Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst – Fleischbeschautierärzte
Leitsatz (redaktionell)
Parallelsache zu – 3 AZR 66/96 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen.
Normenkette
BetrAVG § 1 Gleichbehandlung; GG Art. 3 Abs. 1; Tarifvertrag über die Regelung der Rechtsverhältnisse der nicht vollbeschäftigten amtlichen Tierärzte und Fleischkontrolleure in öffentlichen Schlachthöfen und in Einfuhruntersuchungsstellen (TV Ang iöS) § 20; Tarifvertrag über die Regelung der Rechtsverhältnisse der nicht vollbeschäftigten amtlichen Tierärzte und Fleischkontrolleure in öffentlichen Schlachthöfen und in Einfuhruntersuchungsstellen (TV Ang iöS) § 20 a; ZPO § 256
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 14. Mai 1996 – 10 Sa 117/95 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob die beklagte Stadt verpflichtet ist, dem Kläger im Versorgungsfall Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu verschaffen.
Der Kläger ist am 6. Dezember 1957 geboren. Er ist praktischer Tierarzt und betreibt eine eigene Praxis. Seit dem 1. April 1985 war er als nicht vollbeschäftigter Angestellter – Fleischbeschautierarzt – im Städtischen Schlachthof der beklagten Stadt beschäftigt. Nach § 2 des letzten Arbeitsvertrages der Parteien vom 21. März 1986 richtet sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag über die Regelung der Rechtsverhältnisse der nicht vollbeschäftigten Fleischbeschautierärzte, Fleischbeschauer und Trichinenschauer in öffentlichen Schlachthöfen vom 1. April 1969 und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen. § 20 dieses Tarifvertrages lautete bis zum 31. Dezember 1996:
„Zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung
Der Angestellte ist nach Maßgabe des Versorgungstarifvertrages zu versichern, der für die unter den BAT fallenden Angestellten des Arbeitgebers gilt, wenn und solange er in dem jeweils vorangegangenen Kalenderjahr Stundenvergütungen für mindestens 1000 Stunden erhalten hat. Die Zahl der Stunden nach Satz 1 ist dadurch zu ermitteln, daß die Bezüge (Vergütung, Krankenbezüge, Krankengeldzuschuß und Urlaubsvergütung) des jeweils vorangegangenen Kalenderjahres durch die für den Angestellten am 31. Dezember des vorangegangenen Kalenderjahres maßgebende Stundenvergütung geteilt werden.”
Während seiner Tätigkeit für die Beklagte erhielt der Kläger im Jahr jeweils weniger als die Stundenvergütung für mindestens 1.000 Arbeitsstunden. Eine Ausnahme galt nur für das Jahr 1991, in welchem der Kläger 1.042,05 Stunden bezahlt erhielt. Im Hinblick darauf wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 13. März 1992 an die Beklagte und bat darum „trotz Überschreitung der Einkommensgrenze 1992 von der Versicherung nach Maßgabe des Vorsorgungs- und Tarifvertrages (§ 20 des Tarifvertrages vom 1. April 1969) abzusehen” und beantragte „gleichzeitig die Weiterzahlung des Beitragszuschusses gem. § 20 a des Tarifvertrages vom 1. April 1969”. Die angesprochene Tarifnorm lautete bis zum 31. Dezember 1996:
„Zuschuß zu den Beiträgen zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI und Lebensversicherungen
(1) Für den Angestellten, der nicht nach § 20 zu versichern und der als Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist, richtet sich die Beteiligung des Arbeitgebers am Beitrag zur berufsständischen Versorgungseinrichtung nach § 172 Abs. 2 SGB VI.
…”
Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Wirkung vom 1. Januar 1996 im Hinblick auf das Sonderbehörden-Eingliederungsgesetz des Landes Baden-Württemberg vom 12. Dezember 1994 (GBl. 1994, S. 653 ff.) auf den Ortenau-Kreis übergegangen. Bis dahin war der Kläger der einzige bei der beklagten Stadt angestellte Tierarzt.
Der Kläger hat den Standpunkt eingenommen, § 20 des Tarifvertrages verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG und § 2 BeschFG. Auch bei unterhälftig beschäftigten Teilzeitkräften bestehe ein Versorgungsbedarf. Eine Gruppenbildung allein nach dem Umfang der Teilzeitarbeit sei sachlich nicht gerechtfertigt.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Versorgungsleistungen zu verschaffen, die ihm zustünden, wenn er seit dem 1. April 1985 bis einschließlich 31. Dezember 1995 bei der kommunalen Zusatzversorgungskasse bzw. der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder versichert gewesen wäre.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Klage für unzulässig gehalten. Im übrigen habe sie dem Kläger nie die Verschaffung einer Zusatzversorgung versprochen. § 20 des Tarifvertrages habe Angestellte wie den Kläger zu Recht aus der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst ausgenommen. Die Tarifvertragsparteien seien davon ausgegangen, daß nicht vollbeschäftigte Fleischbeschautierärzte regelmäßig über eine eigene Praxis verfügten, so daß es sich bei dem Arbeitsverhältnis typischerweise nur um eine nebenberufliche Beschäftigung handele. Die eigentliche Erwerbs- und Existenzgrundlage sei die freiberufliche Tätigkeit. Hierin liege ein ausreichender sachlicher Differenzierungsgrund. Die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes scheide schon deshalb aus, weil bei der Beklagten kein Tierarzt beschäftigt werde, den sie aufgrund von § 20 des Tarifvertrages zur Zusatzversorgungskasse angemeldet habe. Schließlich stehe dem geltend gemachten Anspruch des Klägers auch dessen Schreiben vom 13. März 1992 entgegen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die vom Kläger zuletzt beantragte Feststellung getroffen. Die Beklagte strebt mit ihrer Revision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils an.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.
A. Die Revision der Beklagten ist zulässig. Sie ist statthaft, obwohl das Landesarbeitsgericht die Revision nur in den Entscheidungsgründen zugelassen hat. Es hat insoweit ausgeführt, die Kammer habe bereits in der Berufungsverhandlung darauf hingewiesen, daß im Hinblick auf die zu entscheidenden Rechtsfragen die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werde. Allerdings sei die Revisionszulassung nicht in den Urteilstenor, der am Ende des Sitzungstages verkündet worden sei, aufgenommen worden.
Wie die anschließende Inbezugnahme des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 23. November 1994 (BAGE 78, 294 = AP Nr. 27 zu § 72 ArbGG 1979) zeigt, will das Landesarbeitsgericht damit zum Ausdruck bringen, daß es die Verkündung der von ihm beschlossenen Revisionszulassung nur versehentlich unterlassen habe. Damit ist die Revision auch nach dem gegenüber der Rechtsprechung des Ersten Senats (Urteil vom 31. Oktober 1995 – 1 AZR 372/95 – AP Nr. 29 zu § 72 ArbGG 1979) strengeren Maßstab statthaft, den der Vierte Senat in dem angezogenen Urteil aufgestellt und im Urteil vom 10. Juli 1996 (– 4 AZR 139/95 – AP Nr. 29 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter) bestätigt hat.
B. Die Revision der Beklagten ist aber unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Klageantrag zu Recht stattgegeben.
I. Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat für seinen Antrag das erforderliche besondere Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO. Nachdem die Beklagte bestreitet, daß sie dem Kläger wegen seiner Tätigkeit für sie Versorgungsansprüche verschaffen muß, ist die Rechtslage für den Kläger unsicher geworden. Es besteht für ihn ein Bedürfnis, sie alsbald zu klären. Es ist für ihn schon vor Eintritt des Versorgungsfalles wichtig zu wissen, welche Versorgungsansprüche ihm später zustehen werden. Vom Umfang seiner Versorgungsansprüche hängt es ab, inwieweit Versorgungslücken entstehen, die möglicherweise durch private Vorsorgemaßnahmen geschlossen werden müssen (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 27. Februar 1996 – 3 AZR 886/94 – AP Nr. 28 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu A III 2 der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
II. Die Klage ist auch begründet. Die Beklagte muß dem Kläger im Versorgungsfall – ggf. in Ergänzung zu anderweit erdienten Versorgungsansprüchen – die Versorgungsleistungen verschaffen, die ihm zustünden, wenn sie den Kläger zwischen dem 1. April 1985 und dem 31. Dezember 1995 bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder versichert hätte. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 20 des im Arbeitsvertrag in bezug genommenen Tarifvertrages über die Regelung der Rechtsverhältnisse der nicht vollbeschäftigten amtlichen Tierärzte und Fleischkontrolleure in öffentlichen Schlachthöfen und in Einfuhruntersuchungsstellen (TV Ang iöS) in der bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Fassung.
1. Nach dem Wortlaut dieser Tarifnorm hat der Kläger keinen Anspruch auf Verschaffung einer Zusatzversorgung für die Beschäftigungszeiten bei der Beklagten. Nach § 20 TV Ang iöS in der bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Fassung waren nur solche nicht vollbeschäftigte amtliche Tierärzte bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder zu versichern, die im vorangegangenen Kalenderjahr eine Stundenvergütung für mindestens 1.000 Arbeitsstunden erhalten hatten. Diese Voraussetzung erfüllte der Kläger mit Ausnahme eines Jahres unstreitig nicht.
2. § 20 TV Ang iöS a.F. ist aber wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG nichtig, soweit er die mehr als geringfügig beschäftigten Angestellten aus der Zusatzversorgung für den öffentlichen Dienst ausnimmt. Der Anspruch des Klägers ergibt sich aus der verbleibenden Grundnorm des § 20 TV Ang iöS. Dabei besteht für den Kläger nur ein Verschaffungs-, nicht ein Versicherungsanspruch, weil die Satzung der VBL derzeit eine Versicherung für den in § 20 TV Ang iöS aus dem Versorgungswerk ausgenommenen Personenkreis nicht vorsieht.
a) Tarifvertragliche Differenzierungen sind am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG zu überprüfen. Der allgemeine Gleichheitssatz ist Teil der objektiven Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts Geltung beansprucht (BVerfGE 21, 362, 371 f. = AP Nr. 9 zu § 1542 RVO, zu B II 3 a der Gründe). Er ist auch von den Tarifvertragsparteien zu beachten. Art. 9 Abs. 3 GG steht dem nicht entgegen. Die Tarifvertragsparteien haben mit der Tarifautonomie die Befugnis erhalten, wie der Gesetzgeber Rechtsnormen zu schaffen. Sie müssen sich auch wie der Gesetzgeber an die zentrale Gerechtigkeitsnorm des Art. 3 Abs. 1 GG halten (vgl. u.a. BVerfGE 21, 362, 371 f. = AP Nr. 9 zu § 1542 RVO, zu B II 3 a der Gründe; BAGE 42, 217, 220 = AP Nr. 124 zu Art. 3 GG, zu II der Gründe; BAGE 71, 29, 35 = AP Nr. 18 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu B I 2 a der Gründe; BAGE 79, 236, 242 = AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu B II 2 a der Gründe).
b) Der tarifvertragliche Ausschluß von unter den Geltungsbereich des TV Ang iöS fallenden Angestellten aus der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst, wenn sie jährlich aus ihrer Tätigkeit ein Entgelt für weniger als 1.000 Arbeitsstunden erzielen, verstößt gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
aa) Die Tarifvertragsparteien differenzieren bei ihrer Regelung nicht danach, ob Teilzeit- oder Vollzeitarbeit geleistet wurde. Sie stellen auf den Umfang der Teilzeitarbeit ab. Dabei entspricht die tarifliche Regelung für den persönlichen Geltungsbereich des TV Ang iöS im wesentlichen der Regelung, wie sie der Bundes-Angestelltentarifvertrag bis zum 31. Dezember 1987 in § 3 Buchst. q vorgenommen hat: Danach waren aus dem Geltungsbereich des BAT und damit auch aus dem Geltungsbereich des Versorgungs-TV solche Angestellte ausgenommen, die weniger als die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten zu leisten hatten. Dem entspricht für die unter den Geltungsbereich des TV Ang iöS fallenden unregelmäßig beschäftigten Angestellten die dort festgelegte 1.000-Stunden-Grenze. Die späteren Änderungen im Bereich des BAT zum 1. Januar 1988 und 1. April 1991 haben die Tarifvertragsparteien des TV Ang iöS nicht mehr nachvollzogen.
bb) Die Differenzierung bei der Einräumung von Zusatzversorgungsansprüchen allein nach dem Umfang der Teilzeitarbeit ist sachlich nicht gerechtfertigt, soweit es um die Benachteiligung von mehr als nur geringfügig i.S. von § 8 SGB IV beschäftigten Angestellten geht. Dies hat der Senat in einer Vielzahl von veröffentlichten Entscheidungen zum BAT und zu den Tarifverträgen der Deutschen Bundespost im einzelnen begründet (BAGE 79, 236 = AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung; Urteil vom 16. Januar 1996 – 3 AZR 767/94 – AP Nr. 222 zu Art. 3 GG; Urteil vom 27. Februar 1996 – 3 AZR 886/94 – AP Nr. 28 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; Urteil vom 12. März 1996 – 3 AZR 993/94 – AP Nr. 1 zu § 24 TV Arb Bundespost). Auf zusätzliche Gesichtspunkte hat die Beklagte in diesem Zusammenhang nicht hingewiesen.
cc) Die Ungleichbehandlung kann entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht damit gerechtfertigt werden, daß es sich bei den nicht vollbeschäftigten Fleischbeschautierärzten, die aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten ausgenommen worden sind, typischerweise um Angestellte handelt, die in den öffentlichen Schlachthöfen nur einer Nebentätigkeit nachgehen.
(1) Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte sich überhaupt auf einen solchen Differenzierungsgrund berufen kann. Es ist nämlich zweifelhaft, ob die Tarifvertragsparteien zwischen einer Haupt- oder einer Nebenbeschäftigung unterscheiden wollten. Sie haben in § 9 TV Ang iöS eine für alle in den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Angestellten unabhängig vom Umfang ihrer Beschäftigung geltende Bestimmung über das Verhältnis der tariflichen Tätigkeit zu einer sonstigen beruflichen Tätigkeit getroffen. Die Tarifvertragsparteien gehen mithin bei allen Angestellten von einer anderweitigen beruflichen Tätigkeit aus.
(2) Auch wenn man davon ausgeht, daß der Tarifvertrag danach differenzieren wollte, ob der Arbeitnehmer für seinen Arbeitgeber hauptberuflich oder nebenberuflich tätig war, führt dies nicht zur sachlichen Rechtfertigung der vorgenommenen Ungleichbehandlung. Der Ausschluß von nebenberuflich tätigen Arbeitnehmern aus der betrieblichen Altersversorgung ist willkürlich.
Der Zweck der im Tarifvertrag vorgesehenen Leistungen besteht darin, zur Versorgung der Arbeitnehmer im Alter beizutragen. In der Regel soll auch die Betriebstreue gefördert und belohnt werden. Im Zusammenhang mit diesen Zwecken ergeben sich mögliche Rechtfertigungen für eine Ungleichbehandlung. So kann sachlicher Grund für eine Differenzierung ein typischerweise unterschiedlicher Versorgungsbedarf sein. Es kann auch sachlich gerechtfertigt sein, die Betriebstreue bestimmter Arbeitnehmergruppen besonders zu belohnen, um sie durch die in Aussicht stehende Versorgungsleistung enger an das Unternehmen zu binden. Es gibt aber keinen billigenswerten Grund, einen Arbeitnehmer allein deshalb, weil er noch einer anderen beruflichen Tätigkeit nachgeht, aus der betrieblichen Altersversorgung auszunehmen. Es geht schließlich darum, dem Arbeitgeber als Gegenleistung für Arbeitsleistung und Betriebstreue eine über die sozialversicherungsrechtliche Grundsicherung hinausgehende Versorgung zu gewährleisten. Der für diese Zusatzversorgung maßgebliche Versorgungsbedarf ergibt sich aus dem Lebensstandard des Begünstigten vor Eintritt in den Ruhestand. Jede betrieblich versprochene Versorgungsleistung verringert die Lücke, die sich mit dem Eintritt des Versorgungsfalles zwischen dem durch die letzten Bezüge als aktiver Arbeitnehmer begründeten Lebensstandard und der sozialversicherungsrechtlichen Grundversorgung auftut. Auch ein Zweitberuf, der nur um eines Zusatzverdienstes willen ausgeübt wird, beeinflußt den Lebensstandard des Arbeitnehmers und den im Ruhestand bestehenden Versorgungsbedarf mit (vgl. Urteil des Senats vom 22. November 1994 – BAGE 78, 288 = AP Nr. 24 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, in dem es um die Anwendung des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ging).
Der Senat hat diesen Grundsatz bei der Anwendung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes entwickelt (vgl. Urteil vom 22. November 1994, aaO). Der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat sich in seinen Urteilen vom 1. November 1995 (–5 AZR 84/94 – AP Nr. 45 zu § 2 BeschFG 1985, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, und – 5 AZR 880/94 – AP Nr. 46 zu § 2 BeschFG 1985) dieser Rechtsprechung für das laufende Entgelt angeschlossen. Der Grundsatz muß aber auch gelten, soweit es um tarifvertragliche Differenzierungen bei der betrieblichen Altersversorgung geht. Auch hier ist der Umstand, daß die Tätigkeit als Nebentätigkeit ausgeübt wird, kein sachlich rechtfertigender Grund dafür, die betreffenden Arbeitnehmer von der betrieblichen Zusatzversorgung auszuschließen.
dd) Die Ungleichbehandlung kann auch nicht mit dem im Bereich der Fleischbeschau geltenden unterschiedlichen Entgeltsystem gerechtfertigt werden. Das Urteil des Senats vom 17. Oktober 1995 (– 3 AZR 882/94 – AP Nr. 132 zu § 242 BGB Gleichbehandlung) steht dem nicht entgegen. Dort ging es um den generellen Ausschluß von Fleischbeschautierärzten außerhalb öffentlicher Schlachthöfe aus der zusätzlichen Altersversorgung im öffentlichen Dienst. Diese Angestellten erhalten nach dem Tarifvertrag über die Regelung der Rechtsverhältnisse der amtlichen Tierärzte und Fleischkontrolleure außerhalb öffentlicher Schlachthöfe ausschließlich Stückvergütung. Dadurch haben die dort tätigen Fleischbeschautierärzte die Möglichkeit, höhere Verdienste je Arbeitsstunde zu erzielen oder ihre Tätigkeit im öffentlichen Dienst nach ihrem zeitlichen Umfang zu verdichten und sich so Freiräume für ihre freiberufliche Tätigkeit zu verschaffen. Diese Besonderheit hat der Senat als ausreichende sachliche Rechtfertigung für deren generellen Ausschluß aus der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst angesehen.
Entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten haben die Fleischbeschautierärzte, die in öffentlichen Schlachthöfen tätig sind, nicht. Sie erhalten keine Stückvergütung, sondern für jede angeordnete und geleistete Arbeitsstunde einen bestimmten festen Stundensatz. Damit steht mit dem zeitlichen Umfang der im öffentlichen Schlachthof zurückgelegten Arbeitszeit fest, welche Vergütung der angestellte Tierarzt dort verdient hat und welche Arbeitszeit ihm verbleibt, um sie im Rahmen seiner freien Tierarztpraxis zu verwerten. Damit befindet sich ein in einem öffentlichen Schlachthof nicht vollbeschäftigter Angestellter im Grundsatz in derselben Situation wie jede Teilzeitkraft. Eine Besonderheit ergibt sich nur daraus, daß sich die Arbeitszeit des Angestellten nach dem Arbeitsanfall richtet. Der Fleischbeschautierarzt und die sonstigen nicht vollbeschäftigten Angestellten in diesem Bereich werden für ihre Tätigkeiten jeweils abberufen, soweit nicht feste Arbeitszeiten innerhalb der Woche vereinbart worden sind. Dabei kann es auch vorkommen, daß ein Tierarzt einem Abruf durch die Schlachthofleitung nicht nachkommen kann und deshalb ein anderer Tierarzt gerufen werden muß, oder die Fleischbeschauzeit verlegt wird. Dieser Gesichtspunkt kann, wenn es um die Qualifikation eines Beschäftigten als Arbeitnehmer geht, von Bedeutung sein. Für das Entgelt einer Person, die nach dem eindeutigen Wortlaut des Arbeitsvertrages und der in bezug genommenen Tarifverträge als Arbeitnehmer zu behandeln ist, kann sich daraus aber keine Rechtfertigung für eine unterschiedliche Vergütung ergeben.
ee) Die tarifvertragliche Differenzierung kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, daß die von der Zusatzversorgung ausgeschlossenen Mitarbeiter bis zum 31. Dezember 1996 nach § 20 a TV Ang iöS einen Zuschuß zu den Beiträgen zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen erhielten. Diese Beitragsleistung ersetzt nur den bei gesetzlich versicherten Arbeitnehmern geschuldeten Beitrag zur gesetzlichen Grundversorgung. Den Ausschluß der betreffenden Angestellten aus der Zusatzversorgung kann sie nicht rechtfertigen. Dies wird auch dadurch deutlich, daß nach § 15 Versorgungs-TV auch die bei der VBL pflichtversicherten Angestellten, die als Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind, einen Anspruch auf Zuschuß zu den dortigen Beiträgen haben.
3. § 20 TV Ang iöS a.F. ist nichtig, soweit er die unter den TV Ang iöS fallenden Angestellten, die mehr als nur geringfügig beschäftigt sind, aus dem Zusatzversorgungswerk ausnimmt. Die anspruchsbegründende Grundnorm im übrigen ist rechtswirksam. Der Kläger kann sich deshalb hierauf stützen und verlangen, daß ihm im Versorgungsfall eine Zusatzversorgung verschafft wird, als wäre er während der Beschäftigungszeit bei der Beklagten bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder versichert gewesen und würde dort weiterversichert.
Die tarifvertragliche Pflicht der Beklagten, und nicht etwa die Nichtigkeit der gegen den Gleichheitssatz verstoßenden gesamten Versorgungsregelung, ergibt sich daraus, daß es sich hier nur um eine relativ kleine Personengruppe handelt. In einem solchen Fall ist davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien, hätten sie die Unzulässigkeit der von ihnen vorgenommenen Differenzierung gekannt, nicht von dem Versorgungswerk im übrigen abgesehen, sondern den zu Unrecht benachteiligten Personenkreis in den Kreis der Versorgungsberechtigten aufgenommen hätten (so auch schon BAGE 79, 236, 246 ff. = AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu B III der Gründe).
Andererseits ist entgegen der von Wiedemann und Peters vertretenen Auffassung (RdA 1997, 100, 101) für die Feststellung der Teilnichtigkeit nicht erforderlich, daß die Beklagte auch nicht vollbeschäftigte Fleischbeschautierärzte beschäftigt, die Vergütung für mehr als 1.000 Stunden im Kalenderjahr erzielen und deshalb zusätzlich versorgt werden. Bei der Prüfung eines Tarifvertrages anhand des Gleichheitssatzes kommt es auf den Anwendungsbereich des Tarifvertrages, nicht auf das den Tarifvertrag anwendende Unternehmen oder dessen Betrieb an (vgl. auch Senatsurteil vom 17. Oktober 1995 – 3 AZR 882/94 – AP Nr. 132 zu § 242 BGB Gleichbehandlung).
4. Das Landesarbeitsgericht hat es zu Recht abgelehnt, aus dem Schreiben des Klägers vom 13. März 1992, in welchem dieser formularmäßig die Weitergewährung des Beitragszuschusses nach § 20 a des Tarifvertrages vom 1. April 1969 erbeten hat, einen Anspruchsausschluß abzuleiten. Der Kläger ist bei dieser Erklärung erkennbar von der geschriebenen Rechtslage ausgegangen. Ein schützenswertes Vertrauen der Beklagten darauf, der Kläger werde diese geschriebene Rechtslage in Zukunft nicht in Frage stellen, kann sich daraus nicht ergeben. Diese zutreffende Bewertung des Schreibens des Klägers durch das Landesarbeitsgericht greift die Revision zu Recht nicht an.
5. Die Beklagte ist für das auf die Zeit vom 1. April 1985 bis einschließlich 31. Dezember 1995 zeitlich begrenzte Begehren des Klägers auch passiv legitimiert. Sie war in diesem Zeitraum Arbeitgeberin des Klägers. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist weder nach § 613 a BGB, noch aufgrund einer sonstigen gesetzlichen Grundlage kraft Gesetzes auf den Ortenau-Kreis, der nunmehr Arbeitgeber des Klägers ist, übergegangen. Damit ist der Ortenau-Kreis auch nicht als Schuldner an die Stelle der Beklagten getreten.
Hinsichtlich § 613 a BGB ergibt sich dies bereits daraus, daß die für den Bereich Fleischhygiene zuständigen Behörden von den Gemeinden auf die Landkreise nicht kraft Rechtsgeschäfts übergegangen sind, sondern aufgrund gesetzlicher Anordnung (Art. 1 in Verb. mit Art. 3 des Gesetzes zur Eingliederung der Staatlichen Veterinärämter, zur Aufhebung der Staatlichen Gesundheitsämter, zur Übertragung von Aufgaben der Ämter für Wasserwirtschaft und Bodenschutz auf untere Verwaltungsbehörden sowie zur Bereinigung fleischhygiene- und lebensmittelrechtlicher Zuständigkeiten ≪Sonderbehörden-Eingliederungsgesetz≫ des Landes Baden-Württemberg vom 12. Dezember 1994 ≪GBl. 1994, S. 653 ff.≫).
Aus Art. 6 § 3 in Verb. mit Art. 6 § 2 dieses Gesetzes ergibt sich zugleich, daß die Arbeitsverhältnisse der in diesen Behörden Beschäftigten nicht kraft Gesetzes übergeleitet, sondern aufgrund rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen weitergeführt werden sollen. Dabei sind bestimmte eng begrenzte Besitzstände vom neuen Arbeitgeber zu übernehmen. Hierzu gehören Versorgungsanwartschaften nicht (Art. 6 § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Sonderbehörden-Eingliederungsgesetzes). Dies war auch nicht erforderlich, weil die versicherungsförmige Ausgestaltung der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst bei einem Wechsel von einem öffentlichen Arbeitgeber zu einem anderen eine Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses durch bloße Weiterzahlung der Umlage erlaubt. Es wird deshalb im Versorgungsfall festzustellen sein, welche Gesamtzusatzrente der Kläger erhalten hätte, wenn er von der Beklagten im Streitzeitraum bei der VBL versichert worden wäre.
Unterschriften
Dr. Heither, Mikosch, Bepler, Schmidt, Arntzen
Fundstellen