirksamen Zustimmung der Hauptfürsorgestelle nach § 19 SchwbG.
3. Aus diesem Grunde sieht der Senat davon ab, zu den nicht streiterheblichen Modalitäten der "Zahlung" für drei Monate abschließend Stellung zu nehmen.
Das gilt auch für die Frage, ob die Beklagte die Vergütungspflicht mit der Zahlung der Gehaltsdifferenz zum Krankengeld erfüllt hat. Zu verweisen ist insoweit ohne erneute Überprüfung nur auf das nicht veröffentlichte Urteil des Senates vom 14. Juli 1983 (- 2 AZR 34/82 -), in dem der Senat die Auffassung vertreten hat, aus dem SchwbG sei kein über die vertraglichen Vereinbarungen oder die für alle Arbeitnehmer geltenden gesetzlichen Vorschriften hinausgehender Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung für Zeiten krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit herzuleiten und der früheren abweichenden Rechtsprechung des Reichsarbeitsgerichts (vgl. ARS 3, 16; 10, 349 und 46, 336) sei zum SchwbG vom 29. April 1974 nicht mehr zu folgen.
4. Da die Auslegung des Zustimmungsbescheides zu dem Ergebnis führt, daß die Zustimmung nicht unter einer Bedingung im Rechtssinne gewährt worden ist, brauchte der Senat auch nicht zu klären, ob bei Bedingungen, die die Zustimmung unklar machen, der ganze Verwaltungsakt einschließlich der Zustimmung rechtsunwirksam ist (so Wilrodt/Neumann, aaO, § 15 Rz 15; KR-Etzel , 3. Aufl., §§ 15 bis 20 SchwbG Rz 84) oder ob die Wirksamkeit der Zustimmung hierdurch nicht berührt wird und nur die §§ 44, 45 SGB X eingreifen (so Gröninger/Thomas, aaO, § 18 Rz 9 S. 120).
III. Die Revision war demgemäß mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Hillebrecht - zugleich für den Triebfürst
an der Unterschrift verhinderten
Richter Dr. Ascheid
Jansen Strümper
Fundstellen
Haufe-Index 437820 |
BB 1991, 1122 |
BB 1991, 1122-1124 (LT1-2) |
DB 1991, 1731-1733 (LT1-2) |
EBE/BAG 1991, 43-46 (LT1-2) |
EWiR 1991, 501 (L) |
NZA 1991, 348-350 (LT1-2) |
RdA 1991, 124 |
RzK, IV 8a 21 (LT1-2) |
ZIP 1991, 677 |
ZIP 1991, 677-680 (LT1-2) |
AP § 19 SchwbG (LT1-2), Nr 2 |
AR-Blattei, ES 1440 Nr 102 (LT1-2) |
AR-Blattei, Schwerbehinderte Entsch 102 (LT1-2) |
EzA § 19 SchwbG 1986, Nr 1 (LT1-2) |
br 1991, 68-70 (LT1-2) |