Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltfortzahlung. flexible Arbeitszeit. Arbeitszeitkonto
Leitsatz (amtlich)
Eine betriebliche Regelung zur flexiblen Verteilung der Arbeitszeit, nach der die sich in der Phase der verkürzten Arbeitszeit ergebende Zeitschuld nur durch tatsächliche Arbeitsleistung, nicht aber bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit in der Phase der verlängerten Arbeitszeit ausgeglichen wird, verstößt gegen das Lohnausfallprinzip des § 4 Abs. 1 EFZG (Juris: EntgFG).
Normenkette
EGFZG §§ 4, 12; BGB §§ 275, 323-324, 615-616
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 22. Februar 2000 – 11 Sa 920/99 – wird zurückgewiesen.
2. Auf die Revision des Klägers wird das genannte Urteil des Landesarbeitsgerichts teilweise aufgehoben. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 2. Februar 1999 – 2 Ca 1699/98 – teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 62,88 DM brutto nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 12. November 1999 zu zahlen.
3. Im Übrigen werden die Berufung und die Revision des Klägers zurückgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 25/36, die Beklagte 11/36 zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Vergütung im Zusammenhang mit einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Klägers.
Der Kläger war von 1979 bis zum 28. Februar 1999 als Montagearbeiter mit einem Monatslohn von zuletzt 4.351,00 DM bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis richtete sich kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit nach dem Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens (MTV).
Bei der Beklagten bestehen mehrere Betriebsvereinbarungen zur Flexibilisierung der Arbeitszeit. In der Zeit vom 1. Januar 1997 bis zum 30. November 1997 wurde die Arbeitszeit durch die Festlegung von Freischichten verkürzt (Zeitschuldenphase), während im Jahre 1998 Zusatzschichten und Schichtverlängerungen anfielen (Zeitguthabenphase). Die Beklagte führte für jeden Arbeitnehmer ein sog. Korridor-Arbeitszeitkonto, das seine Zeitschulden bzw. Zeitguthaben auswies. Mit Ablauf der Regelung sollte das Zeitkonto möglichst ausgeglichen sein. Der Monatslohn blieb die gesamte Zeit über auf der Basis der tariflichen 35-Stunden-Woche unverändert. War ein Arbeitnehmer während einer Freischicht arbeitsunfähig krank, wurde sein Zeitkonto ebenso wie bei einem gesunden Arbeitnehmer belastet. Bei Zusatzschichten und Schichtverlängerungen erfolgten Gutschriften nur bei tatsächlich geleisteter Arbeit. Die maßgeblichen Vorschriften der Betriebsvereinbarungen lauteten wie folgt:
Betriebsvereinbarung Nr. 4/1996
„Flexibilisierung der Arbeitszeit” Bochum, den 28. März 1996
Geschäftsleitung und Betriebsrat sind sich darüber einig, dass zusätzlich zur Betriebsvereinbarung Nr. 6/1995 „Arbeitszeit ab 01.Oktober 1995” weitere Regelungen zur Flexibilisierung der Arbeitszeit erforderlich sind, …
Durch die vorliegende Betriebsvereinbarung wird sichergestellt, dass bis zum 31.12.1997 keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden. Darüber hinaus sind sich Geschäftsleitung und Betriebsrat darüber einig, dass diese Betriebsvereinbarung sowie ihre Ergänzungen und Protokollnotizen wesentliche Bestandteile der gemeinsamen Bemühungen um eine Beschäftigungssicherung bis zum Jahre 1999 sind; Geschäftsleitung und Betriebsrat werden zur Erreichung dieses Zieles gemeinsam weitere Anstrengungen unternehmen.
Zur notwendigen Flexibilisierung der Arbeitszeit wird vereinbart, dass die wöchentliche Arbeitszeit der Produktion und der produktionsabhängigen Bereiche für das Gesamtwerk, für einzelne Bereiche oder für einzelne Gruppen von Mitarbeitern zu Zeiten eines geringeren Arbeitsanfalls reduziert und zu Zeiten eines erhöhten Arbeitsanfalls verlängert werden kann, und zwar nach folgenden Maßgaben:
I. Allgemeine Vorschriften
1. Die Verkürzung oder Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit erfolgt auf Grundlage der betrieblichen Erfordernisse nach gesonderter Vereinbarung zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat.
2. Die ungleichmäßige Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit erfolgt unter der Voraussetzung, dass gemäß § 4 Ziff. 2 des Tarifvertrages zur Beschäftigungssicherung vom 23.10.1995 (Ausgleichszeitraum) für den einzelnen Mitarbeiter seine individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit (z.B. 35 Stunden) erreicht wird. Der Ausgleichszeitraum ist so zu bemessen, dass an maximal 18 Monaten Zeitschulden (oder Zeitguthaben) aufgebaut und an weiteren maximal 18 Monaten Zeitschulden (oder Zeitguthaben) abgebaut werden können. …
3. Für die nach dieser Absprache verkürzte oder verlängerte wöchentliche Arbeitszeit erhalten die Mitarbeiter eine garantierte Vergütung auf Basis ihrer individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit (z.B. 35 Stunden).
Arbeitszeitabhängige Zuschläge werden entsprechend der tatsächlich gearbeiteten Zeit vergütet. Alle erarbeiteten Zeiten bis zu der sich aus Ziffer III.1. ergebenden Arbeitszeit werden ohne Mehrarbeitszuschläge vergütet.
II. Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit
1. Die Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit erfolgt durch Gewährung individueller Freischichten auf der Grundlage entsprechender Schichtpläne, wobei ausnahmsweise persönliche Gründe zu berücksichtigen sind, oder durch stundenweise Verkürzung der täglichen Arbeitszeit. Darüber hinaus können nach näherer Vereinbarung zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat in besonderen Fällen, z.B. an Brückentagen, auch kollektive Freischichten festgelegt werden.
2. Die sich hierdurch ergebenden Zeitschulden werden auf einem Arbeitszeitkonto, das für jeden Mitarbeiter zu führen ist, berücksichtigt.
3. Kann ein Arbeitszeitkonto mit Zeitschulden im Ausgleichszeitraum (Ziffer I.2.) aus betrieblichen Gründen nicht ausgeglichen werden, bleibt es bei der Vergütungsregelung gemäß Ziffer I.3.
4. Mitarbeiter mit Zeitschulden können zur Kompensation von Produktionsstörungen oder -verlusten – unter Beachtung der gesetzlichen Schutzbestimmungen für bestimmte Personengruppen – auch in anderen Bereichen außerhalb des Stammbereiches eingesetzt werden. Dabei soll der Einsatz möglichst in der gleichen Schicht erfolgen.
III. Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit
1. Die wöchentliche Arbeitszeit kann durch folgende Maßnahmen verlängert werden:
- Anrechnung von sich aus der Betriebsvereinbarung Nr. 6/1995 ergebenden Freischichten;
- Verlängerung der Freitag-früh-, Spät- und Nachtschicht des Werkes I um jeweils 40 Minuten (06.00 – 14.00 Uhr, 14.00 – 22.00 Uhr und 22.00 – 06.00 Uhr);
- zeitlich befristetes Vorziehen des Beginns der Frühschicht (5.45 Uhr statt 06.00 Uhr) und Verlängern der Spätschicht (22.15 Uhr statt 22.00 Uhr) um jeweils maximal 15 Minuten; Einzelheiten werden gegebenenfalls rechtzeitig mit dem Betriebsrat festgelegt;
- Einbeziehung von bis zu zwölf Samstagen pro Mitarbeiter und Jahr (= 12 Monate) in die Regelarbeitszeit unter Einhaltung einer jeweils 14tägigen Ankündigungsfrist; die Arbeitszeitregelung für Mitarbeiter der Instandhaltung und Wartung (Regelarbeitszeit an Samstagen gemäß Ziffer II.1. der Betriebsvereinbarungen Nr. 7/1994 und Nr. 13/1994) bleibt hiervon unberührt.
2. …
3. Die über die in der Betriebsvereinbarung Nr. 6/1995 festgelegte Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeitszeit wird auf dem Arbeitszeitkonto des Mitarbeiters gutgeschrieben. Das hierdurch erzielte Zeitguthaben wird durch Gewährung einer entsprechenden Anzahl von Freischichten oder stundenweise Verkürzung der täglichen Arbeitszeit ausgeglichen. Die Freischichten können entweder kollektiv oder individuell oder auf Grund entsprechender Schichtpläne gewährt werden.
4. Arbeitszeitkonten mit Zeitguthaben müssen im Ausgleichszeitraum (Ziffer I.2.) grundsätzlich ausgeglichen werden; eine Abgeltung kann ausnahmsweise z.B. bei Austritt wegen Erhalts einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder Übernahme in einen Sozialplan/ein Vorruhestandprogramm erfolgen.
…
Betriebsvereinbarung Nr. 19/1996
„Flexibilisierung der Arbeitszeit im Werk I” Bochum, den 13. Dezember 1996
In Anwendung der Betriebsvereinbarung Nr. 4/1996 wird zur Vermeidung von Personalabbaumaßnahmen die derzeit geltende Arbeitszeitregelung wie folgt konkretisiert
I. …
II. Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit
1. Die wöchentliche Arbeitszeit wird … in der Zeit vom 01.01.1997 bis 30.11.1997 durch Gewährung von – aus heutiger Sicht – 14 zusätzlichen individuellen Freischichten verkürzt; abweichend hiervon können zusätzliche Freischichten nach Abstimmung mit dem Betriebsrat auch kollektiv gewährt werden. Es besteht Einigkeit darüber, dass die bis zum 31.03.1998 erarbeiteten Arbeitszeitguthaben ausschließlich zur Erreichung der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit (z.B. 35 Stunden/Woche) eingesetzt und nicht zur Vermeidung von Arbeitsausfall herangezogen werden.
2. …
3. Der Schichtplan ist grundsätzlich spätestens am 1. eines Monats für den darauf folgenden Monat betriebsüblich bekanntzugeben.
4. Die sich aus der Gewährung der zusätzlichen Freischichten ergebenden Zeitschulden werden auf einem getrennt geführten Arbeitszeitkonto, das für jeden Mitarbeiter einzurichten ist, berücksichtigt.
Trifft eine zuvor festgelegte Freischicht mit Tarifurlaub eines Mitarbeiters zusammen, wird anstelle des Urlaubstages die vorgesehene Freischicht gewährt; der Anspruch auf den nicht genommenen Urlaubstag bleibt bestehen.
Beim Zusammentreffen mit schon genehmigtem bezahlten Sonderurlaub wird die Freischicht auf den nächsten Arbeitstag nach dem bezahlten Sonderurlaub gelegt.
Das Freischichtenkonto wird auch dann mit der zuvor festgelegten Freischicht belastet, wenn der Mitarbeiter an dem betreffenden Tag arbeitsunfähig erkrankt ist; ein Anspruch auf Nachgewährung der entfallenen Freischicht besteht nicht. Ist jedoch bereits zum Zeitpunkt der Erstellung des Schichtplans davon auszugehen, dass der Mitarbeiter voraussichtlich für die Dauer des Folgemonats arbeitsunfähig krank sein wird, werden die deshalb nicht eingeplanten Freischichten für diesen Mitarbeiter nach der Beendigung seiner Arbeitsunfähigkeit für den nächsten Planungsmonat vorrangig eingeplant.
5. Die für einen Mitarbeiter vorgesehene Freischicht wird auch dann gewährt, wenn er in einen anderen Bereich, der an der verkürzten wöchentlichen Arbeitszeit teilnimmt, versetzt oder verliehen wird.
…
III. Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit
Die sich aus der Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit ergebenden Zeitschulden werden ab dem 1. Quartal 1998 bis zum Abbau der Zeitschulden durch Verlängerung der Freitag-Früh-, Spät- und Nachtschicht des Werkes I um jeweils 40 Minuten (06.00 – 14.00 Uhr, 14.00 – 22.00 Uhr und 22.00 – 06.00 Uhr) und ab dem 2. Quartal 1998 durch Ableistung von – aus heutiger Sicht – 10 zusätzlichen Samstags- bzw. Sonntagsschichten (für Nacht- bzw. Dauernachtschichtmitarbeiter) wieder ausgeglichen; abweichend von § 5 I Nr. 4 Satz 1 MTV gilt an diesen Sonntagen als Sonntagsarbeit die in der Zeit zwischen 22.00 Uhr des dem Sonntag vorangehenden Samstags und 22.00 Uhr des jeweiligen Sonntags geleistete Arbeit.
Dies gilt auch für solche Mitarbeiter, die im Laufe des Zeitraumes Januar bis November 1997 in einen Bereich mit verkürzter wöchentlicher Arbeitszeit versetzt werden. Soweit die Zeitschulden der betreffenden Mitarbeiter vorzeitig ausgeglichen sind, erhalten sie für die weitere Teilnahme an der verlängerten wöchentlichen Arbeitszeit nach Erreichung einer Gutschrift von einer Freischicht eine individuell zu gewährende Freischicht.
Die weiteren Einzelheiten werden zu gegebener Zeit zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat vereinbart und rechtzeitig bekannt gegeben.
IV. Sonderfälle
Ist ein Mitarbeiter im Zeitraum der nach Ziffer II verkürzten wöchentlichen Arbeitszeit langfristig abwesend (z.B. Arbeitsunfähigkeit, Wehr- oder Zivildienst, Erziehungsurlaub), wird für die nach Ziffer III verlängerte Arbeitszeit ein entsprechender individueller Zeitausgleich ohne Mehrarbeitszuschläge gewährt; der Zeitausgleich hat grundsätzlich so rechtzeitig zu erfolgen, dass das Freischichtenkonto möglichst nicht mehr als eine Freischicht Zeitguthaben ausweist.
Ist ein Mitarbeiter mit Zeitschulden im Zeitraum der nach Ziffer III verlängerten wöchentlichen Arbeitszeit langfristig abwesend, werden ihm zum Ausgleich der bestehenden Zeitschulden Freischichten, die sich aus der Zeitdifferenz zwischen seiner individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit und der von ihm tatsächlich geleisteten Arbeitszeit ergeben, angerechnet.
V. …
VI. Im übrigen gelten die in der Betriebsvereinbarung Nr. 4/1996 für diese Verfahrensweise genannten Bestimmungen.
Betriebsvereinbarung Nr. 2/1998
„Korridor-Zusatzschichten im Werk I” Bochum, den 26. März 1998
1. In Anwendung der Betriebsvereinbarungen Nr. 19/1996 und 4/1996 werden auf Grund der hohen Nachfrage nach neuen Astra-Modellen und zur Verkürzung der Lieferzeiten für Fahrzeugbestellungen von Werksangehörigen die vollzeitbeschäftigten Mitarbeiter … folgende Samstag-Frühschichten (Wechselschichtmitarbeiter) bzw. Sonntag-Nachtschichten (Nacht- bzw. Dauernachtschichtmitarbeiter) unter Anrechnung auf das Korridor-Arbeitszeitkonto verfahren:
…
2. Gemäß Ziffer III 1 a der Betriebsvereinbarung Nr. 4/1996 werden Restzeitschulden, die nach Ablauf aller Maßnahmen zur Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit, insbesondere nach Verfahren der in Ziffer 1 genannten und noch zu vereinbarender weiterer Korridor-Zusatzschichten, verbleiben, mit Freischichtenansprüchen, die sich aus der Zeitdifferenz zwischen der jeweiligen individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit und der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit ergeben, verrechnet.
3. Im Übrigen gelten die Bestimmungen der Betriebsvereinbarung Nr. 19/1996.
Betriebsvereinbarung Nr. 4/1998
„Verlängerung der Arbeitszeit an Freitagen” Bochum, den 11. März 1998
In Anwendung der Betriebsvereinbarungen Nr. 4/1996 und Nr. 19/1996 wird die Arbeitszeit an Freitagen im Werk I wie folgt neu geregelt:
Ab der 13. Kalenderwoche 1998 wird für die Mitarbeiter … die Arbeitszeit an Freitagen um jeweils 40 Minuten verlängert; dabei wird die sich an den Freitagen ergebende Zeitdifferenz zwischen 1/5 der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit (z.Zt. 7 Stunden bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden) und der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit bei den am Korridormodell teilnehmenden Mitarbeitern dem Korridor-Arbeitszeitkonto, bei den übrigen Mitarbeitern dem Freischichtenkonto gutgeschrieben.
…
Außerdem hatten die Betriebspartner am 16. Oktober 1995 zur Umsetzung der tariflichen Arbeitszeitverkürzung die Betriebsvereinbarung Nr. 6/1995 abgeschlossen, in der es wie folgt heißt:
„Arbeitszeit ab 01.Oktober 1995”
In Anwendung der für die metallverarbeitende Industrie NRW ab 01.10.1995 geltenden tariflichen Arbeitszeitregelung wird … folgende Betriebsvereinbarung geschlossen:
1. Die in der Betriebsvereinbarung Nr. 1/1993 in der zuletzt gültigen Fassung geregelte tägliche Arbeitszeit der Mitarbeiter gilt grundsätzlich auch für die Zeit ab 01.10.1995, sofern sich aus den Anlagen 1 – 6 nichts anderes ergibt.
Zur Umsetzung der Arbeitszeitverkürzung von 36 auf 35 Stunden/Woche werden den Mitarbeitern ab 01.10.1995 grundsätzlich Freischichten gewährt, deren Anzahl individuell für jeden Mitarbeiter wie folgt errechnet wird: Der Freischichtenanspruch eines Mitarbeiters entspricht der Zeitdifferenz zwischen seiner individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit und der von ihm tatsächlich geleisteten Arbeitszeit; für jeden Mitarbeiter wird ein individuelles Freischichtenkonto auf Stundenbasis geführt, das monatlich in der Lohn- bzw. Gehaltsabrechnung ausgewiesen wird.
Urlaubs-, Krankheits-, Feiertage und sonstige Tage bezahlter und unbezahlter Abwesenheit werden bei der Berechnung des individuellen Freischichtenanspruchs nicht berücksichtigt, so dass für diese Tage der Abwesenheit ein anteiliger Freischichtenanspruch nicht entsteht.
Für den Fall, dass sich mit Ausnahme von Tarifurlaubs- und Feiertagen keine weiteren Abwesenheitszeiten ergeben, errechnet sich für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1995 und für die nachfolgenden Kalenderjahre eine bestimmte Anzahl von Freischichten, die in dem gesonderten „Merkblatt zur Betriebsvereinbarung Nr. 6/1995”für die verschiedenen Mitarbeitergruppen beziffert wird (siehe Anlage 7).
2. …
3. Im Zusammenhang mit der Werksschließung Weihnachten 1996/Neujahr 1997 werden drei Freischichten kollektiv gewährt. Diese Freischichten sind nicht nachzugewähren, wenn der Mitarbeiter an diesen Tagen arbeitsunfähig erkrankt ist.
Im Zusammenhang mit den Werksferien 1996 werden für die Zusammenbau-Bereiche und Teilbereiche des Presswerks sowie der Komponentenfertigung Werk I jeweils 5 weitere Freischichten festgelegt. Für Teilbereiche der Produktion Werk II wird bei Bedarf über eine Ausweitung der Werksferien 1996/1997 im ersten Quartal 1996 mit dem Betriebsrat verhandelt. Die in diesem Absatz festgelegten Freischichten werden nachgewährt, wenn der Mitarbeiter an diesen Tagen arbeitsunfähig erkrankt ist.
4. Bei Gewährung einer Freischicht wird das Freischichtenkonto jeweils um 1/5 der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit reduziert; das bedeutet, dass das Freischichtenkonto z.B. bei einer individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden je Freischicht um 7 Stunden reduziert wird.
5. Freischichten können einem Mitarbeiter nur unter der Voraussetzung gewährt werden, dass er über einen entsprechenden Freischichtenanspruch verfügt.
Mitarbeiter ohne oder mit nicht ausreichendem Freischichtenanspruch müssen die Arbeitstage, an denen kollektive Freischichten gewährt werden, gegebenenfalls mit Tarifurlaub abdecken; sollte ausnahmsweise kein ausreichender Tarifurlaubsanspruch mehr vorhanden sein, muss unbezahlter Sonderurlaub genommen werden.
Mitarbeitern, die aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, sind angesparte Freischichten vor dem Ausscheiden zu gewähren; ist dies ausnahmsweise nicht möglich, werden sie abgegolten.
6. …
7. Diese Betriebsvereinbarung tritt am 01. Oktober 1995 in Kraft. Sie gilt bis zum 31. Dezember 1998.
Der Kläger war in der Zeit vom 14. April bis zum 8. Juli 1998 arbeitsunfähig krank. Er konnte deshalb die für den 25. April, 9. Mai, 6. Juni, 20. Juni und 4. Juli 1998 angesetzten Zusatzschichten von je sieben Stunden sowie elf Schichtverlängerungen von je 40 Minuten nicht ableisten. Eine Gutschrift auf dem Zeitkonto unterblieb. Die Beklagte leistete bis zum 25. Mai 1998 Entgeltfortzahlung. Danach bezog der Kläger Krankengeld. Zu diesem Zeitpunkt hatte er nach der Berechnung der Beklagten 69 Minusstunden auf dem Zeitkonto, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 28. Februar 1999 noch 6,33 Minusstunden.
Die Beklagte hat betreffend die „Kollision von Korridor-Zusatzschicht mit Arbeitsunfähigkeit” unter dem 19. Juni 1998 folgendes erklärt:
„Wir nehmen Bezug auf das mit Herrn D. H geführte Gespräch vom 17.06.1998 und teilen Ihnen hierzu mit, dass wir bei einer unverzüglichen Klageerhebung zu der streitigen Frage, welche Rechtsfolgen sich ergeben, wenn eine Korridor-Zusatzschicht mit einer Arbeitsunfähigkeit eines Mitarbeiters zusammentrifft, auf die Einrede der Verjährung verzichten; ebenso werden wir uns auch nicht auf die tariflichen Ausschlussfristen berufen.
Ferner sind wir bereit, eine rechtskräftige Entscheidung zu einem solchen Streitgegenstand auch auf solche Mitarbeiter anzuwenden, die nicht unmittelbar an dem Gerichtsverfahren beteiligt sind.”
Mit der am 5. August 1998 erhobenen Klage hat der Kläger zunächst den Anspruch geltend gemacht, seinem Zeitkonto 35 Stunden für die fünf Zusatzschichten gutzuschreiben. Im November 1999 ist er zu einem Zahlungsantrag übergegangen. Er hat vorgetragen, die Beklagte schulde die Vergütung für die während seiner Arbeitsunfähigkeit ausgefallenen zusätzlichen 42,33 Arbeitsstunden abzüglich seines Saldos von 6,33 Stunden je 28,58 DM. Wäre er arbeitsfähig gewesen, hätte das Entgelt hierfür in einer Zeitgutschrift, also einem Abbau der Zeitschulden und damit der Verringerung der Verpflichtung zur Nacharbeit bestanden. Dies sei nichts anderes als Geld; denn je eher das Zeitkonto wieder aufgefüllt werde, um so eher sei Mehrarbeit auch direkt in Geld zu vergüten. Es gehe nicht an, die Vergütung der Mehrarbeit im Wege der Entgeltfortzahlung davon abhängig zu machen, ob zufällig das Zeitkonto ausgeglichen sei. Vielmehr sei er so zu stellen, als hätte er gearbeitet. Infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 28. Februar 1999 sei das entstandene Zeitguthaben von 36 Arbeitsstunden finanziell abzugelten.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von 1.028,88 DM brutto nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 1. März 1999 zu verurteilen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nach den Betriebsvereinbarungen könnten nur tatsächlich geleistete Arbeitsstunden dem Zeitkonto gutgeschrieben werden. Erbringe ein Arbeitnehmer, gleichgültig aus welchem Grund, keine Arbeitsleistung, könne sein Zeitkonto nicht entsprechend anwachsen. Anderenfalls erziele er einen ungerechtfertigten Vorteil gegenüber den Arbeitnehmern, die eine solche Zeitgutschrift nur bei tatsächlicher Arbeitsleistung erhielten. Ferner sei der Anspruch auf Grund der tarifvertraglichen Ausschlussfrist verfallen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr in Höhe von 251,50 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 12. November 1999 stattgegeben und die Berufung des Klägers im Übrigen zurückgewiesen. Hiergegen haben beide Parteien die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision eingelegt. Die Beklagte strebt die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils an, während der Kläger an seinem Zahlungsantrag in vollem Umfang festhält. Beide Parteien beantragen, die Revision des Gegners zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Der Kläger hatte bei seinem Ausscheiden ein Zeitguthaben im Umfang von elf Stunden, das gemäß Ziff. III.4. der Betriebsvereinbarung Nr. 4/1996 auszuzahlen ist.
1. Nach Ziff. III.4. der Betriebsvereinbarung Nr. 4/1996 kann die Abgeltung, dh. Auszahlung eines Zeitguthabens ausnahmsweise erfolgen, z.B. bei Austritt wegen Erhalts einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder Übernahme in einen Sozialplan/ein Vorruhestandprogramm. Diese Beispiele sind nicht abschließend. Die Zahlung wird in anderen Fällen nicht ausgeschlossen. Sie hat jedenfalls zu erfolgen, wenn der Zeitausgleich nicht mehr möglich ist und aus vom Arbeitnehmer nicht zu vertretenden Gründen unterblieben ist. Die Betriebsvereinbarungen der Beklagten sind durchweg auf einen Ausgleich der Arbeitszeitkonten angelegt. Zwar sollen nach dem deutlich zum Ausdruck kommenden Willen der Betriebspartner Arbeitszeitkonten im Ausgleichszeitraum durch Zusatzarbeit bzw. Freischichten ausgeglichen werden. Für einen Verfall von Zeitguthaben ergeben sich aber, abgesehen von rechtlichen Bedenken hiergegen, keine Anhaltspunkte.
2. Der Kläger hatte bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 28. Februar 1999 ein Zeitguthaben von elf Stunden. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Kläger für die ersten sechs Wochen seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit (14. April 1998 – 25. Mai 1998) eine Gutschrift auf seinem Zeitkonto von 17,33 Stunden erworben hat. Die Beklagte hat diese Gutschrift bei Ausweisung des Minussaldos von 6,33 Stunden nicht berücksichtigt. Entgegen der Auffassung der Revision waren die krankheitsbedingt für den Kläger ausgefallenen Zusatzschichten am 25. April und 9. Mai 1998 von je sieben Stunden sowie die ausgefallenen fünf Schichtverlängerungen von je 40 Minuten dem Kläger gutzubringen.
a) Der Anspruch ergibt sich allerdings nicht schon daraus, dass der Kläger gem. § 275 BGB von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei geworden und die Nachholung der Arbeit als einer sog. absoluten Fixschuld ausgeschlossen ist. Muss der Kläger die betreffenden Zusatzschichten und Schichtverlängerungen nicht nacharbeiten, so gelten diese deswegen noch nicht als erbracht. Vielmehr entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung gem. § 323 Abs. 1 BGB, wenn er nicht nach besonderen Rechtsvorschriften aufrecht erhalten bleibt. Die Betriebsvereinbarungen bei der Beklagten bieten hierfür keine Grundlage. Ein Fall des § 324 BGB oder des § 616 BGB liegt nicht vor. Nach den allgemeinen Regeln erhält der Kläger deshalb weder eine Zahlung noch eine Zeitgutschrift für die ausgefallene Arbeitszeit, er bleibt bei dem bisherigen „Kontostand” stehen. Entgegen seiner Auffassung ergibt sich nichts anderes aus der Regelung des Falles der Arbeitsunfähigkeit bei angeordneter Freischicht. Da der Arbeitnehmer hier nach Ziff. I.3. der Betriebsvereinbarung 4/1996 eine über die Arbeitsleistung hinausgehende verstetigte Vergütung erhält, besteht die Verpflichtung zum Zeitausgleich durch spätere Zusatzarbeit. Dem entspricht Ziff. II.4. der Betriebsvereinbarung 19/1996. Dass der während angeordneter Zusatzschichten arbeitsunfähig kranke Arbeitnehmer nicht in der Lage ist, Zeitschulden auszugleichen, stellt, soweit der Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn” reicht, keine unberechtigte Benachteiligung dieses Arbeitnehmers dar. Ein späterer Zeitausgleich durch andere Zusatzarbeit oder durch Verrechnung mit dem Freischichtenkonto (Ziff. 2 der Betriebsvereinbarung 2/1998) bleibt immerhin regelmäßig möglich. Der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angeführte § 615 BGB greift schon deswegen nicht ein, weil die Arbeitsleistung des Klägers aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit unmöglich geworden ist. Auf einen Anspruch nach § 615 BGB in der Zeitschuldenphase hebt der Kläger nicht ab. Ein solcher Anspruch ist auch nicht ersichtlich.
b) Die Zeitgutschrift folgt aus der Regelung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
aa) Nach § 9 Nr. 2 MTV in der Fassung vom 23. Oktober 1997 wird den Arbeitnehmern unabhängig von den jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen in Fällen unverschuldeter, mit Arbeitsunfähigkeit verbundener Krankheit das Arbeitsentgelt für die Zeit der Arbeitsverhinderung bis zur Dauer von sechs Wochen ungekürzt weitergezahlt. Das weiterzuzahlende Arbeitsentgelt bemisst sich nach § 16 MTV. Dabei ist der Berechnung für gewerbliche Arbeitnehmer mit Monatsentgelt gem. § 16 Nr. 1 b MTV das regelmäßige Arbeitsentgelt als Monatslohn (feste Entgeltbestandteile) zugrunde zu legen, das der Arbeitnehmer erhalten haben würde, wenn er gearbeitet hätte. Zusätzlich erhält er die leistungsabhängigen variablen Entgeltbestandteile sowie Zuschläge für Spät-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit, Erschwerniszuschläge, individuelle Prämien und Zulagen aus dem Durchschnitt der letzten sechs abgerechneten Monate, jedoch ohne Mehrarbeitsvergütungen und Mehrarbeitszuschläge. Für den Kläger ergibt sich danach unstreitig eine Stundenvergütung von 28,58 DM.
bb) Der MTV legt der Entgeltfortzahlung hinsichtlich der Arbeitszeit ebenso wie § 4 Abs. 1 EFZG das Lohnausfallprinzip zugrunde. Hätte der Kläger gearbeitet, wären ihm zusätzlich zu der Auszahlung des gleich bleibenden Monatslohnes die Zusatzschichten und Schichtverlängerungen auf dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben worden. Auch dabei handelt es sich um eine Form von Entgelt, das lediglich nicht (sofort) ausgezahlt, sondern verrechnet wird. Auch dieses Entgelt ist im Krankheitsfall fortzugewähren. Auf den Stand des Arbeitszeitkontos kommt es dabei nicht an. Für den Vergütungsumfang und damit für die Entgeltfortzahlung ist nicht eine Durchschnittsbetrachtung maßgebend, wie die betrieblichen Regelungen über die genaue Führung der Arbeitszeitkonten zeigen (Ziff. II.2., Ziff. III.3. der Betriebsvereinbarung 4/1996; Ziff. II.4., Ziff. III, Ziff. IV der Betriebsvereinbarung 19/1996; Ziff. 2 der Betriebsvereinbarung 2/1998; Ziff. 5 der Betriebsvereinbarung 6/1995). So entstand auch bei Arbeitsunfähigkeit während der Zeitschuldenphase entsprechend der konkret ausgefallenen Arbeit eine auszugleichende Zeitschuld (Ziff. II.4. der Betriebsvereinbarung 19/1996). Entscheidend für die Höhe der Vergütung ist letztlich grundsätzlich die „Schlussrechnung” (Ziff. II.3., Ziff. III.4. der Betriebsvereinbarung 4/1996; Ziff. 5 der Betriebsvereinbarung 6/1995), die eben auch ein auszugleichendes Minussaldo oder einen Überschuss ausweisen kann. Das Arbeitszeitkonto drückt somit nur in anderer Form den Vergütungsanspruch aus (vgl. zuletzt Senat 13. Dezember 2000 – 5 AZR 334/99 – AP BGB § 394 Nr. 31, zu II 2 der Gründe). Die verstetigte Auszahlung steht dem nicht entgegen. Sie dient nur dazu, dem Arbeitnehmer gleichmäßige Einkünfte zu sichern (BAG 2. Dezember 1987 – 5 AZR 602/86 – BAGE 57, 74, 79 ff.; 15. Mai 1991 – 5 AZR 440/90 – AP LohnFG § 2 Nr. 21 = EzA LohnFG § 1 Nr. 118, zu II 1 der Gründe, jeweils für das sog. Freischichtenmodell; Vossen Entgeltfortzahlung bei Krankheit und an Feiertagen Rn. 100, 563 f.; Schmitt EFZG 4. Aufl. § 4 Rn. 44; Hold in Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge EFZG 5. Aufl. § 4 Rn. 59; Kunz/Wedde EFZG § 4 Rn. 40 f., 46 mwN; vgl. ferner BAG 2. Dezember 1987 – 5 AZR 557/86 – BAGE 57, 88, 94 ff.; 2. Dezember 1987 – 5 AZR 652/86 – AP LohnFG § 1 Nr. 76 = EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 37, zu III der Gründe; 18. Oktober 1988 – 1 ABR 34/87 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 68 = EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 51, zu II B 2 b der Gründe; 18. Dezember 1990 – 1 ABR 11/90 – BAGE 66, 338, 353 ff.; 21. August 1991 – 5 AZR 91/91 – BAGE 68, 218, 221 ff.). Grundsätzlich besteht aber kein endgültiger Anspruch unabhängig von dem Arbeitszeitkonto. Auch lag unberücksichtigt bleibende Mehrarbeit nicht vor. Vielmehr wurde die regelmäßige Arbeitszeit von 35 Stunden/Woche über einen längeren Zeitraum hin ungleichmäßig verteilt. Ob dies dem Gesetz und den geltenden Tarifvorschriften (§§ 3, 4 MTV; Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung vom 23. Oktober 1995) gerecht wurde, bedarf keiner Entscheidung. Für die Entgeltfortzahlung kommt es auf die tatsächlich ausgefallene Arbeitszeit, nicht auf die Wirksamkeit von deren Festlegung an (BAG 21. November 2001 – 5 AZR 296/00 – zVv., zu II 2 b der Gründe). Die Zusatzschichten und Schichtverlängerungen während der Krankheitsperiode des Klägers standen im Vorhinein im Einzelnen fest.
cc) Soweit die Beklagte sich auf die (hier nicht unmittelbar einschlägige, weil für die Umsetzung der tariflichen Arbeitszeitverkürzung von 36 auf 35 Stunden/Woche geltende) Ziff. 1 Abs. 3 der Betriebsvereinbarung 6/1995 beruft, stützt das ihren Rechtsstandpunkt nicht. Vielmehr verstößt eine Betriebsvereinbarung, die die durch Arbeitsunfähigkeit ausgefallene Arbeitszeit für die Berechnung der Höhe der Entgeltfortzahlung kürzt, gegen die höherrangigen Normen der §§ 9, 16 MTV, die keine Kürzung vorsehen. Von der Bemessungsgrundlage des § 4 Abs. 1 EFZG könnte im Übrigen nur durch Tarifvertrag (§ 4 Abs. 4 EFZG), nicht durch Betriebsvereinbarung abgewichen werden. § 12 EFZG verbietet, die wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ausgefallene Arbeit teilweise ohne weiteres Entgelt nacharbeiten zu lassen (BAG 26. September 2001 – 5 AZR 539/00 – zVv., zu I der Gründe).
3. Der Anspruch ist nicht verfallen.
a) Nach § 19 Nr. 2 b MTV hat der Arbeitnehmer Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit geltend zu machen. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden, sind ausgeschlossen, es sei denn, dass der Anspruchsberechtigte trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Frist einzuhalten (§ 19 Nr. 4 MTV).
b) Ob ein Anspruch auf Berücksichtigung von Zusatzschichten und Schichtverlängerungen monatlich fällig wurde und laufend geltend gemacht werden musste oder ob der Arbeitnehmer wenigstens bis zum Ablauf des Ausgleichszeitraumes bzw. bis zur vorzeitigen Schließung des Arbeitszeitkontos abwarten durfte, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls war die Geltendmachung des Klägers zulässig und auch rechtzeitig, da er in Reaktion auf das Schreiben der Beklagten vom 19. Juni 1998 bereits im Juli 1998 Klage eingereicht hat. Das stellt auch die Revision nicht in Abrede.
c) Nachdem der Kläger die Zeitgutschrift geltend gemacht hatte, bedurfte es keiner weiteren Geltendmachung mehr. Der Zahlungsanspruch ist kein neuer Anspruch im Sinne der tariflichen Ausschlussfrist, sondern lediglich der wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Zahlung gerichtete Ausgleichsanspruch. Es liegt nicht anders als im Verhältnis von Freistellungs- und Zahlungsanspruch (vgl. BAG 16. März 1995 – 8 AZR 58/92 – BAGE 79, 285, 290) und im Verhältnis von Urlaubsanspruch und Schadensersatzanspruch wegen nicht gewährten Urlaubs (vgl. BAG 24. November 1992 – 9 AZR 549/91 – AP BUrlG § 1 Nr. 23 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 102, zu 6 der Gründe; 16. März 1999 – 9 AZR 428/98 – AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 25 = EzA BUrlG § 7 Nr. 107, zu II 3 der Gründe). Der Beklagten musste klar sein, dass der Kläger finanziell so gestellt werden wollte, als hätte er einschließlich der Zusatzschichten und Schichtverlängerungen tatsächlich gearbeitet. Das drückte sich zunächst nur in seinem Arbeitszeitkonto, mit dessen Schließung aber unmittelbar in Geld aus.
d) Darüber hinaus hat die Beklagte am 19. Juni 1998 ihre Bereitschaft erklärt, eine rechtskräftige Entscheidung zu dem „Streitgegenstand” eines Zusammentreffens von Korridor-Zusatzschicht und Arbeitsunfähigkeit auch auf solche Mitarbeiter anzuwenden, die nicht unmittelbar an dem Gerichtsverfahren beteiligt sind. Das kann dahin verstanden werden, auf die Einhaltung von tariflichen Ausschlussfristen überhaupt verzichten zu wollen und sich generell an eine künftige rechtskräftige gerichtliche Klärung der Rechtsfrage zu halten.
II. Die Revision des Klägers ist nur zu einem geringen Teil begründet. Dem Kläger stehen weitere 62,88 DM brutto nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 12. November 1999 zu. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht nur eine 80 %-ige Entgeltfortzahlung gem. § 3 Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. 1 EFZG angenommen. Vielmehr richtet sich der Entgeltfortzahlungsanspruch des Klägers insgesamt nach den §§ 9, 16 MTV (oben I 2 b). Die „ungekürzte” Entgeltfortzahlung betrifft auch die Zeitgutschrift und führt zu einem vollen Zeitausgleich entsprechend der tatsächlich ausgefallenen Arbeitszeit. Dem Kläger sind damit insgesamt noch elf Stunden je 28,58 DM brutto zu vergüten.
2. Nach den Ausführungen oben I 2 a und b hat der Kläger für die Zeit vom 26. Mai bis 8. Juli 1998 keine Zeitgutschrift erworben. Nach Ablauf der sechswöchigen Entgeltfortzahlung entfiel der Anspruch auf die Gegenleistung.
3. Der Kläger kann nur Prozesszinsen (§ 291 BGB) in der geforderten Höhe seit Rechtshängigkeit des Zahlungsantrags verlangen. Verzugszinsen (§ 288 BGB) stehen ihm darüber hinaus nicht zu. Vor dem 12. November 1999 ist kein Verzug eingetreten. Weder hat der Kläger die Beklagte zur Erfüllung des am 1. März 1999 fällig gewordenen Abgeltungsanspruchs aufgefordert (§ 284 Abs. 1 BGB) noch war für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt oder hatte der Leistung eine Kündigung vorauszugehen (§ 284 Abs. 2 BGB).
III. Die Kosten des Rechtsstreits sind gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO verhältnismäßig zu teilen.
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Linck, Heel, Dittrich
Fundstellen
Haufe-Index 1480147 |
BAGE, 256 |
BB 2002, 1489 |
DB 2002, 1162 |
NJW 2002, 2490 |
BuW 2002, 702 |
ARST 2002, 180 |
FA 2002, 218 |
NZA 2002, 683 |
SAE 2003, 101 |
AP, 0 |
AuA 2002, 279 |
EzA-SD 2002, 5 |
EzA |
PERSONAL 2002, 52 |
AUR 2002, 235 |
RdW 2002, 468 |
SPA 2002, 6 |