Entscheidungsstichwort (Thema)
Prämie an Nichtstreikende und tarifliches Maßregelungsverbot
Leitsatz (redaktionell)
Hinweise des Senats:
Parallelsache zu Senatsurteil vom 13. Juli 1993 – 1 AZR 676/92 –, zur Veröffentlichung bestimmt
Normenkette
GG Art. 9 Abs. 3; BGB § 612a
Verfahrensgang
LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 21.10.1992; Aktenzeichen 3 Sa 409/92) |
ArbG Mainz (Urteil vom 18.03.1992; Aktenzeichen 2 Ca 493/92) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Oktober 1992 – 3 Sa 409/92 – aufgehoben.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 18. März 1992 – 2 Ca 493/92 – abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 50,– DM netto nebst 4 % Zinsen seit 15. Januar 1992 zu bezahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung einer Prämie, die die Beklagte während eines Streiks, von dem auch ihr Unternehmen betroffen war, an arbeitswillige Arbeitnehmer bezahlt hat.
Der 1972 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit 1990 als Auszubildender zum Offset-Drucker beschäftigt. Die Beklagte betreibt ein Druckereiunternehmen. Sie hat etwa 130 gewerbliche Arbeitnehmer und 70 Angestellte beschäftigt. Beide Parteien sind tarifgebunden. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitende Industrie Anwendung.
Nach dem Scheitern der Tarifverhandlungen über einen neuen Lohn- und Manteltarifvertrag rief die IG Medien im April und Mai 1991 zu Streikmaßnahmen auf. Am 14. und 15. Mai 1991 wurde der Betrieb der Beklagten bestreikt. Mehr als die Hälfte der gewerblichen Arbeitnehmer der Beklagten folgten dem Streikaufruf. Der Kläger nahm am 14. Mai 1991 an dem Streik teil.
Als sich am 14. und 15. Mai 1991 Streikmaßnahmen für den Betrieb der Beklagten abzeichneten, versuchte der Betriebsleiter der Beklagten, die vor den Toren des Betriebsgeländes befindlichen streikenden Arbeitnehmer durch Inaussichtstellen einer Prämie von 50,– DM für jeden Tag der Arbeitsleistung während des Streiks zur Arbeitsaufnahme zu bewegen. Dies geschah zur Abwendung von erwarteten Verzögerungen bei der Auftragsabwicklung und befürchteten Stornierungen von Aufträgen.
Durch die in Aussicht gestellte Prämie gelang es dem Betriebsleiter, etwa 15 Arbeitnehmer zur Arbeitsaufnahme zu bewegen. Die Prämienzahlung erfolgte an beiden Tagen in bar an die zur Arbeit erschienenen Arbeitnehmer. Die Beklagte zahlte die Prämie unabhängig von der Höhe des sonst maßgeblichen Verdienstes der Arbeitnehmer unterschiedslos an alle gewerblichen Arbeitnehmer, die an den Streiktagen arbeiteten. Bei der Zahlung differenzierte die Beklagte insbesondere auch nicht danach, ob der Arbeitseinsatz der einzelnen Arbeitnehmer unter besonderen Erschwernissen oder konkreten Belastungen stattfand.
Die arbeitswilligen Arbeitnehmer arbeiteten bis auf etwa 10 Ausnahmen an den beiden Streiktagen bis zur gesetzlich zulässigen Höchstarbeitszeitgrenze von 10 Stunden. Die Beklagte zahlte die Prämie von 50,– DM netto dabei unterschiedslos sowohl an die Arbeitnehmer, die 10 Arbeitsstunden leisteten, als auch an die Arbeitnehmer, die lediglich die betriebsübliche Arbeitszeit arbeiteten.
Mit Schreiben vom 16. Mai 1991 teilte die Beklagte den nichtstreikenden Arbeitnehmern folgendes mit:
„Liebe Mitarbeiterinnen, liebe Mitarbeiter,
wir möchten uns mit diesem Betrag nochmals für Ihre Mitarbeit an den vergangenen bestreikten Arbeitstagen bedanken.
Gerade für ein Familienunternehmen ist es besonders wichtig, daß wir uns in solchen Situationen auf die gute Zusammenarbeit der Mitarbeiter verlassen können.
Die IG Medien versucht durch diese Streiks bewußt den Mittelstand zu schwächen, da hier die vorhandene Finanzdecke einen Streik nicht zuläßt. Wie anders kann erklärt werden, daß mit unserem Unternehmen konkurrierende Display-Großunternehmen (teilweise mit mehr als 400 Mitarbeitern) nicht bestreikt werden. Dieser Streik trifft unser Unternehmen besonders hart, da bis zum 15.05.91 mehrere Kundenaufträge storniert und an eben diese Konkurrenzunternehmen vergeben wurden.
Sie haben durch Ihre Mitarbeit diesen Schaden begrenzt!
Nochmals herzlichen Dank!
Unterschrift ––––––- Geschäftsleitung, J GmbH”
Nach Beendigung des Arbeitskampfs trafen die Tarifvertragsparteien am 27. Mai 1991 folgende Vereinbarung:
„1. Jede Maßregelung von Beschäftigten aus Anlaß oder im Zusammenhang mit der Tarifbewegung in der Papierverarbeitung 1991 unterbleibt oder wird rückgängig gemacht, falls sie erfolgt ist.
2. Schadenersatzansprüche aus Anlaß oder im Zusammenhang mit der Tarifbewegung entfallen.”
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Zahlung einer Prämie in Höhe von 50,– DM. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Zahlung einer Zulage an Arbeitnehmer allein dafür, daß sie sich nicht an einem Streik beteiligten, sei eine ungerechtfertigte Benachteiligung und damit eine unzulässige Maßregelung der streikenden Arbeitnehmer im Sinne des tariflichen Maßregelungsverbots. Diese Benachteiligung sei nur dadurch rückgängig zu machen, daß auch den streikenden Arbeitnehmern die Prämie bezahlt werde. Ein Anspruch auf Zahlung der Prämie ergebe sich auch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz, weil die Beklagte aus sachfremden Gründen die freiwillige Prämienleistung nur an die nichtstreikenden Arbeitnehmer und nicht auch an die Streikenden ausbezahlt habe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 50,– DM netto nebst 4 % Zinsen seit dem 25. Januar 1992 zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat gemeint, die von ihr geleistete Prämie sei ein zulässiges Arbeitskampfmittel. Es diene der Abmilderung der durch den Streik entstehenden schweren wirtschaftlichen Folgen. Es sei gegenüber der Aussperrung ein milderes Mittel und deshalb nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zulässig. Das hier vereinbarte tarifliche Maßregelungsverbot erfasse nicht die Zahlung von Streikbruchprämien. Eine andere Auslegung sei im Hinblick auf Art. 9 Abs. 3 GG nicht möglich, weil ansonsten ein zulässiges Arbeitskampfmittel völlig entwertet werden würde. Der Kläger habe auch keinen Anspruch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz, weil die bei der Prämienzahlung erfolgte Differenzierung zwischen streikenden und nichtstreikenden Arbeitnehmern sachlich gerechtfertigt sei.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen ursprünglichen Zahlungsantrag weiter, während die Beklagte um Zurückweisung der Revision bittet.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet.
Der Kläger hat nach dem tariflichen Maßregelungsverbot Anspruch auf Zahlung eines der an die nichtstreikenden Arbeitnehmer gezahlten Prämie entsprechenden Betrages.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte sei zur Zahlung an die zur Arbeit erschienenen Arbeitnehmer gezahlten Prämie auch an den sich am Streik beteiligenden Kläger nicht verpflichtet. Ein solcher Anspruch ergebe sich nicht aus einer Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes in Verbindung mit dem gesetzlichen Maßregelungsverbot des § 612 a BGB bzw. dem inhaltlich entsprechenden tariflichen Maßregelungsverbot in der Fassung der Vereinbarung über die Wiederherstellung des Arbeitsfriedens vom 27. Mai 1991 bzw. Art. 9 Abs. 3 Satz 1 und 2 GG. Die Zahlung der Prämie sei als zulässiges Arbeitskampfmittel anzusehen, da sie während des Arbeitskampfs erfolgt sei.
Dem ist jedenfalls hinsichtlich der Beurteilung des tariflichen Maßregelungsverbots nicht beizupflichten.
II. Das Landesarbeitsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger als Auszubildender rechtmäßig an dem Streik teilgenommen hat.
Im Urteil vom 12. September 1984 (BAGE 46, 322, 356 ff. = AP Nr. 81 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, zu B III der Gründe) hat der Senat die Teilnahme von Auszubildenden an kurzfristigen Warnstreiks als zulässig angesehen. Jedenfalls ein kurzzeitiger Streik sei zulässig, wenn es in dem Arbeitskampf auch um die Arbeitsbedingungen der Auszubildenden gehe.
Auch im vorliegenden Fall hat der Kläger am 14. Mai 1991 rechtmäßig gestreikt. In dem Arbeitskampf ging es auch um Arbeitsbedingungen, die den Kläger betroffen haben. Der Manteltarifvertrag, über dessen Inhalt in jener Tarifrunde verhandelt wurde, findet auch auf das Ausbildungsverhältnis des Klägers Anwendung. Was tariflich regelbar ist, muß aber letztlich auch durch Arbeitskampf durchgesetzt werden können (BAG, aaO, zu B III 2 b der Gründe). Der Kläger ist daher durch die Teilnahme am Streik vom 14. Mai 1991 rechtmäßig der Arbeit ferngeblieben.
III. 1. Der Senat hat sich in der Vergangenheit bereits mehrfach mit der Zahlung sog. Streikbruchprämien befassen müssen. Der Entscheidung vom 4. August 1987 (BAGE 56, 6 = AP Nr. 88 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = EzA Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 70 m. Anm. von Belling = SAE 1989, 20 m. Anm. von Konzen = AR-Blattei Arbeitskampf II Streik Entsch. Nr. 29 m. Anm. von Löwisch/Rumler) lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem der Arbeitgeber bei vergleichbarem tariflichen Maßregelungsverbot eine Prämie von 100,– DM je Streiktag teils während, teils nach Beendigung des Arbeitskampfs an die nichtstreikenden Arbeitnehmer gezahlt hatte. Der Senat hat angenommen, diese Leistung verstoße gegen das tarifliche Maßregelungsverbot. Er hat den streikenden Arbeitnehmern aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz i. Verb. mit dem Maßregelungsverbot einen Anspruch in gleicher Höhe zuerkannt.
Gegen diese Entscheidung ist kritisch u.a. eingewandt worden, in der Zahlung einer Prämie während des Arbeitskampfs sei ein zulässiges Arbeitskampfmittel zu sehen, so daß insoweit keine Maßregelung angenommen werden könne (vgl. insbes. Belling, aaO; Konzen, aaO; Löwisch/Rumler, aaO; s. weiter vor allem auch von Hoyningen-Huene, DB 1989, 1466; Belling, NZA 1990, 214 ff.; Belling/von Steinau-Steinrück, DB 1993, 534 ff.).
Der Senat hat in seinen nachfolgenden Entscheidungen keinen Anlaß gehabt, über die Frage der arbeitskampfrechtlichen Zulässigkeit von während des Arbeitskampfs gezahlten Streikbruchprämien zu entscheiden (Urteil vom 17. September 1991 – 1 AZR 26/91 – AP Nr. 120 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; Urteil vom 28. Juli 1992 – 1 AZR 87/92 – AP Nr. 123 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = SAE 1993, 48 m. Anm. von Belling/von Steinau-Steinrück; Urteil vom 11. August 1992 – 1 AZR 103/92 – AP Nr. 124 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = SAE 1993, 57 m. Anm. von Hergenröder). In den diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalten waren die Prämien jeweils erst nach Beendigung des Arbeitskampfs ohne vorherige Zusage gezahlt worden (für diesen Fall verneinen die arbeitskampfrechtliche Rechtfertigung etwa auch von Hoyningen-Huene, DB 1989, 1470; Konzen, SAE 1989, 22, 23). Für nachträglich gezahlte Prämien hat der Senat daran festgehalten, daß hierin eine unzulässige Maßregelung im Sinne entsprechender tariflicher Maßregelungsverbote (Urteil vom 28. Juli 1992, aaO) bzw. des § 612 a BGB liegt (Urteil vom 11. August 1992, aaO). Einen sachlichen Grund für die Zahlung einer Prämie auch nach Abschluß des Arbeitskampfs an die sich nicht am Streik beteiligenden Arbeitnehmer hat der Senat allein darin gesehen, daß die Begünstigten während der Streikarbeit Belastungen ausgesetzt waren, die erheblich über das normale Maß der mit jeder Streikarbeit verbundenen Erschwerung hinausgehen (Urteil vom 28. Juli 1992, aaO).
2. Die im vorliegenden Fall zu beurteilenden Prämien sind während des Arbeitskampfs und nicht erst nach dessen Beendigung gezahlt worden. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Betriebsleiter der Beklagten an den beiden Streiktagen jeweils vor Schichtbeginn versucht, die vor den Toren des Betriebsgeländes befindlichen Arbeitnehmer durch Inaussichtstellen einer Prämie von 50,– DM für jeden Tag der Arbeitsleistung zur Arbeitsaufnahme zu bewegen. Die Prämie ist dann noch während des Arbeitstages im Betrieb ausgezahlt worden.
Diese Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind von der Revision mit Verfahrensrügen nicht angegriffen worden. Soweit die Revision auf das Schreiben der Beklagten aus der Zeit nach dem Streik, nämlich vom 16. Mai 1991, verweist, ergibt sich hieraus nichts Gegenteiliges. Die Beklagte bedankt sich in diesem Schreiben „nochmals” für die Mitarbeit. Dieser nachträgliche Dank ändert aber nichts daran, daß die Zahlung der Prämie bereits vor Arbeitsbeginn des jeweiligen Streiktages angekündigt war. Damit war jedem Arbeitnehmer bei der Entscheidung, ob er sich an diesem Tage am Streik beteiligen wollte oder nicht, das Angebot der Beklagten bekannt. Die Zusage der Prämie erfolgte also noch während des Arbeitskampfs; dies gilt im übrigen auch für die Zahlung selbst.
3. Das Landesarbeitsgericht hat weiter festgestellt, Zweck der Zulagenzahlung sei nicht die Abgeltung besonderer Belastungen gewesen, die erheblich über das normale Maß der mit jeder Streikarbeit verbundenen Erschwernisse hinausgehen und die deshalb eine Sonderzahlung – selbst nach Abschluß des Arbeitskampfs – sachlich rechtfertigen können (Senatsurteil vom 28. Juli 1992, aaO, zu II 4 b bb der Gründe). Die Beklagte habe die Zulage unterschiedslos in gleicher Höhe an alle Beteiligten gezahlt und auch nicht danach differenziert, ob der Einsatz unter besonderen Erschwernissen oder konkreten Belastungen erfolgt sei; es sei auch nicht unterschieden worden zwischen denjenigen, die zehn Stunden und denjenigen, die nur in der betriebsüblichen Arbeitszeit gearbeitet hätten. Zweck der Zahlung sei es gewesen, den nichtstreikenden Arbeitnehmern eine zusätzliche Vergütung für die Nichtteilnahme am Streik zu gewähren. Dieser Zweck habe auch und richtigerweise primär als Mittel des Arbeitgebers gedient, die Arbeitnehmer zum Streikbruch zu bewegen und die Folgen des Arbeitskampfs zu minimieren.
An diese Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist der Senat gleichfalls gebunden. Auch die Beklagte hat insoweit keine konkreten Gegenrügen erhoben. Damit ist auszugehen von einer während des Arbeitskampfs erfolgten Prämienzahlung, die nicht der Abgeltung besonderer Belastungen im Sinne der Senatsrechtsprechung diente.
IV. Der Senat neigt dazu, die Gewährung einer sog. echten „Streikbruchprämie” während des Arbeitskampfs in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil als grundsätzlich zulässiges Arbeitskampfmittel anzusehen.
1. a) Die in Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich verankerte Koalitionsfreiheit überläßt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Koalitionen die freie Wahl der Mittel, die sie zur Herbeiführung des Tarifabschlusses für geeignet halten (BVerfG Beschluß vom 26. Juni 1991 – 1 BvR 779/85 – AP Nr. 117 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, zu C I 1 a der Gründe; BVerfGE 18, 18, 29 ff.). Maßnahmen, die auf den Abschluß von Tarifverträgen gerichtet sind, werden jedenfalls insoweit von der Koalitionsfreiheit erfaßt, als sie allgemein erforderlich sind, um eine funktionierende Tarifautonomie sicherzustellen.
Die Rechtsordnung kennt dementsprechend kein geschlossenes System zulässiger Arbeitskampfmittel (BAGE 28, 295 = AP Nr. 51 zu Art. 9 GG Arbeitskampf m. Anm. von Rüthers; BAGE 28, 225 = AP Nr. 6 zu § 1 TVG Form m. Anm. von Wiedemann; Seiter, Streikrecht und Aussperrungsrecht, S. 140 ff.; Löwisch/Rieble, Schlichtungs- und Arbeitskampfrecht, Rz 46 ff.).
b) Die Ankündigung einer Zulage mit dem Ziel, Arbeitnehmer zur Nichtbeteiligung am Streik zu bewegen, hat eine koalitionsgemäße Zwecksetzung. Erkennbare Absicht des Arbeitgebers ist es, auf diese Weise die Streikfolgen für seinen Betrieb zu mindern. Er nimmt Einfluß auf das Arbeitskampfgeschehen, indem er die Wirksamkeit des Arbeitskampfmittels der Gegenseite zu schwächen versucht. Dies ist eine typische Zielsetzung des Arbeitskampfs, in dem durch Druck und Gegendruck versucht wird, den jeweiligen Gegner zur Übernahme der selbst für richtig befundenen Position zu bewegen. Aus der Sicht des Arbeitgebers geht es um die Abwehr einer gegen ihn gerichteten Kampfmaßnahme. Zu Recht stellt demnach etwa Konzen fest (SAE 1989, 23), die Zahlung einer Streikbruchprämie während des Arbeitskampfs entspreche allen Begriffsmerkmalen eines Arbeitskampfmittels (zust. auch Belling, NZA 1990, 219; von Hoyningen-Huene, DB 1989, 1466; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rz 609; Löwisch, RdA 1987, 223; als – allerdings unzulässige – arbeitskampfrechtliche Maßnahme betrachtet die Zahlung etwa auch Wolter in Däubler, Arbeitskampfrecht, 2. Aufl., Rz 280 wv).
c) Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG schließt ein Arbeitskampfmittel Streikbruchprämie nicht von vornherein aus. Die Zahlung einer Streikbruchprämie ist keine gegen die positive Koalitionsfreiheit gerichtete Maßnahme. Ob eine solche anzunehmen wäre, wenn der Arbeitgeber die Prämie gezielt nur Gewerkschaftsmitgliedern anbieten würde, um sie auf diese Weise zum Streikbruch zu bewegen, bedarf hier keiner Entscheidung (bejahend Wolter, aaO, Rz 280 wy; offengelassen von Hoyningen-Huene, DB 1989, 1467; vgl. zur Unzulässigkeit einer nur gegen Gewerkschaftsmitglieder gerichteten Aussperrung BAGE 33, 195 = AP Nr. 66 zu Art. 9 GG Arbeitskampf). Die Beklagte hat eine solche Trennung nicht vorgenommen. Sie hat die Zahlung unterschiedslos allen Arbeitnehmern angeboten, die zur Arbeitsaufnahme bereit waren. Es ist auch nicht festgestellt, ob sich unter den tatsächlich arbeitenden Arbeitnehmern überhaupt Gewerkschaftsmitglieder befanden.
Solange jedenfalls die Zahlung unterschiedslos allen Arbeitnehmern angeboten wird, liegt ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG nicht vor. Die Beeinträchtigung der gewerkschaftlichen Kampfführung allein stellt noch keine unzulässige Störung der koalitionsmäßigen Betätigung dar. Sie ist Wesensmerkmal eines durch Art. 9 Abs. 3 GG im Grundsatz garantierten Arbeitskampfs. Insoweit unterscheidet sich die Streikbruchprämie nicht von anderen Arbeitskampfmitteln des Arbeitgebers wie etwa der Aussperrung. Hierin allein liegt keine unzulässige Beeinträchtigung der grundgesetzlich geschützten koalitionsmäßigen Betätigung (als gegen Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG verstoßend sieht die Zulage allerdings etwa auch an Staudinger/Richardi, BGB, 12. Aufl., Vorbem zu §§ 611 ff. Rz 1279).
d) Vieles spricht nach Auffassung des Senats auch für die Annahme, daß der Anerkennung eines Arbeitskampfmittels Streikbruchprämie nicht der Grundsatz der Verhandlungsparität entgegensteht. Danach ist jedenfalls im Prinzip sicherzustellen, daß nicht eine Tarifvertragspartei der anderen von vornherein ihren Willen aufzwingen kann, sondern daß möglichst gleiche Verhandlungschancen bestehen. Die Tarifautonomie kann sonst unter Ausschluß der staatlichen Zwangsschlichtung nicht funktionieren (BAGE 23, 292 = AP Nr. 43 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; bestätigt durch BVerfG Beschluß vom 26. Juni 1991 – 1 BvR 779/85 – AP Nr. 117 zu Art. 9 GG Arbeitskampf).
Dieser Grundsatz wird durch die Zahlung einer Streikbruchprämie nicht generell in Frage gestellt. Es ist nicht erkennbar, daß auf diese Weise das Streikrecht als zentrales Arbeitskampfmittel der Gewerkschaft derart entwertet wird, daß von einem strukturellen Ungleichgewicht der Tarifvertragsparteien auszugehen wäre.
Dem bestreikten Arbeitgeber ist es grundsätzlich erlaubt, einem Streik dadurch zu begegnen, daß er durch organisatorische oder sonstige Maßnahmen die Auswirkungen auf seinen Betrieb zu mindern versucht. So ist er berechtigt, durch Streik ausgefallene Arbeit durch arbeitswillige Arbeitnehmer verrichten zu lassen, er darf neue Arbeitnehmer einstellen, durch den Streik ausgefallene Arbeiten an Dritte vergeben und ähnliches. Auch die Einstellung der Lohnzahlung an Arbeitnehmer, die infolge eines Streiks nicht beschäftigt werden können, ist nur eine zulässige Reaktion auf streikbedingte Störungen des Betriebs (BAGE 34, 331, 343 = AP Nr. 70 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, zu C I 2 b (1) der Gründe; BAGE 49, 303, 311 = AP Nr. 86 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, zu B II 1 der Gründe).
Solche Maßnahmen werden nicht deshalb zu einem Eingriff in das Streikrecht der Gewerkschaft, weil sich diese aufgrund solcher Reaktionen des Arbeitgebers genötigt sieht, den mit ihrem Arbeitskampf bezweckten Druck durch Ausweitung des Arbeitskampfs zu verstärken. Das gilt selbst dann, wenn dadurch der Erfolg des Arbeitskampfs in Frage gestellt wird, ebenso wie in dem bloßen Durchstehen eines Streiks bis zur Erschöpfung der Streikfähigkeit der Gewerkschaft kein Eingriff in das Streikrecht liegt. Mit der Garantie des Streiks ist keine Erfolgsgarantie verbunden. Die Tarifautonomie überläßt es dem freien Spiel der Kräfte, zu welchem Ergebnis Tarifverhandlungen und letztlich auch Arbeitskämpfe führen (BVerfGE 18, 18 = AP Nr. 15 zu § 2 TVG; BAGE 49, 303, 311 f. = AP Nr. 86 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, zu B II 1 der Gründe).
Die Gewährung eines finanziellen Anreizes an die eigenen Arbeitnehmer, um sie auf diese Weise zur Arbeitsaufnahme zu bewegen und die Auswirkungen des Streiks auf den Betrieb damit zu mindern, ist als eine im Ansatz vergleichbare Maßnahme anzusehen. Es liegt letztlich in der eigenen Entscheidung der Arbeitnehmer, ob sie dieses Angebot annehmen. Die Gewerkschaft hat die Möglichkeit und das Recht, mit friedlichen, aber durchaus intensiven Mitteln – etwa durch Streikposten – ihrerseits die Arbeitnehmer zum Streik anzuhalten, sie zu informieren über die Ziele des Arbeitskampfs und über die Folgen eines Bruchs der Solidarität durch Aufnahme der Arbeit.
Es kann also nicht gesagt werden, daß ein Arbeitskampfmittel Streikbruchprämie zwingend eine strukturelle Entwertung gewerkschaftlicher Arbeitskampfführung im Gefolge hat, so daß von einer Störung der Verhandlungsparität gesprochen werden müßte (so auch Belling, NZA 1990, 217 ff.; von Hoyningen-Huene, DB 1989, 1466, 1467; Konzen, SAE 1989, 23). Die insoweit sicher notwendige Begrenzung dieses Kampfmittels – etwa im Hinblick auf unangemessen hohe Prämien – ist über den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu gewährleisten.
e) Es spricht daher vieles dafür, die Gewährung einer Streikbruchprämie im Sinne einer während des Arbeitskampfs zugesagten Sonderzuwendung mit der Absicht, streikbereite Arbeitnehmer zur Arbeitsaufnahme zu veranlassen, als zulässiges Kampfmittel des Arbeitgebers anzusehen (so auch Belling, NZA 1990, 214 ff.; von Hoyningen-Huene, DB 1989, 1467 f.; Konzen, SAE 1989, 22 ff.; Löwisch, RdA 1987, 223; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rz 609; Zöllner/ Loritz, Arbeitsrecht, 4. Aufl., § 39 IV 5; a.A. Däubler, Tarifvertragsrecht, 3. Aufl., Rz 1236; Wolter, aaO, Rz 280 × ff.; Staudinger/Richardi, aaO, Vorbem zu §§ 611 ff. Rz 1279).
2. Geht man einmal hiervon aus, verstößt die vorliegend zu beurteilende Arbeitskampfmaßnahme auch nicht erkennbar gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit, an dem Arbeitskampfmaßnahmen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seit dem Beschluß des Großen Senats vom 21. April 1971 (BAGE 23, 292 = AP Nr. 43 zu Art. 9 GG Arbeitskampf) zu messen sind. Danach sind nur Arbeitskampfmaßnahmen zulässig, die zur Erreichung eines rechtmäßigen Kampfzieles geeignet und erforderlich sind sowie nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Ziel stehen.
Ein derartiger Verstoß ist hier nicht festzustellen. Der Betrieb der Beklagten sollte bestreikt werden. Die Reaktion des Arbeitgebers war als Abwehrreaktion geeignet, die Streikfolgen und damit das Arbeitskampfrisiko zu mindern. Die Auslobung einer Prämie von 50,– DM pro Arbeitstag ist auch von der Höhe her nicht als unverhältnismäßig anzusehen, zumal es insgesamt nur um zwei Streiktage ging.
Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß die Auslobung erfolgte angesichts der zu erwartenden Verzögerungen bei der Auftragsabwicklung und der Gefahr der Stornierung von Aufträgen. Damit lag aber eine eindeutige Betroffenheit der Beklagten durch die Streikmaßnahmen vor, so daß auch von hier ein grundsätzlich anerkennenswertes Interesse an der Minimierung der Streikfolgen gegeben war.
V. 1. Geht man aus von der Zulässigkeit der Prämienzahlung als Mittel des Arbeitskampfs auf seiten der Beklagten, hat dies zur Folge, daß die vorgenommene Differenzierung zwischen nichtstreikenden und streikenden Arbeitnehmern bei der Prämienzahlung an sich rechtlich zulässig ist. Der Kläger kann daher einen Anspruch auf die ausbezahlte Prämie nicht allein auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen.
Die während des Arbeitskampfs in arbeitskampfrechtlich zulässiger Weise ausgelobte Prämie für die Nichtteilnahme am Streik stellt – ebensowenig wie die Aussperrung – richtiger Auffassung nach dann auch keine Maßregelung im Sinne des § 612 a BGB dar (von Hoyningen-Huene, DB 1989, 1469; Konzen, SAE 1989, 22; Löwisch, RdA 1987, 223; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rz 609; Zöllner/ Loritz, aaO, § 39 IV 5; so im Grundsatz auch Belling/von SteinauSteinrück, SAE 1993, 51, 54 f.; a.A. Staudinger/Richardi, aaO, Vorbem zu §§ 611 ff. Rz 1279 und § 612 a Rz 8 und Rz 14; im Ergebnis auch Wolter, aaO, Rz 280 ww, der die Maßnahme insgesamt als unzulässig und damit rechtswidrig ansieht; MünchKomm-Schaub, BGB, 2. Aufl., § 612 a Rz 9, allerdings nur unter Verweis auf das Senatsurteil vom 4. August 1987 – 1 AZR 486/85 – ohne Differenzierung nach dem Zeitpunkt der Prämienzahlung; in diesem Sinne auch RGRK-Michels-Holl, BGB, 12. Aufl., § 612 a Rz 8). Für die Annahme, daß mit § 612 a BGB auch eine die Arbeitskampfordnung einschränkende Regelung getroffen werden sollte, besteht kein Anhaltspunkt.
Es bleibt allerdings den Tarifvertragsparteien unbenommen, die durch die Zahlung von Streikbruchprämien vorgenommene Differenzierung zwischen nichtstreikenden und streikenden Arbeitnehmern in einem Maßregelungsverbot nach Beendigung des Arbeitskampfs wieder aufzuheben. Von dieser Möglichkeit haben die beteiligten Tarifvertragsparteien entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts mit dem Maßregelungsverbot vom 27. Mai 1991 Gebrauch gemacht.
2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger könne seinen Anspruch auf Zahlung der Prämie nicht auf das tarifvertragliche Maßregelungsverbot stützen. Dieses Maßregelungsverbot habe gegenüber § 612 a BGB keinen weitergehenden Inhalt. Es gewähre dem Arbeitnehmer lediglich zusätzlich den Schutz des § 4 Abs. 4 TVG und verpflichte den tarifschließenden Arbeitgeberverband, bei seinen Mitgliedern auf die Einhaltung des Tarifvertrages hinzuwirken. Das Maßregelungsverbot sei einschränkend auszulegen und erfasse nicht die Zahlung von Streikbruchprämien, wenn der Arbeitgeber diese als rechtlich zulässiges Arbeitskampfmittel eingesetzt habe. Anderenfalls würde das nach Art. 9 Abs. 3 GG zulässige Arbeitskampfmittel völlig entwertet. Dieser Auffassung kann der Senat nicht beipflichten.
3. Das Landesarbeitsgericht hat die Bedeutung des tariflichen Maßregelungsverbots verkannt. Das Maßregelungsverbot vom 27. Mai 1991 hat einen weitergehenden Inhalt als § 612 a BGB (ebenso bereits zu einem nahezu gleichlautenden Maßregelungsverbot Senatsurteil vom 4. August 1987, aaO, zu 3 der Gründe).
Das tarifliche Maßregelungsverbot vom 27. Mai 1991 dient der Wiederherstellung des Arbeitsfriedens nach Beendigung des Arbeitskampfs. An diesem Arbeitskampf haben sich nicht alle Arbeitnehmer beteiligt, sondern nur etwas mehr als die Hälfte der gewerblichen Arbeitnehmer. Die Beklagte hat bei der Zahlung der Zulage allein an die unterschiedliche Streikbeteiligung angeknüpft.
Diese unterschiedliche Behandlung der streikenden und nichtstreikenden Arbeitnehmer, die den nichtstreikenden Arbeitnehmern eine Zulage zukommen läßt, ist für die streikenden Arbeitnehmer eine Benachteiligung, die allein deswegen erfolgt, weil sie sich am Arbeitskampf beteiligt haben. Die im Arbeitskampf gegebene Scheidung der Belegschaft in streikende und nichtstreikende Arbeitnehmer wird damit über das Ende des Arbeitskampfs hinaus aufrecht erhalten. Das steht aber der Wiederherstellung des Arbeitsfriedens im Betrieb, die mit dem Maßregelungsverbot bewirkt werden soll, entgegen (ebenso bereits Senatsurteil vom 4. August 1987, aaO, zu 3 b der Gründe).
Aus diesem Grunde ist unter Maßregelung i.S. der Vereinbarung vom 27. Mai 1991 schon jede unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer zu verstehen, die nach der Teilnahme am Arbeitskampf unterscheidet, soweit diese Unterscheidung nicht schon durch die Rechtsordnung selbst vorgegeben ist. Ein Maßregelungsverbot, das lediglich die Vorenthaltung oder Beschneidung von Rechten wegen der Teilnahme am Arbeitskampf oder die tatsächliche Benachteiligung als Sanktionierung für die Ausübung des Streikrechts verbieten würde, wäre weitgehend ohne Bedeutung, weil sich die damit angeordneten Rechtsfolgen ohnehin aus der Rechtsordnung, wie etwa aus § 612 a BGB ergeben. Sinn des tarifvertraglichen Maßregelungsverbots ist es vielmehr, auch darüber hinaus zu verhindern, daß der Arbeitskampf und seine Beteiligung an diesem zum Anlaß genommen wird, bei der Ausgestaltung und Abwicklung der Arbeitsverhältnisse danach zu differenzieren, wer überhaupt und in welcher Weise sich am Arbeitskampf beteiligt hat oder nicht. Das tarifliche Maßregelungsverbot vom 27. Mai 1991 verbietet daher, bei der Gewährung freiwilliger Leistungen allein danach zu differenzieren, ob der Arbeitnehmer sich am Arbeitskampf beteiligt hat oder nicht.
Für diese Auslegung des tariflichen Maßregelungsverbots spricht maßgeblich, daß die Tarifvertragsparteien die Vereinbarung in Kenntnis des Senatsurteils vom 4. August 1987 (aaO) geschlossen haben. Ihnen war damit bekannt, daß das Bundesarbeitsgericht auch Streikbruchprämien, und zwar auch solche, die während des Arbeitskampfs gezahlt werden, als von dem Maßregelungsverbot erfaßt ansieht. Wenn die Tarifvertragsparteien in Kenntnis des Senatsurteils vom 4. August 1987 (aaO) im vorliegenden Fall ein nahezu gleichlautendes Maßregelungsverbot vereinbart haben, ist dies ein gewichtiges Indiz dafür, daß sie ihm den Inhalt beigemessen haben, den der Senat im Urteil vom 4. August 1987 durch Auslegung für das dort streitgegenständliche Maßregelungsverbot ermittelt hat.
Durch diese Auslegung wird das Arbeitskampfmittel der Streikbruchprämien auch keineswegs entwertet, wie das Landesarbeitsgericht meint. Es steht den Tarifvertragsparteien frei, ein Maßregelungsverbot anderen Inhalts zu vereinbaren. Von der tarifvertraglich nicht abdingbaren Rechtsordnung ist ein so weitgehendes Maßregelungsverbot, wie es die Tarifvertragsparteien am 27. Mai 1991 vereinbart haben, keineswegs zwingend vorgegeben.
VI. Die von der Beklagten demnach mit der Zahlung der Prämie an die nichtstreikenden Arbeitnehmer herbeigeführte Maßregelung der streikenden Arbeitnehmer ist nach Nr. 1 der Maßregelungsvereinbarung vom 27. Mai 1991 rückgängig zu machen. Das kann nur in der Weise geschehen, daß auch die streikenden Arbeitnehmer eine entsprechende Zulage erhalten (Senatsurteil vom 4. August 1987 – BAGE 56, 6, 13 f. = AP Nr. 88 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, zu 5 der Gründe). Der Kläger, der an einem Tag am Streik teilgenommen hat, hat daher Anspruch auf Zahlung von 50,– DM. Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
Auf die Revision des Klägers ist daher das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und der Klage unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts stattzugeben.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da sie unterlegen ist, § 91 ZPO.
Unterschriften
Dr. Kissel, Dr. Weller, Dr. Rost, Dr. Bartelt, Lappe
Fundstellen
Haufe-Index 915991 |
BB 1993, 1514 |