Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzschutz für angerechnete Vordienstzeiten
Normenkette
BetrAVG § 7 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 S. 1, § 1 Abs. 1; BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
LAG Köln (Urteil vom 09.05.1988; Aktenzeichen 6/3 Sa 257/87) |
ArbG Köln (Urteil vom 12.12.1986; Aktenzeichen 2 Ca 6753/86) |
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 9. Mai 1988 – 6/3 Sa 257/87 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der beklagte Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) Insolvenzschutz für eine Versorgungsanwartschaft gewähren muß, die nur mit Rücksicht auf angerechnete Vordienstzeiten unverfallbar geworden ist.
Der Kläger, geboren am 9. April 1924, war vom 1. November 1962 bis zum 31. Dezember 1969 bei der Bauunternehmung B. & S. angestellt. Diese hatte ihm eine Altersversorgung zugesagt.
Vom 1. Januar 1970 bis zum 30. Juni 1971 war der Kläger bei der B. AG beschäftigt. Im Einstellungsschreiben vom 18. September 1969 bestätigte diese dem Kläger, daß er mit Wirkung vom 1. Januar 1971 eine Pensionszusage in Höhe von 1.750,– DM erhalte. Die dem Schreiben beigefügte Versorgungsordnung sah Rentenleistungen vor für Betriebsangehörige, die bis zum Erreichen des 65. Lebensjahres oder bis zum Eintritt der Invalidität mindestens zehn Jahre ununterbrochen Arbeitnehmer waren. Mit Schreiben vom 22. Juni 1970 änderte die R. AG ihre Zusage. Sie räumte jetzt dem Kläger mit Wirkung ab 1. Juli 1970 eine Anwartschaft auf Versorgungsleistungen in unveränderter Höhe ein. Statt der betrieblichen Versorgungsordnung sollten die im Schreiben genannten Bedingungen gelten.
Ab 1. Juli 1971 trat der Kläger in die Dienste der B. AG (BuM), eines Tochterunternehmens der R. AG. In dem Arbeitsvertrag vom 16. Juni 1971 wurde dem Kläger eine Pension zugesagt. Dort heißt es:
„… Für die Errechnung der Betriebszugehörigkeit für Pensions- bzw. Hinterbliebenenleistungen gilt als Eintrittsdatum der 1. Januar 1965 …”
Am 1. Juni 1979 wurde über das Vermögen der BuM das Konkursverfahren eröffnet.
Der Kläger hat geltend gemacht, der Beklagte müsse bei Eintritt des Versorgungsfalles für die Versorgungszusage der BuM einstehen. Angesichts der Vereinbarung einer Betriebszugehörigkeit schon ab 1. Januar 1965 sei seine Anwartschaft unverfallbar geworden. Das müsse auch der Beklagte als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung hinnehmen.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß er eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft bei der in Konkurs gegangenen B. AG erworben habe und daß aufgrund dieser Anwartschaft bei Eintritt des Versorgungsfalles ein Anspruch gegen den Beklagten als Träger der Insolvenzsicherung bestehe.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Ansicht vertreten, die gesetzliche Unverfallbarkeit sei nicht eingetreten, weil die bei der Firma B. & S. zurückgelegte Dienstzeit bei den gesetzlichen Unverfallbarkeitsfristen des § 1 BetrAVG nicht berücksichtigt werden könnte.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dagegen richtet sich dessen Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der Beklagte muß für die Versorgungszusage der BuM nicht einstehen. Der Kläger besaß bei Eintritt des Sicherungsfalles keine insolvenzgeschützte Versorgungsanwartschaft.
1. Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG erhalten Personen, die bei Eintritt eines Sicherungsfalles eine nach § 1 BetrAVG unverfallbare Versorgungsanwartschaft haben, bei Eintritt des Versorgungsfalles einen Anspruch gegen den beklagten Pensions-Sicherungs-Verein.
Ein Sicherungsfall ist am 1. Juni 1979 eingetreten. An diesem Tag ist das Konkursverfahren über das Vermögen der BuM, der Versorgungsschuldnerin des Klägers, eröffnet worden. Die Eröffnung des Konkursverfahrens ist der in § 7 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG genannte Sicherungsfall.
Der Kläger besaß zu diesem Zeitpunkt keine aufgrund Gesetzes unverfallbare Versorgungsanwartschaft. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG wird eine Versorgungsanwartschaft unverfallbar, wenn der Arbeitnehmer bei Eintritt des Sicherungsfalles (§ 7 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG) das 35. Lebensjahr vollendet und entweder die Versorgungszusage für ihn zehn Jahre bestanden hat oder die Versorgungszusage drei Jahre bestanden hat und der Beginn der Betriebszugehörigkeit mindestens 12 Jahre zurückliegt. Der Kläger hatte das erforderliche Alter. Die weiteren Voraussetzungen liegen, aber nicht vor:
Die Versorgungszusage der BuM bestand seit dem 16. Juni 1971 und damit bei Eröffnung des Konkursverfahrens (1. Juni 1979) noch keine zehn Jahre. Sie bestand zwar mehr als drei Jahre, es fehlt aber an der für die zweite Fallgestaltung des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG erforderlichen Betriebszugehörigkeit von 12 Jahren. Der Beginn der Betriebszugehörigkeit ist grundsätzlich der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitnehmer vertragsgemäß sein Arbeitsverhältnis beginnen soll (vgl. Blomeyer/Otto, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, § 1 Rz 84, m.w.N.). Das war der 1. Juli 1971. Der Beginn der Betriebszugehörigkeit des Klägers lag damit bei Eintritt des Sicherungsfalles erst sieben Jahre und elf Monate zurück.
2. Der Kläger besitzt auch dann keine insolvenzgeschützte Versorgungsanwartschaft, wenn der Vertrag mit der BuM so zu verstehen ist, daß auch für die Unverfallbarkeit der Versorgungsanwartschaft eine Betriebszugehörigkeit ab 1. Januar 1965 gelten sollte. Dann hafte der Kläger eine vertraglich vereinbarte Betriebszugehörigkeit von über 12 Jahren erreicht und damit hätte die BuM dem Kläger die Versorgungsanwartschaft auch im Falle des vorzeitigen Ausscheidens erhalten müssen. Jedoch ist die lediglich auf vertraglicher Vereinbarung, insbesondere einer fingierten Dauer der Betriebzugehörigkeit oder des Bestandes der Zusage beruhende Unverfallbarkeit für den Insolvenzschutz grundsätzlich ohne Bedeutung. Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG kommt es insoweit darauf an, ob die Voraussetzungen des § 1 BetrAVG tatsächlich erfüllt sind (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt die Urteile vom 26. September 1989 – 3 AZR 814/87 –, zur Veröffentlichung auch in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, ZIP 1990, 118; – 3 AZR 815/87 –, zur Veröffentlichung auch in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, DB 1990, 284 = ZIP 1990, 194).
Der Senat hat in Ausnahmefällen der vertraglichen Berücksichtigung von Vordienstzeiten für den gesetzlichen Insolvenzschutz dann Bedeutung beigemessen, wenn die angerechneten Zeiten von Versorgungszusagen begleitet waren und bis an das Arbeitsverhältnis heranreichten, in dem die bis dahin erdiente Versorgungsanwartschaft als fortbestehend behandelt wurde (BAGE 31, 45 = AP Nr. 1 zu § 7 BetrAVG; BAGE 44, 1 = AP Nr. 17 zu § 7 BetrAVG sowie die soeben angeführten Urteile vom 26. September 1989). Diese Voraussetzungen liegen jedoch im Streitfall nicht vor.
a) Nur die mit einer Versorgungszusage verbundene Dienstzeit bei der R. AG reicht unmittelbar an das Arbeitsverhältnis zur BuM heran. Bei der R. AG begann die Beschäftigung Anfang 1970. Wird diese Betriebszugehörigkeit bei der BuM berücksichtigt, so erreicht der Kläger nur eine Dienstzeit von neun Jahren und fünf Monaten.
b) Eine längere Betriebszugehörigkeit kann der Kläger nicht geltend machen, weil die R. AG ihm keine Vordienstzeiten angerechnet hat. Dem Kläger wurde eine Versorgung zunächst mit Wirkung vom 1. Januar 1971 und später rückwirkend vom 1. Juli 1970 an zugesagt. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger werde damit im Vergleich zur betrieblichen Versorgungsordnung zwar besser gestellt, eine Anrechnung von Vordienstzeiten beim früheren Arbeitgeber gehe aus der Zusage aber nicht hervor. Diese Auslegung des Landesarbeitsgerichts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie Verstößt nicht gegen Auslegungsregeln. Das Landesarbeitsgericht hat sämtliche in Betracht kommenden Umstände gewürdigt. Die Angriffe der Revision gegen diese Auslegung gehen fehl.
Es kommt nicht darauf an, was der Kläger verlangt hätte und was vereinbart worden wäre, wenn die Grundsätze der Unverfallbarkeit bei Abschluß der Verträge bekannt gewesen wären. Aus der Rechtsprechung des Senats hätten die Beteiligten nichts dafür entnehmen können, daß überhaupt eine Anrechnungsvereinbarung hätte zustande kommen müssen. Nur für solche Fälle, in denen eine Vordienstzeit tatsächlich angerechnet wurde, hat der Senat Auslegungsregeln für Verträge aus der Zeit vor Bekanntwerden seiner Rechtsprechung zur Unverfallbarkeit aufgestellt (BAG Urteil vom 25. Januar 1979 – 3 AZR 1096/77 – AP Nr. 2 zu § 1 BetrAVG; BAGE 39, 160 = AP Nr. 7 zu § 1 BetrAVG).
Es mag ferner zutreffen, daß die Vordienstzeiten des Klägers bei der Firma B. & S. bei den Verhandlungen über die Altersversorgung berücksichtigt wurden. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, geschah dies aber gerade nicht dadurch, daß sie auf die Betriebszugehörigkeit angerechnet wurden.
Entgegen der Auffassung der Revision kommt auch eine ergänzende Vertragsauslegung nicht in Betracht. Die Nichtanrechnung der Vordienstzeit durch die R. AG macht den Versorgungsvertrag nicht lückenhaft. Eine Anrechnung von Vordienstzeiten im Sinne der Berücksichtigung von Dienstzeiten in einem früheren Arbeitsverhältnis war nicht gewollt. Die R. AG war dazu auch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet.
c) Zeiten der Betriebszugehörigkeit bei der Bauunternehmung B. & S. ab 1. Januar 1965 können damit für den Insolvenzschutz der bei der BuM erdienten Anwartschaft nicht herangezogen werden. Die Versorgungsanwartschaft bei der Firma B. & S. war verfallbar und erlosch bereits mit dem Ende dieses Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember 1969 (BAG Urteil vom 26. September 1989 – 3 AZR 815/87 –, aaO, zu 1 c der Gründe, m.w.N.). Die Versorgungszusage bei der R. AG begann aber frühestens am 1. Juli 1970 aufgrund der Zusage vom 22. Juni 1970. Da der Kläger leitender Angestellter war, wurde er von der all gemeinen betrieblichen Versorgungsordnung, die in einer Betriebsvereinbarung niedergelegt war, nicht schon mit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses am 1. Januar 1970 erfaßt.
Aus dem Senatsurteil vom 29. Juni 1982 (BAGE 39, 160 = AP Nr. 7 zu § 1 BetrAVG) kann die Revision keine für den Kläger günstige Rechtsfolge herleiten. Diese Entscheidung betraf allein die Anrechnung von Vordienstzeiten für die vertragliche Unverfallbarkeit. Einer solchen Anrechnung setzen die §§ 1 und 7 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG keine Grenzen; sie kann auch Dienstzeiten ohne begleitende Versorgungszusage einbeziehen, entfaltet aber Wirkung nur zwischen den Vertragspartnern und nicht gegenüber dem PSV,
Unterschriften
Dr. Heither, Schaub, Griebeling Dr. Bächle, Oberhofer
Fundstellen